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Drittes Capitel.

Der Kaiser hatte den Saal verlassen; in zierlichen Gesprächen ergingen sich Fürsten, Ritter und Höflinge durch die geschmückten Hallen, viele vom duftigen Gartenhauch und dem kühldurchweheten Firmament auf eine offne Galerie hinausgelockt, die in kühner, fast schwindliger Höhe die Aussicht freygab über Grotten und Fischteiche, Gehölz und Wiesen, hoch ob der Stadt hinaus bis in das leuchtende Meer.

Thiodolf mußte dabey an den Bogengang denken, welcher längs des großen Freyherrn Burg nach dem Thiergarten zu hinlief, und wie unendlich prachtvoller und größer hier auch Alles erschien, drang ihm doch eine heiße Sehnsucht nach jenen theuern Umgebungen durch die Brust. –

»Und wer weiß,« dachte er bey sich selbst, »ob dorten noch Burg und Halle und Garten feststeht, wie ich es verließ! Menschenwerke sind so gar gebrechlicher und vergänglicher Art. Das hab' ich wohl schon selbst an Castelfranco erlebt.«

Ueber dergleichen Gedanken und Erinnerungen war ihm Glykomedon beynahe ganz aus dem Sinne gekommen, aber um so stechender blitzte ihm dessen Erscheinung in die Seele, als der hochmüthige Hofmann sich – es schien absichtlich – in seinen Weg stellte, und ein seltsames Lächeln auf ihn fallen ließ.

»Wir haben uns schon gesehen!« sprach Thiodolf ihn an, und vor der festgehaltnen Zornesgluth in den blauen Nordlandsaugen mußte doch der zierliche Handelsfürst auf einen Augenblick seine Wimpern niederschlagen. Bald aber wieder dreist gemacht durch den Gedanken an eine höfische Gewalt und die Unverletzbarkeit des kaiserlichen Burgfriedens, sagte er mit leichthinspielendem Hohn:

»O ja freylich, lieber Herr, wir haben uns schon gesehen, aber leider ging es gar zu flüchtig damit. Anfangs saßet Ihr mir ein wenig zu hoch in dem Kastanienwipfel, als daß ich Euch mit gehöriger Würdigung hätte betrachten können, und nachher lieft Ihr wieder unmäßig schnell eines entgegengesetzten Weges, während ich mit einer gewissen schönen Dame nach dem Marseiller Hafen hinab wandelte.« –

»Die habt Ihr doch vermuthlich ihrem Vater wiedergebracht?« fragte Thiodolf ganz gelassen. –

»Das hab' ich so wenig gethan, lachte Glykomedon, »als Ihr es gethan hättet, wenn sie mit Euch lieber gegangen wäre, als mit mir.« –

Thiodolfs Augen funkelten wilder, aber übrigens zeigte er sich ganz ruhig. – »Werther Herr,« fuhr er gegen Glykomedon fort, »wie habt Ihr sie denn aber zu Schiffe gebracht? Gewalt, sollte ich meinen, ließ sich doch im Marseiller Hafen nicht wohl anwenden; wenigstens von Euch wahrhaftig nicht. –

»Nachdem es gefallen wäre,« erwiederte Glykomedon stolz. »Aber lieber, junger Herr, Ihr hattet mir es bequemer gemacht. Was blieb mir weiter zu thun, als ihr einzureden, der zornige Isländer habe ihre väterliche Burg schon dem Boden gleich gemacht, und senge und brenne bereits an einem Stückchen Marseille, immer dem entflohenen holden Raube nach! Da ließ sie es sich gern gefallen, daß ich sie bey Nacht und Nebel einschiffte, und mit ihr alsbald hinaussegelte; je weiter von den provenzalischen Küsten fort, je lieber war es der eingeschüchterten Taube. Und so hab' ich es denn damit gehalten, bis wir in den Hafen von Konstantinopolis eingelaufen sind.« –

»Nachher aber?« fragte Thiodolf, noch immer mit gesetzter Haltung und Stimme. –

»Grollt mir nicht darum, entgegnete Glykomedon, »daß ich sie Euch aus den Händen gespielt habe. Schön war sie freylich, aber ein kaltherziges, frömmelndes Ding. Wie sie nun in keine meiner Wünsche eingehen wollte, und ich sie doch auch nicht verhandeln konnte, ihres hohen, weitberühmten Stammes wegen, ließ ich sie laufen, und weiß in der That nicht, was seitdem aus ihr geworden sein mag.« –

»Wißt Ihr nicht? In der That nicht?« murmelte Thiodolf durch seine zusammengebissenen Zähne. »Nun du jämmerlicher, hohlsinniger Bursch, das glaub ich dir in der That ganz gerne, denn du siehst mir vollkommen darnach aus. Um so weniger ist es aber auch nöthig, daß deinesgleichen noch länger diese lustige Himmelsluft mit Ein- und Ausathmen so schmählig verderbe.« –

Und voll entsetzlicher Gewandtheit hatte er den Unglücklichen im Nacken, dessen Hülfeschreyen nur kaum vernehmlich ward, als er auch schon gewaltigen Schwunges, weit über das Geländer der Galerie weg, in die Tiefe hinunterflog.


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