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Dreyßigstes Kapitel.


Der Frühling war schon hell über die nordlichen Lande hereingekommen, da wendete eines Morgens nach einem siegreich durchkämpften Nachtreffen wider den furchtbarsten Störenfried dieser Marken, Sintram sein Roß nach der Stammburg heim. Singend zogen ihm seine Reisigen nach. Wie man näher kam, tönte fröhlicher Hörnerschall von der Veste herüber. »Es muß uns ein lieber Besuch gekommen seyn,« sagte der Ritter, und spornte sein Roß zu schnellerem Trabe über die thauhelle Wiese hin. Schon von weitem sahe man den alten Rolf geschäftig, unter den Bäumen vor dem Thore eine Tafel zum Morgenimbiß zu bereiten. Von allen Zinnen und Thürmen weheten Banner und Fähnlein lustig in der erfrischenden Frühlingsluft, die Knappen rannten in Festkleidern hin und her. Wie der fromme Rolf seinen Ritter gewahr ward, schlug er fröhlich die Hände über das graue Haupt zusammen, und eilte nach der Burg hinein. Bald gingen die Thorflügel feyerlich von einander, und dem indessen heran gekommenen Sintram ging Rolf entgegen, Freudenthränen an den Wimpern, und zeigte auf drey herrliche Gestalten, die ihm folgten.

Da führten zwey hohe Männer – der eine uralt, der andere fast in beginnenden Greisenjahren und Beyde sich ungemein ähnlich. – in ihrer Mitte einen wunderschönen Jüngling, in himmelblau, sammetnen Pagen-Kleidern, reich mit goldenem Laubwerke geziert. Die beyden Alten trugen schwarzsammetne Deutsche Bürgertracht, schwere Goldketten mit großen leuchtenden Schaupfennigen um Hals und Brust.

Sintram hatte seine erhabenen Gäste noch nie gesehen, und dennoch kamen sie ihm wie längst vertraute Bekannte vor. Der uralte Greis mahnte ihn an seines sterbenden Vaters Worte von dem Schneeberge, welchen die Abendsonne anstrahle, und er erinnerte sich dabey, er wußte selbst nicht wie, einmahl von Folko gehört zu haben, in den südlichen Landen nenne man einen der höchsten Gipfel dieser Art den Sanct Gotthards-Berg. Da wußte er auch mit einem Mahle, daß der alternde, frischkräftige Mann zur andern Seite Rudlieb hieß. Aber der Jüngling in beyder Mitte, – ach Sintram getrauete sich in seiner Demuth kaum zu hoffen, wer es seyn könne, wie stolz und sanft ihm dessen Züge auch zwey hochverehrte Bilder herauf riefen!

Da trat der alte Gotthard Lenz, der König der Greise, feyerlich gegen ihn heran, und sagte:

»Dieß ist der Edelknecht Engeltram von Montfaucon, des großen Freyherrn von Montfaucon einziger Sohn, und Vater und Mutter senden ihn dir, Herr Sintram, wohl wissend um deine fromme, hochherrliche Ritterlichkeit, auf daß du ihn erziehest zu aller Ehre und Kraft des Nordlandes, und ihn, zu einem Christenhelden machest, gleich dir.«

Sintram schwang sich vom Rosse. Da hielt ihm Engeltram von Montfaucon gar zierlich den Bügel; die sich zudrängenden Reisigen freundlich ernst mit den Worten zurückweisend: »ich bin der edelste Knappe dieses hohen Ritters, und mir gehört der nächste Dienst um ihn.«

Sintram kniete im stillen Gebethe auf den Rasen nieder, dann hob er Folko’s und Gabrielens Ebenbild hoch empor, der Morgensonne entgegen, und rief: »mit Gotteshülfe, mein Engeltram, wirst du, wie die, und deine Laufbahn der ihren gleich!«

Rolf aber sagte, vor Freude weinend: »Herr nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren!« – Gotthard Lenz und Rudlieb Lenz lagen an Sintrams Herzen: der Kapellan von Drontheim, der eben jetzt von Verenens Kloster herüber kam und dem starken Sohne abermahls einen fröhlichen Morgengruß brachte, breitete die Hände segnend über alle.

Möglich, daß es euerem Dichter dereinst vergönnet wird, die herrlichen Thaten zu erzählen, welche Engeltram von Montfaucon unter Sintrams Leitung, und späterhin auf mannigfachen Fahrten auch allein, in Gottes Dienst und zu der Frauen Ehre vollbracht hat.


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