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Zwey und zwanzigstes Kapitel.


Es ging schon hoch gegen Morgen, da wachte Rolf, der etwas eingenickt war, von einem leisen Singen auf, und als er sich umsahe, gewahrte er erstaunend, daß es von den Lippen des Vogtes gleite. Dieser sagte, wie erläuternd: »so singt jetzt Herr Weigand an der Klosterpforte, und sie thun ihm freundlich auf;« wonach der alte Rolf abermahls einschlief, ungewiß, ob er es im Wachen oder im Traume vernommen habe.

Nach einer Weile aber weckte ihn auf das neue das helle Sonnenlicht, und wie er empor fuhr, sahe er das Antlitz des Vogtes wunderbar von den röthlichen Morgenstrahlen verklärt, und überhaupt die Züge des ehemahls Furchtbaren von einer anmuthigen, ja ordentlich kindlichen, Milde leuchten. Dabey horchte der seltsame Mann in die stille Luft hin, als belauschte er ein höchst ergetzliches Gespräch, oder eine herrliche Musik, und wie Rolf sprechen wollte, winkte er ihm bittend, daß er stille bleibe, und blieb angestrengt in seiner horchenden Stellung.

Endlich senkte er sich langsam und behaglich auf den Sessel zurück, flüsternd: »Gottlob, sie hat ihm seine letzte Bitte gewährt; er wird auf dem Klosterkirchhofe begraben, und nun hat er auch mir im tiefsten Herzensgrunde verziehen. Ich kann euch sagen, er findet ein recht sanftes Ende.«

Rolf trauete sich nicht, zu fragen, nicht, seinen Herrn zu erwecken; ihm war, als spreche bereits ein Abgeschiedener zu ihm.

Der Vogt blieb eine ganze Zeit lang still, und lächelte immer heiter vor sich hin. Endlich richtete er sich ein wenig auf, horchte wieder, und sagte: »es ist vorbey. Die Glocken läuten sehr schön. Wir haben überwunden. Ey, wie so gar leicht und süß macht es der liebe Gott!«

Und so war es denn auch. Er streckte sich müde zurück, und seine Seele war aus dem trüben Körper befreyet.

Leise weckte nun Rolf seinen jungen Ritter, und wies auf den lächelnden Todten Da lächelte Sintram auch; er und sein frommer Knappe sanken auf die Knie, und betheten zu Gott für den geschiedenen Geist. Dann erhoben sie sich, und trugen den kalten Leib in das Gewölbe, und warteten mit geweiheten Kerzen dabey auf die Rückkehr des Kapellans. Daß der Pilger nicht wieder komme, wußten sie wohl.

Gegen die Mittagsstunde kam denn auch der Kapellan einsam zurück. Er konnte fast nur bestätigen, was ihnen schon bekannt war. Nur einen labenden Hoffnungsgruß von Sintram’s Mutter fügte er ihrem Sohne hinzu, und daß der selige Weigand eingeschlafen sey, wie ein ermüdetes Kind, während ihm Verena das Crucifix mit stiller Freundlichkeit immer vorgehalten habe.

»So macht es der Herr uns leicht!« sang der Jüngling leise vor sich hin, und sie bereiteten dem nun so milden Vogte sein letztes Bett, und senkten ihn mit allen gehörigen Bräuchen feyernd hinein. Der Kapellan mußte gleich nachher wieder scheiden, aber er durfte bey dem Lebewohl noch freundlich zu Sintram sprechen: »Deine liebe Mutter weiß es gewiß, wie fromm und still und gut du jetzt bist!«


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