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Sechszehntes Kapitel.


Das Leben auf der Burg erhielt von da an eine ganz andere Gestalt. Die beyden freundlich erhabenen Wesen, Folko und Gabriele, waren meistens immer in ihren Kammern, und wenn sie erschienen, geschahe es in stiller Würde und im schweigenden Ernste, und Biörn und Sintram standen mit scheuer Demuth vor ihnen. Dennoch konnte der Burgherr den Gedanken nicht ertragen, daß seine Gäste zu eines andern Ritters Herd zögen. Als Folko einmahl davon sprach, trat etwas wie eine Thräne in des wilden Mannes Auge. Er senkte sein Haupt, und sagte leise: »wie ihr wollt. Aber ich glaube, ich fliege Tages darauf den Felsen hinab.«

So blieb man also beysammen; denn immer unbändiger tobte Sturm und Meer, daß an keine Schifffahrt zu denken war, und sich die ältesten Greise keines solchen Herbstes in Norwegen zu erinnern wußten. Die Geistlichen schlugen alle Bücher mit Runenschrift nach, die Skalden blickten auf ihre Sagen und Lieder, und fanden dergleichen nicht.

Biörn und Sintram trotzten dem Unwetter. Die wenigen Stunden, wo Folko und Gabriele sich zeigten, waren auch Vater und Sohn in der Burg, wie ehrerbiethig aufwartend; die übrige Zeit des Tages, oft ganze Nächte hindurch, toseten sie in den Wäldern und Felsthälern, und hielten Bärenjagd.

Folko both während der Zeit alle Anmuth seines Geistes, alle Zier seiner edlen Sitte auf, um Gabrielen vergessen zu machen, daß sie in dieser wilden Burg wohne, und daß der starre Norwegische Winter bereits heraufsteige, um sie hier für ganze Monathe einzueisen. Bald erzählte er blühende Mährchen, bald spielte er fröhliche Weisen, und bath Gabrielen, mit ihren Frauen einen Tanz dazu aufzuführen; dann wieder, seine Laute an eine der Fräulein abgebend, mischte er sich selbst in den Tanz, und wußte dabey der Herrinn auf eine immer neue Art seine Huldigung zu bezeigen; dann veranstaltete er in den geräumigen Schloßhallen Übungskämpfe zwischen seinen Bewaffneten, und Gabriele hatte dem Sieger irgend ein zierliches Kleinod zu reichen; oft begab er sich in die Kreise der Fechtenden, aber so, daß er ihren Angriffen nur vertheidigend begegnete, und niemanden um den Preis brachte. Die Norweger, die als Zuschauer umher standen, pflegten ihn dem Halbgotte Baldur aus ihrer alten Sagenwelt zu vergleichen, wie er die Geschosse der übrigen Asen auf sich richten lasse, zum Spiele; seiner in ihm wohnenden Unverwundbarkeit und Herrlichkeit bewußt.

Nach einer solchen Kampfesübung trat einmahl der alte Rolf gegen ihn heran, winkte ihn mit freundlicher Demuth bey Seite, und sagte leise: »sie nennen euch den schönen, hochgewaltigen Baldur, und sie haben Recht. Aber, auch der schöne, hochgewaltige Baldur erlag. Nehmet euch in Acht.«

Folko sahe ihn staunend an.

»Nicht,« fuhr der Alte fort, »daß ich von irgend einer Nachstellung wüßte, oder dergleichen auch nur entfernt ahnden könnte. Gott behüthe einen Normann vor solcher Furcht. Aber wie ihr so gar glänzend und hochherrlich vor mir steht, dringt die Vergänglichkeit alles Irdischen übergewaltig in meinen Sinn, und ich kann nicht anders, als zu euch sprechen: hüthet euch, ach hüthet euch, edler Freyherr. Auch die schönste Herrlichkeit geht zu Ende.«

»Das sind fromme, gute Gedanken,« entgegnete Folko freundlich, »und ich will sie in einem feinen Herzen bewahren, mein treuer Allvater.«

Überhaupt war der fromme Rolf oftmahls um Folko und Gabrielen, und hielt ordentlich ein Band zwischen den zwey so gar verschiedenen Haushaltungen der Veste. Denn wie hätte er je von seinem Sintram lassen können! Nur in die wilden Jagdfahrten, durch das wüste Sturm- und Regenwetter hin, vermochte er ihm nicht mehr zu folgen.

Da war zuletzt der klare Winter heraufgestiegen in seiner vollen Majestät. Ohnehin blieb nun die Heimfahrt nach der Normandie verwehrt, und das zauberische Unwetter schwieg. Hell glänzten in ihrem überreiften Feyerkleide die weißen Ebenen und Berge, und Folko pflegte bisweilen, Schlittschuhe an den Füßen, seine Herrinn windesschnell auf einem leichten Schlitten über die krystallfunkelnden, fest gefrorenen Seen und Ströme dahin zu flügeln.

Von der andern Seite nahm die Bärenjagd des Burgherrn und seines Sohnes ihren desto kühneren, beynahe sogar fröhlichen Gang.

Um diese Zeit – Weihnachten nahete schon heran, und Sintram suchte die Furcht vor seinen bevorstehenden Träumen im wildesten Waidwerke zu übertäuben, – um diese Zeit standen Folko und Gabriele zusammen auf einem der Burgaltane. Jetzt eben war es ein milder Abend; die Schneegegend leuchtete anmuthig in der Spätsonne glührothem Flimmern; von unten herauf sangen aus der Schmiedehalle einige Mannen bey ihrem schönen Werke Lieder aus der uralten Heldenzeit. Endlich aber schwieg der Sang, der Hammerschlag rastete, und ohne daß man die Theilnehmer sehen oder an der Stimme erkennen mochte, hob sich folgendes Gespräch an:

»Wer ist der kühnste Recke unter allen denen, die aus unserm hohen Vaterlande ihren Stamm herleiten?«

»Das ist Folko von Montfaucon.«

»Gut geantwortet; aber sage mir: gibt es denn nicht irgend etwas, vor dessen Ausführung auch der große Freyherr sich abwendet?«

»Freylich gibt es so etwas. Und wir, die wir in Norwegen daheim geblieben sind, wir treiben es ganz fröhlich und leicht.«

»Das wäre?«

»Die Bärenjagd im Winter, eisstarrende Abgründe hinunter, über endlose Schneefelder fort.«

»Wohl sagst du recht, mein Gesell. Wer unsere Schneeschuhe nicht an die Füße zu spannen, sich nicht in einem Augenblicke rechts und links darauf zu wenden weiß, der mag wohl sonst ein hochgewaltiger Ritter seyn, aber in unsern Bergen, auf unsern Jagden, da hält er besser sich fern, und bleibt bey der niedlichen Frau in den Gemächern.«

Man hörte die Sprechenden vergnügt zusammen lachen und wie sie dann ihr mächtiges Schmiedewerk wieder begannen.

Folko blieb lange nachdenkend stehen. Es funkelte noch etwas Anderes, als das Spätroth, auf seinen Wangen. Auch Gabriele sann im tiefen Schweigen einem unbekannten Etwas nach. Endlich ermannte sie sich, umfaßte ihren Liebling, und sagte: »nicht wahr, morgen ziehest du auf die Bärenjagd hinaus, und bringest deiner Dame den Preis des Waidwerkes heim?«

Fröhlich bejahend neigte sich der Ritter, und der übrige Abend verging unter Tanz und Saitenspiel.


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