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Zehntes Kapitel.


Von dem großen Freyherrn geführt, ging, Angesichts der beyden Heere, Sintram mit glühenden Wangen und demüthig gesenktem Blicke den Hügel hinauf, wo Gabriele in aller ihrer leuchtenden Schönheit stand. Beyde Kämpfer senkten sich vor ihr auf das Knie, und Folko sagte feyerlich: »Dame, dieser junge Fechter von edlem Blute hat des heutigen Sieges Preis verdient. Ich bitte euch, ertheilet ihm denselben aus euerer schönen Hand.«

Gabriele neigte sich freundlich, wand ihre blau und goldene Sammetschärpe los, und knüpfte daran ein funkelndes Schwert, das ein Edelknabe auf einem Küssen, mit Silber gestickt, trug. Dann streckte sie die herrliche Gabe lächelnd gegen Sintram hin, und dieser beugte sich schon, sie zu empfangen; aber plötzlich hielt Gabriele inne, wandte sich zu Folko, und sprach: »edler Bannerherr, soll dieser, den ich mit Schwert und Schärpe schmückte, nicht lieber ein Ritter seyn?«

Federleicht sprang Folko empor, neigte sich tief vor der Herrinn, und gab dem Jünglinge mit ernster Würde den Ritterschlag. Dann hing ihm Gabriele das Schwert über, sprechend: »für Gott und reiner Frauen Ehre, mein junger Held. Ich sahe euch fechten, ich sahe euch siegen, und mein inniges Gebeth flog euch zu. Fechtet und sieget noch oft, wie heute, daß die Strahlen eueres Ruhmes herüber leuchten bis in mein fernes Land.«

Und auf Folko’s bittenden Wink both sie dem neuen Ritter ihre zarten Lippen zum Kusse.

Durchglüht, aber wie geheiligt, erhob sich der tiefschweigende Sintram, und heiße Thränen strömten über sein gemildertes Antlitz, während der Zuruf und die Kriegeshörner aller Scharen den verherrlichten Jüngling mit betäubendem Jubel begrüßten. Der alte Rolf aber stand ruhig zur Seite, schauete in seines Zöglings fromm leuchtende Augen, und bethete still und froh:

»All’ Fehd’ hat nun ein Ende
Vor reicher Segensspende!
Der böse Feind erliegt.«

Biörn und Eirik Jarl hatten während der Zeit sehr lebhaft, aber nicht unfreundlich, zusammen geredet. Jetzt führte der Sieger den Besiegten auf den Hügel, und stellte ihn dem Freyherrn und Gabrielen vor, sprechend: »wir sind nun zwey Bundesgenossen worden aus zwey Feinden, und ich bitte euch, meine lieben Gäste und Stammverwandten, daß auch ihr ihn mit freundlicher Huld aufnehmen wollt, als einen, der immer zu uns gehört«

»Thut es immer,« fügte Eirik lächelnd hinzu. »Wohl habe ich es mit der Rache versucht, aber zu Wasser und zu Lande geschlagen, begnügt man sich wohl endlich. Und Gottlob! unrühmlich bin ich nicht erlegen, weder im Griechenmeere vor dem Seekönige, noch auf der Niflungs-Heide vor euch.« Das bejahte ihm Herr Folko von Montfaucon mit freundlichem Handschlag, und die Sühne ward gehalten auf das herzlichste und feyerlichste. Eirik Jarl redete dabey zu Gabrielen in so edel zierlichen Worten, daß sie den eisgrauen, riesengroßen Helden mit freundlich staunendem Lächeln ansahe, und ihm die wunderschöne Hand zum Kusse reichte.

Sintram sprach indessen angeblich mit seinem frommen Rolf, und man vernahm zuletzt, wie er sagte: »vor allen Andern aber begrabe mir den wunderlich tapfern Feindesritter, den meine Streitaxt traf. Suche ihm den schönsten Hügel zum Ruhebette aus, die herrlichste Eiche zum Dache. So auch löse vorher sein Visir, und schaue ihm achtsam in das Angesicht, damit man nicht etwa einen Todtwunden lebendig einscharre; auch, daß du berichten könnest, wie derjenige ausgesehen habe, dem ich diesen Herrlichsten aller Siegespreise verdanke.«

Rolf neigte sich freundlich, und ging.

»Unser junger Held fragt dort« – sagte Folko, zu Eirik Jarl gewendet – »nach einem erschlagenen Kriegsmanne, von dem ich gern nähere Kunde hätte. Wer, mein lieber Herr, war denn jener wundersame Hauptmann, der euer Fußvolk so meisterlich führte, und nur kaum vor Sintrams gewaltiger Streitaxt erlag?«

»Ihr fragt mich mehr, als ich eigentlich selbst weiß;« entgegnete Eirik Jarl. »Es sind nur drey Nächte vergangen, seit der Fremde bey mir landete. Ich saß Abends mit meinen Kampfesbrüdern und Mannen am Herde; wir schmiedeten Waffen, und sangen dazu. Plötzlich schmetterte durch Hammerklang und Lied ein so gewaltiger Ton, daß wir ganz still wurden, und sitzen blieben wie erstarrt. Nicht lange, da brüllte es noch einmahl so, und wir merkten, es müsse der Klang eines ungeheueren Hornes seyn, das wohl irgend wer vor der Veste, Einlaß begehrend, blase! Nun ging ich selbst hinunter nach dem Burgthore, und wie ich über den Hof schritt, waren alle meine Hunde vor dem seltsamen Lärm erschreckt, daß sie statt zu bellen, winselten, und sich in ihre Hütten verkrochen. Ich schalt sie, und rief sie auf, aber auch die kühnsten wollten nicht mit. – ›Da will ich euch zeigen,‹ dachte ich, ›wie man es machen muß;‹ faßte meinen Schwertgriff fest, stieß die Fackel dicht neben mir in den Grund, und ließ die Pfortenflügel ohne Weiteres aufklingen. Denn leicht, das wußte ich wohl, kam mir wider meinen Willen doch niemand herein.

Ein lautes Gelächter scholl mir von draußen entgegen, und die Worte: ›Hei! Hei! Was es hier für gewaltige Anstalten gibt, um einem einzelnen kleinen Manne die begehrte Gastlichkeit zu erzeigen.‹ – Und wirtlich überlief es mich, wie Schamröthe, als ich mir gegen über den kleinen Fremdling so ganz allein stehen sah. Ich rief ihn vor allen Dingen herein, und both im die Hand; aber er schien noch allzu unwillig, und wollte mir seine durchaus nicht geben. Im Hinaufgehen aber ward er freundlicher, zeigte mir auch das goldene Horn, worauf er geblasen; er hatte noch ein zweytes derselben Art, und trug beyde auf seinem Helme angeschraubt.

Droben in der Halle erwies er sich ganz seltsam. Bald war er lustig, bald ärgerlich, bald höflich, bald neckisch, ohne daß man einsehen konnte, warum er sich mit jedem Augenblicke verwandle. Ich hätte gern gewußt, woher er sey, aber wie konnte ich meinen Gast darum befragen! Nur so viel gab er von selbst zu erkennen: ihn friere es gewaltig in unsern Landen. Bey ihm daheim sey es viel wärmer. Auch wußte er sehr gut Bescheid von der Kaiserstadt Konstantinopolis, und erzählte grauenvolle Geschichten, wie daselbst Bruder und Bruder, Oheim und Neffe, ja wohl gar Vater und Sohn, einander vom Throne stoße, blende, verstümmle und morde. Endlich nannte er auch seinen Nahmen, und der klang Griechisch und vornehm, aber niemand von uns konnte ihn behalten.

Bald jedoch zeigte er sich als einen der besten Waffenschmiede. Leicht und kühn verstand er das glührothe Eisen zu fassen und zu gestalten, und zwar zu den mörderischsten Gewehren, von denen ich je gehört habe. Das verboth ich ihm indessen, weil ich gesonnen war, nur mit gleichen Waffen, und solchen, als unser Nordland von jeher gesehen hat, wider euch in den Streit zu rücken. Da lachte er, und meinte, man könne es auch ohne dem zwingen: mit gewandten Schwenkungen und dergleichen; ich solle ihm nur mein Fußvolk zu führen geben, da sey der Sieg gewiß. Nun dachte ich freylich: ›guter Waffenschmied ist guter Waffenschwinger!‹ Doch wollte ich Proben von ihm sehen. Ihr Herren, da hat er Wettkämpfe gehalten, wie man sich es gar nicht erdenken mag, und obwohl der junge Sintram weit und breit berühmt, als ein starker und ringfertiger Held, kann ich es doch kaum begreifen, daß er einen solchen hat erschlagen können, als mein Griechischer Bundesgenosse war.«

Er hätte noch weiter geredet, aber du fromme Rolf kam eilig mit einigen Knappen zurück, und sahe, wie auch sein Gefolge, so geisterbleich aus, daß aller Augen sich unwillkürlich auf ihn richteten, und auf die Botschaft, die er zu bringen habe. Er stand und schwieg zitternd.

»Muth gefaßt, mein alter Freund!« sprach Sintram. »Was du immer berichten magst: aus deinem getreuen Munde ist es Wahrheit und Licht.«

»Herr Ritter,« begann der Greis seine Rede, »haltet es zu gut, aber den fremden Kämpfer, den ihr erschlagen habet, konnten wir durchaus nicht begraben. Oder hätten wir ihm nur das Visir, das weit vorstarrende, häßliche Visir, nicht aufgethan! Denn ein so abscheuliches Angesicht grinzte darunter hervor, ordentlich höllenmäßig vom Tode verzerrt, daß wir nur kaum unserer Sinne mächtig geblieben sind. Behüthe uns Gott, daß wir ihn hätten anfassen sollen. Lieber sendet mich zu todten Bären und Wölfen in die Wüste, und laßt mich zuschauen, wie die Adler, Geyer und Falken daran schmausen.«

Alle schauderten zusammen, und blieben eine Zeit lang still. Endlich ermannte sich Sintram und sprach: »Alter, lieber Alter, woher diese wilden Worte, welchen du doch immer bis heute ganz fremd und abhold warest? – Und ihr, Herr Eirik, ist euch denn der Griechische Bundesgenosse auch im Leben so gar entsetzlich erschienen?«

»Daß ich nicht wüßte;« erwiderte Eirik Jarl, und sahe fragend im Kreise seiner Waffenbrüder und Mannen umher. Die bestätigten seinen Spruch. Nun ergab es sich zuletzt, daß weder Herr noch Ritter, noch Reisiger, genau zu sagen wußte, wie denn eigentlich der Fremde ausgesehen habe.

»Da wollen wir es jetzt erkunden, und zugleich den Leichnam begraben;« sprach Sintram, und lud die ganze Versammlung freundlich winkend ein, ihm zu folgen. Alle thaten es, den Freyherrn ausgenommen, welchen Gabrielens zagendes Flüstern bey der holden Frau zurück hielt.

Er versäumte nichts damit. Denn wie man auch Niflungs-Heide wohl zehn und zwanzig Mahl suchend nach allen Seiten durchstrich: der Leichnam des seltsamen Kämpfers war nicht mehr zu finden.


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