Max Eyth
Der Kampf um die Cheopspyramide
Max Eyth

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20. Kapitel
Des Propheten Geburtstag à la franca

Nach einer Abwesenheit von mehreren Monaten war die Mahrussa, die prachtvolle neue Yacht des Vizekönigs, unter dem Donner der Geschütze, die zum erstenmal hundertundeinen, statt einundzwanzig Kanonenschüsse abgeben durften, in Alexandrien wieder eingelaufen. Die zweite Hauptstadt des Landes hatte ihren Herrscher bereits pflichtschuldigst mit Jubel, Illumination und Feuerwerk begrüßt. Man wußte, er kam nicht mit leeren Händen von seinem zweiten Besuch in Konstantinopel zurück, wo die endlosen Verhandlungen diesmal ebenso erfolgreich als kostspielig gewesen waren. Dies wollten die Eingeweihteren aus den vergnüglich blinzelnden Augen des neuen Herrn von Ägypten und dem langen Gesicht Kivork-Beys, seines konstantinopolitanischen Bankiers, schließen, der ihn auf der Rückfahrt begleitete, um seine leeren Kassen ohne Verzug in Kairo wieder zu füllen. Denn was sich Ismael Pascha diesmal vom Sultan Abdul Asis erkaufen konnte, hatte gewaltig runde Summen gekostet, und alles, nach was sein Herz lüstete, war noch nicht einmal käuflich gewesen.

Man munkelte – und es war so – daß das uralte Erbfolgegesetz mohammedanischer Herrscherfamilien durch einen Firman des Sultans und Kalifen der Gläubigen umgestoßen werden solle, sobald die goldene Überredungskunst des Vizekönigs auch die Ulemas von Kairo überzeugt habe, daß der Koran in dieser Beziehung mißverstanden worden sei. Der Schech ul Islam zu Stambul hatte diese Überzeugung gegen einen Jahresgehalt von 15 000 türkischen Pfund, wie einige wissen wollten, bereits gewonnen und wie das unerbittliche Schicksal stiegen die Wetterwolken am Horizont von Schubra auf, wo Halim, der altberechtigte Thronfolger, ahnungslos seine Baumwolle baute. Die Forderung einer direkten Erbfolge nach europäischem Muster, welche Ismael Pascha mit allen ihm zu Gebot stehenden Mitteln verfolgte, war dem Sultan ein willkommener Vorgang; denn er wünschte nichts sehnlicher, als für seinen eigenen Sohn in Konstantinopel zu tun, was für das kränkliche Söhnchen seines Vizekönigs in Ägypten verlangt wurde. Armer Sultan. Auf irgendeinem Diwan seines Harems lag schon die Schere, die seiner eigenen Herrschaft, geschweige denn der seines Sohnes, ein Ende machen sollte.

Auch in anderer Richtung hatten der schlaue und ehrgeizige Pascha und seine fürstlichen Bakschischs Zugeständnisse von hoher Bedeutung erreicht: das Recht, Heer und Flotte beträchtlich zu vergrößern; das Recht, auch die höchsten Beamten des Landes ohne Rücksicht auf Konstantinopel zu ernennen; das Recht der Verleihung von Dekorationen; das Recht, eigenes ägyptisches Geld zu prägen; das Recht Handelsverträge abzuschließen; das Recht, politische Agenten in Europa aufzustellen – all das hatte die Pforte bewilligt, nachdem ihre Angeln entsprechend geölt worden waren. Die völlige Unabhängigkeit Ägyptens war das Ziel dieser Schritte. Als Wegegeld mußte allerdings für den Augenblick der Tribut, den das Land dem Sultan zu bezahlen hatte, nahezu verdoppelt werden. Nur der ersehnte Titel ›Asis el Mosr‹ – Herrscher von Ägypten – ließ sich vorläufig nicht erkaufen und das spätere ›Khedive‹ war noch niemand eingefallen. Dies war der einzige unangenehme Fleck in dem Festglanze, den die aufgehende Sonne über Ägypten verbreitete.

Grämliche Leute, die etwas weiter in die Zukunft blickten, sahen allerdings noch einige andere trübe Punkte. Der zweite Besuch des Vizekönigs bei seinem Padischa hatte das dreifache vom ersten gekostet, und dieser hatte schon Millionen verschlungen. Dann war vor wenigen Monaten der Streit mit Lesseps und der Suezkanalgesellschaft durch den Schiedsrichterspruch Napoleons in dem Sinne entschieden worden, daß Ägypten rund sechzig Millionen Mark an die Gesellschaft zu bezahlen habe, wenn es den Frondienst von monatlich zwanzigtausend Fellachin am Kanal und gewisse Landkonzessionen aufzuheben wünsche, die der gutmütige, leichtbetörte Said-Pascha seinem Freund Lesseps gemacht hatte. Dies war aber nur der Anfang einer Reihe ähnlicher Verpflichtungen, welche hydraartig, eine aus der andern, herauszuwachsen schienen und Ägypten schließlich eine Last von dreihundertvierzig Millionen für den Kanal auferlegten, der ihm den Weltverkehr heute an der Nase vorbeiführt. Kein Wunder, daß das erste Anlehen im Betrag von hundertvierzehn Millionen Mark, mit dem der Vizekönig seinen Regierungsantritt gefeiert hatte, längst verbraucht war, und daß die runde Summe von achtundsechzig Millionen, das Ergebnis der ersten Anleihe auf seine Privatvermögensverwaltung, die sogenannte Daira, zur Neige ging. Dafür hatte Sadyk Pascha die Kunst das Schuldenmachens nach europäischen Regeln erlernt und die Bankiers Europas strömten herbei, um ihm weiteren Unterricht, verbunden mit praktischen Übungen, zu erteilen. Wozu waren Bankiers in der Welt? – Aus Oberägypten kamen zwar schon klägliche Berichte über die jammervolle Armut der Bauern, über Hunger und Not in manchen Distrikten, über die Gewaltsmaßregeln, welche die Mudirs anwenden mußten, um die Frondienste auf den vizeköniglichen Baumwollfeldern im Gang zu erhalten und die schon jetzt auf zwei Jahre vorausbezahlten Steuern einzutreiben. Aber Geld kam doch immer noch, so lange der Boden Baumwolle trug und der Kurbatsch nach alter Landessitte seine Pflicht tat. Man mußte nur den Fellah verstehen und zu behandeln wissen und Sadyk, selbst ein Fellah, verstand dies. – Dagegen konnte eine ganze Reihe großartiger Unternehmen aufgezählt werden, die im Begriff waren das Land zu beglücken: Eisenbahnen und Telegraphen, Flotten auf der See und dem Strom, Bewässerungsanlagen und Dampfkultur, Zucker und Baumwollplantagen, die in einem Maßstab erstehen sollten, wie man sie in der Welt noch nicht gesehen hatte. Das alles mußte schließlich ungezählte Millionen einbringen, wenn es nur einmal im Gang war. Vorläufig galt es, die Güter der Nebenzweige der Familie – Mustaphas, Halims, Tussuns – unter annehmbaren Vorwänden aufzusaugen und zu verwerten. Auch mit den ausgedehnten Besitzungen der Moscheen ließ sich etwas machen, obgleich man hier vorsichtiger sein mußte. Was schließlich das Volk, die Fellachin, besaßen, diese kleeessenden, in Lumpen gekleideten, in Lehmhütten wohnenden Millionen – ja, die besaßen ja eigentlich nichts, denn der Boden auf dem sie standen, war ihnen zu diesem Zweck nur geliehen, und die Luft, die sie atmeten, verlieh ihnen das Recht, für das Gemeinwohl, das der Vizekönig vertrat, zu fronen. – Wo so viel Licht war, konnten einige Schattenstriche nicht fehlen.

So war es nur natürlich, daß Alexandrien den unternehmendsten, den intelligentesten Fürsten des Orients jubelnd empfing und daß auch er sein schönes Land am Nil mit Freuden begrüßte. Durch ein Versehen war zwar auch zu seinen Ohren gedrungen, daß sich in einigen Muderiyen eine gewisse unverständige Gärung gezeigt hatte. Das Fronen am Suezkanal hatte aufgehört; dafür mußte die doppelte Zahl von Fellachin auf den vizeköniglichen Gütern zweimal so lang graben und hacken, und die Nasirs – die Gutsverwalter – waren zweimal so grob als die französischen Ingenieure. In einigen Bezirken in dem ärmeren Oberägypten hatte man die Leute mit militärischer Gewalt abhalten müssen, ihre Palmbäume umzuhauen, weil sie die neue Palmbaumsteuer nicht zahlen wollten; in andern wurde böswilligerweise behauptet, mit oder ohne Palmbäume sei kein Geld mehr zu finden, nachdem man die gesetzlichen Steuern schon auf mehrere Jahre vorausbezahlt habe. Dagegen waren die Bankiers nicht nur willig, sondern förmlich gierig, Geld herbeizuschaffen und wenn das auch zu sieben, zu acht und bald zu zehn und mehr Prozent geschah, so bewies es doch, daß die Einsichtigsten und Weitblickendsten Vertrauen in den Unternehmungsgeist des Vizekönigs und in die Leistungsfähigkeit des Landes hatten. All das und mehr des Widersprechendsten konnte man in Alexandrien und Kairo in allen Tonarten der Entrüstung und der Bewunderung hören.

Mittlerweile war schon vor Wochen, als Vorläufer der Rückkehr Seiner Hoheit, der Befehl in Kairo eingetroffen, daß der bevorstehende Geburtstag des Propheten in besonders festlicher Weise gefeiert werden müsse, nicht bloß um der Freude des Volkes, sondern auch um der Dankbarkeit des Vizekönigs für den Segen Ausdruck zu verleihen, den Allah sichtlich seiner Regierung verlieh. An dieser Feier sollten auch die europäischen Freunde des Hofs in vollstem Maße teilnehmen. Gleichzeitig könne der neuerbaute Palast auf der Gesira, Bulak gegenüber, seine vorläufige Einweihung erhalten, und nichts solle gespart werden, das Fest würdig zu gestalten.

Diese Weisung Effendinis brachte Franz Bey, den wackeren Deutschen, der das dornenvolle Amt des Hof- und Leib-Architekten des Vizekönigs innehatte, an den Rand der Verzweiflung, denn er hatte darauf gerechnet, den neuen Palast in ungefähr zwei weiteren Jahren fertigzustellen. Nur etwa zwei Drittel des königlichen Baues auf der Nilinsel war unter Dach. Aber der Telegraphendirektor von Kairo hielt ihm eigenhändig und wiederholt den Streifen Papier unter die Nase, auf dem der Befehl in unzweideutiger Weise eingepreßt war. Aus der Verwirrung, die durch das Hin- und Hertelegraphieren über Syrien und Kleinasien entstand, ging schließlich hervor, daß achthundert Teilnehmer eingeladen werden müßten und daß Sadyk Pascha und der Minister des Innern für das Gelingen der Veranstaltungen verantwortlich gemacht würden.

Ich sah Franz Bey in diesen Tagen auf einen Augenblick im Hinterstübchen der einzigen Bierwirtschaft Kairos, in der Muski, halb ohnmächtig auf einem alten Sofa liegen. Er winkte mir nur die Bitte zu, nicht mit ihm zu sprechen. Er sei nicht mehr imstande, einen zusammenhängenden Satz anzuhören. Das Gesirapalais und die Gärten in seiner Umgebung trugen jedoch am bestimmten Tage ihr Einweihungsfestgewand, wie befohlen. Der ehrliche Franz Bey hatte sich entschließen müssen, zum erstenmal in seinem Leben ein Potemkinsches Dorf im arabischen Barockstil zu bauen, und hatte dies mit so glänzendem Erfolge fertig gebracht, daß es niemand merkte, den er nicht selbst in die Geheimnisse der uralten Kunst einzuweihen für gut fand. Man mußte allerdings den Ab'dinpalast, den gewöhnlichen Aufenthalt des Vizekönigs in Kairo, des größeren Teils seiner Möbel und Teppiche auf einige Tage berauben. Zwei Eisenbahnzüge brachten Kunstgegenstände und Hausrat aller Art aus dem Palast von Ras el Tin zu Alexandrien. Was in den Gärten des alten Palais El Meks, Said Paschas letzter Wohnstätte, auszureißen war, wurde telegraphisch herbeigeholt. Schließlich wurde eine Allee prächtiger Platanen, die noch Mohamed Ali hinter Schubra gepflanzt hatte, ausgegraben, um die Bäume vor dem glücklicherweise soeben fertig gewordenen großen Kiosk der Gesira aufzupflanzen, und so dem nächtlichen Gartenfest seinen natürlichen Charakter zu wahren. Kurz: Himmel und Erde waren seit vierzehn Tagen in Bewegung infolge von zehn Worten, die der Telegraph aus Konstantinopel herübergeblitzt hatte. Wem es vergönnt war, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, mußte fast mit Entsetzen erkennen, was die Macht des Ostens und die Kunst des Westens mit vereinten Kräften zu leisten vermochten.

Das äußerlich einfach gehaltene, halbfertige Gebäude, welches später das Hauptschloß des Vizekönigs werden sollte, steht unmittelbar am Nil, Bulak, der Hafen- und Fabrikvorstadt Kairos, gegenüber. Drei Flügel umschließen einen nach der Flußseite hin offenen Hofraum.

Ein prachtvolles Portal schmückt die nach dem Garten gekehrte Fassade des nördlichen Seitenflügels, durch das man in eine gewaltige Vorhalle tritt, an deren Seiten sich der Wartesaal, der Empfangssaal, ein großer und ein kleiner Speisesaal und eine Reihe Privatzimmer des Vizekönigs anschließen. Der mittlere und der südliche Flügel sind für die Gäste des Hofes eingerichtet und enthalten eine Reihe von Wohnzimmern, an die sich je zwei Schlafzimmer anschließen. Einem dieser Flügel fehlte noch das Dach gänzlich, dem anderen zur Hälfte. Aber es war gelungen, dort oben eine Art von hängenden Gärten der Semiramis herzustellen, welche lieblich von der Mauerkante herunterwinkten, die man aber allerdings nicht betreten durfte. Dies war um so leichter durchzuführen, als der fliegende Park nur auf Leitern erreicht werden konnte, welche man in einem vernagelten Gastzimmer versteckt hatte. Nördlich vom Schloß stehen die düsteren Gebäude eines Harems, das aus älteren Zeiten stammt und vorläufig unbewohnt war. Diese wären auch den bevorzugtesten Gästen Seiner Hoheit verschlossen geblieben. Was sie irgend Brauchbares enthielten, mußten auch sie vorläufig an das neue Schloß abgeben. – In dem großen Garten, dessen zukünftige Pracht man wenigstens ahnen konnte, stand, zum Glück bereits nahezu fertig, der langgestreckte eiserne Kiosk, ein kleiner Palast im Stil der Alhambra, der einen feenhaften Hintergrund für ein maurisches Gartenfest bilden konnte. Rasch wurden die halbfertigen Teichbecken, welche die Parkanlagen in allen Richtungen zierten, mit Wasser gefüllt, das leider den halbtrockenen Zement mannigfach durchbrach. Trotzdem gelang es, mittelst einer provisorischen Röhrenleitung, die nach einem einen Kilometer entfernten großen Pumpwerke gelegt wurde, die Becken wenigstens auf einige Stunden gefüllt zu erhalten. Es gemahnte an die reinste Zauberei, wie sich die Kalkgruben mit Grün bedeckten und aus Zementfässern reizende Aussichtshügel entstanden. Ja selbst die zwölf höchsten Bäume aus den Palmenwäldern bei Sakara kamen noch rechtzeitig den Nil herunter, so daß, wenn der Mond durch das wallende Gitterwerk der Blätter schien, man nicht im Zweifel sein konnte, im alten unverfälschten Ägypten zu schwärmen. Franz Bey wußte, daß einige der zu erwartenden Gäste dies ungern entbehrt hätten.

Nicht weniger als Architekten und Kunstgärtner mußten sich die eigentlichen maîtres de plaisir Seiner Hoheit anstrengen, um das Programm der Nacht würdig zu gestalten. Zum Glück standen ihnen die phantasievollen Attachés der französischen Gesandtschaft zur Seite, denen ihrerseits mannigfache Ratschläge aus andern Kreisen der Gesellschaft zugingen, so daß es an Gedanken nicht fehlte. Das Fest sollte in den unteren Räumen der zwei bedachten Palastflügel beginnen, wo sich das allgemeine Publikum in den Zimmern der fürstlichen Gäste der Zukunft bei der unvermeidlichen Tasse Kaffee gegenseitig begrüßen und unterhalten konnte, während der Vizekönig in der zum Tanzsaal umgewandelten großen Vorhalle die bevorzugten Eingeladenen empfing und sich vorstellen ließ. Dort sollte sodann ein paar Stunden lang getanzt und dem Maskenscherz freie Bewegung gestattet werden. Dann war geplant, den kleinen Empfangssaal links und den großen Speisesaal rechts zu öffnen. Im ersteren sollte ein Prunkmahl für die hierzu besonders Eingeladenen stattfinden; im andern, der dem leiblichen Wohl der übrigen Gäste gewidmet war, ein offenes Büffet aufgestellt werden. Daran schloß sich das Gartenfest, während für das tanzlustige Europa der Ball wieder aufgenommen wurde. Die Mehrzahl der Gesellschaft sollte sich nach dem großen Kiosk begeben, wo für jeden Geschmack gesorgt werden mußte. Hier war namentlich auch darauf Rücksicht genommen, daß das Fest doch eigentlich ein orientalisches war, das der Vizekönig den Großen seines eigenen Landes gab, was im Schlosse selbst weniger hervortrat, wo alles abendländischen Sitten entsprechend verlaufen sollte. In dem palastartigen Kiosk boten zahlreiche kleine Säle und Gemächer die beste Gelegenheit, für jede Art von Vergnügungen, welche auch die europäischen Gäste auf einige Stunden unterhalten konnten, die nötigen Veranstaltungen zu treffen. Den Schluß endlich sollte ein Feuerwerk bilden, das auf dem großen Teich vor dem Kiosk abgebrannt werden konnte, während die Gäste an hundert Tischchen, die vor dem Teich aufzustellen waren, noch einmal bewirtet wurden, ehe sie in der Morgendämmerung den Heimweg antreten durften. –

Eine Zeitlang, zwei Stunden nach Sonnenuntergang, wimmelte der Nil in der Nähe des glänzend beleuchteten Schlosses, das breite Lichtbrücken über den Strom warf und aus dem festliche Klänge lockend herübertönten, von Booten, welche die vizekönigliche Flagge trugen und die Gäste nach der Gesira brachten. Ganz ohne Verwirrung ging der Empfang nicht ab. Einige der hervorragenden Herren der arabischen Gesellschaft gerieten in ein spärlich beleuchtetes Gewächshaus und brachen durch die liegenden Fenster in kostbare Beete von Ananas; ein würdiger Ulema rief aus einer ungenügend verwahrten Kalkgrube kläglich um Hilfe. Doch fand man sich schließlich zurecht und ein heiteres, fast zu ungezwungenes Treiben entwickelte sich in den Zimmern des mittleren Schloßflügels, wo sich Bekannte in kleineren Gruppen zusammenfinden und von Zeit zu Zeit dem großen Tanzsaal ihren Besuch abstatteten. Dieser bot ein glänzendes, bunt belebtes Bild, das einem europäischen Maskenball aus der Ferne zum Verwechseln ähnlich sah, obgleich nur wenige wirkliche Masken erschienen waren. Aus der Ferne – denn die Türken und Beduinen waren echt, die Turbane und Kaftane von untadeliger Korrektheit, die ungewohnten, phantastischen Uniformen strotzten von wirklichem Gold und Silber. Nur die anwesenden Italiener hatten sämtlich den Wink bezüglich des Nach-Karnevals nicht unbeachtet gelassen und erschienen mit dem ihnen hierfür eigenen Geschmack in grotesken Masken aller Art.

Das war in der Tat ›civilisation et progrès, Monseigneur!‹, wurde dem Fürsten des Festes in der ersten halben Stunde wohl zehnmal gesagt und von ihm mit dem verbindlichen Lächeln eines Souveräns erwidert. Die offizielle Vorstellung von einigen wenigen Herren und Damen, die von ihren Gesandten oder Konsuln dem Vizekönig zugeführt wurden, war vorüber, die üblichen Begrüßungsworte waren gewechselt. Effendini hatte sich für den Augenblick in seinen Privatsalon zurückgezogen, wo er mit dem Bankier Oppenheim, nicht ohne geschäftliche Nebenabsichten, eine kostbare Zigarre rauchte. Er war eine der Naturen, die mit den glänzendsten Vergnügen die glänzendsten Geschäfte zu verbinden wissen und für letztere immer und überall Zeit finden.

Zwei Musikkapellen, die eine deutsch-österreichisch-ungarischen, die andere türkisch-ägyptischen Ursprungs, beide von ungewöhnlichen Leistungsfähigkeit, bemühten sich schon seit zwei Stunden, die Tanzlust in der großen Empfangshalle zu entfesseln. Was an Damen aller europäischen Nationen in Kairo und Alexandrien weilte, hatte diese seltene Gelegenheit herbeigesehnt, sich wieder einmal dem fast vergessenen Genuß der Heimat hingeben zu können. Es wimmelte von juwelenbedeckten, im übrigen wunderbar duftig gekleideten Schönheiten aller Art. Griechinnen, Armenierinnen, Jüdinnen, Italienerinnen mit rabenschwarzen Haaren und dunkelbrennenden Augen bildeten die Mehrzahl, aber auch hellere Französinnen und blonde Deutsche und Engländerinnen fehlten nicht. Der Aufschwung Ägyptens in den letzten drei Jahren äußerte auch in dieser Hinsicht seine zauberhafte Wirkung. Und dabei war die gesamte Damenwelt in einer glücklichen Lage, die in Europa nur selten eintritt. Auf jede tanzlustige Schöne warteten mindestens drei Herren, welche sich mit giftigen Blicken und verzweifelten Anstrengungen die reizende Beute zu entreißen suchten. Der schwarze Frack verschwand trotzdem fast unter der Farbenpracht des Orients. Die Volkstrachten aus den Bergen Armeniens oder Albaniens, aus Griechenland, Ungarn oder Algier, die angelegt wurden, halb aus Stolz auf die eigene Heimat, halb des Maskenscherzes wegen, mischten sich mit den seidenen Kaftanen Kairos und den weißen Burnussen von Beduinenschechs. Manchmal allerdings nahm sich der Orient in der ungewohnten Umgebung etwas wunderlich aus: wenn ein vornehmer Mudir aus Oberägypten in einer Ecke verzweifelte Versuche machte, unter der Anleitung seines stutzerhaft befrackten Söhnchens Glacehandschuhe über die schwarzbraunen Riesenfinger zu ziehen, oder wenn ein fetter Juwelenhändler aus dem syrischen Bazar, dem der Vizekönig achtzigtausend Pfund schuldig war, hinter einer Marmorsäule Anstalt machte, die peinlich ungewohnten Lackstiefeletten auf ein Viertelstündchen auszuziehen, um ein wenig in Strümpfen weiter zu leben. Fast wehmütig berührte den Kundigen ein prachtvoll geschnitztes schwarzbraunes Gitter auf einer balkonartigen Erhöhung, das zwischen den zwei Musikkapellen stumm und ernst auf das bunte Treiben herabsah. Hinter demselben saßen die Damen des vizeköniglichen Harems und genossen in ihrer Weise die Freuden, die ihnen ein europäisches Ballfest zu bieten vermochte.

Auf der treppenartigen Erhöhung hinter den den Saal umgebenden Säulen, von wo aus man das buntbewegte Treiben überblicken konnte, standen zwei Gestalten, die in die Märchenwelt des Orients nicht übel paßten. Ein Mephisto in schwarzer Maske und langen, mit Klauen versehenen Fledermausflügeln konnte einen Afrit vorstellen, einen jener mächtigen bösen Geister, die den Rand der Wüste bevölkern und sich gelegentlich – wie jedermann weiß – auch in Kairo herumtreiben. Neben ihm tänzelte ein weiblicher Ginni, der trotz aller Gaze- und Spitzenwolken, in denen er schwebte, fast etwas zu körperlich aussah und an nichts weniger zu denken schien, als im Mondschein zu verduften. Der Ginni sprach flüsternd, aber nicht sehr korrekt französisch, der Afrit, was einem Afrit zu verzeihen ist, mißhandelte diese Sprache der Ungläubigen ohne Erbarmen.

»Die Triangel ist nicht hier«, sagte der weibliche Ginni neckisch, »und du siehst, kleiner Teufel, daß du dich nicht zu maskieren verstehst.«

»Ich sehe, daß du dich reicht maskieren wolltest«, versetzte der Afrit. »Deine schönen Schultern kennt die ganze Geisterwelt von Kairo. – Hören Sie? Das ist ein Wiener Walzer, der Sie anheimeln sollte. Wollen wir herumflattern?«

»Nein. Ich hab's fast genug«, sagte der Ginni. »Es ist hart, zuviel mit jungen Türken zu tanzen, die nicht lang genug in Paris waren.«

»Halten Sie sich an die alten!«

»Das tu' ich, so lang sie mich nicht langweilen, wie Inglischmen. Sagen Sie mal, Teufelchen, Sie kennen den wilden Mann dort mit dem Fell um die Schultern –.«

»Wen meinen Sie? Es wimmelt von wilden Männern hier.«

»Den Lohengrin in der Ochsenhaut! Der sich jetzt vor der indischen Prinzessin verneigt.«

»Das ist kein Lohengrin; das ist ein alter Cherusker.«

»Jung genug für mich. In den bin ich verliebt. Wie mach' ich's?«

»Was?«

»Ist jeder Afrit so dumm? Stellen Sie sich nicht so. Vielleicht kann ich Ihnen auch mal einen Gefallen tun.«

»Aber wie kann ich armer Teufel Ihrem reichen Herzen zu Hilfe kommen?«

»Er ist Ihr Freund. Ich weiß, Sie kennen ihn. Ich kenne jeden, der in seinem Atelier aus- und eingeht. Wir sehen einander in die Fenster.«

»Was wollen Sie mehr? Schleudern Sie ein paar Pfeile aus Ihren schönen Augen hinüber und beobachten Sie die Wirkung.«

»Hilft nichts. Würde ich Sie sonst am Flügel zupfen? Ich habe ihn, in meiner Rolle als Ginni, heute schon zwei Stunden lang umschwebt. Er merkt nichts oder will nichts merken.«

»Er ist ein Deutscher. Die brauchen kräftigere Winke, wenn sie die Augen öffnen sollen.«

»Bringen Sie uns zusammen, anständig, à l'anglais! Dann will ich schon weiter kommen.«

»Ja, zarteste Elfe Arabiens, das ist nicht so einfach, wie unter uns, in der Geisterwelt. Ich kenne den Cherusker, ja. Aber bis zur förmlichen Freundschaft haben wir's noch nicht gebracht, und was Sie verlangen, ist, bei Cheruskern, etwas kitzliger Natur. Sehen Sie, wie er die Hörner schüttelt?«

»Unsinn! Ohne die Ochsenhaut ist er weiter nichts als ein Künstler. Und ich bin eine Künstlerin; nicht wahr?«

»Die größte Künstlerin Afrikas«, rief der Afrit begeistert.

»Also! Wozu so viele Umstände? Ich möchte bloß wissen, ob er so nett ist, wie er aussieht. Das ist doch nicht zu viel verlangt.«

»Nein. Aber Sie müssen sich an den rechten Mann wenden, der Ihnen das mitteilen kann. Sehen Sie, jetzt steht er neben ihm.«

»Der alte Professor im Frack? Kenne ihn.«

»Das ist sein Busenfreund. Wenn Sie den überreden – und – und –«

O'Donald hob seine schwarze Maske in die Höhe; seine Augen blitzten wie zwei Karfunkel, listig, seelenvergnügt, boshaft. Eine tolle Fröhlichkeit packte ihn. Er lachte laut auf.

»Was lachen Sie wie verrückt?« fragte Madame Geraldine ärgerlich. »Zum mindesten möchte ich mitlachen.«

»Dem alten Herrn könnten Sie einen ungeheuren Dienst erweisen, Madame; einen Dienst, wofür er Ihnen, ich glaube wahrhaftig, seinen Freund Buchwald vor die Füße werfen würde.«

»Ich habe die alten Herren satt!« versetzte die Künstlerin grimmig. »Einer ist genug.«

»Der müßte auch mithelfen –« und O'Donald lachte aufs neue.

»Gehen Sie! Machen Sie Ihre englischen Sprünge anderswo!«

»In Ungnade entlassen? Ich beuge mich, Gnädigste!« lachte der Prokurist. »Aber sehen Sie, jetzt tanzt er mit der Inderin. Das heiß ich ein Paar!«

»Wie zwei Hohepriester der Tanzkunst«, sagte Madame Geraldine höhnisch. »Ich glaube, so haben sie vor Zeiten um alte Pagoden herumgetanzt. Ein schöner Mann ist er trotzdem, und wenn ich etwas Desperates tue, sind Sie schuld daran. Bonsoir! –«

Sie schwebte in den Saal, hinter ihr an einem langen rosafarbenen Band ein kaum drei Fuß hohes pechschwarzes Männchen führend, das als Amor mit Pfeil und Bogen ausgestattet war, aber in entwürdigender Gefangenschaft zu schmachten schien. Es war ihr kleiner Diener Chalil, der in dieser Weise am Fest teilnehmen durfte.

»Ein tolles Geschöpf«, lachte O'Donald, indem er sich seine Maske wieder zurechtsetzte. »Und das Tollste wäre es nicht, wenn sie dem guten Thinker in den Sattel helfen würde.« Vorsichtig nach seinen Flügeln greifend, stieg dann auch er in das Ballgewühl hinab.

Nach wenigen Minuten stieß er auf Fräulein Schütz, die ihre Maske abgenommen hatte und verzweifelnd umhersah. Sie war ein Rotkäppchen von erstaunlicher Jugendlichkeit, ein Schwarzwälder Häubchen auf dem Kopf, in kurzem Röckchen, roten Strümpfen, und das Körbchen mit dem Essen für die Großmutter am Arm. Sie und ihre Kölner Jugendzeit, unterstützt von Joe Thinkers Bonner Erinnerungen, hatte den jüngeren Teil der Thinkerschen Gesellschaft veranlaßt, an der Maskerade teilzunehmen. Jetzt klammerte sie sich an den Afrit wie an einen rettenden Engel.

»Ich habe mit Osman Effendi ein wenig getanzt«, klagte sie, »nun hat ihn mir Herr Ben fortgenommen und meinen Wolf habe ich verloren.«

»Nur nicht verzweifeln!« tröstete O'Donald. »Ich bin heute ein mit übernatürlichen Kräften ausgestattetes Wesen. Auch verliert sich ein Wolf nicht so leicht. – Sehen Sie, dort kommt er! Böse sieht er aus; als ob er bereit wäre, Großmutter und Enkelin zu verschlingen. Halten Sie sich an mich; retten wir uns!«

Er faßte sie um die Taille und tanzte mit ihr davon.

»Es geschieht ihm schon recht: warum hat er mich verloren«, sagte sie, wieder lachend.

Aber schon beim zweiten Umkreisen des Saals trat ihnen der Wolf mit grimmigem Knurren entgegen. Aus dem aufgesperrten Rachen sah Fritschys rundes Gesicht nicht allzu freundlich hervor. Sie kannten sich natürlich alle, denn sie hatten die Masken gemeinsam ausgewählt. Doch in dem Augenblick, in dem Fritschy nach dem Fittich des Afrits schnappte, und laut zu jammern anhub, daß er seit einer halben Stunde in allen Sälen nach seinem Rotkäppchen gesucht habe, unterbrach eine schmetternde Fanfare beider Orchester den Tanz.

»Hören Sie das?« rief O'Donald, seine Maske wegwerfend. »Das bedeutet das Öffnen der Speisesäle. Jetzt wird es ernst. Es gilt das Recht des Daseins zu wahren. Zeigen Sie uns, Fritschy, daß Sie ein Wolf sind. Den Hunger vorzustellen, bin ich fähig und bereit. Vorwärts!«

Die Szene, die sich entwickelte, hat man wohl auch in Europa gelegentlich gesehen. Auf afrikanischem Boden, wo der Europäer leichter zum Wilden herabsteigt, machte sie sich vielleicht noch um einige Grade naturwüchsiger. Die Pforten des kleinen Speisesaals auf der linken Seite der großen Halle blieben dem Publikum verschlossen. Dort speiste in würdiger Stille der Vizekönig mit dreißig Erwählten, die sich des Besitzes besonderer halbmondförmiger Einlaßkarten erfreuten. Die Gesandten und Konsuln mit ihren Damen; die höchsten Militär- und Zivilbeamten der Hauptstadt, und einige hervorragende Fremde, die sich zufällig in Kairo befanden: Lesseps vom Suezkanal, der deutsche Erbgroßherzog, Dhulip-Sing, der Sohn des Maharadschas von Lahore, der sich auf der Durchreise nach England in Kairo aufhielt, und vom Vizekönig mit ahnungsvoller Teilnahme behandelt wurde, zuletzt, aber keineswegs als geringste, fünf Bankiers aus London, Paris, Frankfurt, Konstantinopel und Alexandrien, als deren Werk genaugenommen das ganze Fest angesehen werden durfte.

Dagegen wurden die Türflügel des großen Speisesaals weit aufgerissen und gestatteten einen feenhaften Blick über sechs endlose Tafeln, auf denen unter riesigen Blumensträußen und fürstlichen Tafelaufsätzen kalte Speisen aufgehäuft waren: Austern und Hummern, Braten und Geflügel, Pasteten und Puddinge, Torten und Kuchen. Türme von Tellern, Pyramiden von Bordeaux- und Burgunder-, stolze Reihen von Champagnerflaschen unterbrachen die Erzeugnisse der Küche. Entlang den Tafeln waren je sechs in weiß und gold gekleidete Diener aufgestellt, bereit den Gästen behilflich zu sein, die zuerst fast schüchtern in diesen Tempel des Lukullus eintraten.

Dann aber, als sich draußen im Tanzsaal in geheimnisvoller Weise plötzlich die Empfindung verbreitete, was hier vorgehe, entstand ein wildes Gedränge unter den zwei Türen. Eine erst jubelnde, dann zornig schreiende Menge stürmte in den Speisesaal und fiel über die Tafeln her. Hilflos gingen die weißgoldenen Diener im Wogenschwall der Masse unter. Die ersten der Eindringlinge hatten auf den hundert bereitstehenden Tellern sich ein bescheidenes Gansleberstückchen, einen Hummerschwanz, eine Schnitte Rehbraten herausgefischt, und begannen zu speisen. Aber die hinter ihnen Stehenden griffen jetzt, als ob es gälte, dem Hungertode zu entrinnen, mit klauenartig gekrümmten Fingern über sie weg, hier ein Huhn erhaschend, dort ein Dutzend Austern über die Köpfe der Umstehenden ergießend, hier verzweifelnd einen leeren Teller schwingend, dort dem Nachbar sein einziges, die nutzlose Gabel, entreißend.

Zuerst geschah dies alles lachend und spaßend; dann fuhren zornige Rufe dazwischen, das Aufkreischen von Frauen, der Streit wütender Männer, die gegenseitig mahnten, sich nicht wie wilde Tiere zu benehmen. Da und dort verstummte der Lärm einer Gruppe wohl auch plötzlich, wenn der Zufall den Streitenden einen Schinken oder einen halben Kapaun in den Schoß schleuderte. Verhältnismäßig ruhig und anständig standen Türken und diejenigen Araber im Getümmel, die noch keine europäische Erziehung genossen hatten, im festen Glauben, daß sie Allah nicht vergessen werde, wenn sie warteten. Um ihre Lippen spielte ein mitleidiges Lächeln, während sie die Angst und das Drängen der Ungläubigen anstaunten.

Dem Prokuristen war schon zu Anfang dieses Kampfes ums Dasein einer seiner Fledermausflügel abgerissen worden. Bei dem Versuch denselben zu retten, wurde er von der Seite des Rotkäppchens gerissen, für das Fritschy in seinem Wolfskopf mit unerwartetem Erfolge Bahn brach, so daß sie bis an die Kante des zweiten Tischs vorrücken konnten. Denn selbst der hungrigste Draufgänger wich erschreckt auf die Seite, wenn, unerwartet von hinten kommend, die spitzen Wolfszähne seine Schultern berührten. Aber auch O'Donald war nicht der Mann, der den Kampf mutlos aufgegeben hätte, besonders nachdem er Joe Thinker erspäht hatte, der gegen eine Wand gedrückt hilf- und brotlos festgekeilt war. Wenn er selbst nichts ergattern konnte, sollte wenigstens sein Freund nicht darben.

Er kämpfte sich zu ihm durch, bat ihn, die Vorlesung über den materialistischen Zug der Zeit zu verschieben, die ihm auf den Lippen schwebte, nahm ihn unter den ungebrochenen Flügel und erreichte nach zehn Minuten geduldigen Drückens eine Tischecke, und den Rest dessen, was vorangehende Vandalen übrig gelassen hatten. Es wäre noch für Hunderte genug gewesen, wenn sie in menschenwürdiger, gesitteter Weise zugegriffen hätten. Doch jeder Versuch in diesem Sinne wurde vom wildfremden Nachbar lachend oder mit dem stummen Zorn des Verhungernden vereitelt. Das mühevoll aufgespießte Stückchen verschwand auf dem Wege zum Mund von der Gabel, und wenn der Räuber nicht alle Menschlichkeit verloren hatte, so deutete er vielleicht auf eine Dame, die zehn Schritte entfernt die Hände hilfeflehend gen Himmel streckte. Trotz alledem war es beiden mit vereinten Kräften gelungen, eine Flasche Bordeaux zu entkorken, mit welcher Joe den Rückzug antrat, während der Prokurist eine halbe Mandeltorte an einer Bratengabel hoch in der Luft tragend, ihm folgte.


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