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XVIII.

Plötzlich schien dem Verbrecher ein Licht aufzugehen.

»Gehören Sie zu denen da oben?« fragte er und machte eine bezeichnende Kopfbewegung.

»Ich gehöre zur Polizei, ja.«

»Und Ihnen gehört wirklich das Haus?«

»Auch das.«

»Dann hat er seine Sache noch viel besser gemacht,« rief der Verbrecher und lachte wieder, »dann kann man Ihnen nur gratulieren.«

»Wie sind Sie darauf verfallen, hier einzubrechen?« fragte Rist.

»Bei jemandem von der Polizei! Welche Ehre für mich! Ich bin hier einige Tage herumgeschlichen und habe um Arbeit gebettelt.«

»Haben aber keine bekommen?«

»Nein, glücklicherweise. Da fiel mein Auge auf dieses kleine Haus, das so einsam und einladend daliegt, den ganzen Abend kein Mensch zu Hause. Man muß ja ein Rindvieh sein, wenn man sich solche Gelegenheit entgehen läßt.«

»Wann faßten Sie den Plan, hier einzubrechen?«

»Erst heute abend, nachdem ich im Wirtshaus einige Gläser Bier getrunken hatte.«

»Haben Sie zu jemandem von Ihrem Vorhaben gesprochen?«

»Erlauben Sie mal, solchen Leckerbissen liefert man seinen Freunden doch nicht aus.«

»Sie sind ganz sicher, daß niemand von Ihrem Vorhaben gewußt hat?«

»Ganz sicher, mein Herr, darauf können Sie Gift nehmen.«

»Und dann stiegen Sie durchs Fenster?«

»Stimmt. Und eine feine Arbeit habe ich geleistet, davon können Sie sich selbst überzeugen, Herr. Keine Ihrer Schubladen ist beschädigt. Aber Sie sind auch ein netter Mann, der nichts auf gar zu komplizierte Schlösser gibt. Viele haben sich diese modernen Systeme angeschafft, die zu nichts nutze sind, nur die Möbel werden ruiniert, wenn wir sie erbrechen, denn erbrochen werden sie ja doch. Und wie freute ich mich über all die hübschen kleinen Dinge, die ich fand, gerade solche Sachen, die sich so leicht zu Geld machen lassen. Meine Taschen waren ganz vollgestopft. Hätte ich mich nur damit begnügt! Da aber fiel mir ein, daß es in einem so wohlgeordneten Hause sicher auch hübsches Silberzeug gäbe, und darum ging ich hier ins Eßzimmer. Gerade als ich vorm Schrank lag und die Schubladen durchwühlte, kam er über mich. Ich glaubte natürlich, es sei der Herr des Hauses und dachte bei mir: Verflucht, jetzt wird die Sache ernst. Man hat ja keine Lust, gleich wieder ins Loch zu steigen, wenn man eben herausgekommen ist, und wenn man sich auf ein Handgemenge einläßt, wird die Sache gleich ernsthafter als ein gewöhnlicher Einbruchsdiebstahl. Wenn die Leute uns Diebe nur in Ruhe arbeiten lassen wollten, dann würde es nicht so viele Totschläge in der Welt geben. Ich stand also auf, um mich auf den Mann zu stürzen, aber hu –« (ihm schauderte noch beim Gedanken) »ich weiß nicht, wie es zuging, plötzlich lag ich auf der Erde, mein Kopf brummte, und er lag über mir. Auf den sollte die Polizei Jagd machen, Herr, das würde sich lohnen. Eins, zwei, drei, war ich gebunden, und er steckte mir das scheußliche Ding da in den Mund. Und dann zog er mir alles aus der Tasche, was ich gestohlen hatte, ohne ein Wort zu verlieren. Der Mann hat meine Achtung, das muß ich sagen. Er hielt die Gegenstände gegen das Licht und betrachtete sie prüfend wie ein Arzt seine Medizingläser. Darauf steckte er alles in seine eigenen Taschen. Es war ein Jammer, machtlos dazuliegen und es mitanzusehen. Außerdem wäre ich fast erstickt. Als er fertig war, gab er mir einen Fußtritt, oh, ich fühle ihn noch, Herr, und sagte: ›Du liegst ganz still, du Schwein!‹ Solche Worte konnte der feine Mann auch gebrauchen. Und darauf ging er fort. Jetzt holt er die Polizei, dachte ich, und deine Stunde hat geschlagen, alter Junge. Aber was sollte ich machen, ich mußte mich in mein Schicksal finden. Kurz darauf aber hörte ich Stimmen nebenan. Da waren Sie also gekommen, Herr. Zuerst lag ich ganz ruhig, als aber der abscheuliche Knebel mich fast erstickte, da versuchte ich zu schreien, konnte aber nur seltsame Laute herausbringen. Habe ich Sie sehr gestört?«

Plötzlich erhob Rist sich mit dem Revolver in der Hand. Der Einbrecher stand auch erschrocken auf und suchte sich mit den Händen zu schützen.

»Schießen Sie nicht,« sagte er, »ich kann Ihnen ja nichts tun.«

»Still,« flüsterte Rist. Er lauschte. Das Geräusch ferner Menschenstimmen erreichte sein Ohr. Darauf hörte er Schritte im Garten.

»Stellen Sie sich dorthin,« befahl er und zeigte mit dem Revolver in eine Ecke.

Der Einbrecher begab sich widerwillig dorthin. Er starrte Rist erstaunt an.

»Jetzt kommt ein Dritter,« murmelte er. »Also auch Sie sind nicht der Besitzer des Hauses. Wir sind viele um die Beute heute abend.«

Rist hatte den Einbrecher so angebracht, daß er ihn nicht im Rücken hatte, wenn er sich zu den Kommenden umdrehte. Jetzt wurden die Stimmen und Schritte draußen deutlicher. Die Leute, die kamen, legten jedenfalls keinen Wert darauf, ungehört zu bleiben. Kurz darauf hallte das Vorzimmer von Getrampel und lautem Sprechen wider.

Rist faßte auf der Schwelle zwischen den beiden Zimmern Posto. Jetzt ging die Tür auf. Herein traten ein Herr in Zivil und ein Polizeibeamter. Der Herr in Zivil stutzte, als er Rist mit dem Revolver in der Hand sah. Darauf lächelte er.

»Hier sieht es ja gefährlich aus,« sagte er, »wir kommen doch früh genug?«

Rist warf den Revolver auf den Tisch.

»Sie sind es, Fristrup,« sagte er, »wie kommen denn Sie hierher?«

Fristrup war ein dicker, rotbäckiger Mensch, mit einem frischen und lärmenden Wesen. Er war einer der wenigen Polizeibeamten, die Rist näher kannten.

»Wir sind hier, weil Sie nach uns geschickt haben, warum denn sonst,« lachte er.

Jetzt entdeckte er den Einbrecher, der scheu aus der Ecke herüberblickte.

»Aha, da haben wir ja Kalorius,« rief er, »einen alten Bekannten, wie ich sehe.«

Er betrachtete die Stricke um die Handgelenke.

»Gute Arbeit,« sagte er, »also auch das können Sie, Rist, Sie sind ein Unikum!«

Darauf nahm er einen Ueberblick über die Gegenstände, die der Amerikaner auf dem Tisch hinterlassen hatte. Einen funkelnden Schmuck hob er zum Licht hinauf.

»Dies also ist der unechte.«

»Der unechte?« wiederholte Rist mechanisch.

Fristrup sah ihn an.

»Hören Sie mal,« sagte er ungeduldig, »spielen Sie doch nicht den Dummen, dazu kenne ich Sie doch zu gut. Ich sollte grüßen und sagen, daß dieser Schmuck nicht echt ist. Er hätte vergessen, es Ihnen zu sagen.«

»Wer?« fragte Rist.

»Ihr Freund natürlich, der vor kurzem auf dem Polizeiamt war, um zu sagen, daß Sie hier auf einen gefesselten Einbrecher aufpaßten.«

»Verstehe ich Sie recht?« fragte Rist, »ist der Amerikaner vor kurzem bei Ihnen gewesen?«

»Wie ich Ihnen sage.«

»Auf dem Polizeiamt?«

»Aber Mensch, was fehlt Ihnen, das müssen Sie doch wissen!«

»Lieber Freund,« sagte Rist, »wollen Sie nicht ein Glas Kognak mit mir trinken, mir ist so seltsam trocken im Halse.«

»Sie scheinen wirklich eine Stärkung nötig zu haben,« sagte Fristrup, »ich leiste Ihnen gern Gesellschaft.«


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