Georg Ebers
Der Kaiser
Georg Ebers

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Siebentes Kapitel

Bevor Titianus die Lippen zu einer Antwort öffnen konnte, wurde die Haupttür des Gemaches vorsichtig, aber weit aufgetan, und der Prätor Lucius Aurelius Verus, seine Gattin Domitia Lucilla, die junge Balbilla und als letzter der Geschichtsschreiber Annäus Florus betraten das Gemach.

Alle vier waren heiter erregt und wollten gleich nach den ersten Begrüßungen der Kaiserin über das, was sie auf der Lochias gesehen hatten, Bericht erstatten; Sabina aber wehrte ihnen mit der Hand und hauchte:

»Nicht, nicht, noch nicht; ich fühle mich erschöpft. Das lange Warten, und dann – mein Riechfläschchen, Verus! Leukippe, einen Becher Wasser mit Fruchtsaft; aber nicht so süß wie gewöhnlich!«

Die griechische Sklavin beeilte sich, diesen Auftrag zu erfüllen, und während die Kaiserin das aus Onyx geschnittene zierliche Fläschchen zur Nase führte, sagte sie:

»Nicht wahr, Titianus, es ist eine kleine Ewigkeit her, seitdem wir uns von Staatsgeschäften unterhalten? Ihr anderen wißt ja, daß ich offen bin und nicht schweigen kann, wenn mir verkehrte Ansichten begegnen. Während ihr fort waret, habe ich viel hören und sprechen müssen. Das hätte auch einem Stärkeren die Kräfte gebrochen. Mich wundert, daß ihr mich nicht elender findet, denn was gibt es wohl Aufreibenderes für eine Frau, als gegen einen Mann, der etwas ganz anderes verteidigt, für männliche Entschiedenheit eintreten zu müssen? Reich mir das Wasser, Leukippe.«

Während die Kaiserin, indem sie ohne Unterlaß die schmalen Lippen kostend bewegte, den Fruchtsaft in kleinen Zügen austrank, näherte sich Verus dem Präfekten und fragte ihn flüsternd: »Du warst lange mit Sabina allein, mein Vetter?«

»Ja,« entgegnete Titianus, und damit biß er die Zähne so fest zusammen und ballte die Faust so kräftig, daß der Prätor seine Meinung nicht mißverstehen konnte und ihm zuraunte:

»Sie ist zu beklagen, und namentlich jetzt hat sie Stunden . . .«

»Was für Stunden?« fragte Sabina, indem sie den Becher von den Lippen entfernte.

»Solche,« entgegnete Verus schnell, »in denen ich mich nicht um den Senat und die Staatsgeschäfte zu kümmern brauche. Wem anders dank' ich das wieder als Dir?«

Bei dieser Frage nahte er sich der Matrone und nahm ihr so liebevoll dienstbeflissen wie ein aufmerksamer Sohn seiner verehrten leidenden Mutter den geleerten Pokal aus der Hand, um ihn der Griechin zu reichen.

Die Kaiserin winkte dem Prätor mehrmals, als Zeichen ihres Dankes, wohlgefällig zu und sagte dann mit einem Anflug von Heiterkeit in der Stimme:

»Nun? Was gab es auf der Lochias zu sehen?«

»Wunderdinge,« entgegnete Balbilla schnell und schlug die kleinen Hände zusammen. »Ein Bienenschwarm, ein Ameisenhaufen ist in den alten Palast eingedrungen. Weiße und braune und schwarze Arme – mehr, als wir zählen konnten, fanden wir tätig, und von den Hunderten von Arbeitern, die sich da regten, war keiner dem andern im Wege, denn wie die vorsichtige Weisheit der Götter die Sterne in der ›gnädigen, gnädigen Nacht‹ Wege führt, auf denen sie einander niemals hindern und stoßen, so lenkte diese alle ein kleiner Mann.«

»Ich muß für den Baumeister Pontius eintreten,« unterbrach Verus das Mädchen. »Er ist immerhin ein Mann von mittlerer Größe.«

»Sagen wir also, um deinem Gerechtigkeitsgefühl zu genügen,« fuhr Balbilla fort, »sagen wir also, es lenkt sie alle ein Menschenkind von mittlerer Größe mit einer Papyrusrolle in der Rechten und einem Stift in der Linken. Gefällt dir meine Ausdrucksweise so besser?«

»Sie kann mir niemals mißfallen,« entgegnete der Prätor.

»Laß Balbilla weiter erzählen,« befahl die Kaiserin gütig.

»Wir haben das Chaos gesehen,« sagte das Mädchen, »doch ahnt man in dem Durcheinander die Bedingungen für eine künftige geordnete Schöpfung; ja man sieht sie mit Augen.«

»Und man stößt sich an mancherlei mit den Füßen,« lachte der Prätor. »Wäre es dunkel gewesen und wären die Arbeiter Würmer, wir hätten die Hälfte tot getreten, so wimmelten sie überall auf dem Estrich umher.«

»Was machten sie da?« fragte Sabina.

»Alles,« entgegnete Balbilla schnell. »Diese glätteten schadhaft gewordene Stellen, jene legten neue Mosaikstücke in die leeren Betten, aus denen man die alten geraubt hatte, und gewandte Künstler malten auf glatte Gipsflächen bunte Figuren. Jede Säule, jede Statue war von einem Gerüst umgeben, das bis an die Decke reichte, und alles wurde von Menschen erstiegen, die einander drängten wie die Matrosen, die bei einer Naumachie den Bord des feindlichen Schiffes ersteigen.«

Die Wangen des hübschen Mädchens hatten sich bei der lebhaften Erinnerung an das Gesehene gerötet, und während sie sprach und dabei die Hände voll Ausdruck bewegte, zitterte das hohe Lockengebäu, das sein Köpfchen krönte.

»Deine Schilderung fängt an poetisch zu werden,« unterbrach die Kaiserin ihre junge Gefährtin. »Vielleicht begeistert die Muse dich noch zu Versen.«

»Alle neun Pieriden,« sagte der Prätor, »sind auf der Lochias vertreten. Acht haben wir gesehen; die neunte aber, die den Beobachtern der Sterne hilfreiche Beschützerin der schönen Künste, die hohe Urania, hatte noch an Stelle des Kopfes – erlaube mir, dich raten zu lassen, was? göttliche Sabina.«

»Nun?«

»Einen Strohwisch.«

»O weh,« seufzte die Kaiserin. »Was meinst du, Florus. – Sollte es unter deinen gelehrten und Verse schmiedenden Genossen keinen geben, der dieser Urania gleichsieht?«

»Jedenfalls,« entgegnete der Angeredete, »sind wir vorsichtiger als die Göttin; denn der Inhalt unserer Köpfe wird von der harten Kapsel des Schädels und mehr oder weniger reichlichen Haaren verborgen, Urania trägt ihr Stroh offen zur Schau.«

»Das klingt ja beinah,« lachte Balbilla, auf ihre Lockenfülle weisend, »als täte es mir besonders not, das, was unter diesen Haaren sitzt, zu verbergen?«

»Auch der lesbische Schwan ward ›die schöngelockte‹ genannt,« entgegnete Florus.

»Und du bist unsere Sappho,« sagte Lucilla, die Gattin des Prätors, und zog das Mädchen liebreich an sich.

»Allen Ernsts! Willst du nicht in Verse bringen, was du heute sahst?« fragte die Kaiserin.

Da schaute Balbilla zu Boden und versetzte frisch:

»Es könnte mich reizen. – Alles Seltsame, das mir begegnet, drängt mich zu Versen.«

»Folge indes dem Rat des Grammatikers Apollonius,« mahnte Florus. »Du bist die Sappho unserer Zeit und solltest darum nicht in attischem Griechisch, sondern in der alten äolischen Sprechweise dichten.«

Verus lachte. – Die Kaiserin, deren Zwerchfell sich niemals kräftig bewegte, kicherte kurz und schneidend auf, Balbilla aber fragte lebhaft:

»Glaubt ihr, es würde mir nicht gelingen, das zustande zu bringen? Morgen fange ich an, mich in der alten äolischen Mundart zu üben.«

»Laß das,« bat Domitia Lucilla. »Deine einfachsten Lieder sind immer die schönsten gewesen.«

»Man soll nicht über mich lachen,« entgegnete Balbilla eigenwillig. »In wenigen Wochen verstehe ich den äolischen Dialekt zu gebrauchen; denn ich kann alles, was ich will, alles – alles –«

»Was für ein Trotzkopf steckt unter diesen Locken!« sagte die Kaiserin und drohte gnädig mit dem Finger.

»Und welches Fassungsvermögen!« rief Florus. »Ihr Lehrer in der Grammatik und Metrik sagte mir, sein bester Schüler wäre ein Weib von edlem Geschlechte, und dazu eine Dichterin, wäre Balbilla gewesen.«

Das Mädchen errötete bei diesem Lobe und fragte freudig bewegt:

»Schmeichelst du, oder hat Hephästion das wirklich gesagt?«

»O weh!« rief der Prätor. »Hephästion war auch mein Lehrer, und ich gehöre also zu den von Balbilla geschlagenen männlichen Schülern. Aber das ist mir nichts Neues; denn der Alexandriner vertraute mir das Nämliche wie dem Florus, und ich bin nicht eitel genug auf meine Verse, um nicht zu fühlen, daß sein Urteil gerecht ist.«

»Ihr folgt verschiedenen Mustern,« sagte Florus, »du dem Ovid, sie der Sappho. Du dichtest lateinisch, sie griechisch. Führst du noch immer die Liebesgesänge deines Ovid bei dir?«

»Stets,« entgegnete Verus. »Wie Alexander seinen Homer.«

»Und aus Ehrfurcht vor dem Meister bemüht sich dein Gatte, unter dem Beistand der Venus nach diesen Gesängen zu leben,« fügte die Kaiserin hinzu, indem sie sich an Domitia Lucilla wandte.

Die schlanke und schöne Römerin antwortete nur mit einem leisen Achselzucken auf diese wenig freundlich gemeinten Worte; Verus aber sagte, indem er Sabinas zu Boden gesunkene seidene Decke aufhob und sie ihr sorgfältig über die Knie breitete:

»Mein schönstes Glück ist das, daß die siegreiche Venus mir wohl will. Aber wir sind mit unserem Berichte noch nicht zu Ende: unser lesbischer Schwan ist auf der Lochias einem anderen Vogel begegnet, einem plastischen Künstler.«

»Seit wann werden die Bildhauer zu den Vögeln gerechnet?« fragte Sabina. »Man könnte sie höchstens mit den Spechten vergleichen.«

»Wenn sie in Holz arbeiten,« lachte Verus; »unser Künstler ist aber ein Gehilfe des Papias und behandelt edle Stoffe in großem Stil. Diesmal freilich fügte er seine Statue aus ganz wunderlichem Material zusammen.«

»Verus nennt unsern neuen Bekannten wohl einen Vogel,« unterbrach Balbilla den Prätor, »weil er, als wir uns den Schranken nahten, hinter denen er arbeitete, ein Lied so rein und munter und laut mit den Lippen pfiff, daß es den Lärm der Arbeiter übertönte und hell durch die weite, leere Halle klang. Eine Nachtigall flötet nicht schöner. Wir blieben stehen und lauschten, bis der heitere Gesell, der nichts von unserer Anwesenheit ahnte, still schwieg. Erst als er die Stimme des Baumeisters vernahm, rief er ihm über seine Schranken hinweg zu: ›Nun muß es der Urania an den Kopf gehen. Ich sah ihn auch schon vor den Augen und mit drei Dutzend Griffen brächt' ich ihn fertig; Papias aber sagte, er hätte einen auf Lager. Ich bin neugierig auf das honigsüße Dutzendgesicht, das er meinem Torso, der mir wenigstens bis übermorgen gefällt, auf den Hals stülpt. Schaffe mir für die Büste der Sappho, die ich herstellen soll, ein gutes Modell! Es spuken mir tausend Bremsen im Kopfe. Ich bin so erregt, so erregt! Was ich jetzt auch vornehme, das wird was!‹«

Balbilla hatte sich bemüht, bei diesem Ausruf die tiefe Stimme eines Mannes nachzuahmen, und als sie die Kaiserin lächeln sah, fuhr sie lebhaft fort:

»Das kam alles so frisch aus einem bis zum Springen von heiterer, übermütiger Schaffenslust erfüllten Herzen, daß mir's ganz wohl ward, und wir alle an die Schranken traten und den Bildhauer ersuchten, uns seine Arbeit sehen zu lassen.«

»Und ihr fandet –?« fragte Sabina.

»Er versagte uns entschieden, sein Gehege zu durchbrechen,« entgegnete der Prätor; »aber Balbilla schmeichelte ihm die Erlaubnis ab, und der lange Gesell hat wirklich etwas gelernt. Der Faltenwurf des Gewandes, das die Gestalt der Muse bedeckt, ist der Möglichkeit durchaus entsprechend, reich, kräftig behandelt und dabei von erstaunlicher Feinheit. Urania schlingt den Mantel fester um die schlanken Glieder, als schütze sie sich, nach den Sternen schauend, vor der Kühlung der Nacht. Wenn er mit seiner Muse fertig ist, soll er einige verstümmelte Frauenbüsten wieder herstellen. Einer Berenice setzt er noch heute den fertigen Kopf auf; für die Sappho aber hab' ich ihm Balbilla zum Modell vorgeschlagen.«

»Ein guter Gedanke,« versetzte die Kaiserin. »Wenn die Büste gelingt, so nehm' ich sie mit mir nach Rom.«

»Ich sitze ihm gern,« rief das Mädchen; »der frische Bursche gefiel mir.«

»Und Balbilla ihm,« fügte die Gattin des Prätors hinzu. »Er staunte sie an wie ein Wunder, und sie versprach ihm auch, wenn du es gestatten würdest, ihm morgen auf drei Stunden ihr Antlitz zur Verfügung zu stellen.«

»Mit dem Kopfe beginnt er,« fiel Verus ein. »Was für ein glücklicher Mensch ist doch solch ein Künstler! Von ihm läßt sie sich ohne Bedenken das Haupt drehen und den Peplos in Falten legen; als es aber vorhin Sümpfe von Gips und Lachen von frischer Farbe zu umgehen gab, hat sie kaum den Saum ihres Kleides geschützt und mir, der ihr so gern beigestanden hätte, nicht einmal gestattet, sie über die schlimmsten Stellen zu heben.«

Da errötete Balbilla und sagte gereizt:

»Ernstlich, Verus, ich leide es nicht, daß Du so von mir sprichst, und damit du es ein für allemal weißt: was nicht sauber ist, lieb' ich so wenig, daß es mir auch ohne Beistand leicht wird, es zu vermeiden.«

»Du bist zu streng,« unterbrach die Kaiserin das Mädchen mit einem häßlichen Lächeln. »Nicht wahr, Domitia Lucilla, sie sollte deinem Gatten das Recht gewähren, ihr dienlich zu sein?«

»Wenn die Kaiserin selbst es für schicklich und recht hält,« entgegnete die Angeredete schnell, indem sie die Schultern hob, mit einer bedeutungsvollen Handbewegung.

Sabina verstand ihre Meinung, und indem sie ein neues Gähnen erzwang, sagte sie leichthin:

»Man muß in unserer Zeit nachsichtig sein gegen einen Gemahl, der die Liebesgesänge Ovids zu seinem treuesten Begleiter erwählte. – Was gibt es da wieder, Titianus?«

Schon während Balbilla von ihrer Begegnung mit dem Bildhauer Pollux erzählt hatte, war dem Präfekten durch einen Kämmerer ein wichtiger, keinen Aufschub duldender Brief überbracht worden.

Der Staatsmann hatte sich mit ihm in den Hintergrund des Gemaches zurückgezogen, das feste Siegel eröffnet und ihn eben zu Ende gelesen, als die Kaiserin ihn befragte. Sabinas kleinen Augen entging nichts, was in ihrer Umgebung geschah, und so bemerkte sie auch, daß der Statthalter, während er das an ihn gerichtete Schreiben zusammenlegte, sich unruhig bewegt hatte.

Es mußte wichtige Dinge enthalten.

»Ein dringender Brief,« entgegnete Titianus, »ruft mich in die Präfektur zurück. Ich sage dir Lebewohl und hoffe, dir bald etwas Angenehmes mitteilen zu können.«

»Was enthält dieser Brief?«

»Wichtige Nachrichten aus der Provinz,« entgegnete Titianus.

»Darf man erfahren?«

»Ich muß diese Frage leider verneinen. Der Kaiser befahl ausdrücklich, diese Sache völlig geheim zu halten. Ihre Erledigung fordert die größte Eile, und so seh' ich mich leider gezwungen, dich sogleich zu verlassen.«

Sabina erwiderte mit eisiger Kühlheit den Abschiedsgruß des Präfekten und verlangte sogleich in die inneren Gemächer geführt zu werden, um sich für die Abendmahlzeit ankleiden zu lassen.

Balbilla bekleidete sie, Florus aber begab sich in die »olympische Tafel«, die vortreffliche Garküche des Lykortas, von der ihm Feinschmecker zu Rom erstaunliche Dinge erzählt hatten.

Als Verus mit der Gattin allein war, näherte er sich ihr freundlich und fragte:

»Darf ich dich in deine Wohnung zurückführen?«

Domitia Lucilla hatte sich in ein Polster geworfen, das Antlitz mit beiden Händen bedeckt und blieb ihm die Antwort schuldig.

»Darf ich?« wiederholte der Prätor.

Als seine Gemahlin in ihrem Schweigen verharrte, trat er ihr näher, legte die Rechte auf die zierlichen Finger, mit denen sie das Antlitz bedeckte, und sagte:

»Ich glaube, du zürnst mir?«

Da wies sie seine Hand mit einer leichten Bewegung zurück und rief:

»Laß mich!«

»Ja, leider muß ich dich verlassen,« seufzte Verus. »Geschäfte rufen mich in die Stadt, und ich werde . . .«

»Und du wirst dir von den jungen Alexandrinern, mit denen du gestern die Nacht durchschwärmtest, neue Schönheiten zeigen lassen; das weiß ich.«

»Es gibt hier in der Tat Frauen von unglaublicher Anmut,« gab Verus völlig unbefangen zurück, »weiße, braune, kupferfarbene, schwarze, und alle sind in ihrer Art reizend. Man wird nicht müde, sie zu bewundern.«

»Und deine Gattin?« fragte Lucilla und stellte sich ihm ernst gegenüber.

»Meine Gattin? Ja, Schönste: Gattin ist ein ernster Ehrentitel und hat nichts mit den Freuden des Lebens zu tun! Wie möchte ich deinen Namen in einer Stunde mit demjenigen der armen Kinder nennen, die mir müßige Stunden verkürzen?«

Domitia Lucilla war an ähnliche Worte gewöhnt, und doch taten sie ihr auch diesmal weh. Aber sie verbarg ihren Schmerz, und die Arme kreuzend, sagte sie würdevoll und entschieden:

»So fahre mit deinem Ovid und deinen Liebesgöttern weiter durchs Leben; aber versuche es nicht, die Unschuld unter die Räder deines Wagens zu werfen.«

»Du meinst Balbilla?« fragte der Prätor und lachte laut auf. »Sie weiß sich selber zu wehren und hat zu viel Geist, um sich von den Eroten fangen zu lassen. Das Söhnlein der Venus hat nichts mit so guten Freunden, wie wir sind, zu schaffen.«

»Ich darf dir glauben?«

»Mein Wort darauf, daß ich nichts von ihr begehre als gute Worte,« rief er und hielt der Gattin freimütig die Hand hin.

Lucilla berührte sie nur leicht mit den Fingern und sagte dann:

»Sende mich nach Rom zurück. Ich sehne mich unsagbar nach den Kindern, besonders nach unserem Knaben.«

»Es geht nicht,« entgegnete Verus ernst. »Jetzt nicht, jedoch hoffentlich in einigen Wochen.«

»Warum nicht eher?«

»Frage mich nicht.«

»Eine Mutter darf zu wissen verlangen, warum man sie von ihrem in der Wiege liegenden Sohne trennt.«

»Diese Wiege steht jetzt im Hause deiner Mutter, und sie sorgt treu für unsere Kleinen. Bewahre die Geduld noch ein Weilchen; denn das, wonach ich für dich und für mich und nicht zuletzt für unseren Sohn strebe, ist so groß, so ungeheuer groß und schwer, daß es Jahre der Sehnsucht aufwiegt.«

Diese Versicherung hatte Verus leise, doch mit einer ihm nur in entscheidenden Augenblicken eigenen Würde gesprochen; seine Gattin aber faßte, bevor er noch die Rede geschlossen, seine Rechte mit beiden Händen und fragte leise und ängstlich:

»Du strebst nach dem Purpur?«

Er nickte bejahend mit dem Kopfe.

»Darum also,« murmelte sie.

»Was?«

»Sabina und du.«

»Nicht nur darum. Sie ist hart und scharf gegen andere; mir aber hat sie schon als Knabe nur Gutes erwiesen.«

»Sie haßt mich.«

»Geduld, Lucilla, Geduld! Es kommt ein Tag, an dem des Nigrinus Tochter die Gattin des Cäsar sein wird, und die frühere Kaiserin . . . Aber das sprech' ich nicht aus. Ich bin, du weißt es ja, Sabina verbunden und wünsche dem Kaiser aufrichtig ein langes Leben.«

»Und die Adoption?«

»Leise! Er denkt an sie, und seine Gemahlin wünscht sie.«

»Kann sie bald erfolgen?«

»Wer vermag in diesem Augenblicke zu wissen, was der Kaiser in der nächsten Stunde beschließt? Vielleicht aber erfolgt die Entscheidung am dreißigsten Dezember.«

»An deinem Geburtstag?«

»Er fragte nach ihm, und sicher stellt er mein Horoskop in der Nacht, in der mich die Mutter gebar.«

»So werden die Sterne unser Los entscheiden?«

»Sie nicht allein. Hadrian muß auch gewillt sein, sie zu meinen Gunsten zu deuten.«

»Wie kann ich dir helfen?«

»Zeige dich im Verkehr mit dem Kaiser ganz, wie du bist.«

»Ich danke dir für diesen Rat und bitte dich auch nicht mehr, mich reisen zu lassen. Wär' es noch etwas anderes als ein Ehrenposten, das Weib des Verus zu sein, so fragte ich nicht nach der neuen Würde der Gattin des Cäsar.«

»Ich gehe heut nicht in die Stadt und bleibe bei dir. Bist du zufrieden?«

»Ja, ja!« rief sie und erhob den Arm, um ihn um den Hals des schönen Gatten zu schlingen – er aber wies sie zurück und raunte ihr zu:

»Laß das – Schäferspiel taugt nichts bei der Jagd nach dem Purpur!«


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