Georg Ebers
Der Kaiser
Georg Ebers

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel

Einer der von den ptolemäischen Fürsten in Alexandria erbauten Königspaläste lag auf der Landzunge Lochias, die sich wie ein nach Norden weisender Finger in das blaue Meer hinausstreckte. Sie bildete die östliche Grenze des großen Hafens. Es fehlte ihm niemals an zahlreichen Fahrzeugen jeder Art, heute aber war er besonders reich besetzt und die mit geglätteten Steinplatten gepflasterte Kaistraße, die aus dem vom Meer bespülten Palastviertel der Stadt, dem sogenannten Bruchium, zu der Landzunge führte, war so überfüllt von neugierigen Bürgern zu Fuß und zu Wagen, daß diese, bevor sie den Privathafen der kaiserlichen Schiffe erreicht hatten, die Fahrt unterbrechen mußten.

Es gab aber auch Ungewöhnliches an dem Landungsplatze zu sehen; denn da lagen, von hohen Molen geschützt, die prächtigen Dreiruderer, Galeeren, Lang- und Lastschiffe, die die Gattin des Hadrian und das Gefolge des Herrscherpaares nach Alexandria gebracht hatten. Ein mächtiges Fahrzeug mit einem sehr hohen Kajütenhause auf dem Hinterdeck und dem Kopf einer Wölfin am baumhohen, kühn geschwungenen Schnabel erregte die größte Aufmerksamkeit. Es war ganz aus Zedernholz gearbeitet, reich mit Bronze und Elfenbeinzierat geschmückt und hieß »Sabina«. Ein junger Bürger wies mit dem Finger auf diesen am Stern des Schiffes mit goldenen Lettern angebrachten Namen, stieß seine Begleiter an und sagte lachend:

»Sabina hat den Kopf einer Wölfin.«

»Ein Pfauenkopf würde besser passen. Sahst du sie gestern ins Cäsareum fahren?« entgegnete der andere.

»Leider,« rief der erstere, schwieg aber sogleich, als er dicht hinter sich einen römischen Liktor bemerkte, der ein schön zusammengeschnürtes Bündel von Ulmenruten, die Faszes, auf der linken Schulter trug und mit dem Stöcklein in der rechten Hand, unterstützt von seinen Genossen, die Menge zu zerteilen und Platz für den Wagen seines Gebieters, des kaiserlichen Präfekten Titianus, zu schaffen suchte, der ihm in langsamem Schritte folgte.

Der hohe Beamte hatte die losen Worte der Bürger vernommen und sagte, indem er sich an den neben ihm stehenden Mann wandte und das Ende der Toga mit einem raschen Wurfe in neue Falten brachte:

»Wunderliches Volk! Ich kann ihm nicht gram sein, aber ich ritte lieber auf einem Messer als auf einer alexandrinischen Zunge von hier nach Kanopus.«

»Hörtest du, was der Dicke vorhin über Verus sagte?«

»Der Liktor wollte ihn fassen, aber mit Strenge kommt man bei ihnen zu gar nichts. Müßten sie für jedes giftige Wort nur einen Sesterz zahlen, ich sage dir, Pontius, die Stadt würde verarmen und unser Schatz bald voller sein als der des alten Gyges von Sardes.«

»Laß sie reich bleiben,« rief der andere, der Oberbaumeister der Stadt, ein Mann von einigen dreißig Jahren mit hochgewölbten, tatkräftig dreinschauenden Augen, und fuhr, indem er die Rolle, die er in der Hand hielt, kräftig zusammenfaßte, mit tiefer Baßstimme fort: »Sie verstehen zu arbeiten und Schweiß ist salzig. Beim Schaffen fördern, in der Ruhe beißen sie einander wie übermütige Rosse an der gleichen Stange. Der Wolf ist ein stattliches Tier, aber brich ihm die Zähne aus, so wird er zum garstigen Hunde.«

»Mir aus der Seele gesprochen,« rief der Präfekt. »Aber da sind wir. Ewige Götter, so schlimm hab' ich mir das Ding doch nicht gedacht. Von weitem sah es immer noch stattlich genug aus!«

Titianus und der Baumeister stiegen vom Wagen. Jener befahl einem Liktor, den Vorsteher des Palastes zu rufen, und besichtigte dann mit dem Begleiter zuerst die in den Palast führende Pforte. Sie bot mit den doppelten Säulen, die den hohen Giebel trugen, einen majestätischen Anblick, aber sie bot einen keineswegs freundlichen Anblick; denn der Stuck war an vielen Stellen von den Wänden gefallen, die Kapitäle der marmornen Säulen waren kläglich verstümmelt, und die hohen, mit Metall beschlagenen Türflügel hingen schief in den Angeln.

Pontius maß jeden Teil der Pforte scharf prüfenden Blickes und trat dann mit dem Präfekten in den ersten Hof des Palastes, in dem zur Zeit der ptolemäischen Fürsten die Zelte der Gesandten, Schreiber und diensttuenden Beamten der Könige gestanden hatten.

Dort stellte sich den beiden ein unvermutetes Hindernis entgegen, denn von dem Häuschen aus, in dem der Torhüter wohnte, waren mehrere Stricke quer über den gepflasterten Raum gespannt, auf dem Gras grünte und hohe Disteln blühten.

An den Seilen hing feuchte Wäsche von jeder Größe und Form.

»Ein hübsches Quartier für den Kaiser,« seufzte Titianus, die Achseln zuckend, und wehrte dem Liktor, der die Faszes erhoben hatte, um die Stricke zu Boden zu schlagen.

»Ist nicht so schlimm, wie es aussieht,« sagte der Baumeister entschieden. »Torhüter! He, Torhüter! Wo steckt nur der Nichtstuer?«

Während er rief und der Liktor in das Innere des Palastes eilte, schritt Pontius auf das Häuschen des Wächters zu und blieb, nachdem er sich in gebückter Stellung einen Weg durch die feuchten Tücher gebahnt hatte, stehen. Ungeduld und Verdruß hatten sich, seitdem er die Schwelle des Tores überschritten, auf seinen Zügen gespiegelt, jetzt aber begann sein kräftiger Mund zu lächeln und mit halblauter Stimme rief er dem Präfekten zu:

»Titiane, gib dir die Mühe!«

Dem alternden Würdenträger, dessen hohe Gestalt die des Baumeisters um eines vollen Hauptes Länge überragte, wurde es nicht eben leicht, mit gekrümmtem Rücken unter den Seilen dahinzuschreiten. Aber er tat es mit guter Laune, und indem er sorglich vermied, die Wäsche herunterzureißen, rief er Pontius zu: »Ich beginne die Kinderhemden zu achten. Unter ihnen kommt man doch mit ungebrochenem Rückgrat hindurch. – Ach, ach! Das ist köstlich!«

Dieser Ruf galt dem Anblick, zu dem der Baumeister den Präfekten geladen und der allerdings eigentümlich genug war.

Die Vorderseite des Torhüterhäuschens war ganz mit Efeu umwachsen, der auch das Fenster und die Tür der Wächterwohnung mit vollen Ranken einrahmte. Zwischen dem grünen Laubwerke hingen zahlreiche Käfige mit Staren, Amseln und kleineren Singvögeln. Die breite Pforte des Häuschens stand weit geöffnet und gestattete, ein ziemlich geräumiges, heiter bemaltes Zimmer ganz zu überblicken. Im Hintergründe dieses Gemaches sah man das Tonmodell eines Apollo von vortrefflicher Arbeit. Über und neben ihm hingen an der Wand Lauten und Leiern von verschiedener Größe und Form.

In der Mitte des Zimmers und dicht neben der geöffneten Tür war ein Tisch zu sehen, auf dem ein großer Vogelbauer mit mehreren Nestern voll junger Stieglitze und mit grünem Kraut zwischen den rundlichen Stäbchen, ein großer Weinkrug und ein mit fein geschnitztem Bildwerk geschmückter elfenbeinerner Becher stand. Neben dem Trinkgeschirre ruhte auf der steinernen Platte der Tafel der Arm einer ältlichen Frau, die in ihrem Lehnsessel eingeschlafen war. Trotz des kleinen grauen Schnurrbarts an der Oberlippe und des kräftigen Rots auf der Stirn und den Wangen sah sie freundlich und gut aus. Es mußte ihr auch etwas sehr Angenehmes träumen; denn die Stellung ihres Mundes und der Augen, von denen das eine halb offen, das andere fest verschlossen war, gaben ihr das Ansehen, als ob sie sich freute.

In ihrem Schoße schlief eine graue Katze und neben ihr, als meide die Zwietracht dies heitere Gemach, das keineswegs der Geruch der Armut, sondern ein angenehmer, eigentümlicher Duft erfüllte, ein kleiner, zottiger Hund, der das schneeige Weiß seines Felles sicherlich besonders sorgsamer Pflege verdankte. Zwei andere, dem ersteren ähnliche Hündlein lagen lang ausgestreckt auf dem Estrich zu Füßen der Alten und schienen nicht weniger fest als diese zu schlafen.

Der Baumeister wies, sobald der Präfekt ihn erreicht hatte, mit dem Finger in dies Stilleben hinein und flüsterte:

»Hätten wir hier einen Maler, das gäbe ein prächtiges Bildchen.«

»Unvergleichlich!« gab Titianus zurück. »Nur scheint mir das tiefe Inkarnat auf dem Antlitz der Alten mit Hinblick auf die Größe des neben ihr stehenden Weinkruges ein wenig bedenklich.«

»Aber sahst du jemals ein friedvoller, freundlicher gestimmtes Bildnis?«

»So hat Baucis geschlafen, wenn Philemon sich einmal einen Ausgang erlaubte. Oder war dieser anhängliche Gatte immer zu Hause?«

»Wahrscheinlich. Aber nun ist's vorbei mit dem Frieden.«

Die Nähe der Freunde hatte das eine Hündchen erweckt. Es schlug an, und sogleich erhoben sich seine Gefährten und bellten mit ihm um die Wette. Auch der Liebling der Alten sprang ihr vom Schöße. Seine Herrin und die Katze ließen sich indessen von diesem Lärm nicht stören und schliefen weiter.

»Eine Wächterin wie sie sein soll,« lachte der Architekt.

»Und diese Phalanx von Hunden, welche den Palast eines Kaisers bewacht,« fügte Titianus hinzu, »läßt sich leicht mit einem Schlage erlegen. Gib acht, jetzt erwacht die würdige Matrone.«

Die Alte war in der Tat von dem Gebell der Hunde gestört worden, hatte sich ein wenig aufgerichtet, die Hände erhoben und sich dann, indem sie einen kurzen Satz halb sang, halb sprach, wieder in den Lehnstuhl zurückgeworfen.

»Das ist köstlich,« rief der Präfekt. »Nur immer munter, hat sie aus dem Schlafe gerufen. Wie sich dies seltsame Menschenkind wohl ausnehmen mag, wenn es wach ist?«

»Mir wär' es leid, die Alte aus ihrem Neste zu treiben,« sagte der Baumeister, indem er die Rolle entfaltete.

»Du rührst mir nicht an das Häuschen,« rief der Präfekt mit lebendigem Eifer. »Ich kenne Hadrian. Er liebt so eigentümliche Dinge und Menschen, und ich wette, daß er mit der Alten in seiner Weise anbinden wird. Da kommt wohl endlich der Verwalter dieses Palastes.«

Der Präfekt irrte sich nicht; denn die raschen Schritte, deren Nahen er vernommen hatte, gingen von dem Erwarteten aus.

Schon aus einiger Entfernung hörte man das Keuchen des sich beeilenden Mannes, der auf dem weiteren Gange, bevor Titianus es hindern konnte, die über den Hof gespannten Stricke mitsamt der an ihnen hängenden Wäsche zu Boden riß.

Nachdem der Vorhang gefallen war, der ihn von dem Vertreter des Kaisers und seinem Begleiter trennte, verneigte er sich so tief wie vor jenem, wie dies die große Fülle seines Leibes gestattete. Aber der schnelle Lauf, die Gewalttat, die er begangen, und seine Überraschung über das Erscheinen des mächtigsten Mannes am Nil in dem seiner Obhut anvertrauten Gebäude beraubten ihn so ganz des ohnehin nicht ausgiebigen Atems, daß er selbst den herkömmlichen Gruß nicht zu stammeln vermochte.

Titianus ließ ihm auch wenig Zeit; denn, nachdem er dem Bedauern über das schlimme Schicksal der am Boden liegenden Wäsche Ausdruck gegeben und dem Beamten den Namen und Beruf seines Freundes Pontius genannt hatte, eröffnete er ihm in knappen Worten, daß der Kaiser wünsche, in dem von ihm gehüteten Palaste zu wohnen, daß er, Titianus, Kenntnis von seiner schlechten Erhaltung besitze und gekommen sei, um mit dem Architekten und ihm zu beraten, was in wenigen Tagen geschehen könnte, um das vernachlässigte Schloß für Hadrian bewohnbar zu machen und wenigstens die ins Auge fallenden Schäden auszubessern. Er, der Verwalter, möge ihn nun von einem Raum in den anderen führen.

»Sogleich – sofort,« entgegnete der in vielen Jahren der Ruhe zu seinem schweren Körpergewicht gelangte Grieche. »Ich eile und hole die Schlüssel!«

Während er sich keuchend entfernte, lockerte er mit schnellen Bewegungen der kurzen, runden Finger die rechte Seite des immer noch vollen Haares auf.

Pontius schaute ihm nach und sagte:

»Ruf ihn zurück, Titianus. Er wurde beim Brennen seiner Locken gestört. Nur die eine Seite war fertig, als der Liktor ihn abrief. Ich biete meinen Kopf zum Pfande, daß er auch die andere kräuseln läßt, bevor er zurückkehrt. Ich kenne meine Griechen!«

»Laß ihn!« entgegnete Titianus. »Schätzest du ihn richtig, so wird er doch erst ohne Nebengedanken auf unsere Fragen eingehen, wenn auch die andere Hälfte des Haares gelockt ist. Ich weiß gleichfalls meine Hellenen zu nehmen.«

»Besser als ich, wie ich sehe,« versetzte der Architekt im Tone fester Überzeugung. »Ein Staatsmann arbeitet eben mit Menschen, wie wir mit leblosen Massen. Sahst du, wie der Dicke erbleichte, als du von den wenigen Tagen sprachst, nach deren Ablauf der Kaiser hier den Einzug zu halten gedenkt? Es muß schön in dem alten Dinge dort aussehen! Jede Stunde ist kostbar, und wir haben hier schon zu lange gesäumt.«

Der Präfekt nickte dem Baumeister beistimmend zu und folgte ihm in die inneren Räume des Schlosses.

Wie groß, wie harmonisch war die Anlage dieses ungeheuren Baues, durch den der nunmehr rings von schönen Locken geschmückte Palastvorsteher Keraunus die Römer führte!

Der Palast stand auf einem künstlichen Hügel inmitten der Landzunge Lochias, und von manchem Fenster und manchem Altane aus ließen sich die Straßen und Plätze, die Häuser, Tempel und öffentlichen Bauten der Weltstadt und ihr von Schiffen wimmelnder Hafen schön überblicken. Reich, mannigfaltig und vielfarbig war die Aussicht von der Lochias nach Westen und Süden; wer aber von dem Altan des Ptolemäerpalastes nach Morgen und Mitternacht schaute, vor dem eröffnete sich der niemals ermüdende Blick über die nur vom Himmelsgewölbe begrenzte unendliche See.

Als Hadrian vom Kasischen Berge aus seinem Präfekten Titianus durch einen eilenden Boten befohlen hatte, gerade dies Bauwerk zu seinem Empfang einrichten zu lassen, wußte er wohl, was seine Lage ihm bieten konnte; – das vernachlässigte Innere des seit dem Sturze Kleopatras unbewohnten Schlosses genügend herzustellen, war die Sache seiner Beamten.

Acht, vielleicht neun Tage ließ er ihnen Zeit, wenig mehr als eine Woche! Und wie fanden Titianus und Pontius, dem beim Sehen und Zeichnen, Untersuchen und Schreiben der helle Schweiß von der Stirn rann, diese verkommene, ausgeplünderte Stätte des höchsten Glanzes!

Die Säulen und Treppen in den Innenräumen waren erträglich erhalten, aber in die offenen Decken der Fest- und Versammlungssäle hatte es hineingeregnet, die herrlichen Mosaikfußböden waren hier auseinandergewichen, dort sproß mitten in einem Saal, einer Halle oder einem Säulenhofe eine kleine Wiese; denn schon Oktavianus Augustus, Tiberius, Vespasian, Titus und eine ganze Reihe von Präfekten hatten die schönsten musivischen Bilder aus dem berühmten Ptolemäerpalast auf der Lochias sorgfältig ausbrechen und nach Rom oder in die Provinz bringen lassen, um dort ihre Stadthäuser oder Villen mit ihnen zu zieren.

Ebenso war es gerade den schönsten Bildsäulen ergangen, mit denen vor einigen hundert Jahren die kunstsinnigen Lagiden diesen Palast, neben dem sie freilich noch andere größere im Bruchium besaßen, geschmückt hatten.

Mitten in einer weiten Marmorhalle stand ein mit dem vortrefflichen Aquädukt der Stadt zusammenhängender, herrlich gearbeiteter Springbrunnen. Der Zugwind strömte in diesen Saal ein und peitschte das Wasser in stürmischen Tagen über seinen ganzen, des musivischen Schmuckes beraubten Boden, der nun, wohin auch der Fuß trat, mit einem dünnen, dunkelgrünen, schlüpfrig feuchten Überzug von moosigen Pflanzengeweben bedeckt war.

In dieser Halle war es, wo der Palastvorsteher Keraunus sich keuchend an eine Wand lehnte und, die Stirn trocknend, mehr schnaufte als sagte: »Angelangt – am Ende!«

Diese Worte hörten sich an, als meine er sein eigenes Ende, nicht das des Palastes, und es klang wie ein gegen ihn gerichteter Hohn, als der Baumeister Pontius ungesäumt mit der ihm eigenen Entschiedenheit entgegnete:

»Gut, so können wir die Untersuchung von hier aus sogleich von neuem beginnen.«

Keraunus widersprach nicht, als er aber der vielen wiederum zu ersteigenden Treppen gedachte, sah er aus, als habe man ihm das Todesurteil gesprochen.

»Ist es nötig, daß ich auch bei deiner weiteren Arbeit, die doch wohl das einzelne ins Auge faßt, bei dir bleibe?« fragte der Präfekt den Baumeister.

»Nein,« entgegnete dieser, »vorausgesetzt freilich, daß du dich bequemst, gleich jetzt in meinen Plan zu schauen, dich im ganzen von dem, was ich vorhabe, zu unterrichten und mir Vollmacht zu erteilen, in jedem einzelnen Falle über Menschen und Mittel frei zu verfügen.«

»Zugestanden,« entgegnete Titianus. – »Ich weiß, daß Pontius keinen Mann und keinen Sesterz mehr oder weniger in Anspruch nehmen wird, als der Zweck es gebietet.«

Der Baumeister verneigte sich schweigend, Titianus aber fuhr fort:

»Vor allen Dingen: glaubst du in acht Tagen und neun Nächten mit deiner Aufgabe zu Ende zu kommen?«

»Zur Not – vielleicht. – Stünden mir nur vier Tage mehr zur Verfügung, wahrscheinlich.«

»Es würde also gelten, Hadrians Ankunft um viermal vierundzwanzig Stunden zu verzögern.«

»Sende ihm anregende Leute, etwa den Astronomen Ptolemäus und den Sophisten Favorinus, der ihn hier erwartet, nach Pelusium entgegen. Sie bringen es fertig, ihn dort aufzuhalten.«

»Kein übler Gedanke! Wir wollen sehen. Aber wer kann mit den Stimmungen der Kaiserin rechnen? Denke in jedem Falle, du hättest nur über acht Tage zu gebieten.«

»Gut.«

»Wo hoffst du Hadrian unterbringen zu können?«

»Brauchbar im eigentlichen Sinne sind nur kleine Teile des alten Gebäudes.«

»Davon mußte ich mich leider selbst überzeugen,« erwiderte der Präfekt mit Nachdruck und fuhr, indem er sich an den Vorsteher wandte, nicht streng verweisend, doch im Ton des Bedauerns fort:

»Mir will es scheinen, Keraunus, als wäre es deine Pflicht gewesen, mich schon früher über den Verfall dieses Bauwerks in Kenntnis zu setzen.«

»Ich klagte bereits,« entgegnete der Angeredete, »aber ich erhielt auf meine Eingabe zur Antwort, es stünden keine Mittel zur Verfügung.«

»Ich weiß nichts von dieser Sache,« rief Titianus. »Wann sandtest du dein Gesuch auf die Präfektur?«

»Unter deinem Vorgänger Haterius Nepos geschah es.«

»So –« entgegnete der Präfekt gedehnt. »Damals! Ich an deiner Stelle hätte meine Eingabe in jedem Jahre und unbedingt beim Amtsantritt des neuen Präfekten wiederholt. Aber wir haben jetzt keine Zeit, über Versäumtes zu klagen. Während der Anwesenheit des Kaisers sende ich vielleicht einen meiner Beamten zu deiner Unterstützung hierher.«

Dabei wandte Titianus dem Verwalter kurz den Rücken und fragte den Baumeister:

»Nun, mein Pontius, welchen Teil des Palastes hast du ins Auge gefaßt?«

»Die inneren Säle und Zimmer sind noch am besten erhalten.«

»Aber an sie dürfen wir am wenigsten denken!« rief Titianus. »Der Kaiser ist im Lager mit allem zufrieden, doch wo es freie Luft gibt und einen Blick in die Ferne, da muß er sie haben.«

»So wählen wir die westliche Zimmerreihe. Halte den Plan, mein stattlicher Freund.«

Der Verwalter tat, wie ihm geheißen. Der Baumeister ergriff den Stift, strich mit ihm kräftig durch die Luft über die linke Seite des Risses und sagte:

»Dies ist die Abendfront des Palastes, die man vom Hafen aus überblickt. Von Süden her kommt man zuerst in das hohe Peristyl, das als Warteraum benützt werden mag. Es wird von Zimmern für die Sklaven und Leibwächter umgeben. Die folgenden kleineren Säle neben dem Hauptgange weisen wir den Beamten und Schreibern an, in dieser geräumigen hypäthralen Halle – die mit den Musen – erteilt Hadrian Audienzen und es können sich in ihr die Gäste versammeln, denen er in diesem breiten Peristyl an seiner Tafel zu speisen gestattet. Die kleineren, gut erhaltenen Zimmer zur Seite des langen Ganges hier, der in die Wohnung des Verwalters führt, sollen den Pagen, Sekretären und anderen persönlichen Dienern des Cäsar gehören. Der lange, mit edlem Porphyr und grünem Marmor getäfelte und mit dem schönen Bronzefries geschmückte Raum wird Hadrian, denke ich, als Arbeitsgemach und Ruhezimmer gefallen.«

»Vortrefflich!« rief Titianus. »Ich möchte deinen Plan der Kaiserin zeigen.«

»Dann würde ich statt acht Tage ebensoviel Wochen gebrauchen,« entgegnete Pontius gelassen.

»Du hast recht,« lachte der Präfekt und fragte dann: »Aber sage, Keraunus, warum fehlen gerade in den besten Zimmern die Türen?«

»Sie bestanden aus kostbarem Thyiaholze und man begehrte sie in Rom zu haben.«

»Ich bin dort wohl einer oder der anderen begegnet,« murmelte der Präfekt. »Deine Schreiner müssen sich tummeln, Pontius.«

»Sage lieber, die Teppichhändler können sich freuen. Wo es angeht, verschließen wir mit schweren Vorhängen die Pforten.«

»Was wird aus dieser feuchten Wohnung für Frösche, die, wenn ich nicht irre, an den Speisesaal stoßen muß?«

»Ein mit Blattpflanzen angefüllter Garten.«

»Das läßt sich hören. Aber die zerbrochenen Bildsäulen da drin?«

»Die schlimmsten schaffen wir fort.«

»Steht Apoll mit den neun Musen nicht in dem von dir zum Audienzsaal bestimmten Raume?«

»Ja.«

»Sie sind, denk' ich, erträglich erhalten?«

»So so.«

»Die Urania fehlt gänzlich,« bemerkte der Palastvorsteher, indem er immer noch den Plan vor sich hin hielt.

»Wo kam sie hin?« fragte Titianus nicht ohne Erregung.

»Deinem Vorgänger, dem Präfekten Haterius Nepos, gefiel sie besonders, und er nahm sie mit sich nach Rom,« lautete die Antwort.

»Warum auch gerade Urania?« rief Titianus verdrießlich. »Sie darf im Audienzsaal des himmelskundigen Kaisers nicht fehlen. Was ist da zu tun?«

»Es wird schwer sein, eine andere fertige Urania in der Größe ihrer Schwestern zu finden, und zum Suchen fehlt es an Zeit; so muß denn eine neue hergestellt werden.«

»In acht Tagen?«

»Und ebenso vielen Nächten!«

»Aber ich bitte dich; bevor der Marmor . . .«

»Wer denkt an den? Papias macht uns eine aus Stroh und Tüchern und Gips – ich kenne den Zauber – und damit die anderen nicht zu sehr von der neugeborenen Schwester abstechen, werden sie sämtlich weiß übertüncht.«

»Vortrefflich; aber warum wählst du einen Papias, da wir doch einen Harmodius haben?«

»Harmodius nimmt es ernst mit der Kunst, und bevor er fertig ist mit seinen Entwürfen, kommt schon der Kaiser. Papias arbeitet mit dreißig Gehilfen, was man auch bei ihm bestellt, wenn es nur Geld bringt. Seine letzten Sachen freilich, besonders die schöne Hygieia für den Juden Dositheos und die im Cäsareum aufgestellte Büste Plutarchs machten mich stutzig; denn sie sind voller Anmut und Kraft. Aber wer mag unterscheiden, was ihm gehört, was seinen Schülern? Genug, er weiß, wie man's macht, und gibt es was Rechtes zu verdienen, so haut er dir in fünf Tagen eine ganze Seeschlacht aus Marmor.«

»So gib Papias den Auftrag. Aber die armen, verstümmelten Fußböden; was tust du mit ihnen?«

»Gips und Farbe müssen sie heilen,« entgegnete Pontius. »Wo das nicht glücken will, legen wir nach der Sitte des Morgenlandes Teppiche über den Estrich. Gnädige Nacht, wie dunkel es wird! Gib den Plan, Keraunus, und sorge für Fackeln und Lampen; denn der heutige Tag und seine Nachfolger werden vierundzwanzig voll gemessene Stunden haben. Ich bitte dich um ein halbes Dutzend zuverlässiger Sklaven, Titiane. Sie müssen als Boten benutzbar sein. Was stehst du da, Mann? Licht hab' ich gesagt! Ein halbes Leben hattest du Zeit, dich auszuruhen, und dir blühen nach dem Abschied des Kaisers ebensoviel Jahre zu dem gleichen köstlichen Zwecke . . .«

Der Verwalter hatte sich bei diesen Worten schweigend entfernt, der Baumeister schenkte ihm aber nicht das Ende des Satzes und rief ihm nach:

»Wenn du bis dahin nicht in deinem Fette erstickt bist. – Ob wohl Nilschlamm oder Blut in den Adern dieses Ungetüms rollt?«

»Kann mir gleich sein,« entgegnete der Präfekt, »wenn in den deinen das immer prächtiger glühende Feuer nur bis zum Ende des Werkes aushält. Hüte dich vor übergroßer Ermüdung am Anfang, und mute deiner Kraft nicht das Unmögliche zu; denn Rom und die Welt erwarten noch Großes von dir. Völlig beruhigt schreib' ich nun dem Kaiser, daß auf der Lochias alles für ihn bereit sein wird, und zum Abschied rufe ich dir zu: Verzagen ist Torheit – wenn Pontius nur da und Pontius mit seinem Beistand zur Hand ist.«


 << zurück weiter >>