Alexander Dumas
Lady Hamilton
Alexander Dumas

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93. Kapitel.

Noch am Tage seiner Ankunft, das heißt am 8. November, war Mylord Nelson auf die Admiralität gegangen, um Lord Spencer, seinem Freund, einen Besuch abzustatten, und hatte ihm den Wunsch zu erkennen gegeben, den Abschied zu nehmen, indem er den Beweggrund geltend machte, den man in einem solchen Falle gewöhnlich anführt, nämlich schwächliche Gesundheit. Lord Spencer hatte sich, indem er ihn so sprechen hörte, begnügt zu lächeln und ihm eine zweite Gesundheit und ein zweites Abukir gewünscht. Am 1. Januar fand eine Promotion statt, und Nelson erfuhr, daß er zum Vizeadmiral des blauen Geschwaders ernannt worden, was gleichzeitig eine Belohnung und ein Avancement war. Noch denselben Tag verpflanzte er, mit dem Meer und dem gefahrvollen Leben, welches einmal sein Beruf war, ausgesöhnt, seine Flagge auf den »St. Joseph«, der im Hafen von Plymouth lag. Mittlerweile fühlte ich, daß der Tag meiner Entbindung immer schneller herannahte. Es war nicht wahrscheinlich, daß der Monat Februar vergehen würde, ohne daß ich das Kind zur Welt brächte, welches ich der Welt so sorgfältig und ich muß sagen mit soviel Schmerzen zu verbergen suchte. Genötigt, am Hofe von Wien, bei dem Erzherzog Carl in Hamburg immer in großer Toilette und enggeschnürt zu erscheinen, hatte ich während meiner Schwangerschaft öftere Anfälle von Krämpfen gehabt, welche Sir William sehr beunruhigten, obschon er nichts ahnte, denn Nelson zeigte mir eines Tages einen Brief von ihm, in welchem er mir schrieb: »Emma hat Magenschmerzen und Krämpfe. Ich glaube, sie sollte ein Brechmittel nehmen.« In London angelangt, mußte ich nicht weniger auf meiner Hut sein als in Wien, in Dresden und in Hamburg, denn hier war Nelsons ganze Familie, sein Vater, sein Bruder, sogar seine Frau zugegen. Ich bestimmte deshalb Sir William, daß wir das Hotel Nerot verließen und unsere Wohnung in dem Hause seines Neffen Lord Greenville nahmen, welches am äußersten Ende von Piccadilly stand und die Aussicht auf den Green-Park gewährte. Trotz des Wunsches, den er hegte, in dem Augenblicke, wo mein Zustand ihm lebhafte Befürchtungen einflößte, in meiner Nähe zu bleiben, sah Nelson sich genötigt, am 13. Januar nach Plymouth abzureisen. Hier langte er am 17. an und begab sich sofort an Bord des »St. Joseph«. Am 19. schrieb er mir: »Ich habe mich bis heute wahrhaft unglücklich gefühlt, teure Lady Hamilton, keinen Brief von Ihnen zu erhalten, und ich fürchte sehr, daß ich auch sobald noch keinen bekommen werde. Welch' ein Narr war ich, zu glauben, daß es jemanden gäbe, welcher tätiger wäre als ich. Heute habe ich Befehl erhalten, mich unter das Kommando des Lord St. Vincent zu stellen. Da aber der Befehl zum Auslaufen noch nicht eingetroffen ist, so werden wir wahrscheinlich erst Freitag nacht oder Sonnabend früh nach Forbais unter Segel gehen. Mein Auge ist wirklich sehr krank. Ich habe es dem Arzt der Flotte gezeigt. Er hat mir verboten, eine Feder in die Hand zu nehmen und dennoch bin ich genötigt, heute noch an Lord Spencer, St. Vincent und Davison zu schreiben. Seien Sie aber unbesorgt, Sie sind die einzige Frau, an die ich schreibe. Der Arzt hat mir auch gesagt, ich solle nur die unschuldigsten Speisen genießen und weder Wein noch Porter anrühren. Dann soll ich auch in einem dunklen Gemach bleiben und einen grünen Schirm über den Augen tragen. Würden Sie, meine teure Freundin, mir wohl einen oder zwei solche fertigen? Ich will von niemandem einen als nur von Ihnen. Ohne Zweifel ist es das viele Schreiben, welche mir diese Augenkrankheit zugezogen hatte. Ich mache sehr viel Aufhebens von meinen Leiden, unglücklicherweise aber habe ich, fern von Ihnen, vollauf Zeit, dabei zu verweilen. Ich bin wie immer Ihr treu ergebener

H. Nelson

Drei Wochen später erhielt ich wieder einen Brief. Dieser lautete: »Meine teure Lady. – Mr. Davison bittet um das Vergnügen, Ihnen meine Antwort auf Ihren liebenswürdigen Brief zuzustellen, und ich bin überzeugt, daß er sich diesem Auftrage pünktlich unterziehen wird. Ich bin nicht in der besten Laune und wenn nicht unser Vaterland alle meine Dienste und meine ganze Intelligenz beanspruchte, so sollte mich nichts abhalten, selbst der Überbringer meines Briefes zu sein. Ich weiß aber, liebe Freundin, daß Sie eine echte und loyale Engländerin sind und daß Sie jeden hassen würden, der nicht den König, die Gesetze und alles verteidigte, was uns teuer ist. Ihr Geschlecht ist es, was uns zu Helden macht, und wenn wir auf dem Felde der Ehre fallen, so leben wir in dem Herzen der Frauen fort, die uns geliebt haben. Und Sie, meine teure, geehrte Freundin, Sie sind, glauben Sie es mir, die erste und beste Ihres Geschlechts. Ich habe diese Reise um die Welt gemacht, und in keinem Winkel der Welt habe ich Ihres Gleichen, noch sonst jemanden gefunden, der mit Ihnen verglichen werden könnte. Sie wissen den Mut, die Ehre und die Tugend zu schätzen, und Sie fragen niemals darnach, ob Sie diese Eigenschaften bei einem Prinzen, bei einem Herzog, bei einem Lord oder bei einem Bauer finden.

H. Nelson

Solche Briefe, von einem Manne geschrieben, mit welchem ganz England sich beschäftigte, den die Könige ihre Stütze nannten, und dem man überall, wo er sich zeigte, königliche Ehren erwies, raubten mir vor Stolz fast den Verstand. Man hat geglaubt, ich sei es gewesen, welche eine Macht auf Nelson ausgeübt, es war aber vielmehr er, welcher volle Gewalt über mich besaß. Er hätte mir das Unmöglichste befehlen können, ich würde es versucht haben, das Verbrecherischeste und ich hätte es vollbracht. Ich wäre weniger stolz darauf gewesen, von einem König geliebt zu werden, als ich auf Nelsons Liebe war. Deshalb freute ich mich sogar der Schmerzen, welche meine Schwangerschaft mir verursachte, denn waren dieselben mir nicht durch ihn verursacht? War das Kind, welches ich unter meinem Herzen trug, nicht das seine? Oft hatten wir miteinander davon gesprochen. Von seiner Frau hatte er niemals Kinder gehabt und versprach daher, dieses anzubeten. Wir hatten schon im voraus die abenteuerlichsten Pläne entworfen, mochte es nun ein Knabe oder ein Mädchen sein. Ich hoffte immer noch, daß Nelson nach London zurückkommen könnte, als plötzlich die nordische Koalition beschlossen ward. Die Regierung beschloß nun, eine mächtige Flotte unter dem Befehl des Admiral Parker mit Nelson als Vizekommandanten in die Ostsee zu schicken. Demgemäß erhielt Nelson am 17. Februar 1801 von der Admiralität folgenden Befehl zugefertigt: »Lord Nelson wird sich unter das Kommando von Sir Hyde Parker, Admiral von der blauen Flagge und Oberkommandant des königlichen Geschwaders, stellen, um zu besonderen Diensten verwendet zu werden.« Infolge dieses Befehles begab er sich am 18. desselben Monats auf den »St. George« und ging nach Spithead ab, wo er seine Instruktionen erwarten sollte.

Während dieser Zeit war mein Stündlein gekommen. Am 15. Februar ward ich von Wehen ergriffen, gerade in dem Augenblicke, wo Sir William Hamilton ein acht Stunden von London liegendes, sehr schönes Landhaus, welches Merton Place hieß und mir sehr gefiel, in Augenschein zu nehmen gegangen war. Ich befand mich daher in dieser Stunde, wo ich des Alleinseins am nötigsten bedurfte, auch wirklich allein. Zum Glück befand sich in unserem Hause eine Frau, welche, da sie selbst mehrere Kinder gehabt, in dergleichen Dingen sehr erfahren war, und in dringenden Fällen schon mehr als einmal als Hebamme und Arzt fungiert hatte. Ich ließ sie rufen und nach einem drei- oder vierstündigen Kampfe brachte ich ein kleines, so schwaches Mädchen zur Welt, daß man anfangs glaubte, es habe bloß das Licht der Welt erblickt, um zu sterben. Der Grund hiervon lag in den Vorsichtsmaßregeln, welche ich in Anwendung zu bringen genötigt gewesen, und namentlich an dem Schnürleibe, den ich nicht aufgehört zu tragen. Die Frau verschloß sich mit dem Kinde in das abgelegenste Zimmer des Hauses, wo die arme Kleine drei oder vier Tage lang mit dem Saugfläschchen genährt wurde, so gut es gehen wollte, denn sie war noch nicht kräftig genug, um zu der Amme getragen zu werden, die ich im voraus gedungen und welche in Little Ditchfield-Street wohnte. Noch denselben Tag schrieb ich an Nelson. Da ich aber fürchtete, daß er nach Empfang meines Briefes sogleich herbeigeeilt käme und durch den überaus schwächlichen Zustand des Kindes erschreckt würde, so bat ich ihn, seine Reise um sechs oder acht Tage aufzuschieben, unter dem Vorwand, weil ich nicht wünschte, daß er unsere liebe Horatia ohne mich sähe. Am nächstfolgenden Tage kam Sir William von seinem Ausfluge zurück. Er war durchaus nicht überrascht, mich im Bett zu finden. Man sagte ihm, ich hätte einen Anfall gehabt und dabei viel Galle ausgebrochen. Er glaubte es und schrieb Nelson: »Emma ist sehr krank gewesen! Es geht jetzt wieder besser mit ihr, aber dennoch glaube ich, daß sie trotz der Galle, die sie vomiert, noch purgieren muß.« Nach Verlauf von vier Tagen konnte ich, dank meiner bewundernswürdigen Konstitution, das Bett verlassen, und am achten Tage fühlte ich mich stark genug, um auszugehen.

Ich ging zu der Frau, welche meine kleine Horatia in Pflege genommen. Letztere war ein wenig munterer, aber immer noch ungemein schwächlich. Man kann sich einen Begriff davon machen, wenn ich sage, daß ich sie, um sie ungesehen aus dem Hause zu schaffen, in meinen Muff steckte, worin sie bequem Platz hatte. Die Amme war eine Frau von der untern Bürgerklasse und hieß Mistreß Thompson. Sie war hübsch, frisch und kerngesund. Nelson hatte sie, ohne zu sagen, für wen sie bestimmt war, durch seinen Arzt ausfindig machen lassen. Dieser Frau sagte ich, daß die Belohnung, die sie empfangen sollte, nach ihrer Verschwiegenheit und Treue bemessen würde. Mittlerweile ließ ich ihr für den ersten Monat fünf Guineen zurück. Am nächstfolgenden Tage kam plötzlich Nelson an. Er hatte wegen dringender Angelegenheiten einen Urlaub von drei Tagen verlangt und war, sobald dieser Urlaub ihm bewilligt worden, mit Postpferden abgereist. Er nahm sich nicht einmal Zeit zu frühstücken, obschon er ganz nüchtern ankam, so große Eile hatte er, die Kleine zu sehen. Er schützte einen Wohltätigkeitsbesuch vor, bei welchem er, wie er sagte, meiner Gegenwart bedürfte. Wir stiegen in den Wagen und fuhren nach Little Ditchfield-Street. Hier machte es mich wahrhaft glücklich, die Freude dieses Mannes zu sehen, welcher mein Leben geworden war. Er lachte, er weinte, er nahm das Kind in seinen einen Arm, ließ es hüpfen und tanzen, wollte es durchaus zum Lachen bringen, behauptete, es habe auch wirklich gelacht, nannte es sein Kind, sein einziges Kind, und befahl der Wärterin es ihm den nächstfolgenden Tag in Sir Williams Hotel zu bringen, indem er ihr zugleich die Lektion einstudierte, welche sie bei dieser Gelegenheit hersagen sollte. In der Tat fand sich auch am andern Morgen die Amme mit dem Kinde in dem Hotel ein. Die erste Person, welche sie sah, war Sir William, der sie anhielt und fragte, wer sie wäre. Sie antwortete, sie hieße Mistreß Thompson, sie habe einen Bruder, der auf Lord Nelsons Schiffe diene und der Lord habe sich dazu verstanden, Pathe dieses kleinen Mädchens zu sein, welches sie auf dem Arm trüge und welches sie ihm brächte, um es ihm zu zeigen. Sir William zweifelte keinen Augenblick an der Wahrheit dieser Geschichte. Er nahm seinerseits das Kind auf den Arm, wünschte ihm alles mögliche Glück, und gab es dann seiner Amme zurück.

Nelson blieb anderthalb Tage bei uns, dann mußte er uns wieder verlassen. Diese zweite Trennung war noch schmerzlicher als die erste. Konnten wir hoffen, uns jemals wiederzusehen? Hatte dieses Kind, welches der Himmel uns gegeben, nicht den Schatz der himmlischen Güte für uns erschöpft? Wir waren übereingekommen, einander so zu schreiben, daß unsere Briefe ohne Gefahr in fremde Hände geraten könnten, das heißt so, daß der Inhalt nur für uns verständlich war. Diese geheimen Briefe machten jedoch die sozusagen offiziellen, welche ich von ihm erhielt, nicht weniger häufig. So verließ er zum Beispiel am 2. März auf dem »St. Georg« den Hafen von Portsmouth und am 3. schrieb er mir: »Meine teure Emma. – Mein Vorgesetzter hat mir die Ehre erzeigt, mich in die vorderste Schlachtlinie zu stellen und ich werde daher der Erste im Kampfe sein. Ich würde Ihnen noch mehr darüber sagen, wenn ich nicht fürchtete, Sie zu beunruhigen, denn ich kenne Ihre große Zärtlichkeit für mich. Der ›St. Georg‹ wird einen neuen Strahl des Ruhmes dem Rufe Englands beifügen, wenn Nelson am Leben bleibt, und wenn die allmächtige Vorsehung, die mich unaufhörlich in der Gefahr beschützt und in den Tagen der Schlacht mein Haupt gedeckt, mir beisteht und mich bis dahin aufrecht hält. Bewahren Sie mir stets Ihre Erinnerung, Sie und der vortreffliche Sir William. Mein letzter Gedanke gehört Ihnen beiden, die Sie mich lieben und achten. Ich beurteile Ihr Herz nach dem meinigen. Möge der große Gott des Weltalls Sie beschützen und segnen. Dies ist die innige Bitte Ihres treuen Freundes

Nelson

Man erlaube mir nun, eine Probe von unserer geheimen Korrespondenz zu geben. Man wird daraus ersehen, mit welcher Inbrunst dieser große Mann mich liebte. Je tiefer diese Liebe war, desto mehr glaube ich meine Entschuldigung darin zu finden. Er schrieb mir von den Dünen vor Boulogne durch Vermittelung eines sichern Freundes. »Fürchten Sie kein Weib in der ganzen Welt, teure Emma, denn jedes andere Weib ist mir gleichgültig. Ich kenne nur ein Wesen, welches Ihnen vielleicht einmal ähnlich werden kann. Ich bin überzeugt, daß Sie nie etwas tun werden, was die Liebe erkalten lassen kann, welche ich für Sie hege, und was mich betrifft, so würde ich lieber unter den grausamsten Qualen sterben, als Ihnen nur den mindesten Kummer zufügen. Küssen Sie unsere teure Horatia zehntausendmal von mir. Gestern kam das Gespräch auf das Impfen der Schutzpocken. Ein Herr behauptete, sein Kind, welches geimpft worden, sei mit einem an den wirklichen Blattern erkrankten Kinde in Berührung gekommen, ohne von dieser Krankheit angesteckt zu werden. Wenn sich dies wirklich so verhält, so ist dies der Triumph des Impfens. Das Kind hat zwei Tage lang ein wenig Fieber und nur eine kleine Entzündung am Arm gehabt, anstatt mit Pusteln bedeckt zu sein, wie das an den wirklichen Blattern erkrankte. Übrigens aber tun Sie, was Sie für gut finden.«

Ich sprach über diesen Brief so wie über das medizinische Wunder, welches er verkündete, mit dem Doktor Rowlay. Zum Unglück aber war dieser ein erbitterter Gegner Jenners. Er erklärte sich entschieden dagegen, daß Horatia mit Kuhpocken geimpft würde, und da er gerade in diesem Augenblicke ein taugliches Subjekt hatte, so impfte er der armen Kleinen die wirklichen Blattern. Dennoch gelang die Operation ausgezeichnet gut und drei Wochen später war Horatia wieder vollkommen hergestellt. Ich mietete bei dieser Gelegenheit in Stone-Street ein möbliertes Haus für Mistreß Thompson, und alles ging seinen besten Gang. Hier habe ich ein Geständnis zu tun, und was es mich auch kosten möge, so werde ich es um der Vollständigkeit meiner Memoiren willen niederschreiben. Ohne Zweifel um jenen unverantwortlichen Haß zu befriedigen, den ich gegen seine Frau hegte, von welcher er doch körperlich völlig getrennt lebte, wollte Nelson, daß diese Trennung sich auch auf materielle und unempfindliche Gegenstände erstrecke. Eines Tages schrieb er mir: ich solle Lady Nelson alle Toiletten und andere Gegenstände zurückschicken, die ihr vielleicht gehört hätten, und die mit unter die seinigen geraten wären. Ich hätte mich weigern und lieber eine Frau von Nelsons Familie, eine Schwägerin, mit dieser grausamen Mission beauftragen sollen. Ich fand aber im Gegenteil darin jenes herbe Vergnügen der Eifersucht, welche sich rächt, und Lady Nelson empfing alle Gegenstände, welche ihr gehört hatten, mit dem Blatt Papier, auf welches ich bloß die Worte geschrieben: »Auf Befehl und im Namen Lord Nelsons.« Ich hoffe, daß der barmherzige Gott mir in Hinblick auf meine Reue den Schmerz verzeihen wird, den ich jener unglücklichen Frau auf diese Weise zufügte.

Sir William hatte sich auf jenem Ausfluge, wo er Merton Place in Augenschein nahm, mit dem Besitzer dieses Landhauses nicht verständigen können. Mit den zunehmenden Jahren war er immer geiziger geworden und hatte um bloß zwei- oder dreihundert Pfund Sterling willen von dem Ankauf dieses Hauses Abstand genommen. Als Nelson nach London kam, hatte ich ihm von dieser beabsichtigten Akquisition gesagt und ihm die Lage von Merton Place und die bequeme Einrichtung der Wohngebäude gerühmt. Er erinnerte sich jetzt meines Wunsches und als er erfuhr, daß Sir William das Grundstück nicht gekauft, schrieb er ihm und erteilte ihm Auftrag, es um den verlangten Preis für ihn zu akquirieren. Er sagte, da er von jeher die Absicht gehabt, mit Freunden auf dem Lande zu leben, so kaufe er Merton Place, um es zu einem Asyl für uns alle drei zu machen, wo wir, fern vom Geräusch der Stadt und den Intrigen der Politik, unsere letzten Tage in Ruhe verleben könnten. Sir William begab sich demgemäß zu dem Notar und kaufte Merton Place in Nelsons Namen für den Preis, den er selbst zu zahlen sich geweigert. Da ich mir wohl dachte, daß Nelson dieses Grundbesitztum nur kaufe, um es mir zu schenken, so erhob ich einige Bedenken dagegen, indem ich sagte, daß eine Lokalität, die mir gefiele, vielleicht für ihn keinen Reiz habe. Er beeilte sich jedoch mir zu antworten: »Machen Sie sich über diesen Punkt keine Sorge. Ich bin überzeugt, daß Merton Place mir gefallen wird, und habe von Ihrem Geschmack und Ihrem Urteil eine so gute Meinung, daß ich den einen wie das andere für untrüglich halte.«

Man kennt jenen furchtbaren Feldzug Englands gegen Dänemark, an welchem Nelson berufen ward, teilzunehmen. Mit dem Bombardement von Kopenhagen beauftragt, wagte Nelson sich so weit heran, daß der Admiral Parker, welcher fürchtete, daß die englischen Schiffe auf den Grund geraten und dann nicht mehr imstande sein möchten, zu manövrieren, durch Signale den Befehl zum Rückzuge gab. Durch den Kapitän Hardy von den Signalen, welche sein Vorgesetzter ihm gab, in Kenntnis gesetzt, hielt Nelson das Fernrohr an sein ausgeschlagenes Auge. »Ich sehe nichts,« sagte er. Und er setzte den Kampf fort. Der schlechte Gesundheitszustand Nelsons und besonders sein Wunsch, mich und seine teure Horatia, auf welche ich hätte eifersüchtig sein mögen, wenn eine Mutter dies auf ihr Kind sein könnte, wiederzusehen, bewogen ihn, als er den Feldzug für beinahe beendet ansah, um die Erlaubnis zur Rückkehr nach London nachzusuchen. Da er diese Gunst unter der Form eines Urlaubs erbat, so gewährte die Admiralität sie ihm, denn sie wußte ja, wo sie ihn beim ersten Kanonenschuß, welcher abgefeuert werden würde, zu finden hätte. Man hoffte jedoch, daß dieser Kanonenschuß nicht so bald fallen würde. Das Ministerium Pitt, das heißt das Ministerium des Krieges, war gestürzt und das Ministerium Addington, das heißt das Ministerium des Friedens, ans Ruder gelangt. Nelson legte demzufolge sein Kommando in der Ostsee nieder, ging am 18. Juni an Bord der Brigg »Kitte«, die von dem Kapitän Dogby befehligt ward, und langte am 1. Juli in Yarmouth an. Er trat mitten unter uns, als wir ihn am wenigsten erwarteten, denn sein Schiff hatte die Fahrt von der Kiöge-Bai bis Yarmouth in nicht ganz zehn Tagen zurückgelegt.

Meine Freude war groß. Zum Glück konnten wir unter dem Schleier einer vertrauten Freundschaft einander selbst in Sir Williams Gegenwart einen Teil der Dinge sagen, von welchen uns das Herz überwallte. Übrigens kam eine Viertelstunde nach Nelsons Ankunft der Fürst von Castelcicala des Königreichs beider Sizilien, um Sir William Depeschen mitzuteilen. Letzterer begab sich demzufolge in den Salon und ließ uns allein. Nelsons erstes Wort galt Horatia. Seine Fragen folgten mit solcher Schnelligkeit aufeinander, daß es mir Mühe kostete, dieselben zu beantworten. Ich ging in den Salon und sagte Sir William leise, Lord Nelson wünschte seine Pate zu sehen, und bäte mich, ihn zu der Pflegemutter derselben zu begleiten. Mein Gemahl drückte mir die Hand, schüttelte den Kopf und sagte: »Er ist wirklich ein sehr aufmerksamer und zärtlicher Pate! Gehe nur mit, mein Kind!« Ich ließ die beiden Diplomaten sich über die Staatsangelegenheiten besprechen, in welche ich, Gott sei Dank, mich nicht mehr mischte, und wir stiegen in den Wagen, um uns nach Stone-Street zu begeben. Unterwegs fragte ich Nelson, ob er wieder einmal den Vogel gesehen. »Was für einen Vogel?« fragte er. – »Den Vogel von Abukir, den, welcher sich Ihnen an dem Tage, wo ich Ihnen einen Besuch auf dem »Vanguard« abstattete, auf die Schulter setzte.« – »Ha!« rief Nelson freudig, »den habe ich am Morgen des Bombardements von Kopenhagen wiedergesehen. Ich zweifle nun nicht mehr, daß dieser Vogel mein guter Genius ist.«

Als er seine kleine Horatia wieder sah, schien er noch glücklicher zu sein als das erste Mal. Sie war während der verflossenen vier Monate sehr gewachsen und auch viel kräftiger geworden, so daß man sich kein reizenderes kleines Wesen denken konnte. Ganz außer sich vor Freude kam Nelson nach Piccadilly zurück und sprach während des ganzen Diners fast von weiter nichts, als von seiner kleinen Pate. Das neue Ministerium hatte Unterhandlungen mit Frankreich angeknüpft, wollte aber nur unter der Bedingung Frieden schließen, daß es Malta behalten dürfte und Trinidad abgetreten erhielte. Bonaparte widersetzte sich diesen beiden Ansprüchen sehr energisch und verkündete im »Moniteur«, daß er eine Flottille bei Boulogne zusammenziehen würde, um eine Landung an den Küsten der britischen Inseln zu versuchen. In der Tat verließen auch mehrere Abteilungen Kanonenboote die Häfen von Calvados, der Seine, der Somme, der Schelde und begaben sich nach Boulogne. England wollte nicht zurückbleiben und zog bedeutende Streitkräfte zusammen, um dieses Landungsprojekt zu vereiteln. Nelson erhielt das Kommando des Geschwaders, welches bestimmt war, diese kriegerischen Vorbereitungen Frankreichs zu überwachen. Dies führte abermalige Trennung herbei, diesmal aber hatten wir die Hoffnung, daß die Trennung kurz sein würde. Das Auslaufen der Flotte war mehr eine Demonstration als eine Wiederaufnahme von Feindseligkeiten. Nelson erhielt den Befehl von der Admiralität am 25. Juli 1801 und am 27. hißte er seine Flagge auf dem Schiffe: »Die Eintracht« im Hafen von Sheerneß auf.


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