Alexander Dumas
Lady Hamilton
Alexander Dumas

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57. Kapitel.

Während wir in Caserta waren, verwirklichten sich in Neapel alle Prophezeiungen der Königin. Sei es, daß Latouche-Tréville wirklich seine Schiffe ausbessern lassen mußte, sei es, daß dies nur eine List war und daß er den geheimen Instruktionen der Republik folgte, welche dahin lauteten, alle Völker, mit welchen Frankreich in Berührung käme, auf den Weg der Revolution zu treiben, kurz, er benutzte seine Gegenwart in der Hauptstadt des Königreiches beider Sizilien, indem er die neapolitanischen Patrioten veranlaßte, eine geheime Gesellschaft zu organisieren und für Süditalien den Sieg der Prinzipien, welche damals in Frankreich herrschten, vorzubereiten. Täglich begaben sich seine Offiziere – und man weiß, daß die Offiziere der französischen Marine im allgemeinen ausgezeichnete und unterrichtete Männer sind – ans Land, mischten sich unter die Bevölkerung, machten Proselyten und streuten in alle jungen Herzen den Samen der Empörung, der einige Jahre später so viel Blutvergießen herbeiführen sollte.

Am Abend vor dem Tage, an welchem die Flotte die Anker lichten sollte, gaben die jungen Männer den Offizieren der Flotte eine großes Diner. Man sang revolutionäre Lieder, und unter diesen die Marseillaise, welche Rouget de Lisle verfaßt und welche, indem sie am 10. August zu Tage trat, dem Dichter eine so furchtbare Unsterblichkeit verliehen. Man hatte die rote Mütze aufgepflanzt und geschworen, auch in Neapel eine dreifarbige Kokarde haben zu wollen, welche die weiße Kokarde der Bourbonen ersetzen sollte. Dann hatten alle die, welche an diesem Diner teilgenommen, die französische Mode angenommen, welche Talma in seiner Tragödie »Titus« aufgebracht. Sie hatten sich nämlich das Haar kurz schneiden lassen, den Puder verschmäht und alle, welche der alten Mode Treue bewahrten, mit dem Namen Caudini, das heißt Schwanzträger getauft. Während dieser ganzen Zeit war mir die Königin, ohne mich irgendwie zu ihrer Vertrauten zu machen, mit einem dunklen Werk beschäftigt erschienen. Oft, wenn wir zusammen waren, sprach man leise mit ihr, sagte ihr, daß jemand sie zu sprechen wünsche, worauf sie sich, ohne weiter zu fragen, erhob, als ob sie schon im voraus die Ursache dieser Störung gewußt hätte, und dann kam sie nach einer viertel, einer halben, einer ganzen Stunde zurück, drückte mir die Hand und sagte: »Es geht alles gut.«

Eines Tages, während die Königin in eine dieser geheimen Konferenzen gegangen war, ging ich in den Garten hinunter und sah einen schwarzgekleideten, mir unbekannten Mann in demselben. Ohne zu wissen, daß dieser Mann später eine furchtbare Berühmtheit erlangen würde, konnte ich dennoch nicht umhin, mir sein Äußeres genau einzuprägen. Er war eher groß als klein, und trug den Kopf auf die Brust gesenkt, obgleich sein finsterer und unheimlicher Blick in Mannshöhe vor ihm hinstarrte; doch dieser Blick sollte, das verstand man wohl, oft umherblicken, ohne zu sehen. Sein Gesicht war aschfarben, sein Gang unregelmäßig wie der wilder oder unruhiger Tiere, bald langsam und bald schnell. Er ging an mir vorüber und schien mich dennoch nicht zu sehen; er sprach mit sich selber und ich hörte folgende Worte, die er zwischen den Zähnen hervorstieß: »Die Tortur! Ich muß die Tortur anwenden! Was soll ich ohne die Tortur ausrichten! Sie werden sonst niemals Geständnisse ablegen!« Dieser Mann flößte mir Furcht ein. Ich folgte ihm mit den Augen; man suchte ihn im Auftrage der Königin. Ich setzte mich auf eine Bank, alle meine Glieder zitterten mir. Bald sah ich die Königin an der Gartentür erscheinen. Sie sah sich überall um, sie suchte mich. Ich stand auf und ging ihr entgegen. »Guter Gott, teure Königin,« fragte ich, »wer ist dieser Mann, dem ich hier im Garten begegnet bin und der so traurige Worte murmelte?« – »Welcher Mann denn?« fragte die Königin. – »Der, welchen Ew. Majestät haben holen lassen.«

»Ah!« sagte die Königin lachend, »du hast ihn gesehen? – Das ist mein Spürhund. Ich bin, wie der König von der Leidenschaft zur Jagd erfaßt; wie er will auch ich meine Meute haben und es wird nicht lange dauern, so können wir den Jakobiner hetzen. Er ist ein sehr gefährliches Tier, doch nur, wenn man ihm einen Vorteil über den Jäger gewinnen läßt.« – »So ist also dieser Mann, Madame?« – »Nun, was ist mit diesem Mann?« – »Dieser Mann ist wohl der Scharfrichter?« – »Nicht ganz; ich hoffe jedoch, daß er der Lieferant desselben sein wird.« – Dann breitete sie die Arme nach Frankreich zu aus und rief: »O meine Schwester, meine arme Schwester, sie haben dich, ich aber habe sie! Und sei ruhig, denn da alle Menschen Brüder sind, so werden die Brüder von Neapel für die Brüder von Paris büßen.« Ich blieb stumm. Ich begriff wohl den Haß der Königin gegen die Revolution, allein so viel Energie in einer Frau erschreckte mich. Diese Frau war in Wahrheit die Tochter der Königin Maria Theresia.

Ich ging still, auf den Arm der Königin gestützt, weiter, auf den Arm, der infolge eines nervösen Krampfes die Kraft eines Männerarmes zu besitzen schien. »Was willst du, meine arme Emma!« sagte Karoline, nachdem sie einen Augenblick lang mit festem und schnellem Schritt gegangen war; »jetzt mußt du dich entschließen. Du glaubtest in ein Land der Wonne zu kommen, du hattest sagen hören, die Luft von Pästum sei so mild, daß die Rosen zweimal im Jahre daselbst blüheten; die Luft von Sorrento sei so balsamisch, daß man eine Sorrentinerin an ihrem duftenden Haar erkennte. Du glaubtest, daß das Leben hier wie in dem alten Sybaris inmitten von Festen und Lustbarkeiten verflösse, daß man auf Mooslagern ruhete und auf Blumenteppichen wandelte. Allein man hatte vergessen, dir zu sagen, daß inmitten dieser Herrlichkeit ein Berg stünde, der die Hölle in seinen Eingeweiden verschlösse, der wie die ganze andere Schöpfung zu lächeln schien und der plötzlich, indem er die Häuser wie Kartenhäuschen erschütterte, Herkulanum mit Lava, Pompeji mit Asche bedeckte und das erschreckte Meer vom Ufer von Regina bis an den Felsen von Capri zurückweichen ließe. Das hatte man dir zu sagen vergessen, ich aber sage es dir.« Ich blickte sie beinahe entsetzt an. »Wir beginnen einen furchtbaren Kampf, in welchem wir unterliegen können, obgleich wir fast mit Gewißheit darauf rechnen können, daß wir die Sieger sein werden; doch aber müssen wir kämpfen und der Kampf wird hart sein. Kind der frischen Wiesen und grünen Rasen, fühlst du dich zu schwach, auf meinen Kriegswagen zu steigen? Dann verlasse deine Königin, kehre in dein Land Wales zurück zu deiner Wiege, wie ein klarer Bach, welcher sich fürchtet, sich mit den unruhigen Fluten des Meeres zu vermischen und zu seiner Quelle zurückkehrt.« – »O nein, nein, nein!« rief ich, indem ich beide Arme um den Hals der Königin schlang, »ich liebe Sie zu sehr, als daß ich Sie in einem Augenblicke verlassen könnte, in welchem Sie, wie Sie mir selbst sagen, in Gefahr sind. Ich bin schwach, Sie aber sind stark, stark für Sie und für mich. Sie werden mich stützen, wenn ich schwach bin, Sie werden mich aufrichten, wenn ich falle. Ich bin nicht so tief in die Geheimnisse der Politik eingedrungen, um zu wissen, wer in diesem großen Kampfe der Völker gegen die Könige Recht hat; wenn Sie aber Unrecht haben, teure Königin, will ich auch mit Ihnen Unrecht haben, und wenn der Vesuv oder die Revolution über Neapel hereinbricht, dann will ich von derselben Lava verbrannt und unter derselben Asche erstickt werden, wie Sie.« Die Königin umarmte mich und drückte mich an ihr Herz. »Gut denn!« sagte sie. »Es schien mir seit einiger Zeit, als ob ich dich halb verloren hätte; jetzt aber finde ich dich wieder. Ich betrübte mich schon, mich so allein zu fühlen. O, ich will keine Geheimnisse vor dir haben. Ja, ich arbeite an einem finstern Werke, wie die Eumeniden, ich flechte Schlangen in der Finsternis. Mit Gold und Titeln kann man hier tun, was man will. Der Mann, den du gesehen hast, und der dich so sehr erschreckt hat, ist eine meiner Vipern: er heißt Vanni. Die beiden andern heißen Guidobaldi und Castelcicala. Der letztere ist Fürst; er war unser Gesandter in London. Ich habe ihm vorgeschlagen zurückzukommen und der Chef meiner Spione, der Präsident meiner Staatsjunta zu werden, und er hat meinen Vorschlag angenommen. O, ich werde den Anklägern solche Belohnungen schenken, daß ich, wie im alten Rom, aus der Anklage ein ehrenwertes Amt, oder wenn nicht ein ehrenwertes, so doch wenigstens ein beneidenswertes machen werde.«

»Nun,« sagte ich, »erkläre ich mir, warum dieser Vanni von Tortur sprach und sagte, daß man ohne Tortur nichts gestehen würde.« – »Ja, die Tortur ist seine fixe Idee, und von seinem Gesichtspunkte aus hat er auch recht. Er hat Ehrgeiz dieser Mann. Wenn andere sich begnügen, zu sagen: ›Unser König,‹ sagt er: ›Mein König,‹ als ob der König ihm ganz allein gehörte, und als ob er ganz allein beauftragt wäre, ihn zu behüten. So werden denn die Angeklagten, die Denunzierten nicht fehlen, vielleicht aber die Schuldigen, denn der Meinung gewisser hartnäckiger Leute nach sind nur diejenigen anerkannte Schuldige, welche ihr Verbrechen gestehen, und hier gesteht niemand etwas. Vanni behauptet nur, daß er mit Hilfe gewisser Mittel, die er erfunden, und vorausgesetzt, daß man ihm Vollmacht gibt, diese Mittel in Anwendung zu bringen, Steine zum Reden bringen könnte. Ich habe ihm gesagt, daß ich mich dem durchaus nicht widersetze, und daß die Wahrheit ein so köstliches Ding sei, daß alle Mittel zur Erlangung derselben gut wären. Jetzt ist nur noch eine Schwierigkeit vorhanden. Es schien nämlich, als ob nichts davon in den Gesetzen stünde. Doch die Jakobiner sind ebensowenig in den Gesetzen, der Jakobinismus ist kein vorhergesehenes Verbrechen. Deshalb konnte man auch kein Gesetz gegen denselben schreiben, und weil er nicht im Gesetz steht, kann man sich, um ihn zu bestrafen, auch der Mittel bedienen, welche nicht im Gesetz stehen. Du wirst dir wohl denken, daß ich kein so geschickter Rechtsgelehrter bin, um dies alles selbst zu wissen; meine Viper, mein Vanni hat mir diesen Beweisgrund eingeblasen. Er hat Cicero angeführt, als er Lentulus und Cethegus erwürgte, des Gesetzes ungeachtet, welches verbot, römische Bürger ums Leben zu bringen. Dieser Meister Vanni ist sehr gelehrt. Ich werde ihn zum Ritter des Ordens vom heiligen Georg machen.« Ich blickte die Königin voller Erstaunen und, ich muß es gestehen, auch nicht ganz frei von einem gewissen Entsetzen an. – Sie bemerkte den Eindruck, den sie auf mich hervorbrachte. »Ja,« sagte sie, »du begreifst, du findest, daß ein Unterschied zwischen der ehemaligen und jetzigen Karoline ist. Jene Karoline fand Gefallen daran, dasselbe Kleid, denselben Haarschmuck, denselben Schal wie du anzulegen, ihr ganzer Ehrgeiz bestand darin, selbst neben dir schön gefunden zu werden. Sie kannte den Schmerz, aber noch nicht den Haß. Wenn sie sich mit dir allein einschloß, wollte sie die Funken eines vergangenen Glückes in der Asche ihrer Liebe suchen; sie wollte dir sagen: ›Ich habe geliebt und werde niemals wieder lieben; auch ich, obgleich ich eine Königin bin, habe ein Herz gehabt.‹ Die Karoline von jetzt aber hat nicht mehr Zeit, an die Vergangenheit zu denken, sie muß für die Zukunft kämpfen. Was ist ein nach Sizilien verbannter Geliebter neben einer in Frankreich eingekerkerten Schwester, neben einem Bruder, der bereits mit einem Fuße auf den Stufen des Schafotts steht? Jetzt handelt es sich nicht um Glück, nicht um Poesie, nicht um Liebe! Es handelt sich um das Leben! Es gibt kein Tier, vom Adler bis zur Taube, welches sein Nest nicht verteidigte und nicht für seine Jungen kämpfte. Den umbringen, der uns umbringen will, ist keine Rache, sondern Instinkt der Selbsterhaltung. Wenn auch bei uns Vergniauds, Pétions und Robespierres erstehen, so werden wir nicht warten, bis sie einen 20. Juni und einen 10. August herbeiführen, sondern wir werden ihnen eine Bartholomäusnacht bereiten. Die Valois haben die Bourbons gelehrt, daß es besser ist vom Louvre auf die Straße herab, als von der Straße in den Louvre hinaufschießen zu lassen. Man möge mich Madame Veto oder Madame Defizit, oder wie man sonst will, nennen, niemals aber wird man mich Jane Gray oder Maria Stuart nennen.«

»Gott bewahre uns vor einem solchen Unglück!« sagte eine Stimme hinter uns. Die Königin und ich drehten uns schnell herum und standen einem Manne gegenüber, den man an seinem eher priesterlichen als laienhaften Gewande leicht als einen Würdenträger der Kirche erkannte. Ich sah an dem Blick der Königin, daß sie den Fremden nicht kannte, der so kühn gewesen, uns einzuholen und sich in unser Gespräch zu mischen. Ich aber erkannte ihn und rief: »Monsignore Fabrizio Ruffo!« – »Da Lady Hamilton mir die Gnade, erweist, mich zu erkennen, würde sie mir dann wohl auch eine zweite Gnade zur ersten gesellen, indem sie mich der Königin vorstellt, zu welcher ich übrigens vom König gesandt worden?« – Ich blickte die Königin fragend an. Als sie hörte, wie ich den Liebling des Papstes Pius VI. nannte, mit welchem, wie ich schon erwähnt habe, der Hof von Neapel auf dem besten Fuße stand, hatte ihr Gesicht einen Ausdruck von Wohlwollen angenommen, der mir erlaubte, den Wünschen des edlen Prälaten nachzukommen. – »Madame,« sagte ich, »gestatten Sie, daß ich auf den soeben ausgesprochenen Wunsch des Herrn die Ehre habe, Euer Majestät Monsignore Fabrizzio Ruffo, Schatzmeister Seiner Heiligkeit vorzustellen.« – »Madame,« sagte der Prälat, indem er sich verneigte, »gestatten Sie mir, daß ich, indem ich Lady Hamilton für ihre Güte danke, zugleich zwei kleine Irrtümer, die sie begangen und auch begehen mußte, berichtige. Ich bin nicht mehr Schatzmeister, ich bin Kardinal.« – »Ich gratuliere Ihnen dazu, mein Herr,« sagte die Königin. »Haben Eure Eminenz mir aber nicht gesagt, daß der König Sie gesandt?« – »Ja, das habe ich gesagt, Madame, und Seine Majestät der König wäre selbst mit mir nach Caserta gekommen, hätte er nicht eine Eberjagd in den Wäldern am See Fusaro abhalten müssen, da es ihm unmöglich war, dieselbe aufzuschieben.« – »Daran erkenne ich meinen erhabenen Gatten,« sagte die Königin lächelnd. »Deswegen aber sind Sie mir nicht weniger willkommen, besonders wenn Sie mir eine gute Nachricht bringen.« – »Ich bringe Ihnen wenigstens eine große, Madame, eine Nachricht, welche die schlimmsten Folgen nach sich ziehen kann. Der Gesandte der französischen Republik zu Rom, der Bürger Basseville, ist soeben bei einem Aufstand ermordet worden.« – Die Königin schauderte.

»Das ist allerdings eine große Nachricht, die Sie mir da bringen! Und wie ist die Sache denn zugegangen?« – »Ew. Majestät weiß doch, daß der französische Admiral, als er seinen Gesandten, den Bürger Mackau, mit an den Hof von Neapel nahm, zugleich auch den Gesandten am römischen Hofe, den Bürger Basseville bei sich an Bord hatte?« – Der Kardinal betonte das zweimal wiederholte Wort Bürger, so daß, dank der Art und Weise, in der er es aussprach, nichts Unangenehmes für das Ohr der Königin darin lag. So ließ sie denn diesen ersten Satz an sich vorübergehen, indem ihr Gesicht keinen anderen Ausdruck als ein verächtliches Lächeln annahm und sie dem Kardinal andeutete, daß sie ihn hörte. Der Kardinal fuhr fort: »Die Nachricht hatte große Aufregung verursacht und sich bis in unsere Provinzen verbreitet. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, Madame, in welchem Lichte unsere würdigen Priester ihren Beichtkindern auf den Dörfern und in der Stadt die französische Republik schilderten. Sich mit ihr verbünden, heißt sich der Hölle verschreiben. Bei dieser von den Kanzeln angekündigten Nachricht hatten sich die Bewohner von Rom, die Barbaren von Trastevero, die Wilden von Sabinien, die Ochsenhirten der Sümpfe, blind und wild wie ihre Büffel, auf dem Wege zusammengerottet, auf welchem der Gesandte kommen mußte. Drei Tage lang warteten sie. Alle Abende wiederholten die Priester in den Beichtstühlen den bestürzten Frauen, daß dieser französische Gesandte in der heiligen Stadt die Fahne des Satans aufpflanzen wolle. Die Frauen zündeten Kerzen an, beteten und wehklagten, die Männer knirschten mit den Zähnen und schliffen ihre Messer.« – »Braves Volk!« murmelte die Königin. – »Endlich verkündete vorgestern, am 13. Januar, ein großes Geschrei das Näherkommen des Wagens. Alles Volk stürzte nach der Richtung, von welcher er kam. Der Gesandte trug sein republikanisches Galakostüm, einen blauen Rock, eine dreifarbige Schärpe darüber, einen dreieckigen Hut mit einer dreifarbigen Kokarde, und zwei seiner Freunde, die ziemlich ebenso gekleidet waren, saßen mit in dem Wagen. Als die Menge das sah, brach sie in ein lautes Geschrei aus. Die drei Reisenden schienen taub oder völlig gleichgültig zu sein und setzten ihren Weg fort. Die Räder und Pferde ihres Wagens waren verschwunden, der wie eine Barke auf Menschenwellen schaukelte. So kommen sie an den Palast des Kardinals Zelada, begeben sich zu diesem und fordern ihn auf, ihre Vollmachten anzuerkennen. Der Kardinal, welcher von Sr. Heiligkeit bestimmte Instruktionen erhalten, weigert sich und erklärt, daß die französische Republik für den römischen Hof weder existiere, noch jemals existieren würde. Der Gesandte grüßt den Kardinal, steigt wieder in den Wagen und pflanzt, sei es um Frankreichs Ehre zu retten, oder um an die italienischen Patrioten zu appellieren, eine Trikolore neben dem Kutscher auf. Als das Volk das sieht, verdoppelt sich, wie Ew. Majestät sich denken kann, das Geschrei und ein Steinregen beginnt auf den Gesandten und seine Freunde herabzuhageln. Der erschreckte Kutscher treibt die Pferde bis zum schärfsten Galopp an und lenkt den Wagen in den Hof eines französischen Bankiers. Zum Unglück oder zum Glück, je von welchem Gesichtspunkte aus man die Sache betrachtet, ist die Zeit zu kurz, die Tore hinter dem Wagen zu schließen, das Volk stürzt herein und man weiß wirklich nicht, wie es in dem Tumult gekommen ist, daß man Sr. Exzellenz dem Bürger Basseville den Leib mit einem Rasiermesser aufgeschlitzt hat.«

»Und kennt man den Mörder?« fragte die Königin schnell. – »Ja und nein,« erwidert Ruffo. »Seine Heiligkeit kennt ihn, die Regierung Seiner Heiligkeit aber wird ihn nicht kennen. So ist denn der Papst, bereits durch den Krieg in der Vendée, den seine Emissäre gepredigt haben, bloßgestellt, noch ärger durch den Tod des französischen Gesandten kompromittiert. Es wird ihm schwerlich gelingen, gleich wie dem seligen Pilatus, seine Hände von dem Blute Basseville's zu reinigen, es wird stets eine Spur davon an seinen Fingern kleben bleiben. So ist denn Basseville's Tod der Krieg gegen Frankreich. Ich komme im Namen Seiner Heiligkeit, um den König Ferdinand zu fragen, ob er imstande ist, dieselbe zu unterstützen, und wenn dies der Fall ist, ebenfalls im Namen Seiner Heiligkeit dem Kämpfer für die Kirche die wenigen Talente, mit denen die Natur und die Erziehung mich hierzu ausgerüstet hat, zur Verfügung zu stellen.« – Die Königin lächelte. »So gehören Eure Eminenz, wenn ich recht verstanden habe, der streitenden Kirche an?« – »Ja, glauben Sie es nur, Madame! Ich gehöre zu dem Geschlechte der la Valette und der Richelieu. Im Mittelalter hätte ich den Küraß und den Degen getragen und gegen die Türken und Hugenotten gekämpft. Heute bin ich vollständig bereit, gegen die Franzosen zu ziehen, die Heiden von noch schlimmerer Art sind!« – »Nun Herr Kardinal,« sagte die Königin, »wir werden suchen, Ihnen Arbeit zu geben. Unglücklicherweise hängt die Sache nicht von mir allein ab!« – »Das weiß ich,« erwiderte Ruffo, »wenn aber,« fuhr er fort, indem er mich anblickte, »Lady Hamilton sich ins Mittel legen wollte.« – »Ich, Herr Kardinal? Und was soll ich denn dabei tun, mein Gott?« – »Nun, Madame, Perikles hat den Krieg von Samos, von Megara und den peloponnesischen Krieg infolge der Ratschläge und des Einflusses der Aspasia unternommen. – Aspasia war nicht schöner als Sie und Perikles hatte nicht mehr Einfluß auf die Angelegenheiten Griechenlands als Sir William Hamilton durch seinen Milchbruder, den König Georg, auf die Angelegenheiten Englands hat. England braucht Frankreich nur den Krieg zu erklären und wir sind gerettet!« – »Hörst du?« sagte die Königin zu mir. »Der Kardinal spricht im Namen unseres heiligen Vaters, des Papstes, und unser heiliger Vater, der Papst, ist unfehlbar!« – »Nun gut denn, teure Königin!« erwiderte ich, »ich werde mein möglichstes tun. Ha, da kommt Perikles gerade, um sich uns zur Verfügung zu stellen!«

Wirklich kam Sir Williams auch auf uns zu. Da die Stunde des Diners gekommen war, so begaben wir uns wieder in das Schloß. Ihre Majestät lud Sir William zur Tafel ein, wie auch den Kardinal, und während wir speisten, entwarfen wir die kriegerischsten Pläne von der Welt. Wenn ich heute daran denke, was ich in der Wage, wenn auch nur so viel wie ein Sandkörnchen, wog, so daß durch dieses Gewicht die Schale sich einem zwanzigjährigen Kriege zuneigte, der vielleicht noch nicht beendet ist, so erschrecke ich vor der Verantwortlichkeit, die ein Sandkörnchen vor Gott haben kann.


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