Alexander Dumas
Lady Hamilton
Alexander Dumas

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

47. Kapitel.

Man begreift, daß es der Fürst Giuseppe von Caramanico, damals Vizekönig von Sizilien, war, von welchem zwischen der Königin Karoline und mir die Rede gewesen. Er war Minister des Königs und Geliebter der Königin, als er in der Absicht, für Neapel eine Marine zu schaffen, vorschlug, den Fregattenkapitän John Acton von Toskana zu berufen. Warum ward dieser beinahe ganz unbekannte Mann, der sich durch keinerlei geistige Überlegenheit auszeichnete, von dem Fürsten von Caramanico gewählt, der seinerseits ein Geist ersten Ranges war? Auf dieser Welt ist einmal alles das Spiel des Zufalls, wenn man das Geschick so nennen will. In Bescançon von irländischen Eltern geboren, trat John Acton in die französische Marine, mußte hier Demütigungen erfahren, die er, wie man versicherte, auch wirklich verdient hatte, und verließ Frankreich, indem er diesem Lande einen Groll bewahrte, der später in Haß und Erbitterung überging. Diesen Groll hatte er die Königin Karoline bewogen, zu teilen, noch ehe sie die nur allzu gerechten Beweggründe des Todes Ludwigs des Sechzehnten und Maria Antoinettens dazu hatte. Eine einzige Tatsache wird von diesem Haß Actons gegen Frankreich einen Begriff geben.

Während einer Teuerung, wo man in Neapel buchstäblich verhungerte, ließ er ein Schiff mit Getreide, welches Ludwig der Sechzehnte schickte, zurückweisen, bloß weil es von Frankreich kam. Bei einer Expedition gegen die Raubstaaten, wobei er eine Fregatte kommandierte, war er der einzige, der eine gewisse Intelligenz entwickelte, und beim Ausschiffen und Wiedereinschiffen der Soldaten die wesentlichsten Dienste geleistet hatte. Das Gerücht von dieser Tatsache war dem Fürsten von Caramanico zu Ohren gekommen. Eifrig bedacht auf den Ruhm eines Thrones, auf welchem die Frau saß, die er anbetete, hatte er Acton dem König vorgeschlagen, und eine Kopfbewegung der Königin hatte ihren Gemahl bewogen, den Vorschlag zu genehmigen.

Aber wie kam es, daß der so loyale, hochgebildete und treue Fürst durch einen einfachen brutalen, mittelmäßigen irländischen Offizier, der weder Jugend noch Schönheit besaß, verdrängt werden konnte? Dies ist eines der Rätsel, welche die Liebe oder die Laune aufgibt und welche die Intelligenz nicht zu lösen vermag.

Dennoch geschah das Unerklärliche. John Acton war der Nachfolger des Fürsten Giuseppe di Caramanico, welcher mit dem Titel eines Gesandten nach London geschickt oder vielmehr verbannt ward, und nach Verlauf von zwei oder drei Jahren mit dem eines Vizekönigs nach Sizilien zurückkehrte. In dem Augenblicke, wo die Königin mir die in dem vorigen Kapitel erzählte vertrauliche Mitteilung machte, war er in Palermo. Man sieht, daß John Acton die Zeit schlecht gewählt, wenn er in einem solchen Augenblicke an die Tür der Königin pochte. Dennoch aber als ob diese Unterbrechung genügt hätte, dem Gange ihrer Ideen eine andere Richtung zu geben, schloß Karoline die kleine Kassette wieder zu, trug sie zurück in ihr Schubfach, schlug die Klappe, welche dieses Schubfach verbarg, in die Höhe, blieb vor einem Spiegel stehen, ordnete sich das Haar und sagte dann, indem sie heftig an der Klingelschnur riß, mit einem Ausdruck von affektierter Gleichgültigkeit und Leichtfertigkeit:

»Wir wollen spazieren gehen.«

Einen Augenblick später kratzte man an der Tür.

»Herein!« sagte die Königin, indem sie ihren Kaschemir über die Schultern warf.

»Ew. Majestät vergessen, daß Sie die Tür von innen verschlossen haben.«

»Ja, das ist wahr. Öffne, Emma!«

Ich öffnete.

Die Königin drehte sich herum, um zu sehen, wer hereinkäme. »Ah, du bist es, liebe San Marco?« sagte sie. »Wir soupieren heute abend bloß unter Frauen – du, die San Clemente und ich. Man wird das rosenfarbene Boudoir und den kleinen Salon erleuchten. Man wird unsere gewohnten Gäste benachrichtigen, zum Beispiel Rocca Romana, den alten Gatti, Maliterno, Pignatelli, aber nur keine langweiligen Leute, keine Sittenprediger, keine Diplomaten. Termoli, wenn er kommt, wird willkommen sein.«

»Soll ich ihn einladen?« fragte die Marquise von San Marco.

»O nein! Überlassen wir auch dem Zufall etwas.«

Dann wendete sie sich zu mir und fuhr fort:

»Ich meine den Sohn des Herzogs von San Nicandro, des Dummkopfes, welcher die Erziehung des Königs geleitet hat. Er schämt sich über die Art und Weise, auf welche sein Vater seine Aufgabe gelöst, so sehr, daß er den Namen eines seiner Lehngüter, Termoli, angenommen hat. Er ist ein Mann von Geist und ich habe mir auch vorgenommen, die Schuld des Vaters nicht an dem Sohne heimzusuchen, sondern ihm zu verzeihen. Lemberg aber unter keinem Vorwand. Nur keine Gelehrten! Die Gelehrten sind in allen Ländern der Welt langweilig, in Italien aber bringen sie einen förmlich zur Verzweiflung. Also du hörst, liebe San Marco,« sagte sie, sich wieder umdrehend, »in Summa zehn oder höchstens zwölf Personen von meinen intimen Freunden.«

Dann führte sie mich nach der großen Treppe und hob wieder an: »Ich habe vertraute Freunde und der König hat die seinigen ebenfalls. Die letzteren sind allerdings nicht sehr zahlreich.« Wir gingen die Treppe hinunter. Ein Wagen erwartete uns im Hofe. Er war mit zwei Pferden bespannt und ohne andere Auszeichnung als ein F und ein B mit einer geschlossenen Krone darüber. Der Kutscher trug keine Livree. Die Königin und ich, wir waren die eine genau so gekleidet wie die andere. Ein Kleid von weißem Atlas, eine weiße Feder im Haar, ein blauer Kaschemir machten unsere ganze Toilette aus.

Der einzige Unterschied, der zwischen uns bestand, war der, daß die Königin goldblondes Haar hatte, während das meinige dunkelkastanienbraun war. Wir verließen den Palast und fuhren den sogenannten Riesenhügel und Santa Lucia hinab, an dem kleinen Palast Chiatamone, einem der Lustschlösser des Königs vorüber, dann die Chiaja hinab und die Mergellina entlang bis zu der Ruine, die das Volk, welches großen Ausschweifungen oder großen Verbrechen allemal eine gewisse Popularität gibt, den Palast der Königin Johanna nennt, der aber in der Tat der Palast Anna Caraffas ist, welchen der Herzog von Medina Celi, ihr Gemahl, als er nach dem Sturze des Großherzogs Olivarez nach Spanien zurückgerufen ward, halb vollendet ließ und der heute noch so dasteht, wie er ihn gelassen. Um hierher zu gelangen, waren wir an einem Haus von ziemlich schönem Aussehen vorübergekommen, welches zu jener Zeit noch keine Nummer trug, denn die Häuser von Neapel wurden erst fünf oder sechs Jahre später numeriert. Als wir an diesem Hause vorbeikamen, streckte die Königin den Arm aus.

»Du siehst dieses Haus,« sagte sie.

»Ja, Majestät,« antwortete ich.

»Wohlan, dies ist das Fischhaus meines erhabenen Gemahls. Hier am Strande verkauft er die Fische, die er gefangen, und führt dabei eine Sprache, welche der seiner guten Freunde, der Lazzaroni, nichts nachgibt. Du hast wohl diesem Schauspiel noch niemals beigewohnt?«

»Nein, Majestät, auch wünsche ich es nicht.«

»Da tust du unrecht. Es würde dir das von der königlichen Majestät wahrscheinlich einen ganz anderen Begriff geben, als welchen du jetzt davon hast.« Und sie warf sich mit einer jener Gebärden von Ungeduld und Verachtung, die man nur, wenn sie von ihrem Gemahl sprach, an ihr bemerkte, in den Hintergrund ihres Wagens zurück. Es war die Stunde der Promenade. Es gab einen ungeheuren Zusammenfluß von Equipagen, welche der Gewohnheit gemäß bis zum äußersten Ende der Mergellina, dann zurück die Chiaja hinauf bis zur Kirche San Fernando, die Toledostraße entlang bis zum Mercatello fuhren und so, als ob sie dazu verdammt wären, immer wieder denselben Weg wiederholten. Es gibt in der Tat nur eine Promenade in Neapel, wenn man nämlich ein staubiges Pflaster und eine Straße, in welcher bei Tage fünfzig und während der Nacht dreißig Grad Hitze herrschen, eine Promenade nennen kann. Während der ganzen Promenade war der königliche Wagen Gegenstand der allgemeinen Neugier. Ich war in Neapel noch wenig bekannt, so daß diese einer fremden Person, einem neuen Gesicht erzeigte Ehre das Erstaunen eines jeden erweckte. Nur einige Hofdamen, welche sich wie auf einen elektrischen Schlag in ihren Wagen erhoben, riefen, die einen: »Lady Hamilton,« die andern: »Die englische Gesandtin!« Zwei oder drei riefen: »Emma Lyonna!« kurzweg und dies bewies unglücklicherweise, daß ich auch unter diesem Namen bekannt war. Wir kreuzten meinen alten Anbeter, den Bischof von Derry. Als er mich in dem Wagen der Königin erblickte, ward sein Gesicht durch einen Freudestrahl verklärt, aber er schien durchaus nicht erstaunt zu sein. Hätte er mich selbst zur rechten Hand der Juno oder zur linken der Minerva sitzen gesehen, so würde er gefunden haben, daß ich an meinem Platze sei, und auf alle diese Ausrufungen, alle diese Beweise von Erstaunen antwortete die Königin nur mit ihrem stolzen Lächeln, welches zu sagen schien:

»Warum nicht, wenn es mir so beliebt?«

Mit Einbruch des Abends kehrten wir wieder in den Palast zurück. Neben dem a giorno erleuchteten Speisezimmer, wo die Tafel unseres kleinen Komitees mit demselben Luxus gedeckt war, als ob große Gala wäre, befand sich das Boudoir, von welchem die Königin gesprochen. Dieses geheimnisvolle Kabinett war nur von einer Alabasterlampe beleuchtet, welche ihren Milchschein über die Möbel und die Teppiche ausgoß. Die Fenster gingen auf die Terrasse und durch die Blätter der Orangenbäume hindurch sah man das von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne gerötete Meer funkeln. Marie Karoline durchschritt bloß den Speisesaal und zog mich in das Boudoir. Ich bezweifle, daß die Göttin der Wollust, Venus Astarte, selbst, sei es in Gnidia, sei es in Paphos, sei es in Cythera, zu der Zeit, wo sie von Adonis geliebt und von Perikles und Alcibiades angebetet ward, etwas Traulicheres und Fesselnderes erfunden habe, als dieses reizende Taubennest, in welches der Tau des Meeres nur durch das blühende Laubwerk der Orangenbäume drang.

Augenscheinlich hatte dieses Boudoir, welches aus Perlmutter und Rosenblättern zusammengesetzt zu sein schien, kein anderes Echo als für die süßen Worte und das Murmeln des Herzens und nichts zu atmen, als duftige Ausströmungen. Kaum war ich eingetreten, so empfand ich eine seltsame Regung, als ob ein nur eingeschlafener süßer Gesang plötzlich erwachte. Es war ein Zauber gleich dem, welchen ich in jener Nacht erfahren, wo Sir Harry sich meinem Bett genähert hatte, um darin den Platz seines Freundes Sir John einzunehmen. Meine Lippen wurden wie von einem glühenden Atem vertrocknet, meine matten Augen schlossen sich halb, meine Brust hob sich und ich sank halb liegend auf die schwellenden Kissen, indem ich murmelte: »Ach, wie könnte man hier nicht lieben!« – »Und wer hindert dich zu lieben?« fragte die Königin. »Stehst du denn in dem Alter, wo man nicht mehr liebt?« – »Nein,« antwortete ich, »aber wen soll ich lieben?« – »Ach ja,« antwortete die Königin, »das ist die Frage, wie dein großer Dichter sagt. Wen soll ich lieben? So fragte auch Sappho, ehe sie Phaon gesehen. Sie sah Phaon und bezahlte den Blick, den sie auf den schönen Lesbier heftete, mit ihrem Leben. Arme Emma,« setzte die Königin in gedämpftem Tone hinzu, »du hast recht – wen sollst du lieben? Denn die Liebe der Männer ist sterblich und wahre Freundschaft ist nur die Freundschaft der Frauen, dies glaube mir.«

Ich richtete mich mit Anstrengung empor und betrachtete die Königin mit dem Ausdruck des Erstaunens.

»Sieh, meine arme Schwester, Marie Antoinette,« fuhr sie fort. »Sieben Jahre lang ist sie die Gattin ihres Mannes gewesen, ohne sein Weib zu sein. Wohlan, diese sieben Jahre sind die glücklichsten ihres Lebens gewesen. Allerdings hat sie das Glück gehabt, zweien Freundinnen zu begegnen, zweien Freundinnen, wie ich wenigstens deren einer begegnen möchte – der Prinzessin von Lamballe und der Frau von Polignac. Ich werde dir die Briefe zeigen, welche sie zu jener Zeit geschrieben. Man fühlt, daß sie damals nie eine Wolke im Herzen gehabt hat. Die Dillon, die Coigny, die Fersen sind es, die den Orkan um sie herum erweckt haben – Lamballe und Polignac! Das war das schöne Wetter, das war der Azur, das war die Sonne! Willst du, Emma,« sagte die Königin, indem sie mich mit ihrem Arm umschlang, »für mich werden, was diese beiden zärtlichen Freundinnen für meine Schwester Marie Antoinette gewesen sind?«

»Ja, ja!« rief ich mit der ganzen Naivität meiner Seele. »Ja, ich will es von ganzem Herzen!«

»Ich danke dir,« rief die Königin, indem sie ihre Lippen mit rascher, ungestümer Bewegung auf die meinen drückte. »O, ich fühlte, daß ich dich lieben werde, mehr als ich jemals jemanden geliebt.« Ich stieß einen schwachen Schrei aus. Ich war keineswegs auf diese fast männlichen Liebkosungen gefaßt. Es war mir als entschwänden mir plötzlich alle Kräfte, als umflorte eine Wolke meine Augen, als wäre ich einer Ohnmacht nahe. Mit Anstrengung erhob ich mich und drängte die Königin mit sanfter Gewalt von mir hinweg. »O,« murmelte ich, »was ist mir? Ich glaube; ich ersticke!« – »Dieses Gefühl ist ein ganz natürliches,« sagte die Königin, indem sie sich ebenfalls erhob und mich mit ihren Armen stützte, »bei dieser Julihitze in unsern Atlaskleidern und Fischbeinkorsetts. Liebe Freundin, mir haben noch einige Minuten bis zum Souper. Entledigen wir uns dieser schweren Gewänder und werfen wir uns in ein einfaches Negligé! Wir empfangen heute abend bloß vertraute Freunde und übrigens, kleine Kokette, bedarfst du keiner Toilette, um schön zu sein. Ich brauche dir das nicht erst zu sagen; du weißt es, und um ein Uhr morgens, wann sie fortgehen werden, finden wir jede unser Bad bereit, und du wirst nach Hause zurückkehren, frisch wie Venus aus den Fluten auftauchte, welche du dort unten funkeln siehst.«

Mit diesen Worten löste die Königin selbst die Agraffen meines Kleides und den Schnürsenkel meines Korsetts. Kleid und Korsett fielen zu meinen Füßen herab. Ich atmete auf und stieß einen Seufzer des Wohlbehagens aus. »In der Tat,« sagte die Königin, »wenn man so geschaffen ist wie du, liebe Emma, so ist es eine Sünde, ein anderes Kostüm zu tragen als das Aspasiens. Warte, wir wollen unsere Tunika überwerfen, meine schöne Griechin. Kokettiere heute abends wenigstens nicht mit Rocca Romana! Ich würde zum Tod eifersüchtig auf dich werden.« – »Hat einer dieser beiden Herren,« fragte ich lächelnd, »das Glück, von Ew. Majestät mit Interesse betrachtet zu werden?« – »Ich habe ja nicht gesagt, daß ich auf diese eifersüchtig sein würde, Schelmin,« entgegnete die Königin. »Ich habe gesagt, daß ich eifersüchtig auf dich sein würde. Da liegt meine Nachttoilette, auf diesem Sessel neben meinem Bett.« Und indem sie diese Worte sagte, öffnete sie eine Tür, welche in das Schlafzimmer führte.

»Nimm sie,« fuhr sie dann fort. »Ich werde klingeln, daß man mir eine andere bringe.«

»Eine ebensolche?«

»Jawohl, eine ebensolche. Haben wir nicht verabredet, daß wir zwei Schwestern oder besser noch, zwei Freundinnen sein wollen?«

Sie zog die Klingel. Ich ging in das Schlafzimmer. Im Gegensatz zu dem Boudoir, welches, wie ich gesagt, durch eine Alabasterlampe erleuchtet war, beleuchtete dieses Schlafzimmer eine Lampe von rosenfarbenem böhmischem Glas. Das ganze Gemach war mit blauem Atlas ausgeschlagen und das durch rosigen Kristall fallende Licht bedeckte den Stoff mit zauberischen Reflexen. Zwei an den beiden Ecken angebrachte Türen führten die eine in ein Toilettenkabinett, die andere in ein Badezimmer, welches seinem ganzen Umfange nach weiter nichts war, als eine einzige riesige Badewanne von weißem Marmor mit Stufen, die von so feinen Teppichen bedeckt waren, daß die Muster derselben Stickereien zu sein schienen. In jeder Ecke lagen seidene Polsterkissen. Dieses ganze Zimmer war wie die in Pompeji ausgegrabenen gemalt, mit den Tänzerinnen von Capri an den Wänden. Es lag in all' diesem etwas von jenem bezauberten Palast der Armida, welchen Tasso besingt.

Überhaupt war ich seit einer Stunde in die Welt des Zaubers eingetreten. Von diesem Boudoir, von diesem Schlaf- und Badezimmer war es bis zu dem von Dick prophezeiten blauen Zimmer eben so weit als von diesem blauen Zimmer bis zu der Dachkammer, die ich bei der Pächterin Davidson bewohnte. Die Nachttoilette der Königin bestand aus einer Art Tunika von Batist, die um den Hals herum, an der Brustöffnung und am Ende der Ärmel mit den feinsten Spitzen besetzt war. Eine Schnur von rosafarbener Seide war bestimmt, die Taille zu umgürten und ein Paar Pantoffeln von rosenfarbenem Atlas vervollständigten das Negligé. Kaum hatte ich es angelegt, so sah ich die Königin in einem gleichen Kostüm eintreten. Sie betrachtete mich einen Augenblick, dann sagte sie mit reizendem Lächeln: »Ich hätte fast Lust, für dich zu tun, was meine Schwester Antoinette für die kleine Prinzessin Lamballe getan, nämlich am Hofe das Amt einer Dame des Bettes zu schaffen. Die Folge hiervon würde sein, daß wir uns weder bei Tage noch bei Nacht verließen. Allerdings könnte ich mich dann auf einen harten Widerstand von Sir William gefaßt machen.«

Ich lachte. »Ich weiß nicht, ob Eure Majestät auf Widerstand von seiner Seite stoßen würden,« antwortete ich; »wohl aber weiß ich, daß das Amt, welches Eure Majestät im königlichen Palast zu schaffen gedenkt, in der englischen Gesandtschaft nicht oder doch so wenig existiert, daß es nicht der Mühe lohnt, davon zu sprechen.«

»Von dieser Seite wäre ich also beruhigt; aber ich zittere von einer andern.«

»Und von welcher?« fragte ich.

»Wenn der König dich so schön sieht, so wird er sich in dich verlieben.«

»Mein Gott, was sagen Sie da, Majestät?« – »Erlaubst du mir, dich gegen ihn zu verteidigen?«

»Ich bitte Ew. Majestät flehentlich darum. Ich glaube aber, ich werde mich schon selbst hinreichend zu verteidigen wissen.«

»Willst du, daß ich dir ein gutes Mittel dazu gebe? Parfümiere dich, mit welchem Parfüm du vorziehst dies zu tun, gleichviel mit welchem, und unterlasse dies nicht, so oft du an den Hof kommst. Der König ist, wie sein Ahnherr Heinrich der Vierte, mit welchem er, glaube ich, sonst weiter keine Ähnlichkeit hat – er verabscheut alle Parfüms, während ich dagegen eine große Freundin davon bin. Jetzt sieh mich an. In der Tat, du bist reizend, zehnmal schöner als in großer Toilette, nur gestatte mir ein wenig, in deinem Haar herumzuwühlen.«

Die Königin öffnete ein auf ihrer Toilette stehendes Etui und nahm eine Perlenschnur daraus, welche gleichzeitig als Halsband und als Hauptschmuck dienen konnte, denn die Perlen waren in gewisser Entfernung durch große Diamanten miteinander verbunden. Diese Schnur befestigte sie mir im Haar. Sie schien aller persönlichen Koketterie entsagt zu haben, bloß um mich schön zu machen, wäre es auch auf ihre Kosten. Es war nicht, als ob ein Weib das andere, sondern als wenn ein Liebender die Geliebte schmückte.

»O,« sagte sie, »die San Marco und die San Clemente werden vor Eifersucht bersten. Man meldet uns die bevorstehende Ankunft einer Engländerin, wir erwarten eines jener bekannten Wesen mit rotblondem Haar, blaßblauen Augen und langen Zähnen und siehe da, das Land der langweiligsten weiblichen Kreaturen sendet uns auf einmal eine Cleopatra mit kastanienbraunem Haar, mit Augen von ich weiß nicht was für Farbe und einer Haut, die ich vollends nicht zu schildern weiß. Wovon ist dieselbe geschaffen, meine schöne Freundin? Von Hermelin oder Schwan? So wahr ich lebe, es tut mir leid, daß ich alle jene Personen für heute abend eingeladen. Wir wären allein geblieben, wir wären ins Bad gestiegen, wir hätten uns in demselben unser Diner auftragen lassen können. Ich habe die schönste Lust, ihnen die Tür verschließen zu lassen – aber nein, ich werde sie empfangen. Man sagt, du seiest eine wunderbare Schauspielerin, eine entzückende Tänzerin –«

Ich errötete.

»Sir William hat es gesagt. Du wirst Verse deklamieren, du wirst singen, du wirst alles tun, was du kannst, um meinen Gästen den Kopf zu verdrehen. Wir werden sie geblendet und außer sich sehen. Morgen wird in ganz Neapel von niemandem die Rede sein, als von dir, und wenn man mir von Lady Hamilton spricht, so werde ich sagen: »Ja, das ist meine Freundin! Das ist meine Emma, die nur mir gehört und niemandem anders.« Und die Männer werden eifersüchtig sein auf mich und die Frauen werden mich noch mehr verabscheuen. O, ich werde es ihnen schon zu entgelten wissen, diesen Neapolitanerinnen, welche nicht zu lieben verstehen und die man peitschen muß, um sie ins Bad zu treiben. Wenn ich gezwungen wäre, eine einzige davon zu umarmen, so würde ich lieber eine Verwandlung der Strafe in ewige Gefangenschaft verlangen, während ich dich dagegen lebend verschlingen möchte.«

Und mit einem seltsamen Gesichtsausdruck und hastiger Gebärde entblößte sie mir die Schulter und biß und küßte dieselbe. In diesem Augenblicke öffnete sich die Tür des Boudoirs und wir hörten die Worte: »Die Tafel ist serviert, Majestät.« – »Komm,« sagte die Königin. Und wir traten in das Speisezimmer.


 << zurück weiter >>