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Die gefesselte Phantasie

»Schlage doch, gewünschte Stunde ...!«

Bach.

 

Und der Vater setzte seinen Willen durch.

Ein lebhafter Schwarzkopf, immer rhythmisch beunruhigt, saß mit elf Jahren unter den Schülern des Schottengymnasiums, einer vornehmen und berühmten Anstalt, bereit, auf die Meere humanistischer Bildung zu segeln und unversehens bei der Musik zu landen. Und Johann war gar kein schlechter Schüler; trieb keinerlei Unfug, kehrte nicht den Unband heraus, erhielt vielmehr in der Prima »eminenz« in Sitten und Religion, »vorzüglich « in Latein und Arithmetik, zeigte also alle Anlagen zum künftigen Hofrat.

siehe Bildunterschrift

Anna Strauß
Die Mutter von Johann Strauß Sohn

siehe Bildunterschrift

Johann Strauß
Lithographie von Kriehuber, 1855

Aber dem Alten schien Gymnasium immer noch zu wenig praktisch; weshalb er einen von den Musen und den Klängen Amphions möglichst abgelegenen Beruf suchte, zumal da der Chef eines Bankhauses ihm versicherte, den Sohn zu nehmen, wenn er Warenkunde und Buchhaltung verstünde. So steckte Vater Strauß den Fünfzehnjährigen nach dem Untergymnasium in die Technik.

Nun kann man mit seinem Sohn Verschiedenes beginnen; nur versagen die väterlichen Gartenkünste, wenn der Ast zum Himmel will und nicht zur Erde.

Zwei Jahre läßt sich Johann kommerziell mißhandeln; dann kommt es zum Krach. Schon die Volksschule fesselte ihn dort am stärksten, wo sie vom Gesang handelte. Er dürstet nach Musik im Lehrplan; er ergänzt sie. Während eines Vortrages bittet ihn ein Mitschüler – der spätere Musikalienhändler Gustav Lewy – ihm aus dem Notenheft eine Stelle leise vorzusingen. Johann singt, seine Stimme wird laut, ein Freiwerden aller unterdrückten Stimmen und – sämtliche Köpfe drehen sich nach dem Sänger.

»Wer ist der freche Bursch?« tönt es vom Katheder.

»Strauß Johann!«

Das Ende war die Ausschließung von der Technik.

Dem Gepeinigten schlug die gewünschte Stunde – zum Verdruß und Ärger des Alten. Noch ein letzter schwacher Versuch mit Privatstunden – eine Art Rückzugsgefecht des Vaters –, dann war Johann frei und der Musik ausgeliefert, um die er Umwege wider Willen gemacht.

Die Kraft anderer Ereignisse gab den letzten entscheidenden Stoß.


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