Dante
Die göttliche Komödie
Dante

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechzehnter Gesang

        1


4


7


10


13


16


19


22


25


28


31


34


37


40


43


46


49


52


55


58


61


64


67


70


73


76


79


82


85


88


91


94


97


100


103


106


109


112


115


118


121


124


127


130


133


136


139


142


145


148


151


154
    O Adel des Geblüts! Wenn hier im Leben
    Sich deines Flitters einer rühmen mag,
    Hier, wo so schwach zum Guten unser Streben,
Das soll mich wundernehmen keinen Tag.
    Nun dort, wo's nie den rechten Weg kann meiden,
    Im Himmel selbst ich solchen Rühmens pflag.
Ein Rock bist du, der keinen lang wird kleiden,
    Wenn er nicht täglich anstückt, weil die Zeit
    Ihn stutzt ringsum mit ihrer Schere Schneiden.
Mich drangs, mit Ihr, wie's Untertänigkeit
    Einst Rom gelehrt, von neuem anzuheben,
    Dem Brauch, von dem sein Volk sich dann befreit;
Und Beatrice, lächelnd, stand daneben
    Gleich jener, die zu hüsteln da begann,
    Als sich Ginevras Tugend wollt ergeben.
»Ihr seid mein Vater«, also hub ich an,
    »Ihr macht mir Mut, von allem Euch zu sagen,
    Ihr hebt mich über dies mein Ich hinan!
Wo so viel Freude quillt, muß freudig schlagen,
    Sein selbst vergnügt, mein Herz, das dies empfahn
    Und, ohne daß die Brust es sprengt, ertragen.
So sagt von Euren Vorfahrn, teurer Ahn,
    Und sagt mir denn, wieviel man zählt' an Jahren,
    Als dort die Sonne Eure Augen sahn.
Laßt, bitt ich, von der Hürde mich erfahren
    Der Schäflein Sankt Johanns, wie groß der Ort
    Und welche da im Rang die ersten waren.«
Wie Kohle, die vom Windeshauch sofort
    Aufflammt in Glut, als ichs an jenem Lichte,
    Wie's hell erstrahlte auf mein schmeichelnd Wort;
Und wie's noch schöner ward von Angesichte,
    Tönt' auch die Stimme lieblich-süßern Klang,
    Doch nicht, wie heut man spricht und ichs berichte:
»Vom Tage, da der Engel Ave sang,
    Bis mein, die mich im Schoße trug, entbunden
    Die Mutter, die nun selig schon so lang, 372
Hat seinem Leuen sich auf seinen Runden
    Fünfhundertachtzigmal dies Licht gesellt,
    Dems neu entflammt zu Füßen stets erfunden.
Ich sah den Vätern gleich das Licht der Welt,
    Wo euer letzt Quartier am Jahrestage
    Die Rennerschar erreicht, die Wettlauf hält.
Das sei Bescheids genug auf deine Frage,
    Wer meine Vorfahrn und woher sie waren;
    Da ziemt sich Schweigen mehr, denn daß ichs sage.
Der Waffen mächtig lebt' in meinen Jahren
    Ein Fünftel nur vom Mars bis Sankt Johann
    Der Mannen, die sich heut ums Banner scharen;
Doch rein, noch nicht vermischt mit Campis rann,
    Mit denen von Certaldo, von Figghinen,
    Das Bürgerblut im letzten Handwerksmann.
Ach, wieviel besser stünd es, wärt ihr ihnen
    Nachbarn geblieben, ließt Galuzzos Mauern
    Und die Trespianos euch als Grenzmark dienen,
Als daß ihr drinnen mußt den Stank des Bauern
    Von Aguglion und den von Signa dulden,
    Der stets die Ohren spitzt, auf Trug zu lauern!
Ja, wären sie, die schuldig aller Schulden,
    Stiefmütterlich dem Cäsar nicht gesinnt,
    Statt, wie dem Sohn die Mutter, treu in Hulden,
Kehrt' einer, der als Florentiner Kind
    Heut tauscht und marktet, heim nach Simifonte,
    Wo seine Väter betteln gangen sind!
Gräflich wär Montemurlo noch; es konnte
    In Acons Sprengel noch und Greves Grund
    Haus Cerchi sitzen und die Buondelmonte.
Von je war Volksgemisch, das allzu bunt,
    Keim des Verderbs für jegliche Gemeine,
    Wie nimmer Schmaus auf Schmaus dem Leib gesund.
Eh denn ein blindes Lämmchen bricht die Beine
    Ein blinder Stier, und schärfer siehst du schneiden
    Als fünf der Schwerter allzuoft das eine!
Sieh Luni, Urbisaglia, wie's den beiden
    Vorlängst ergangen! Sieh, wie Chiusi letzt
    Und Sinigaglia gleiches Schicksal leiden: 373
So nimmts dich nicht mehr wunder, hörst du jetzt,
    Daß Sippen schwinden, wie sie sich erheben,
    Da Städten selber Zeit und Ziel gesetzt.
Was euer, ist in Todes Hand gegeben,
    So wie ihr selber; aber währt es lang,
    Gewahrt ihrs nicht, denn kurz ist euer Leben.
Wie ohne Rast des Mondes Sphärengang
    Zum Strand die Woge fluten läßt und weichen,
    So waltet ob Florenz des Schicksals Zwang;
Nicht staune drum, wenn Namen dir und Zeichen
    Der Großen von Florenz von mir genannt,
    Wie deren Schimmer ließ die Zeit verbleichen.
Ormanni, Catellin, Filippi fand,
    Ughi und Greci ich im Niedergange
    Und Alberighi, so erlaucht ihr Stand;
Ich sah so alt an Blut wie hoch im Range
    Die von Sanell und Arca, Soldanier,
    Ardinghi und Bostichi auch noch lange.
Am Tor, drauf neuer Hochverrat so schwer
    Heut lastet, daß, noch eh viel Monde kamen,
    Seewurf eur Schiff muß tun auf hohem Meer,
Saß Ravignanes Stamm, aus dessen Samen
    Graf Guido sproß und die vom Bellincion
    Noch fürderhin geführt den hohen Namen.
Den Herrn zu zeigen wußt ein Pressa schon,
    Und goldnen Griff und Knauf schon führt' am Schwerte
    Aus Galagajas Haus ein jeder Sohn.
Viel galt der Streifen Feh; Sacchetti ehrte,
    Fifanti, Galli, Giuochi und Barucci
    Das Volk und die das Faß erröten lehrte.
Hoch ragte schon der Stamm, dem die Calfucci
    Entsprossen sind; es saßen in der Halle
    Des Rats die Sizii schon und Arrigucci.
Wie prangten, die dann bracht ihr Stolz zu Falle!
    Wie sah die goldnen Kugeln ich in Flor,
    Florenz, um deine Ruhmestaten alle!
So glänzten deren Väter auch hervor,
    Die, wenn der Stuhl verwaist, vor dem ihr knieet,
    Sich mästend sitzen im Kapitelchor. 374
Die dreiste Sippe – Drachen dem, der fliehet,
    Allein von sanften Lämmern eine Schar,
    Wenn ihr die Zähne zeigt, den Beutel ziehet –,
Sie kam schon auf, so kleiner Abkunft zwar,
    Daß schier verdrießlich Ubertin Donato
    Durch seinen Schwäher die Versippung war.
Von Fiesole herab schon zum Mercato
    War Caponsacco kommen; ratsverwandt
    War Giuda nun bereits und Infangato.
Unglaublich klingts, doch red ich wahr: es stand
    Ein Tor im alten, kleinern Mauerkreise,
    Das nach dem Haus der Pera war genannt.
Wer immer führen darf nach alter Weise
    Vom großen Bannerherrn den Ehrenschild,
    Dem ihr Sankt Thomas' Fest begeht zum Preise,
Ihm bürgt fürs Rittertum sein Wappenbild,
    Hälts mit dem Volke gleich, dem zünftigen heute
    Er, dems verbrämt mit Gold als Zeichen gilt.
Schon hießen Importuni Edelleute
    Und Gualterott im Borgo, der an Frieden
    Noch heut, ohn andre Nachbarschaft, sich freute!
Das Haus, drum all der Jammer euch beschieden,
    Da aus gerechtem Groll so blutige Tat
    Entsproß, daß euch seither das Glück gemieden,
Mit seinen Sippen stands im höchsten Staat –
    Weh, Buondelmonte, der vor ihrer Schwelle
    Den Brautlauf floh, betört von fremdem Rat!
Manch Auge, das heut weinen muß, wär helle,
    Weiht', als du just zur Stadt dich aufgemacht,
    Beim ersten Schritte Gott dich Emas Welle.
Allein der Block, der ob der Brücke wacht,
    Heischt' aus Florenz ein Opfer noch am Tage,
    Da euch zuletzt des Friedens Heil gelacht.
Da jene Sippen und von ihrem Schlage
    Noch mehr im Flor, sah ich vom Zwist, dem schwer
    Florenz verschonet, ohne Not und Klage;
Da sie in Flor, sah ich gerecht, in Ehren
    Sein Volk bestehn, daß keiner noch in Kot
    Am Bannerschaft die Lilie durfte kehren,
Und ward sie noch von keiner Zwietracht rot.« 375

 


 << zurück weiter >>