Dante
Die göttliche Komödie
Dante

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebenundzwanzigster Gesang

        1


4


7


10


13


16


19


22


25


28


31


34


37


40


43


46


49


52


55


58


61


64


67


70


73


76


79


82


85


88


91


94


97


100


103


106


109


112


115


118


121


124


127


130


133


136
    Schon lohte steil und still und sprach nicht länger
    Die Flamme, war von hinnen schon gegangen,
    Dieweil ihr Urlaub gab der teure Sänger,
Da blieb mein Blick an einer andren hangen,
    Die nach ihr kam, an ihres Wipfels Strahl
    Verworrner Laute halb, die draus erklangen.
Wie des Siziliers Stier, den dessen Qual
    Zuerst ließ brüllen – recht ist ihm geschehen –,
    Der ihn gefeilt; wie der ein jedes Mal
Mit dessen Stimme, der drin litt die Wehen,
    So brüllte, daß er selber, ob von Erz,
    Die Schmerzen schien, die bittren, auszustehen:
So, weil versperrt der Ausweg allerwärts,
    Ward erst zur Sprache noch des Feuers eben,
    Was aus der Flamme tönte, Wort und Schmerz.
Doch da's am Ende droben Raum gegeben,
    Da hörten wir, indes die Spitze sich
    So, wie die Zunge drinnen, schwang mit Beben,
Sie sagen: »Du, den jetzt ich grüße, sprich,
    Der du lombardisch sprachst und sagtest: ›Renne
    Nur weiter itzt; nicht heisch ich fürder dich‹ –
Scheint dirs, als ob ich mich zu spät besänne,
    Laß dich nicht reuen, Rede mir zu stehn.
    Reuts mich doch selber nicht, und sieh, ich brenne!
Fährst grad zur blinden Welt, wie wir dich sehn,
    Herab aus Welschlands wonnigen Gehegen,
    Daher ich mit mir schleppt' all mein Vergehn:
Sag, hat Romagna Krieg? Spürts Friedens Segen?
    Dort aus den Bergen stamm ich, die vom Joch,
    Wo Tibers Ursprung, gen Urbin gelegen.«
Ich stand hinabgeneigt und lauschte noch,
    Da rührte mich mein Führer an der Lende:
    »Sprich du jetzt«, sagt' er, »der ist Welscher doch!«
Drum ich, bereit zur Antwort schon, behende
    Und ohn Verzug zu reden so begann:
    »O Seele, du verborgne, dort! Kein Ende 122
In deiner Heimat nahm und nimmt fortan
    Im Herzen ihrer Zwingherrn je das Streiten;
    Doch offne Fehde traf ich just nicht an.
Ravenna steht, wie's stand seit alten Zeiten:
    Polentas Adler deckts mit dem Gefieder
    Der Schwingen, die sich über Cervia breiten.
Die Feste, wo der Franken blutige Glieder
    Sich türmten, da so lang sie standgehalten,
    Sieht sich in Hut der grünen Pranken wieder.
Verrucchios Rüd – der junge samt dem alten,
    Die tückisch dort Montagna schon gefällt –
    Braucht noch den Fang, wo er gewohnt zu schalten.
Lamones Burg läßt wie Santerns Gezelt
    Von jungen Leun im weißen Nest sich leiten,
    Ders heut mit dem, mit jenem morgen hält.
Und sie, der Savio spült des Burgwalls Seiten,
    Wie zwischen Berg sie liegt und flachem Grund,
    Schwebt zwischen Freiheit noch und Dienstbarkeiten.
Nun aber bitt ich: sprich und tu dich kund!
    Sei spröder nicht denn andre, soll da droben
    Dein Name währen auf dem Erdenrund.«
Nachdem das Feuer prasselnd erst geschnoben,
    Wie's seine Weise, schwenkt' es hin und her
    Die Spitze, draus ein Hauch sich dann erhoben:
»Dächt ich, es hörte mein Erwidern wer,
    Der jemals kehren mag zum Erdenrunde,
    Kein Zucken gäbs in dieser Flamme mehr;
Doch weil noch keine Seele diesem Schlunde,
    Hört' ich die Wahrheit, lebend je entrann,
    Drum, sonder Scheu vor Schande, geb ich Kunde.
Ein Kriegsmann war ich, nahm den Strick sodann;
    Das, glaubt' ich, würde meiner Seele frommen,
    Und sicher schiens, daß ich das Heil gewann,
Wenn nicht der Erzpfaff – mags ihm schlimm bekommen! –
    In alte Schuld mich wider stürzt' aufs neu;
    Wie und warum, das hast du bald vernommen.
Ich war in meinen Taten, meiner Treu,
    Dieweil ich droben Fleisch und Bein getragen,
    Wie's mir die Mutter ließ, mehr Fuchs denn Leu. 123
Jedweden Schleichwegs kundig, wohlbeschlagen
    In allen Listen, spann ich sie so fein,
    Daß alle Welt davon gewußt zu sagen.
Doch als ich an der Wende mochte sein
    Des Alters, wo's dem Menschen ziemt zu sorgen,
    Daß still er Taue zieht und Segel ein,
Da ward, was lieb, mir leid, von heut auf morgen;
    Voll Reu bekannt ich, nahm das Ordenskleid,
    Und – weh mir Armem! – bald war ich geborgen.
Der neuen Pharisäer Haupt, im Streit
    Mit denen dort am Lateran gelegen –
    Nicht Türken, Juden nicht, da fehlt ihr weit!
Nein, lauter Christen hatt' er sich entgegen,
    Davon nicht einer Handel trieb im Lande
    Des Sultans noch vor Acri zog den Degen –
Nicht seines Amts, nicht heiliger Satzung Bande,
    Nicht meines Strickes achtet' er da mehr,
    Der auszehrt, wo er gürtet die Gewande:
Wie Konstantin vom Berg Soracte her
    Sylvester rief, den Aussatz ihm zu heilen,
    So trug er da nach meiner Kunst Begehr.
Sein Hoffart-Fieber heilen, Rat erteilen
    Sollt' ich ihm nun, doch schwieg ich mit Bedacht,
    Klang doch sein Wort wie Trunkner irres Geilen.
Drauf er: ›Dein Herz sei ohne Arg! Hab acht:
    Ich sprech dich los im voraus. Sollst mich lehren,
    Wie Palestrina wird zu Fall gebracht.
Du weißt: erschließen kann ich und verwehren
    Den Himmel; darum sind der Schlüssel zween,
    Die minder hoch mein Vorfahr hielt in Ehren.‹
Durch so gewichtige Sprüche konnts geschehn,
    Daß mirs am schlimmsten schien, wenn ich geschwiegen,
    Und sagte: Wäschst du mich von dem Vergehn,
Mein Vater, rein, dem jetzt ich muß erliegen,
    Sieh: viel versprechen, wenig halten kann
    Auf hohem Stuhl dir helfen obzusiegen.
Sankt Franz kam, da's mit mir zu Ende dann;
    Doch einer von den schwarzen Cherubinen
    Rief: ›Weg die Hände! Rühr ihn mir nicht an! 124
Der muß hinab zu denen, so mir dienen,
    Dieweil zum Trug er riet: seit jenem Rat
    Am Schopf ihn halt ich, bis sein Tag erschienen.
Nicht wird erlöst, wer nicht bereut die Tat,
    Noch kann man wollen und zugleich bereuen:
    Das widerspricht sich, schau, wie Krumm und Grad!‹
Weh mir, wie schreckt' ich auf, als er mit Dräuen
    Mich packt' und höhnte: ›Gelt, du ahntest nicht,
    Daß ich solch Logicus? Ja, meiner Treuen!‹
Er schleppte mich vor Minos' Angesicht;
    Der schlägt den Schweif sich achtmal um die Lende
    Und beißt hinein vor grimmer Wut und spricht:
›Verdammt zum Fraße für die Feuerbrände!‹
    Bin drum hieher, wo du mich siehst, verbannt,
    Geh so verhüllt und gräme mich ohn Ende.«
Da seine Märe so geendet, schwand
    Die Flamme klagend hin, dieweil mit Wogen
    Ihr spitzig Horn sich bog und flackernd wand.
Wir gingen übern Grat zum nächsten Bogen,
    Ich und mein Führer, drunter, in der Bucht,
    Zoll zahlt, wer sich aufs Haupt herabgezogen,
Zwietracht entzündend, der Vergeltung Wucht.

 


 << zurück weiter >>