Dante
Die göttliche Komödie
Dante

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Sechster Gesang

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    »Seit Konstantin dem Himmelsrund entgegen
    Den Adler wandte, ihn, der ihrem Gang
    Gefolgt vor Zeiten auf Äneas' Wegen,
Blieb mehr denn zweimal hundert Jahre lang
    Der Vogel Gottes an Europens Enden,
    Den Bergen nah, da er vom Horst sich schwang.
Im Schatten, den die heiligen Schwingen spenden,
    Die Welt dort lenkt' er, kam von Hand zu Hand
    In stetem Wechsel dann zu meinen Händen. 330
Cäsar war ich, bin Justinian genannt,
    Denn aus dem Recht hieß Spreu und Ballast scheiden
    Urliebe mich, die jetzt ich recht erkannt.
Eh ich ans Werk ging, glaubt' ich nicht die beiden,
    Nur einerlei Natur im Gottessohn
    Und wollt' in solchem Wahne mich bescheiden;
Doch führte mich zum rechten Glauben schon
    Das Wort Agapetus', des benedeiten,
    Der dazumalen Hirt auf Petri Thron.
Was er mich glauben lehrt' in Lebenszeiten,
    Nun seh ichs, wie du siehest, daß von zwein
    Eins wahr, eins falsch ist, die sich widerstreiten.
Kaum schlug mein Fuß den Weg der Kirche ein,
    Da hat in Gnaden Gott das Werk, das hehre,
    Mir eingehaucht, dem mußt' ich ganz mich weihn;
Vertraute meinem Belisar die Wehre:
    Mit ihm war Gottes Hand, ein Zeichen mir,
    Daß mein der Herr zum Friedenswerk begehre.
Der ersten Frage deiner Wißbegier
    Tut dies genug; doch weiter heißt mich reden,
    Was ich vom Kaiseradler sprach zu dir,
Auf daß du siehst, was Rechtes sei für jeden,
    Der aufsteht wider dies geweihte Zeichen,
    Ob er sichs anmaßt, ob ers will befehden.
Sieh nur, wie's hohe Tugend ohnegleichen
    Von Stund an aller Ehren wert gemacht,
    Seit Pallas fiel, die Krone ihm zu reichen!
Du weißt, wie's dreimal hundert Jahre Wacht
    Und länger hielt im Horst auf Albas Zinnen,
    Bis drei mit drein gekämpft für seine Macht;
Weißt, wie's vom Raube der Sabinerinnen
    Bis zu Lucretias Leide Sieg auf Sieg
    Ringsum die sieben Könige ließ gewinnen;
Weißt, wie's mit Brennus führt' und Pyrrhus Krieg,
    Mit Herrn und Völkern, da es Romas Heeren
    Voran, den tapfren, in die Lüfte stieg,
Da Quinctius, der verschmäht, sein Haupt zu scheren,
    Torquatus, Decier, Fabier ihrem Blut
    Den Ruhm erkämpft, den gern ich halt in Ehren. 331
Es streckt' in Staub Arabiens Übermut,
    Als Hannibal den Felswall überstiegen,
    Da deiner Quelle, Po, entströmt die Flut.
Jünglinge lehrt' es, lehrte Scipio siegen
    Und auch Pompejus; herbe klang sein Drohn
    Dem Bühl, der in der Wiege dich sah liegen.
Als nah die Zeit dann, da der Himmel schon
    Die ganze Welt zum Frieden wollte führen,
    Erhob es Cäsar, Roms erwählter Sohn.
Da konnts Isère und Saône und Seine spüren,
    Sahs jedes Quelltal, dem die Rhone entsprungen,
    Vom Varo bis zum Rhein die Schwingen rühren.
Doch als sichs von Ravenna aufgeschwungen
    Und übern Rubicon, tats solchen Flug,
    Daß ihm nicht Federn Folge tun noch Zungen!
Nach Spanien flog es, gen Durazzo trug
    Es seine Schar, Pharsalus schlug es nieder,
    Daß die am heißen Nil gespürt', wie's schlug;
Simois sahs, von dann es aufflog, wieder,
    Antandros, Hektors Grab, und unheilvoll
    Für Ptolemäus regt' es sein Gefieder,
Blitzgleich auf Juba zuckt' herab sein Groll,
    Nach eurem Abendlande dann zu jagen,
    Wo laut der Pompejaner Horn erscholl.
Was es vollbracht, vom nächsten Arm getragen,
    Darum muß mit Perugia Mutina,
    Brutus mit Cassius in der Hölle klagen;
Drum weint verzweifelnd noch Kleopatra,
    Die sich, von ihm bedrängt zu Meer und Lande,
    Der Viper Zahn zu schwarzem Tod ersah.
In dieser Hand kams bis zu Nubiens Strande,
    In dieser konnt's der Welt den Frieden bringen,
    Daß Janus' Tor sich schloß dem Opferbrande.
Doch was dies Zeichen, dem ich Lob muß singen,
    Bislang im Reich der Sterblichkeit vollbracht,
    Dem es gebeut, und je noch mag vollbringen,
Erbleicht und wird zunichte schier gemacht,
    Nimmst klaren Blicks du, reinen Sinns sein Streben
    In jenes dritten Cäsars Hand in acht: 332
Da ward die Ehre ihm, daß sie, die Leben
    Mir haucht, die ewige Gerechtigkeit,
    Zu rächen ihren Zorn ihm aufgegeben.
Nun hör und staune: da's zu neuem Streit
    Mit Titus auszog, stürmt' es nun, zu rächen
    Die Rache für die Schuld aus alter Zeit!
Als Langobardenzahn dann wollte stechen
    Die heilige Kirche, kam mit seinen Schwingen
    Zu Hilf der große Karl, den Trotz zu brechen.
Ermiß du nun, wie schwer sich die vergingen,
    Die anfangs ich verklagt und die fürwahr
    An all den Nöten schuld, die euch verschlingen!
Der führt die Lilien widern Kaiseraar,
    Der läßt ihn frönen sich und seinesgleichen:
    Wer weiß, wer schlimmer von dem schlimmen Paar?
Treibt, Waiblinge, treibt unter andrem Zeichen
    Eur Wesen! Dies führt wider Ehr und Fug,
    Wer mit ihm will vom Pfad des Rechtes weichen!
Nicht kreuz ihm jener andre Karl den Flug
    Mit seinen Welfen! Mag die Klaun er scheuen,
    Die stärkrem Löwen schon ins Fell er schlug!
Oft mußt' ein Sohn des Vaters Schuld bereuen:
    Nie gibt des Reiches Schild der Rat des Herrn
    In Tausch um seine Lilien, meiner Treuen! –
Nun hör: belebt ist dieser kleine Stern
    Mit guten Geistern, die sich tätig Leben
    Erwählt, denn Ruhm und Ehre folgt ihm gern;
Und wenn, entwegt, nach solchem Ziele streben
    Die Lüste, kann der wahren Liebe Brand
    Sich so lebendig nicht zum Himmel heben.
Doch wenn wir dem Verdienst des Lohnes Pfand
    Vergleichen, kanns die Seligkeit nur mehren,
    Daß größer keines sich noch kleiner fand.
So sänftigt unser Sinnen und Begehren
    Gerechtigkeit, die ewige, sich zum Preise,
    Daß gar sichs nimmer kann zum Bösen kehren!
Verschiedne Stimmen tönen holde Weise;
    So wird verschiedner Rang in unsrem Sein
    Zu süßer Harmonie längs dieser Kreise. – 333
Es leuchtet auch in dieser Perle Schein
    Romeos Licht, dem redlich Mühewalten
    Nur Kränkung trug für gute Dienste ein.
Doch habens nicht zum Lachen, die ihn schalten,
    Die Provenzalen: übel fährt fürwahr,
    Wer Schaden sucht in andrer Wohlverhalten!
Vier Töchter zählte Raimund Berengar,
    Die alle vier zu Königinnen machte
    Romieu, der demutvoll ein Pilger war;
Scheelsucht verführte jenen zum Verdachte,
    Daß den Getreuen er zur Rede stellt,
    Der fünf und sieben nun für zehn ihm brachte!
Arm ging er hin und alt. O wenn die Welt
    Sein Herz erkennte, wie er sich sein Leben
    Erbettelt Stück für Stück: die hoch ihn hält,
Sie würd' ihn höher wahrlich noch erheben.«

 


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