Dante
Die göttliche Komödie
Dante

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Achter Gesang

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    Lang wähnte ja die Welt, im Bann der Sünde,
    Daß, kreisend auf der dritten Himmelsbahn,
    Die holde Cypris Liebeswut entzünde;
Drum Ehre, göttergleich, ihr angetan
    Mit Weihgesängen und mit Opfergabe
    Die alten Völker all im alten Wahn.
Dione auch, die Mutter, und ihr Knabe
    Cupido ward verehrt; geschrieben stand,
    Daß er auf Didos Schoß gesessen habe.
Mit ihrem Namen ward der Stern genannt,
    Der stet zur Sonne blickt mit Liebesflehen,
    Ob Rücken sie, ob Stirn ihm zugewandt.
Nicht spürt' ich dort hinan des Fluges Wehen;
    Daß wir am Ziel, des gab der Herrin Wange
    Mir Zeugnis, immer schöner anzusehen!
Und wie im Feuer Funken, wie im Sange
    Du Stimmen unterscheidest: fest die einen,
    Die andren auf und ab im Stufengange;
So in der Leuchte sah ich Lichter scheinen
    Und, sacht und schneller, sich im Kreise drehn,
    Wie ewig Schauen Gott sie scheint zu einen. 339
Kein Sturmwind kann aus kalter Wolke Wehn,
    Ob sichtbarlich, ob nicht, herniederfegen,
    Der sacht nicht schiene, wenn man sie gesehn,
Die Himmelslichter, wie sie uns entgegen
    Aus ihrem Reigen sprühten, der im Runde
    Sich hoher Seraphim beginnt zu regen.
Und denen, die zuvorderst, klang im Munde
    Ein Hosianna, das aufs neu so rein
    Zu hören ich mich sehne Tag und Stunde!
Und einer kam herzu und sprach, allein:
    »Wir alle, daß du froh wirst unsrer Weise,
    Wir wollen gerne dir zu Willen sein.
Den Himmelsfürsten nach, im gleichen Kreise,
    Mit gleichem Schwung, von gleichem Durst verzehrt,
    Drehn wir uns, denen dort du sangst zum Preise:
›Ihr, die den dritten Himmel kreisen lehrt . . .‹
    So lieberfüllt, daß dir zulieb im Reigen
    Ein Weilchen rasten schier die Wonne mehrt!«
Den Blick erhob ich, ehrfurchtsvoll, in Schweigen
    Zu meiner Herrin, wandt ihn dann, von ihr
    Befriedet und gewiß durch ihr Bezeigen,
Zurück zu jenem Licht, das eben mir
    So viel verheißen: »Sagt, wer seid Ihr?« fragte
    Gedrungen ich von heißer Wißbegier.
Oh, wieviel größer, wieviel lichter tagte
    Von neuer Freude da sein Glanz erhellt!
    Die mehrte seine Freuden, da ichs sagte.
So strahlend sprach er: »Kurz war auf der Welt
    Mein Wallen nur; wärs minder rasch verronnen,
    Wär manches nicht, was jetzo schlimm bestellt.
Es hehlt mich dir der Schimmer meiner Wonnen,
    Der mich umstrahlt und birgt, wie bergend sich
    In sein Gespinst der Seidenwurm gesponnen.
Du liebtest recht und recht mit Fuge mich,
    Denn meine Liebe, blieb ich nur am Leben,
    Trug Beßres dir als Blätter sicherlich!
Als künftigen Herrschers harrte mein, das neben
    Der Rhone linkem Bord sich dehnt, das Land,
    Da, wo die Sorgue ihr schon Geleit gegeben; 340
Dazu Ausoniens Horn, dem rings den Rand
    Gaëta, Bari und Catona kränzen,
    Von Trontos Münde an und Verdes Strand.
Sahst schon auf meiner Stirn die Krone glänzen
    Des Reiches, das bespült mit ihrer Flut
    Die Donau, wo sie läßt die deutschen Grenzen.
Auch wo – Typhoeus nicht, nein, Schwefels Glut
    Inmitten von Pachynum und Peloren
    Qualmt ob der Bucht, da Eurus peitscht die Flut,
Trinacria, die schöne, unverloren
    Den echten Herrschern wär ihr Thron bis heute,
    Die mir aus Karls und Rudolfs Blut geboren,
Wenn nicht, was stets des Aufruhrs Samen streute,
    Schlecht Regiment geschürt Palermos Wut,
    Bis, Mordio brüllend, losbrach seine Meute.
Wär davor doch mein Bruder auf der Hut,
    Die Katalanen ließ' er ziehn in Gnaden,
    Das Bettlerpack, eh's bitter macht das Blut!
Zu hüten, wahrlich, gilts sein Schiff vor Schaden,
    Daß nicht noch schwerer lädt – ob er es wahrt,
    Ob andre –, was schon allzu schwer beladen.
Ihm, der aus freierm Blut so karger Art,
    Tun Diener not, die nicht nur darauf sinnen,
    Wie man die Truhen füllt und Schätze spart.«
»Die Freude Herr, die in mir weckt dein Minnen,
    Magst dort, wo allen Heils Beginn und Ende,
    Du sehen, so, wie ich sie seh hier innen:
Das ist, als ob ich zwiefach sie empfände,
    Und daß auch dies in Gottes Angesicht
    Du schauend siehst, macht reicher noch die Spende!
Du hast mich froh gemacht, nun mach auch mirs licht:
    Dein Wort weckt Zweifel mir, wie sichs vertrage,
    Daß Bitteres aus süßem Keime bricht.«
So ich, und er: »Lehrt Wahrheit, was ich sage,
    So hast du das, was jetzt im Rücken dir,
    Vor Augen stehn, das Merkziel deiner Frage.
Er, der bewegt und stillt dies Reich, wo ihr
    Empor nun wallt, läßt, was Er vorgesehen,
    Auswirken durch die Himmelskörper hier. 341
Im Geiste, der in sich vollendet, stehen
    Die Wesen, die Er vorsieht, nicht allein,
    Auch was zu ihrem Heile muß geschehen;
So trifft am vorgesetzten Ziele ein,
    Was auch Sein Bogen schnellet, gleich dem Pfeile,
    Der wohlgezielt ins Schwarze schwirrt hinein.
Sonst hätte nie der Himmel, wo zum Heile
    Den Weg du wallst, so künstlich Werk geschafft,
    Nur Trümmer wirkt' er sonst an seinem Teile.
Das kann nicht sein, wenn fehlbar nicht die Kraft
    Der Geister all, die diese Sterne lenken,
    Und Er, der erst sie schuf so mangelhaft.
Brauchts noch Beweis, um Glauben mir zu schenken?«
    »Mitnichten«, sagt' ich; »daß Natur versage
    In dem, was not tut, läßt sich nicht erdenken.«
Und er nun: »Sag mir, wär des Menschen Lage,
    Wenn er nicht Bürger, kläglich nicht auf Erden?«
    »Fürwahr«, erwidert' ich, »das liegt am Tage!«
»Und kann ers sein, wenn drunten ihr in Herden,
    Nicht unterschieden lebt durch Stand und Amt?
    Da müßt euer Meister ja zuschanden werden!«
So folgert' er und schloß: »Ungleich mitsamt
    Dem Wirken müssen drum, das euch erkoren,
    Die Wurzeln sein, daraus solch Wirken stammt:
Zum Solon wird, als Xerxes der geboren,
    Wie Melchisedek der; ein andrer schlägt
    Nach ihm, der auf dem Flug den Sohn verloren.
Gar künstlich weiß, die ewig kreisend prägt
    All sterblich Wachs, Natur ihr Werk zu weben,
    Und nicht nach Hütte und Palast sie frägt.
So kams, daß Esau ungleich schon ins Leben
    Von Jakob trat, daß niedrem Stamm entsprang
    Quirin, dem Mars zum Vater drum gegeben.
Stets müßte, was erzeugt, in gleichem Gang
    Dem Zeuger folgen, schier auf gleichem Pfade,
    Wär Gottes Vorsehung nicht stärkrer Zwang.
Hast nun, was rückwärts lag, vor Augen grade!
    Doch, daß du siehst, wie ich mich freue dein,
    Nimm, was ich auf die Waage dir noch lade. 342
Im Stande, der zuwider ihrem Sein,
    Wie Saat, die eins in fremden Boden brächte,
    Muß übel allezeit Natur gedeihn.
Wenn das die Welt da drunten recht bedächte,
    Welch einen Grund Natur gedacht zu legen,
    Und folgt' ihr, besser stünd's um dies Geschlechte.
Doch ihr laßt scheren, was bestimmt, den Degen
    Zu tragen; wen zum Prediger schuf Natur,
    Den krönet ihr zum König allerwegen;
Und darum weicht vom Wege eure Spur.«

 


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