Dante
Die göttliche Komödie
Dante

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Vierzehntes Gesang

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    »Wer ists, der kommt, um unsren Berg zu wallen,
    Eh Tod zum Flug ihm Schwingen konnte leihn,
    Und hebt und schließt die Lider nach Gefallen?«
»Nicht weiß ichs, weiß nur, daß er nicht allein;
    Sprich du mit ihm, du sitzest ihm zu Füßen,
    Und lade freundlich ihn zu reden ein.«
So hört' ich sagen derer zwei, die büßen,
    Zur Rechten mir, einander zugeneigt;
    Dann hoben sie das Antlitz, mich zu grüßen. 216
Und einer sprach: »Du, die gen Himmel steigt,
    O Seele, noch mit Fleisch und Bein beladen,
    O spend uns Trost, o sag uns wohlgeneigt:
Wer bist, wie kamst du, sag, auf welchen Pfaden?
    Ein Wunder, wie's kein Auge noch erkannt,
    Dünkt mich, was dir der Herr gewährt in Gnaden.«
Und ich: »Wallt mitten durchs Toskanerland
    Ein Flüßchen, das, am Falteron entsprungen,
    Nach hundert Meilen noch nicht Ruhe fand.
Dort komm ich her, aus seinen Niederungen.
    Doch sagen, wer ich bin, hieß in die Winde
    Geredet, weil mein Ruf noch kaum erklungen.«
»Wenn recht den Sinn ich deines Wortes finde,
    So redest du mir da vom Arnofluß«,
    Versetzte, der zuerst mir sprach, der Blinde.
Der andre drauf zu ihm: »Weshalb am Schluß
    Läßt er den Namen wohl des Flusses fehlen,
    Wie man verschweigt, wovor man scheuen muß?«
»Ich weiß nicht. Aber wert ist, meiner Seelen«,
    Gab er, der so gefragt, zurück das Wort,
    »Des Flusses Tal, daß wir den Namen hehlen.
Vom Ursprung, wo das Hochgebirge dort,
    Das von Pelorum einst getrennt, an Quellen
    So trächtig ist wie kaum ein andrer Ort,
Bis dahin, wo dem Meere seine Wellen
    Heimbringen, was des Himmels Hauch verzehrt,
    Von dessen Spende Bach und Ströme schwellen,
Wird allerwärts die Tugend ausgekehrt,
    Als wärs ein giftiger Wurm; ob ihr verleidet
    Die Stätte, sei's, daß übler Brauch ihr wehrt.
Davon ward also aller Art entkleidet
    Das Volk, das dieses üblen Tales Gast,
    Als hätte Circes Rute sie geweidet.
Bei wüsten Schweinen, denen Eichelmast
    Weit besser taugt denn Menschenkost zur Speise,
    Zieht erst vorbei, der noch ein Rinnsal fast;
Kommt dann zu Kläffern, die nach ihrer Weise
    Mehr knurrn als beißen, kehrt sich ihrem Ort
    Verächtlich ab, und weiter geht die Reise: 217
Er rinnt zu Tal, und wachsend fort und fort,
    Sieht aus den Hunden Wölfen dann geworden
    Der heillos gottverfluchte Graben dort.
Durch tiefe Schlüfte strömend, trifft er Horden
    Von Füchsen, so voll Trugs, daß keine Art
    Von List sie übertrumpft, an seinen Borden.
Ich sag es, wers auch höre! Und bewahrt
    Der hier mein Wort, mag gute Frucht ihm tragen,
    Was mir der Geist der Wahrheit offenbart.
Dein Enkel, seh ich, wird die Wölfe jagen
    Am Strand des argen Stromes, und sein Teil
    Bekommt ein jeder, daß sie all verzagen!
Lebendigen Leibes hält ihr Fleisch er feil
    Und metzelt sie wie Schlachtvieh dann in Scharen,
    Bringt viel ums Leben, sich um Ehr und Heil.
Bluttriefend wird er letzt von hinnen fahren
    Und läßt das klägliche Gehege dann
    So, daß sichs nicht erholt in tausend Jahren.«
Wie Blick sich trübt und Miene einem Mann,
    Der Kunde, daß ihm Unheil droht, bekommen,
    Von wannen auch Gefahr ihm nahen kann,
So sah den andren Geist ich da beklommen
    Und gramvoll, da im Innern ihn bewegte,
    Ihn, der da lauschend stand, was er vernommen.
Des einen Wort, des andren Mienen regte
    Den Drang in mir, zu wissen, wer sie wären;
    Darum ich fragend mich aufs Bitten legte.
Und der zuerst begann mit Wort und Mären,
    Hob wieder an: »Was du mir abgeschlagen,
    Das willst du, soll ich willig dir gewähren!
Doch läßt so leuchtend seine Gnade tagen
    In dir der Herr, so halt ichs dir zugut:
    Guido del Duca bin ich, laß dir sagen.
Also von Scheelsucht war versengt mein Blut,
    Daß, wenn ich sah, wie andre Freude hatten,
    Du mich erbleichen sahst vor Neideswut.
Von solcher Saat nun ernt ich bei den Schatten
    Die Spreu, – was hängt das Herz an Güter ihr,
    O Menschen, die Gemeinschaft nicht verstatten? 218
Rainer von Calboli ist dieses hier,
    War seines edlen Hauses Preis und Ehre,
    Wo keiner erbte seiner Mannheit Zier.
Nicht dort allein, vom Reno bis zum Meere,
    Vom Po bis ans Gebirg die Tugend schwand,
    Die edle Sitte heischt und rechte Lehre.
So weit von Mark zu Marken reicht das Land,
    Treibts giftige Sprosse nur, und die sie reute,
    Wird, ach, zu spät, die Pflugschar, drauf gewandt!
Wo sind Manardi, Traversaro heute,
    Der wackre Lizio, Veit Carpigna? Weh,
    Daß Bastardbrut Romagnas Edelleute!
Wann zu Bologna, zu Faenza seh
    Ich Fabbros Licht und Foscos wieder scheinen,
    Aus niedrem Stamm so edler Reiser je?
Nicht nehms dich wunder, Tusker, muß ich weinen,
    Wenn ich an Guido denke, Pratas Sproß,
    An Ugo d'Azzo, ihn, der Unsren einen,
An Friedrich Kahlhaupt, seinen ganzen Troß,
    Und wie verwaist nun Traversaros Zinnen
    Und sonder Erben Anastagis Schloß;
An Fraun und Ritter, Edelsinn und Minnen,
    In Männerkampf bewährt und Lustbarkeit,
    Wo so verderbt nun heute Herz und Sinnen.
Fahr hin, o Brettinor, da seinerzeit
    Schon deiner Herrn Geschlecht dahingefahren
    Und andre mehr, zur Schande nicht bereit!
Wohl dir, Bagnacaval, der Unfruchtbaren!
    Weh, Castrocaro! Conio, dreimal wehe,
    Die solcher Grafen sich noch mehr gebaren!
Frommts den Pagani, daß von hinnen gehe
    Ihr Höllenteufel, so geschiehts doch nimmer,
    Daß rein ihr Leumund wiederum erstehe.
Hugo von Fantolin, dir bleibt für immer
    Dein Name heil, denn nach dir gibts ja keinen,
    Der frevelnd könnte trüben seinen Schimmer.
Doch geh nun, Tusker. Mich verlangt zu weinen
    Mehr denn zu reden, also drückte mir
    Das Herz schon ab die Kunde von den Meinen!« 219
Wir wußten wohl, die frommen Seelen hier,
    Sie hörten unsren Schritt, drum ohne Bangen
    Ums Wegziel, da sie schwiegen, gingen wir.
Schon wieder einsam wars, wo wir gegangen;
    Da, wie der Blitz die Luft durchschneidet, schallte
    Es uns entgegen, und die Worte klangen:
»Mich tötet, wer mich trifft!« Und es verhallte,
    Wie fernhinaus verhallt des Donners Grollen,
    Zerriß er jäh die Wolke, die sich ballte.
Kaum hatte sich das Ohr erholen wollen,
    Da fiel mit Dröhnen laut der zweite ein,
    Gleichwie wenn Schlag auf Schlag die Donner rollen:
»Aglauros bin ich, die erstarrt zu Stein!«
    Und rückwärts drängt' ich, statt voranzuschreiten,
    Mich an den Sänger, recht ihm nah zu sein.
Schon kam zur Ruh die Luft auf allen Seiten,
    Und er begann: »Das war der strenge Zaum,
    Der euch in euren Schranken sollte leiten;
Doch müßt ihr, lockt der Köder euren Gaum,
    Ins Garn dem alten Widersacher gehen,
    Und Hirtenruf und Zügel spürt ihr kaum!
Um euer Haupt in ewiger Schöne drehen
    Sich Himmel, ladend euch zu Lob und Preis,
    Doch euer Blick will nur zur Erde sehen,
Und darum schlägt Er euch, der alles weiß.«

 


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