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Viertes Kapitel.
Ludwig der Unvergessene.

Armer Ludwig! Für diese alle ist es nur eine leere Phantasmagorie, in der sie Schauspielern gleich mit verstellten Stimmen und Mienen Trauer und Schmerz heucheln; für dich aber ist es erschreckender Ernst.

Schrecklich für alle Menschen ist der Tod; sein Name ist von alters her König der Schrecken! Das kleine, engumgrenzte Haus unseres Daseins, in dem wir uns trotz unserer Klagen heimisch fühlten, entschwindet uns im bangen Todeskampfe ins Unbekannte der Trennung, der Fremde, der unbegrenzten Möglichkeit. Der heidnische Kaiser fragt seine Seele: Wohin gehst du jetzt? Der katholische König muß antworten: Vor den Richterstuhl des allerhöchsten Gottes. Ja, es ist ein Rechenschaftsbericht über das Leben, eine Schlußrechnung und ein Bekenntnis »aller im Körper begangenen Handlungen;« jetzt sind sie vollbracht und liegen unabänderlich da und tragen ihre Früchte in alle Ewigkeit.

Ludwig XV. hatte immer den königlichsten Abscheu vor dem Tode, ganz im Gegensatz zu jenem frommen Herzog von Orléans, Egalités Großvater, der wie einige von ihnen einen Anflug von Verrücktheit zeigte und mit Überzeugung glaubte, es gäbe keinen Tod. Eines Tages stürzte er, wie die Hofneuigkeitskrämer erzählen, wutentbrannt und empört auf seinen armen Sekretär zu, der aus Versehen die Worte gebraucht hatte: » Feu roi d'Espagne« (der verstorbene König von Spanien). – » Feu roi, Monsieur?« » Monseigneur,« erwiderte schnell der zitternde, aber geistesgegenwärtige Hofmann, » c'est un titre, qu'ils prennent« (es ist ein Titel, den sie annehmen). Besenval, I. 199. Ludwig war, wie wir bemerkten, nicht so glücklich, aber er half sich, so gut er konnte. Er duldete nicht, daß man vom Tode sprach, vermied den Anblick von Friedhöfen, Grabmälern und von allem, was an den Tod erinnern konnte. Es ist das letzte Auskunftsmittel des Straußes, der, von Jägern bedrängt, seinen dummen Kopf in den Sand steckt und vergißt, daß sein nichtsehender Körper nicht auch ungesehen bleibt. Zuweilen jedoch wollte er aus einer Art krampfhaften Widerspruchs, der doch im Grunde demselben Gefühle entsprang, nach dem Friedhof gehen, oder er ließ seine Hofwagen davor halten und fragen, »wie viele neue 20 Gräber es heute gebe,« so übel auch seiner armen Pompadour dabei wurde. Wir können auch Ludwigs Gedanken erraten, als er eines Tages mit dem Aufwande königlichen Prunkes im Walde von Senart jagte und an einer scharfen Wegkrümmung auf einen zerlumpten Bauer mit einem Sarge stieß. »Für wen?« – Er war für einen ebenso armen Sklaven und Leidensgefährten bestimmt, den Seine Majestät manchmal in dieser Gegend fronen gesehen hatte. »Woran ist er gestorben?« – »An Hunger.« – Der König gab seinem Pferde die Sporen. Campan, III. 39.

Stellen wir uns aber seine Gedanken vor, jetzt, da der Tod unerwartet, unerbittlich und mit fester Hand an sein Herz greift. Ja, armer Ludwig, der Tod hat dich gefunden. Weder die Mauern deines Palastes und deine Leibgarden, noch prächtige Wandteppiche und der steife Glanz der steifsten Etikette haben sein Eindringen verhindern können; da ist er, da bei dir, an deinem Lebensodem selbst und will ihn auslöschen. Du, dessen ganzes Leben bis jetzt eine Chimäre und Komödie war, du wirst zuletzt eine Wirklichkeit; die Zeit ist vollendet, und der ganze Bau der Zeit stürzt unter entsetzlichem Getöse rings um deine Seele zusammen. Das blasse Reich der Schatten thut sich gähnend vor dir auf: da hinein mußt du, nackt, aller königlichen Würde entkleidet, und mußt abwarten, was dir bestimmt ist! Unglücklicher! welche Gedanken quälen dich, während du dich im schweren Todeskampfe auf deinem Leidenslager wälzest! Fegfeuer und Hölle, – jetzt allzu möglich, – siehst du vor dir – und hinter dir? – Ach, was hast du gethan, das nicht besser ungethan geblieben wäre? Welchem Sterblichen hast du großmütig geholfen? Welchen Schmerz hast du barmherzig gemildert? Die »500,000« Geister derer, welche auf so vielen Schlachtfeldern von Roßbach bis Quebec schmachvoll dahinsanken, damit sich deine Dirne wegen eines Epigrammes rächen könne, drängen sich die in dieser Stunde an dich heran? Oder dein schändlicher Harem oder die Flüche der Mütter, oder die Thränen und die Schmach der Töchter? Elender! »Du hast Böses gethan, soviel du nur konntest;« dein ganzes Sein erscheint wie eine gräßliche Entartung und ein Irrtum der Natur, dein Zweck und Nutzen sind noch nicht ergründet. Warst du ein fabelhafter Greif, der alles Menschenwerk verschlang, der täglich Jungfrauen in 21 seine Höhle schleppte, – der auch mit Schuppen bedeckt war, die kein anderer Speer durchdringen konnte als der des Todes? Ja, ein Greif, aber kein fabelhafter, sondern ein wirklicher Greif! O Ludwig, diese Augenblicke müssen für dich entsetzlich sein. – Doch wir wollen uns nicht tiefer in die schrecklichen Qualen eines Sünders auf dem Totenbette versenken.

Und trotzdem darf dies keinem, auch nicht dem geringsten unter den Menschen ein Balsam der Beruhigung für die eigene Seele sein. Gewiß, Ludwig war ein Herrscher, aber bist nicht auch du einer? Siehst du von den Fixsternen (die selbst noch nicht die Unendlichkeit sind) herab, so erscheint dir sein weites, großes Frankreich nicht größer als dein eigenes, kleines Arbeitsfeld, auf dem auch du gewissenhaft oder gewissenlos gewirkt hast. O Mensch, »du Symbol der in die Zeit eingekerkerten Ewigkeit,« nicht deine Werke, die alle vergänglich und unendlich klein sind, deren größtes nicht größer als das kleinste ist, nicht sie können Wert und Dauer haben, sondern nur der Geist, in dem du wirktest, in dem du sie vollbrachtest.

Bedenke aber auch, welches Lebensproblem eigentlich der arme Ludwig zu lösen hatte, als er von jenem Krankenlager zu Metz als Bien aimé aufstand. Welcher Adamssohn hätte in solche Widersprüche Einklang bringen können? War er es imstande, er, den das blindeste Glück allein zur Oberfläche emporgehoben hat? Dort schwimmt er jetzt und versteht es ebensowenig zu lenken, wie das Treibholz dem sturmgepeitschten Ozean gebieten kann. »Was habe ich gethan, um so geliebt zu sein?« sagte er damals. Jetzt kann er fragen: »Was habe ich gethan, um so gehaßt zu sein?« Nichts hast du gethan, armer Ludwig. Das ist dein Fehler, daß du nichts gethan hast. Was aber konnte der arme Ludwig thun? Seine Hände in Unschuld waschen und abdanken – zu Gunsten des Nächstbesten, der es hätte annehmen wollen! Einen einfacheren und klügeren Ausweg gab es nicht für ihn. Wie die Dinge nun einmal lagen, stand er, der widerspruchsvollste Sterbliche, den es gab, als eine wahre Verkörperung des Solöcismus da und starrte unschlüssig in die verworrenste, widerspruchsvollste Welt, – in der schließlich nichts mehr gewiß schien, als daß er, der fleischgewordene Solöcismus, fünf Sinne hatte, daß es fliegende Tische gab ( Tables volantes, die in den Boden versinken und beladen zurückkommen) und einen – Parc-aux-cerfs.

22 Dabei begegnen wir wieder einmal einer bekannten historischen Merkwürdigkeit: einem menschlichen Wesen in einer ganz eigenartigen Lage, das gleichsam auf einem unendlichen, regungslosen Meere schwimmt und doch sogar sehenden Auges ohne den geringsten Versuch eines Widerstandes der reißenden Strömung zutreibt; denn Ludwig gebrach es trotz alledem nicht an einer gewissen Einsicht. So konnte manchmal, wenn ein neuer Marineminister oder wer es sonst sein mochte, kam und eine neue Ära ankündigte, das Scharlachweib beim Souper Seine Majestät äußern hören: »Ja, er hat seine Ware ausgelegt wie jeder andere und hat die herrlichsten Dinge der Welt versprochen; nicht eines wird in Erfüllung gehen: er kennt dieses Gebiet nicht, er wird es sehen.« Oder ein andermal: »Das alles habe ich schon zum zwanzigstenmal gehört; ich glaube, Frankreich wird nie zu einer Flotte kommen.« Wie bezeichnend klingt auch die folgende Äußerung: »Wenn ich Polizeilieutenant wäre, würde ich diese Pariser Cabriolets verbieten.« Journal de Madame du Hausset: p. 293 etc.

Du fluchbeladener Sterblicher! Ist es kein Fluch, ein verkörperter Solöcismus zu sein, ein neuer Roi Fainéant, ein König Thuenichts, aber mit dem sonderbarsten Majordomus: sein Majordomus ist kein Pipin, sondern eben jenes in die Wolken ragende, feueratmende Gespenst der Demokratie, das, unberechenbar wie es ist, die Welt umspannt. War also Ludwig schlechter als dieser oder jener private Nichtsthuer und Vielfraß, der, wie wir oft genug sehen, unter dem Namen Lebemann eine Zeitlang Gottes rühriger Schöpfung zur Last fällt? Nein, sage: unglücklicher! Denn sein Lebenssolöcismus ward einer ganzen Welt, die ihn sah und fühlte, zum Ärgernis und Anstoß; ihn kann nicht endlose Vergessenheit verschlingen und in endlose Tiefen hinabziehen – wenigstens nicht während einer oder zweier Generationen.

Doch, mag dem sein, wie ihm wolle; jetzt bemerken wir nicht ohne Interesse, wie »am Abend des vierten« Dame Dubarry mit sichtbarer Unruhe im Gesichte« das Krankenzimmer verläßt. Es ist der vierte Abend des Monats Mai im Jahre des Heils 1774. Welches Flüstern im Oeil de Boeuf! Liegt er denn im Sterben? Was man sagen kann, ist nur, daß die Dubarry einzupacken scheint: sie irrt weinend in ihren vergoldeten Boudoirs herum, als nähme sie Abschied. D'Aiguillon und Compagnie sind beinahe bei ihrer letzten 23 Karte angelangt und wollen trotzdem das Spiel noch nicht verloren geben. Was aber den Streit um die Sakramente betrifft, so ist er ohne weitere Auseinandersetzungen so gut wie beigelegt. Ludwig schickt in der nächsten Nacht nach seinem Abbé Moudon, beichtet ihm, wie einige behaupten, »siebzehn Minuten lang« und verlangt selbst die Sakramente.

Doch seht, ist das nicht unsere Zauberin Dubarry, die schon am Nachmittag, das Taschentuch vor den Augen, in D'Aiguillons Wagen steigt und in den tröstenden Armen seiner Herzogin davonrollt? Sie ist fort und kehrt nimmer wieder. Verschwinde, falsche Zauberin, in das leere Nichts! Umsonst verweilst du noch im benachbarten Ruel: deine Zeit ist um; dir sind die Pforten des königlichen Palastes für immer verschlossen; höchstens magst du nach Jahren einmal im Dunkel der Nacht im schwarzen Domino einem schwarzen Nachtvogel gleich niederflattern und das Abendkonzert der holden Antoinette stören: alle Paradiesvögel fliehen vor dir, und der Gesang verstummt. Campan, I. 197. Du unreines, aber nicht böswilliges Geschöpf, du bist des Mitleids doch nicht ganz unwert! Was für ein Lebenslauf war dir beschieden von jenem ersten armseligen Lager (in der Heimat der Johanna d'Arc) an, auf dem dich deine Mutter in Thränen einem ungenannten Vater gebar, von da weiter durch die tiefuntersten Tiefen und über die höchsten sonnenbeleuchteten Höhen der Buhlerei und Schurkerei – bis unter das Beil der Guillotine, das deinen vergeblich wimmernden Kopf abmäht! Ruhe denn, unverflucht, nur begraben und vergessen! Gebührt dir etwas anderes?

Inzwischen wartet Ludwig voll Ungeduld auf die Sakramente, schickt mehr als einmal zum Fenster, um zu sehen, ob sie noch nicht kommen. Sei ruhig, Ludwig, so ruhig als du sein kannst: die Sakramente sind unterwegs, gegen sechs Uhr morgens kommen sie. Der Kardinal Groß-Almosenier Roche-Aymon ist da in seiner Amtstracht mit seinen Büchsen und Geräten; er nähert sich dem königlichen Kissen, hebt seine Oblate empor, murmelt oder scheint etwas zu murmeln: – und so hat Ludwig, (wie es Abbé Georgel in Worten ausdrückt, die wiederzugeben man fast Anstand nimmt) die » Amende honorable vor Gott« geleistet; so wenigstens legt es sich unser Jesuit zurecht. – » Wa, Wa« stöhnte der wilde Chlotar, als er sein Ende herannahen fühlte, »was für ein 24 großer Gott ist das, der die Kraft der stärksten Könige zunichte macht!« Gregorius Turonensis: Histor. lib. Iv. cap, 21.

Die Amende honorable, »die vorgeschriebene Abbitte« vor Gott hat er, wenn ihr wollt, geleistet, aber nicht, so weit es auf D'Aiguillon ankommt, vor den Menschen. Die Dubarry verweilt ja noch immer in seiner Wohnung in Ruel; denn so lange der König noch atmet, hofft man auch. Der Groß-Almosenier Roche-Aymon (der mit im Bunde zu sein scheint) schreitet, sobald sein Schrein und seine Geräte wieder in Ordnung gebracht sind, majestätisch zur Thür, als wäre seine Aufgabe zu Ende. Da tritt des Königs Beichtvater, der Abbé Moudon, mit ängstlicher Miene vor, zupft ihn am Ärmel und flüstert ihm etwas ins Ohr, worauf der arme Kardinal wieder umkehrt und mit vernehmlicher Stimme erklärt: »daß Seine Majestät der König jedes Ärgernis, das er gegeben haben könnte, ( a pu donner) bereue und den Vorsatz fasse, mit Gottes Beistand Ähnliches – in der Zukunft zu meiden!« Worte, bei denen Richelieus Bulldogggesicht noch finsterer wird, und die er laut »mit einem Epitheton« begleitet, das Besenval nicht wiederholen will. Alter Richelieu, der du Minorca erobert, die Orgien an den fliegenden Tischen mitgefeiert, Schlafzimmerwände durchbohrt hast, Besenval, I. 159-172. Genlis: Duc de Levis, etc. hat auch deine Stunde geschlagen?

Ach, mag auch in der Kapelle der Orgelklang ununterbrochen ertönen und der Schrein der heiligen Genoveva herabgelassen und wieder aufgezogen werden, – alles ist vergeblich. Des Abends wohnt der ganze Hof mit dem Dauphin und der Dauphine dem Gottesdienste in der Kapelle bei; die Priester sind vom Absingen des «Vierzigstündigen Gebets« heiser, und die Bälge der Orgel keuchen schwer. Es ist beinahe schauerlich; denn auch der Himmel verfinstert sich, der Regen fällt in Strömen nieder, der Donner übertönt fast die Stimme der Orgel, und die grellen Feuerflammen der Blitze lassen selbst die Lichter am Altare matt und fahl erscheinen: so daß sich, als alles vorbei war, die meisten der Anwesenden, wie man uns berichtet, eiligen Schrittes, »ernst und gesammelt« ( receuillement) entfernten und wenig oder gar nichts sprachen. Weber: Mémoires concernant MarieAntoinette (London, 1809), I. 22.

So dauerte es noch über acht Tage, fast eine Woche, seit 25 die Dubarry gegangen war. Besenval sagt, »alle Welt habe schon mit Ungeduld gewartet, que cela finît,« daß der arme Ludwig es überstanden haben möchte. Heute ist der 10. Mai 1774; jetzt wird er es bald überstanden haben.

Düster fällt das Tageslicht dieses 10. Mai auf das ekelerregende Krankenlager; man achtet dessen nicht; denn die zum Fenster hinausblicken, sind selbst ganz verdüstert: das Brunnenrad dreht sich mißtönig um seine Achse, und das Leben keucht wie ein todmüdes Streitroß seinem Ziele zu. Reisebereit stehen in ihren entlegenen Gemächern der Dauphin und die Dauphine; Reitknechte und Stallmeister sind in Stiefel und Sporen: sie alle harren nur des Zeichens, um aus dem Hause der Pest zu fliehen. Wir bedauern, das schöne theatralische Licht dämpfen zu müssen, das Madame Campan (I. 79) bei dieser Gelegenheit anzündet und im Augenblick des Todes ausgeblasen hat. Welche Lichter in einem so weitläufigen Gebäude, wie das von Versailles war, angezündet oder ausgelöscht wurden, dürfte wohl auf so weite Entfernung kein Mensch mit Bestimmtheit behaupten können; da es 2 Uhr nachm. an einem Maitage war und die königlichen Stallungen 500–600 Schritt von dem königlichen Krankenzimmer entfernt gewesen sein müssen, so droht das »Licht,« so leid es uns thut, auszugehen. In ihrer Phantasie brennt es allerdings weiter und wirft ein Licht auf manche Stellen ihrer Memoiren. Doch horch! was hallt und schallt aus dem Oeil de Boeuf, »furchtbar wie Donnergeroll?« Es ist der ganze Hof, der wie um die Wette herbeistürmt, um dem neuen Herrscherpaare zu huldigen: Heil Euren Majestäten! Der Dauphin und die Dauphine sind König und Königin! Von den widersprechendsten Gefühlen überwältigt, fallen beide auf die Knie nieder und rufen unter Thränen: »O Gott, schütze und leite uns, wir sind zu jung, um zu regieren!« – – Wahrlich zu jung!

So hat mit donnerähnlichem Schalle die Uhr der Zeit geschlagen, und die alte Ära ist abgelaufen.. Der alte Ludwig, der war, liegt da, – verlassen, eine Masse ekelerregenden Erdenstaubes, »einigen armen Leuten und Priestern der Chapelle ardente« überlassen, – die sie eiligst »in zwei bleierne Särge legen und dann reichlich mit Weingeist übergießen.« Der neue Ludwig und sein Hof rollen an diesem Sommernachmittag Choisy zu: noch fließen die königlichen Thränen; aber ein Wort, das Monseigneur D'Artois schlecht ausspricht, bringt alle zum Lachen, – und die Thränen fließen nicht mehr. O ihr Sterblichen, leichten Sinnes tanzt ihr euer kurzes 26 Lebensmenuett über bodenlosen Abgründen, von denen euch nur ein dünner Schleier trennt!

Übrigens fühlten auch die maßgebenden Persönlichkeiten, daß die Bestattung nicht prunklos genug sein könne. Besenval selbst meint, sie sei einfach genug gewesen. Zwei Wagen mit zwei Edelleuten im Range von Kammerherren und einem Geistlichen von Versailles, einige zwanzig Pagen zu Pferde und einige fünfzig Stallknechte als Fackelträger, die nicht einmal Trauerkleider trugen, verlassen am zweiten Abend mit ihrem bleiernen Sarge Versailles. In vollem Trabe geht es fort, ohne daß man das Tempo mäßigt; denn die Stichelreden ( brocards) der Pariser, die auf dem ganzen Wege nach St. Denis in zwei Reihen aufgepflanzt stehen und »ihrer Spottlust – der Charakterzug ihrer Nation – freien Lauf lassen,« laden nicht zu einem langsameren Schritte ein. Um Mitternacht empfangen die Gewölbe von St. Denis ihr Eigentum: niemand vergießt Thränen außer etwa die arme, zurückgesetzte Loque, deren Kloster in der Nähe liegt.

Mit ungeduldiger Hast lassen sie ihn hinab und bringen ihn unter die Erde, ihn und seine Zeit, die Zeit der Sünde, Schande und Tyrannei: denn seht, eine neue Ära ist angebrochen; die Zukunft wird um so glanzvoller sein, als die Vergangenheit schmachvoll war! 27

 


 


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