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Vierundsiebzigster Brief

 

Paris, Dienstag, den 7. Februar 1832

Vor einigen Tagen wurden hier, zum ersten Male seit der Revolution, zwei Menschen hingerichtet. Da verlosch der letzte Strahl eines schönen Tages. Als damals das Volk über das Leben aller seiner Feinde gebot und es schonte, dachten einige edle Männer daran, diese Tugend des Volkes, solange sie noch regierte, zum künftigen Gesetze zu erheben, damit, wenn die Macht wieder an jene käme, die nie geschont, sie ihren Rachedurst doch wenigstens nicht mit Blut sollen stillen dürfen. Sie trugen daher in der Kammer auf die Abschaffung der Todesstrafe an. Doch jene andern, die es genau berechneten, wieviel in dieser betrübten Zeit, da ihr Gewerbe ganz darniederlag, ihnen an Kapital und Zinsen verloren ginge, und daß sie das später alle wieder herbeischaffen müßten, es zum alten Schatze zu legen, erschraken über die Abschaffung der Todesstrafe. All ihr Glück liegt in der Hoffnungslosigkeit des Unglücks – wie kann man regieren ohne Tod? Doch schwiegen sie. Denn damals standen ihre unglücklichen Freunde vor Gericht, die Minister Karls X., die ganz in ihrem Geiste und nach ihrem Herzen gehandelt, denen es aber mißlungen war. Man wollte sie vom Tode retten und ließ darum die Wünsche des Volks für die Abschaffung der Todesstrafe nicht kalt werden. Sobald aber die Minister zur Gefangenschaft verurteilt waren, befreite man sich von der schweren Heuchelei und führte für die Beibehaltung der Todesstrafe alle die Gründe an, welche die Mächtigen, Vornehmen und Reichen seit jeher geltend gemacht, weil ihnen der Schutz ihrer Macht und die unbestrittene Herrschaft ihrer Leidenschaften und eine mathematische Sicherheit ihrer Reichtümer höher gelten als Christus' Lehre und als das Gebot der Menschlichkeit. Ihr eignes Herz zum Maßstabe nehmend, hatten sie ausgemessen, nach einem Jahre würde das Herz des Volks so klein geworden sein, daß die große Idee von der Abschaffung der Todesstrafe nicht mehr Platz darin findet. Aber sie täuschten sich.

Vor einigen Monaten wollte man auf dem Grève-Platze einen Verbrecher hinrichten; als aber das Volk die Vorbereitungen sah, zeigte es sich so aufgeregt und widersetzlich, daß man die Hinrichtung nicht vorzunehmen wagte. Jetzt haben sie den Richtplatz an das Ende der Vorstadt St-Jacques verlegt, außerhalb des Gesichtskreises des Volks, eine Stunde vom Mittelpunkte der Stadt entfernt. Die letzte Hinrichtung haben sie ganz im stillen vollzogen; erst zwei Tage später erfuhr Paris davon. Die Zeitungen der Minister haben es im Triumphe erzählt, wie schön alles gelungen, und wie der Schleier des Geheimnisses alles dicht bedeckte. Das Schafott wurde in der Nacht aufgerichtet und die Verbrecher morgens acht Uhr auf den Richtplatz geführt. Diese waren schon seit vielen Monaten verurteilt, auf die Begnadigung hofften sie nicht mehr, sie war ihnen Gewißheit. Noch am Nachmittage gingen sie im Hofe der Conciergerie ruhig und rettungsfroh spazieren, und als sie sich abends zu Bette legen wollten, kündigte man ihnen für den andern Morgen den Tod an. Der eine Verurteilte sagte am Fuße der Guillotine zum Henker: Eilt euch! Eilt euch! Aber sie haben ihn nicht verstanden, diesen Donner des Himmels. Eilt euch! Eilt euch! ruft es ihnen von oben herab; kurz ist eure Zeit! Die heillos verblendeten Toren! Als der edle Tracy in der Kammer auf die Abschaffung der Todesstrafe angetragen, da hätten sie nicht ruhen und rasten, sie hätten ihre Kinder nicht wiedersehn, nicht eher essen, trinken und schlafen sollen, bis das rettende Gesetz angenommen und verkündigt worden. Die Unglückseligen! Für wen denn haben sie das Schafott aufgerichtet, für wen haben sie das verrostete Beil des Henkers wieder blank geschliffen? Für sich selbst. Nicht zum zweiten Male wird das Volk seine Freiheit Tyrannen anvertrauen, nicht zum zweiten Male wird es seinen Feinden das Leben schenken.

– Wenn Pfeilschifters Blätter für den deutschen Adelstand nicht ebenso unsichtbar sind, als es noch alle seine frühern Schriften waren, wenn man sie in Frankfurt finden kann, bitte ich Sie, mir einige davon hierherzuschicken. Es ist ein Werk der Menschlichkeit, und ich wäre imstande, selbst daran zu arbeiten. Scharpie für den deutschen Adelstand – er wird sie bald nötig haben. Zupft! Zupft! Ihr habt es nicht für die Polen getan, doch wir rächen uns nicht. Auch ein Edelmann wird zum Menschen, sobald er krank und unglücklich geworden. Ach, wie schön ordnet sich das jetzt alles; wir dummen Demokraten hätten das nie gefunden. In den frühesten Zeiten war das Volk nichts, der Fürst wenig, der Adel alles. Aber die Fürsten wollten mehr werden und verbanden sich mit dem Volke, den Adel zu unterdrücken. Das gelang nach einigen Jahrhunderten. Die Fürsten wurden viel, der Adel sank zu wenig herab, das Volk erhob sich zu etwas. Nun aber wollten die Fürsten alles werden und verbanden sich wieder mit dem Adel, um das Volk in sein altes Nichts zurückzustürzen. Das gelang nicht; ja, das Volk wurde immer mächtiger und gelangte endlich zu der späten Einsicht, daß ihm allein alles gebühre und den Fürsten und Edelleuten, solange sie außer dem Volke stehn, nicht das geringste. Jetzt, in unsern Tagen, ist die Not und Gefahr für die Fürsten so groß geworden, daß sie, wie immer in Gefahren, sich hinter die Fronte der Streiter begeben. Den Adel, an dessen Spitze sie sonst standen, stellen sie vor sich hin, und das ändert die Lage des Kampfes auf das allervorteilhafteste für uns. Den Völkern war eine Art religiöser Scheu vor ihren Fürsten anerzogen, und darum, ob sie zwar immer wußten, daß der Adel ihr eigentlicher Feind sei, trugen sie doch Bedenken, denselben mit aller Macht zu treffen, aus Furcht, die Fürsten zu verletzen, die vor ihm standen. Jetzt aber, da die Fürsten zurücktreten, wird die Völker nichts mehr abhalten, ihren ewigen Feind mit aller Kraft zu bekämpfen, und ihr Sieg ist sicher. Nach dem polnischen Kriege hat sich der mächtige Kaiser Nikolas ganz erschöpft in die Arme seines Adels geworfen; der absolute König von Preußen organisiert die Aristokratie der Schweiz und dient als gemeiner Ritter in ihren Reihen. Der englische Adel drängt seinen König zurück, und der französische rüstet sich mit dem Gelde der dummen Bankiers. Darum schreibt, ihr Pfeilschifter! Zupft, ihr gnädigen Fräulein von Neuchâtel! Zupft, das ist Weiberarbeit, das kömmt euch zu! Aber errötet, daß ihr die alten Fischweiber von Paris übertroffen und furienartiger als jene einst die Aristokraten mißhandelt, mit euern zarten adlichen Händen den Demokraten das Gesicht zerkratzt, die der galante Herr von Pfuel, einst der Bayard des Tugendbundes, gefesselt vor euer Sofa geschleppt. Zupft, während wir die Schwerter wetzen!

– In der »Allgemeinen Zeitung« – nicht in der des Herrn von Cotta, sondern in der » Deutschen Allgemeinen Zeitung« – steht: » Noch ein Wort über Börne«; ein sehr verdienstvoller Artikel, der wegen der vielen Wunden, die er empfangen, mit dem Zensurorden geschmückt worden ist. Das ist nun einer der Wohlwollenden, der froh und emsig alles herbeigeholt, was er zu meiner Verteidigung für nötig hielt, und der es herzlich bedauert, daß er mich nicht in allem verteidigen kann. Nun wohl, er hat mich besser verstanden als die andern; aber auch nur besser verstanden, was ich gesagt, was gedruckt zu lesen war. Doch was ich nicht gesagt, was nicht gedruckt worden, das entging ihm, wie es den übrigen entgangen. Haben euch denn die täglichen Gedankenstriche eurer Zensur nicht wenigstens im Erraten einige Übung gegeben? Ach! das ist eben der Jammer mit den Deutschen. Weil sie immer so gründlich, so vollständig sind; weil sie alles, was sie tun, mit dem Anfange anfangen und mit dem Ende aller Dinge endigen; weil, sooft sie lehren, sie alles lehren, was sie wissen über alles; weil sie, wäre auch nur zu reden von der Angelegenheit dieser Stunde, von den Verhältnissen eines beschränkten Raumes, sie die ganze Ewigkeit, die ganze Unendlichkeit durchsprechen; weil sie hinausschiffen in den großen Ozean, sooft sie sich die Hände waschen wollen – urteilen sie, findet sich einmal ein Mann, der sagt, was zu wissen nur eben not tut, es sei ein oberflächlicher, einseitiger Mensch, der luftige Worte spräche und nichts Gründliches sage. Was ist da zu tun? Ach, gesteht es nur, wenn wir uns wechselseitig unerträglich sind, so ist doch meine Last viel größer als die euere. Meine kleine Bürde unter dreißig Millionen Menschen verteilt: das gibt jedem von euch gar wenig zu tragen. Aber mir hocken dreißig Millionen Deutsche auf dem Rücken, und die sind sehr schwer, sehr schwer! Gesteht es nur, ich brauche mehr Geduld mit euch, als ihr Geduld mit mir braucht.

Mein wohlmeinender Freund in der »Deutschen Allgemeinen Zeitung« sagt, man möge nicht vergessen, daß ich ein Jude bin. Aber das spricht er nicht als Vorwurf wie die andern aus; nein, er gedenkt dessen zu meiner Entschuldigung, ja, zu meinem Lobe. Er sagt: mit Recht wäre ich gegen die Deutschen erbittert, die mein Volk so gedrückt und geschändet; nicht der Haß, die Liebe habe mich verblendet. Ferner: »Der Ironie Börnes ist das Franzosentum der Riesenmaßstab geworden, mit welchem gemessen die deutsche Nationalität in ihrer ganzen Zwerghaftigkeit und Verkrüppelung erscheinen soll.« Ferner: »Auch die Ironie bedarf eines Gegensatzes, wie alles in dieser Welt voll Licht und Schatten, und sie muß daher, um ihren Gegenstand in seiner ganzen Kleinheit darzustellen, ein wirklich oder scheinbar Großes ihm entgegensetzen.« Ferner: »Die ernsten schlagenden Worte eines Rotteck und Welcker, aber wahrlich nicht die fliegenden Witze eines Heine und Börne, streuen den Samen künftiger Taten über unser Vaterland aus ... Hat man Börnes Briefe zu Ende gelesen, so ist auch der Eindruck vorüber, und es ist uns nicht anders zumute, als hätten wir einem glänzenden Feuerwerke zugesehen ... Allein alle diese einzelnen Winke können doch nimmer die Bahn bezeichnen, auf welcher die Nationen vorwärtszuschreiten haben; das vermögen keine blendenden, zuckenden Gedankenblitze, sondern nur das Licht der klaren unwandelbaren Sonne.« Und noch mehrere Dinge solcher Art spricht der Freund, auf welche ich Dinge meiner Art erwidern will.

Es ist wie ein Wunder! Tausend Male habe ich es erfahren, und doch bleibt es mir ewig neu. Die einen werfen mir vor, daß ich ein Jude sei; die andern verzeihen mir es; der dritte lobt mich gar dafür; aber alle denken daran. Sie sind wie gebannt in diesem magischen Judenkreise, es kann keiner hinaus. Auch weiß ich recht gut, woher der böse Zauber kömmt. Die armen Deutschen! Im untersten Geschosse wohnend, gedrückt von den sieben Stockwerken der höhern Stände, erleichtert es ihr ängstliches Gefühl, von Menschen zu sprechen, die noch tiefer als sie selbst, die im Keller wohnen. Keine Juden zu sein, tröstet sie dafür, daß sie nicht einmal Hofräte sind. Nein, daß ich ein Jude geboren, das hat mich nie erbittert gegen die Deutschen, das hat mich nie verblendet. Ich wäre ja nicht wert, das Licht der Sonne zu genießen, wenn ich die große Gnade, die mir Gott erzeigt, mich zugleich ein Deutscher und ein Jude werden zu lassen, mit schnödem Murren bezahlte – wegen eines Spottes, den ich immer verachtet, wegen Leiden, die ich längst verschmerzt. Nein, ich weiß das unverdiente Glück zu schätzen, zugleich ein Deutscher und ein Jude zu sein, nach allen Tugenden der Deutschen streben zu können und doch keinen ihrer Fehler zu teilen. Ja, weil ich als Knecht geboren, darum liebe ich die Freiheit mehr als ihr. Ja, weil ich die Sklaverei gelernt, darum verstehe ich die Freiheit besser als ihr. Ja, weil ich in keinem Vaterlande geboren, darum wünsche ich ein Vaterland heißer als ihr, und weil mein Geburtsort nicht größer war als die Judengasse und hinter dem verschlossenen Tore das Ausland für mich begann, genügt mir auch die Stadt nicht mehr zum Vaterlande, nicht mehr ein Landgebiet, nicht mehr eine Provinz; nur das ganze große Vaterland genügt mir, soweit seine Sprache reicht. Und hätte ich die Macht, ich duldete nicht, daß Landgebiet von Landgebiet, daß deutschen Stamm von deutschem Stamm auch nur eine Gosse trennte, nicht breiter als meine Hand; und hätte ich die Macht, ich duldete nicht, daß nur ein einziges deutsches Wort aus deutschem Munde jenseits der Grenzen zu mir herüberschallte. Und weil ich einmal aufgehört, ein Knecht von Bürgern zu sein, will ich auch nicht länger der Knecht eines Fürsten bleiben; ganz frei will ich werden. Ich habe mir das Haus meiner Freiheit von Grunde auf gebaut; macht es wie ich und begnügt euch nicht, das Dach eines baufälligen Staatsgebäudes mit neuen Ziegeln zu decken. Ich bitte euch, verachtet mir meine Juden nicht! Wäret ihr nur wie sie, dann wäret ihr besser; wären ihrer nur so viele, als ihr seid, dann wären sie besser als ihr. Ihr seid dreißig Millionen Deutsche und zählt nur für dreißig in der Welt; gebt uns dreißig Millionen Juden, und die Welt zählte nicht neben ihnen. Ihr habt den Juden die Luft genommen; aber das hat sie vor Fäulnis bewahrt. Ihr habt ihnen das Salz des Hasses in ihr Herz gestreut; aber das hat ihr Herz frisch erhalten. Ihr habt sie den ganzen langen Winter in einen tiefen Keller gesperrt und das Kellerloch mit Mist verstopft; aber ihr, frei dem Froste bloßgestellt, seid halb erfroren. Wenn der Frühling kömmt, wollen wir sehen, wer früher grünt, der Jude oder der Christ. –

Sie sagen: die Franzosen erschienen mir als Riesen, und die Deutschen stellte ich als Zwerge neben sie. Soll man da lachen oder trauern? Wem soll man begegnen? Was soll man beantworten? Unverstand und Mißverstand sind Zwillingsbrüder, und es ist schwer, sie voneinander zu unterscheiden, für jeden, der nicht ihr Vater ist. Wo habt ihr klugen Leute denn das herausgelesen, daß ich die Franzosen als Riesen anstaune und die Deutschen als Zwerge verachte? Wenn ich den Reichtum jenes schlechten Bankiers, die Gesundheit jenes dummen Bauers, die Gelehrsamkeit jenes Göttinger Professors preise und mich glücklich schätze, solche Güter zu besitzen – bekenne ich denn damit, daß jene glücklicher sind als ich, und daß ich mit ihnen tauschen möchte? Ich, mit ihnen tauschen? Der Teufel mag sie holen alle drei. Nur ihre Vorzüge wünsche ich mir, weil mir diese Güter fehlen. Mir würden sie zum Guten gereichen; aber jenen, die sie besitzen, gedeihen sie nicht, weil es die einzigen Güter sind, die ihnen nicht fehlen. Wenn ich den Deutschen sage: Macht, daß euer Herz stark genug werde für euern Geist; daß eure Zunge feurig genug werde für euer Herz; daß euer Arm schnell genug werde für euere Zunge; eignet euch die Vorzüge der Franzosen an; und ihr werdet das erste Volk der Welt – habe ich denn damit erklärt, daß die Deutschen Zwerge sind und die Franzosen Riesen? Austauschen, nicht tauschen sollen wir mit Frankreich. Käme ein Gott zu mir und spräche: Ich will dich in einen Franzosen umwandeln mit allen deinen Gedanken und Gefühlen, mit allen deinen Erinnerungen und Hoffnungen – ich würde ihm antworten: Ich danke, Herr Gott. Ich will ein Deutscher bleiben mit allen seinen Mängeln und Auswüchsen; ein Deutscher mit seinen sechsunddreißig Fürsten, mit seinen heimlichen Gerichten, mit seiner Zensur, mit seiner unfruchtbaren Gelehrsamkeit, mit seinem Demute, seinem Hochmute, seinen Hofräten, seinen Philistern – – auch mit seinen Philistern? – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Nun ja, auch mit seinen Philistern. Aber ich sage euch, es ist schwer, ein gerechter Richter sein!

Ihr sagt: die Ironie bedürfe eines Gegensatzes, der der meinigen fehle. Wie! Merket ihr, was ihr fehlet, dann fehlt ihr ja nichts mehr, und merkt ihr nichts, dann fehlt ihr wieder nichts. Ihr ja seid selbst der Gegensatz! Soll ich euch, breit wie ihr seid auf das schmale Papier hinstellen, das ja kaum für meine kleine Ironie groß genug ist? Man malet den Schatten, man malet nie das Licht. Soll ich euch etwa loben, ein Volk loben? Seid ihr denn mehr als Sonne und Mond? Nun, wenn die Sternkundigen von Mond und Sonne lehren, dann reden sie nicht lange und breit davon, daß Mond und Sonne leuchten – das sieht jeder dumme Hans – von ihrem Schatten, ihren Flecken reden sie. Das ist, was gelernt werden muß, darin ist die Wissenschaft. Von den Tugenden der Franzosen konnte ich sprechen; denn das sind Lichtflecken. Ihr seid ein Ganzes mit meinem Buche. Beurteilt es, aber beurteilt euch mit, daß ihr es nicht falsch beurteilet. Ihr sagt: mit solchen fliegenden Witzen streue man nicht den Samen künftiger Taten über unser Vaterland aus! O schont mich! Ich bekomme Krämpfe, wenn ich von Samen ausstreuen reden höre. Jetzt reden sie noch von säen, da doch ihr Korn schon längst geschnitten ist und es nur an Dreschern fehlt, die es ausschlagen! Nun, ich war einer von den Flegeln, die euch gedroschen; dankt es mir! Samen ausstreuen! Man verliert alle Geduld. So macht euch auch eine neue Erde für euern Samen, das wäre noch viel gründlicher. So wirkt man nicht – meint ihr. Wenn man meine Briefe gelesen, bliebe nichts übrig, es war ein glänzendes Feuerwerk! Bin ich ein Gott? Kann ich euch den Tag geben? Ich kann euch nur zeigen, daß ihr im Dunkeln lebt, und dazu leuchtet ein Feuerwerk lang und hell genug. Es bliebe nichts übrig? Wenn man meine Briefe gelesen, bleibt noch die ganze Göttinger Bibliothek übrig. Wie! Ich hätte nichts gewirkt? Hört doch die argen Schelme an! Sie zanken mit mir, daß ich ihnen Wasser statt Wein einschenkte, und können doch vor Trunkenheit kaum den Vorwurf stammeln. Was nennt ihr wirken? Was nennt ihr die Menschen bewegen? Heißt ihr das, sie bewegen, wenn es euch gelingt, sie zu eueren Gesinnungen hinüberzuziehen? Wenn so, dann bin ich bescheidener als ihr. Ich nenne es auch die Menschen bewegen, wenn es mir gelingt, sie fortzutreiben, entfernten sie sich auch von meiner Gesinnung. Sie gingen doch, sie blieben nicht länger stehen. Und das ist mir gelungen. Welche Begebenheit der Welt hat denn seit der großen Sontag das deutsche Volk so in Bewegung gesetzt als mein Buch? Nun freilich, der Sängerin haben sie den Wagen gezogen, und nach mir, der gepfiffen, haben sie mit faulen Äpfeln geworfen; aber sie haben sich bewegt für mich wie für sie, und die Bewegung war ihnen gut. Freilich haben sie die Sängerin mit Flötenliedern in den Schlaf gelullt, und mich haben sie mit einer greulichen Katzenmusik aus dem Schlafe geweckt; aber bis vor Mitternacht haben sie vor meinem Hause gekesselt und geklappert, sie sind später zu Bette gegangen, sie haben drei Stunden weniger geschlafen. Ist das nicht Gewinn? Habe ich nicht die Röte des Zorns in tausend blutleere Wangen gejagt, und seid ihr denn so ganz gewiß, daß nicht manche schüchterne Schamröte das benutzt, sich leise, sachte auch darüberhin zu schleichen? Habe ich nicht manches kalte Herz entflammt? Mag nun die Flamme meinen Scheiterhaufen anzünden oder den Weihrauch, den man auf meinen Altar gestreut – was geht das euch an? Das ist meine Sache. Genug, es flammt. Seid nicht undankbar gegen einen euerer treusten Diener, der mit den andern geholfen, euch aus dem Schlafe zu rütteln. Als der große Friedrich in seinen hohen Jahren schlafbegierig geworden, da, seiner Fürstenpflicht eingedenk, befahl er seinem Kammerdiener, ihn früh zu wecken und, wenn er nicht gleich das Bett verließe, ihm die Decke vom Leibe wegzuziehen. Er murrte immer über die Gewalt; aber war er einmal munter geworden, dann lobte er seinen Diener. Trinkt nur erst eueren Kaffee, und dann werdet ihr es mir danken, daß ich euch die Bettdecke vom Leibe weggezogen. Die Zeit wird kommen, wo ihr alle meine Vorwürfe ungerecht gemacht; und dann werdet ihr die ersten sein, es zu gestehn, daß sie einst gerecht gewesen. –

Sie verlangen, ich soll ihnen die Bahn bezeichnen, auf welcher sie vorwärtszuschreiten haben. Wenn ich ein Narr wäre! Ich weiß oft nicht: spottet ihr über euch selbst, oder wollt ihr mich zum besten haben? Wie? Soll ich euch Bücher schreiben? Soll ich reden von Preßfreiheit und Zensur, ja nicht zu vergessen die Kaution; von öffentlichen Gerichten; von Geschwornen; von Abschaffung des Neubruchszehnten, des Blutzehnten und anderer Teufelszehnten; von Aufhebung der Fronden und Zünfte; von Aufhebung der Universitätsgilden; von persönlicher Freiheit; von einem gemeinschaftlichen deutschen Gesetzbuche; von gleichem Maße und Gewicht und gleichem Münzfuße; von Freiheit des Handels; von wahrer freier Volksvertretung; von starker Wehrverfassung gegen das Ausland? Von dem allen sollte ich euch sprechen? Hat es denn noch keiner vor mir getan? Habt ihr geschlafen die letzten funfzig Jahre? Dankt es mir doch, daß ich euch den Buchbinderlohn erspare. Positives wollen sie haben! Wahrhaftig, sie haben es mir vorgeworfen, es sei gar nichts Positives in meinen Briefen. Positives! Und ihr Postament ist die ganze Erde! Ist es euch noch nicht hoch, noch nicht breit genug? Traut ihr seiner Dauerhaftigkeit nicht und bittet mich, noch eine Lage Positives aufzusetzen? Ich verbürge mich für seine Dauerhaftigkeit. Wagt es, wagt es endlich einmal, die Bildsäule der Freiheit daraufzusetzen. Oldenburger! – Doch nein, ich will mich nicht ärgern und euch auch nicht. Doch könnt ihr's nicht mit Freundschaft anhören, was ich euch mit Freundschaft sage, daß ihr alle wie die Oldenburger Herrn seid? Diese arbeiten jetzt an guten Kommunalschuhen, und sind diese fertig nach hundert Jahren, stecken sie die Füße hinein; und nach hundert Jahren stellen sie den Leib auf die Füße; und nach hundert Jahren stellen sie den Hals auf den Leib; und nach hundert Jahren setzen sie den Kopf auf den Hals; und nach hundert Jahren setzen sie den Freiheitshut auf den Kopf; und dann hat Oldenburg eine Konstitution, so gut und so schön wie eine. O Oldenburger! Oldenburger!

Neue Ideen wollen sie auch von mir haben! Ein anderer Narr hat erzählt, er habe in meinem Buche nicht eine, nicht eine einzige neue Idee gefunden. Spannet alle euere Professoren auf die Folter, und wenn sie euch beim dritten Grade eine neue Idee bekennen, dann hat ihnen der Schmerz die Lüge abgepreßt, die sie widerrufen, sobald ihr sie von ihrer Qual befreit. – Schweigt! Ihr wißt nicht, wie man Völker erzieht. Ich verstehe es besser. Ein Volk ist ein Kind! Habt ihr einen hoffnungsvollen Knaben, geschmückt mit allen Vorzügen des Körpers, ausgestattet mit allen Gaben des Herzens und des Geistes; aber eine unheilbare Schwäche, eine schlimme Angewohnheit verunziert des Knaben gute Natur, oder für einen gemeinen Fehler hat er Strafe verdient – werdet ihr, wie folgt, mit ihm reden? »Komm her Junge, küsse mich. Du bist ein herrliches Kind, meine Freude und mein Stolz; deine Mutter lobt dich, deine Lehrer rühmen dich, deine Kameraden bewundern dich. Und jetzt hast du eine Ohrfeige, denn du warst unartig gewesen. Und jetzt küsse mich wieder, teures Kind!« Nein, so handelt ihr, so redet ihr nicht, so töricht seid ihr nicht. Ihr gebt dem Knaben eine Ohrfeige, und von dem übrigen schweigt ihr. Darüber gehen seine schönen Eigenschaften nicht zugrunde. War aber ein reifer und verständiger Mann bei der Züchtigung des Knaben, dann vernahm er wohl etwas in der schwankenden Stimme des Vaters, das wie eine frohe Rührung klang; dann sah er wohl etwas in seinem Auge, das wie eine Hoffnungsträne schimmerte. Dann küßte vielleicht der fremde Mann den weinenden Knaben, doch ganz gewiß tadelte er den Vater nicht.

 

Donnerstag, den 9. Februar

Es erzählte mir jemand aus der Zeitung, die Juden in Frankfurt würden mehrere Freiheiten bekommen; statt fünfzehn Paare jährlich sollen künftig achtzehn Paare heiraten dürfen. O Zeitgeist! Zeitgeist! Wer kann dir widerstehen?

– Wenn *** [Franckh] zu Ihnen kömmt, binden Sie sich einen dicken Schal um den Hals; denn er haut einem den Kopf ab, ehe man sich's versieht. Das ist ein Jakobiner!

– In Preußen hat man den Juden das deutsche Predigen verboten. Ach ja, ich will es wohl glauben. Wie glücklich wären sie, wenn sie auch in den Kirchen, den Gerichten, auf dem Markte, in den Zeitungen und sonst überall, wo man mit der Menge spricht, die deutsche Sprache verbieten und dafür die hebräische einführen könnten, die keiner versteht! Hebräisch regieren – das wäre etwas Himmlisches! Ein Punkt kann den ehrlichsten Mann an den Galgen bringen; ein Punkt, ein Strich mehr oder weniger, da oder dort, gibt dem Gesetze einen ganz andern Sinn; man kann das Recht kneten wie Butter und eine grobe Konstitution so fein machen, daß sie durch ein Nadelöhr geht. Denkt daran, ihr christlichen Minister! werdet Rabbiner, und ich habe es erfunden! Auch will man jetzt in Preußen allen Zivilbeamten Uniformen geben. Das ist die rechte Höhe der Tyrannei, der Superlativ, der deutsche Superlativ des Monarchismus; es ist eine allerhöchste Spitzbüberei. Dadurch will man die Regierung ganz vom Volke trennen, die Beamten unter den Korporalstock der Disziplin bringen, Vaterlandsliebe in blinden Gehorsam verwandeln und aus dem sitzenden Heere der Schreiber ein stehendes Heer machen; aus Richtern und Hofräten Soldaten, welche die Feder statt der Flinte schultern, statt Patrontaschen Wappen tragen und Verordnungen und Strafen wie Patronen gebrauchen. Die Kammergerichtsassessoren werden Schildwache stehen müssen und die Referendare des Nachts patrouillieren. Das Ministerium wird das Hauptquartier und jedes Amt eine Wachtstube. So verknechtet man das Volk, so verknechtet man seine Hüter, so verknechtet man alles von der Hütte bis zum Throne, vom Bettler bis zum Oberknechte. Ach! so viele Umstände wären gar nicht nötig. Die Preußen sind gute Menschen und leitsam wie die Hämmel. Der Kühnste unter ihnen, der Herr Professor von Raumer, ist noch furchtsam wie ein Spatz. Er hatte einmal den Mut, von der Galeerenbank der Zensur wegzulaufen. Es war in den Schreckenstagen der Cholera, wo jeder den Kopf verlor. Er hätte ihn freilich nicht gehabt, wäre nicht Se. Exzellenz der Geheimerat von Raumer Galeerenhauptmann und sein Onkel gewesen, auf dessen Schutz er rechnen durfte, wenn man ihn wieder erwischte. Indessen, er hatte ihn. Gleich ließ er seine Heldentaten, als sein eigner Homer, in die »Allgemeine Zeitung« setzen. Das war zu viel. Dagegen konnte ihn auch sein gnädiger Onkel nicht schützen, das griff die preußische Monarchie zu gefährlich an. Man befahl dem Professor Raumer, seinen kühnen Schritt zu leugnen, und er hatte die Feigheit, es zu tun und öffentlich bekanntzumachen, er habe die Nachricht nicht in die »Allgemeine Zeitung« geschickt, er wisse nichts davon. Und hätte er wirklich nichts davon gewußt, er hätte das doch nicht erklären dürfen. Braucht man Uniformen gegen oder für solche Menschen? Herr von Raumer kam wieder zu Gnade, und zu größerer als vorher. Denn nicht aufrichtige, treuergebene Diener will man haben, Menschen, die mit Herz und Glauben dem Absolutismus dienen; nein, Herz und Glauben sind der Tyrannei verhaßt, auch wenn sie ihr dienen. Man will freigesinnte, aber gottvergessene Menschen, die ein Gewissen zu verkaufen, die eine ursprünglich gute Gesinnung dem Teufel zu verschreiben haben. Die sucht man, die belohnt man am besten. Die kann man dem Volke zur Verführung aufstellen, als hohnlächelnde Beweise vorzeigen, daß Tugend nichts ist und Ehre eine Ware. So verknechtet, so entadelt man die Menschheit, daß sie Gott selbst nicht mehr erkennt und sie der Gewalt der Tyrannei überläßt.

 

Freitag, den 10. Februar

Heute bin ich ganz vergnügt, daß ich gestern keinen Brief bekommen. Dafür bekomme ich ihn heute, oder jeder Funke der Menschlichkeit müßte in Ihnen erloschen sein. Haben Sie meine erschütternden Ermahnungen vom Neujahrstage schon vergessen? Warten Sie nur, dann schreibe ich Ihnen wieder einen Brief, der Ihnen das Herz in tausend kleine Stücke brechen soll.

Den gestrigen Abend brachte ich in einer Soirée St-Simonienne zu, bis gegen Mitternacht. Es ist eine wöchentliche Zusammenkunft, die, wie jede andere, der geselligen Unterhaltung gewidmet ist und keine besondere religiöse oder doktrinäre Bestimmung hat. Ich kann Ihnen nicht beschreiben, welchen wohltuenden Eindruck das Ganze auf mich gemacht. Es war mir, als wäre ich aus der Winterkälte einer beschneiten nordischen Stadt in ein Glashaus gekommen, wo laue Frühlingslüfte und Blumendüfte mich empfingen. Es war etwas aus einer fremden Zone und aus einer schönern Jahreszeit. Und doch war ich mit keinem vorbereitet günstigen Gefühle, sondern ganz anders, mit unfreundlichen Gedanken, dahin gekommen. Ich hatte mir fest versprochen: dort findest du Menschen, die einem Jahrhunderte und einer Welt vorausgeeilt oder die Jahrtausende zurückgegangen, um das Kinderparadies der Menschheit aufzusuchen; und du findest sie mit den neuesten Gesichtern vom 9. Februar 1832, mit den Meinungen, Reden, Gesinnungen, Witzworten, Fragen und Antworten und dem ganzen ewigen Kalender aller Franzosen und Pariser. Ich fand sie nicht so. Es schwebte ein Geist heitern Friedens über diesen Menschen, ein Band der Verschwisterung umschlang sie alle, und ich fühlte mich mit umschlungen. Eine Art Wehmut überschlich mich, ich setzte mich nieder, und unbekannte Gefühle lullten mich in eine Vergessenheit, die mich dem Schlummer nahebrachte. War es der magnetische Geist des Glaubens, der auch den Ungläubigen ergreift wider seinen Willen? Ich weiß nicht. Aber schweigende Begeisterung muß wohl mehr wirken als redende; denn die Reden der Simonisten haben mich nie gerührt. Dabei war alles Lust und Freude, nur stiller. Es wurde getanzt, Musik gemacht, gesungen; man spielte Quartetts von Haydn. Es waren wohl hundert Menschen, ein Dritteil Frauenzimmer. Die Männer waren mit ihren Weibern gekommen! Das sieht man freilich in andern Pariser Gesellschaften auch; aber dort kommen und gehen die Männer mit ihren Weibern; während sie aber beisammen sind, findet eine Art Ehescheidung zwischen ihnen statt. Hier aber konnte ich erkennen, welcher Mann zu welcher Frau gehörte. Im Vorzimmer saß eine ganze Reihe Kammer- und Dienstmädchen. Sie kamen oft in das eine Gesellschaftszimmer, um durch die offne Türe des Salons ihre Herrschaften tanzen zu sehen und singen zu hören. Diese Gleichheit gefiel mir sehr. Noch beim Nachhausegehen auf den Boulevards fühlte ich mich seelenwarm, und ich ging zu Tortoni und aß ein Glas Plombières, wobei ich Ihrer gedachte, besonders als ich an die Vanille kam. –

Es geht dem *** wie vielen Deutschen, welche die Nebensache zur Hauptsache gemacht. Die französische Leichtigkeit ist bei ihnen zum Leichtsinn, das so notwendige und darum verzeihliche Sichhervorstellen zur Zudringlichkeit geworden, und wenn sie sich als die gemeinsten Scharlatane betragen, glauben sie Leute von Welt, feine Pariser zu sein.

An der Deutschen Tribüne zu arbeiten, dazu habe ich keine Zeit jetzt. Aber ich tue es, sobald ich frei werde. Das ist ein Schlachtfeld, auf dem kein Mann, der sein Vaterland liebt, fehlen soll: Aber die Zeitung, wird sie noch lange bestehen? Sie hat bis jetzt der Zensur getrotzt, wofür der Redakteur zu sechsmonatlicher Gefängnisstrafe verurteilt worden.

Ich schicke Ihnen heute den Herings-Salat. Es ist eine große Schüssel, und Sie werden Durst darauf bekommen.

Herings-Salat

Beim Thor, beim hohen Odin und beim höchsten Bör, meinem erhabenen Ahn, dieser Knabe Alexis kämpft mit einer Berserkerwut, für die ihm einst in Walhalla ein Zwiebelkuchen duften wird! Aber noch bedenke ich mich. Soll ich, oder soll ich nicht? Kennten mich nur die Menschen alle, fühlten es nur alle mit, welch einen Stolz ich aufzuopfern habe, wenn ich solchen niedrigen Troßbuben das Gesicht zuwende. Aber auch diesen Stolz lege ich auf den Altar des Vaterlandes, und wahrlich, hätte ich ihm alles zu verdanken, was ich ihm zu verzeihen habe – ich wäre ihm jetzt nichts mehr schuldig. Oder glaubt ihr, es wäre nichts, mit einem Philisterchen zu rechten, daß es geworden, wie es die Natur in einer langweiligen Stunde aus dem Kern einer Haselnuß geschnitzelt? Wenig für einen Mann von Ehre und Gefühl, sich vor ein Nürnberger Schächtelchen hinzustellen, wie es beschaffen, wenn eben der letzte Nachtlichtdocht herausgenommen: offen und leer – und es ernsthaft zu fragen, warum es nichts enthalte und wo seine Seele hingekommen? Es ist viel. Und doch dauert mich der arme Schelm! Sie haben ihm heimlich Branntwein in seine Bierkaltschale gegossen, und der blasse blöde Junge, der früher nicht den Mut hatte, eine rotwangige Bauerndirne zum Tanze aufzufordern, stürzt hervor, wird ein Held, fliegt die Sturmleiter hinauf und erwacht nicht eher aus seinem Taumel, bis eine starke Faust dort oben ihn mit einer Ohrfeige lachend in den Graben hinunterstürzt. Dann jammert er: »Ach, Papa Schlesinger! Ach, lieber Papa Schlesinger! Ach, wäre ich doch freimütig und zu Hause geblieben! Ach, hätte ich doch kein Handgeld genommen! Ach, wäre ich nur fort von hier, man erwischte mich kein zweites Mal!« Törichter Knabe! Trinke Milch und gehe nicht hin, wo Werber zechen. Sie haben dir wohl versprochen, du solltest Hauptmann werden; aber du bliebst Trommelschläger dein ganzes Leben. Du dauerst mich.

Ich habe des großen Bör, meines göttlichen Ahns, gedacht. Das war er, und darum nenne ich mich Börne (Sohn des Bör). Mütterlicher Seite stamme ich von Bestla ab, des Riesen Bälthorn Tochter und Gattin des Bör. Keiner, der mich kennt, wird mich des Ahnenstolzes fähig halten; ich erwähne nur meine Abstammung, um jenen törichten Menschen, welche glauben, daß eine hohe Geburt ein niederes Leben gut mache und eine niedrige Geburt ein hohes Leben verderben könne, mir vorwerfen, ich sei als Jude geboren und darum weniger als sie – um ihnen zu zeigen, daß ich mehr bin als sie, wie durch mein Leben, so auch durch meine Geburt. Der Ursprung meiner Familie geht hoch über das Christentum hinaus und ist noch älter als das Judentum. Wir stammen aus der Lichtwelt, Muspelheim war unser Wiegenland; ihr aber stammt aus der Nebelwelt, von Niflheim seid ihr hergekommen, seid Ymirs böse Kinder und die verzwergten Enkel der langweiligen, aber einst gewaltigen Eisriesen. Einst heiratete ein Mann aus meiner Familie eine Frau aus der eurigen, die Kuh Audhumla, und diese Verwandtschaft spüre ich bei naßkaltem Wetter in allen meinen Gliedern.

Zweitausend Jahre vor Christus zog der mächtige Heimdallr, Nachkomme Börs und einer meiner glorreichen Vorfahren, mit einem zahllosen Heere dem Mittage zu, um dort die Teutonen, die Nachkömmlinge Ymirs aufzusuchen und mit diesen seinen tückischen Vettern einen alten Rechtsstreit auszukämpfen. Nach langem und beschwerdevollen Zuge kam Heimdallr mit seinem Heere an der Grenze des feindlichen Landes an. Die Nacht war angebrochen, aus allen Städten und Dörfern schallten die Sturmglocken, und zahllose Wachtfeuer brannten ringsumher. Heimdallrs kampfbegierige Streiter jauchzten dem kommenden Morgen entgegen. Als der Held eben sein letztes Horn ausgeleert und sich unter einer Eiche zur Ruhe legen wollte, wurde ihm eine Botschaft gemeldet. Es erschienen fünfundzwanzig Zwerge in seidnen Kleidern und mit hundert Bändern und Goldblechen behangen. Der Kleinste derselben trat hervor, warf sich Heimdallr zu Füßen, küßte sie, stand dann wieder auf und sprach: »Allerdurchlauchtigster Fürst und Herr, Allergnädigste Geißel Gottes! Mein Herr, der König der Hofräte, sendet mich zu Allerhöchstderen allerhöchster Person und fleht Allerhöchstdieselben, ihn in diesen kritischen Zeiten mit keinem Kriege zu überziehen, weil deren heilige Person gerade beschäftigt ist, mit ihren getreuen Untertanen die ›Stumme von Portici‹ einzustudieren. Allerhöchstdieselben mögen geruhen zu bedenken, oder wollen geruhen zu bedenken, wie es meiner schuldigsten Ehrfurcht am angemessensten lautet, daß von dieser neuen Oper das Glück des ganzen Volkes der Hofräte abhängt, und darum geruhen, gefälligst umzukehren und Allerhöchstderen Königreich, das gesegnete Muspelheim, wieder mit Allerhöchstderen Gegenwart zu beglücken. Mein Herr und König übersendet Ew. glorreichen Majestät durch meine unwürdigen Hände dieses blaue Band der schönen Sängerin, deren Hausorden, als ein Zeichen seiner Freundschaft und unwandelbaren Gesinnung, und bittet Allerhöchstdieselben mit Allerhöchstdenselben einen Allerhöchsten Zollvertrag abzuschließen, zu wechselseitigem Vorteile der beiderseitigen Höfe.« Als darauf der Zwerg dem großen Heimdallr das kleine Ordensband umhängen wollte, aber kaum seine Knie erreichen konnte, brach darüber Heimdallrs Heer in solch ein donnerndes Gelächter aus, daß achtzehn von den Zwergen vor Schrecken umfielen und starben. Deren Anführer und Vormund riß sich die Haare aus dem Kopfe, warf sich Heimdallr abermals zu Füßen und sprach mit tränenden Augen: »Allerdurchlauchtigstes göttliches Wesen! Mächtiger Beherrscher von Muspelheim! Mögen Allerhöchstdieselben in Allerhöchstderen gerechtem Zorne, wenn ich mich alleruntertänigst so ausdrücken darf, es unserm unglücklichen Lande nicht anrechnen, daß einige schlechte Hofräte sich erkühnt, in Gegenwart Allerhöchstderen geheiligter Person umzufallen und zu sterben. Es sind junge Leute, die erst vor zehn Jahren von Jena zurückgekommen, wo ihnen die Burschenschaft heillose demagogische Schwärmereien in den Kopf gesetzt. Wollen Allerhöchstdieselben Gnade für Recht ergehen lassen und sich damit begnügen, daß wir zu Allerhöchstderen Satisfaktion gleich morgen früh unsern Zensor aufknüpfen, weil er, wie dieses Beispiel der frechsten majestätsschändenden Todesart lehrt, den revolutionären Grundsätzen nicht streng genug Einhalt getan. Gnade! Friede! O, wäre die Stumme von Portici hier, daß sie selbst für uns reden könnte!« Heimdallr geriet in den heftigsten Zorn und sprach: »Ihr feigen Hunde habt nicht den Mut, mit uns zu kämpfen, und wollt uns meuchelmörderisch in den Rücken fallen! Ihr sprecht von Frieden, und im ganzen Lande erschallen die Sturmglocken! Ihr sprecht von Ergebenheit, und ringsumher verraten zahllose Wachtfeuer ein zahlloses Heer!« – Der Zwerg schlug sich vor die Stirn und erwiderte: »O jammervolles, o allerhöchstbetrübtes Mißverständnis! Allerhöchstdieselben geruhen nicht zu wissen, was Sie sprechen! Allerhöchstdieselben geruhen falsch zu hören und falsch zu sehen! Was Serenissimus für Sturmglocken gehalten, ist nichts als das festliche Geläute, womit wir Allerhöchstderen erfreuliche Ankunft feiern, und was Allerhöchstdieselben geruhten für Wachtfeuer anzusehen, waren die Illuminationen, die im ganzen Lande der Hofräte von der Polizei anbefohlen worden. O Gnade! O Barmherzigkeit!« Heimdallr gab dem Zwerge einen Fußtritt und sprach: »Fort, Hunde, mit Tagesanbruch seht ihr mich wieder!«

Nach Aufgang der Sonne stand Heimdallr mit seinem ganzen Heere im Gebiet der Hofräte. Der Zwerg vom vorigen Tage trat abermals hervor und sprach: »Allerdurchlauchtigster, ich wünsche wohl geruht zu haben. Allerhöchstderen heiterer Blick verkündet uns Ruhe und Frieden. Der Zensor ist gehenkt, und die Güter der achtzehn Demagogen, die gestern abend eines revolutionären Todes gestorben, sind konfisziert worden. Ich bin von meinem Könige und Herrn bevollmächtigt, dem durchlauchtigsten Beherrscher von Muspelheim eine Operallianz anzubieten. Die beiderseitigen respektiven Höfe sollen auf ewige Zeiten ihre Sängerinnen und Tänzerinnen miteinander austauschen, zum größten Vorteile des Handels, der Industrie, der Moral, Gesundheitspolizei und Bevölkerung der beiden Staaten. Um Allerhöchstdenselben die Kosten der Kriegsrüstung zu ersetzen, will mein König und Herr die Hälfte seiner Staaten an Ew. Majestät abtreten. Höchstderen alleruntertänigster Zwerg hat seinem Herrn dazu geraten. Wir sind unserer Hofräte, Domänenverwalter, Gardeoffiziere, Minister, Kammerherrn, Oberstallmeister, Oberzeremonienmeister, Hofdamen, Mätressen, Generalintendanten und Hofbankiers, in allem nur 814. Für diese bleibt die Hälfte des Landes groß genug, und wenn die uns bleibenden Untertanen zweimal soviel Steuer bezahlen als früher, verlieren wir nichts an den andern. Geruhen jetzt Ew. Majestät ein ganz untertäniges Frühstück einzunehmen und dann der Generalprobe der ›Stummen von Portici‹ huldreichst beizuwohnen.«

Nachdem der Zwerg-Hofrat so gesprochen, erhob sich im Hintergrunde ein wildes Geschrei: » Zu den Waffen, zu den Waffen! Keinen schmachvollen Frieden! Auf Brüder! Es lebe Teutonia! Es lebe die Freiheit!« Heimdallr schob die Hofräte, welche die Aussicht hemmten, weg, um zu sehen, was hinter ihnen vorging. Da gewahrte er eine Schar edler Jünglinge, welchen der Mut in den Augen blitzte, welchen Kampfbegierde die Wangen rötete, und [die], den Ruf zur Schlacht erwartend, freudig mit den Schwertern auf den Schild schlugen. Heimdallr mit seiner Heldenschar streckten froh bewegt ihre Arme den Heldenbrüdern entgegen und riefen: »Gruß, Liebe und Dank euch Brüdern! Wir kommen, ihr seid es wert, mit uns zu streiten, und, Sieger oder besiegt, in Walhalla trinken wir aus einem Horn!« Da erbleichte der Zwerg, sprang auf einen Stuhl, sah die tapfern Jünglinge zornig an und sprach: » Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!« Heimdallrs Kriegern bot sich darauf ein Schauspiel dar, worüber sie zu Bildsäulen erstarrten und ihnen Schwert und Schild mit donnerndem Getöse aus den leblosen Händen fiel. Sobald die teutonischen Jünglinge gehört: » Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!« legten sie ihre Rüstung ab, zogen Schlafröcke an, stopften ihre Pfeifen und fingen an zu lesen und zu schreiben. Heimdallr sprach darauf zu seiner Schar: »Auf, tapfere Genossen, flieht, fort von hier. Wir sind gekommen, mit Männern zu kämpfen, nicht mit Schulmeistern und ihren Knaben. Fort von jener bedauernswürdigen Jugend, fort von diesen verächtlichen Alten! Flieht und schaut nicht rückwärts, bis wir nach Muspelheim gekommen.« So verließ Heimdallr mit seinem Heere Teutonia, ließ aber zur Bewachung der Hofräte sechs Mann und einen Unteroffizier zurück.

Dieser Unteroffizier war Heimdallrs jüngster Sohn, der aber trotz seiner königlichen Abstammung nicht besser gehalten wurde als der gemeinste Krieger. Nachdem aber sein Vater fortgezogen war und der junge Mensch sich selbst überlassen blieb, konnte er den Schmeicheleien und Kriechereien der Hofräte nicht lange widerstehen. Er verweichlichte, sein reines skandinavisches Blut artete aus, und von dem vielen Essen und Trinken, das man ihm alle Tage vorsetzte, bekam er die Gicht, welche Krankheit sich durch länger als zweitausend Jahre in seiner Familie fortgeerbt. Vierundzwanzighundert Jahre nach Heimdallr reiste ein Nachkömmling jenes Unteroffiziers, namens Widar, wegen seines Podagras nach Baden bei Rastatt. Auf dem Wege dahin, im württembergischen Städtchen Mergentheim, lernte er ein schönes Mädchen kennen, namens Goldchen, Tochter des Juden Baruch. Er verliebte sich in sie und verlangte sie zur Gattin. Er erhielt sie unter der Bedingung, ein Jude zu werden und den Namen Baruch anzunehmen. Widar lernte in Baden den berühmten Dichter Robert kennen, der ihn Tag und Nacht um Stoff zu einem Drama quälte. Widar erzählte ihm seine eigene Lebensgeschichte, und daraus entstand Roberts europäisches Schauspiel » Die Macht der Verhältnisse«. Darauf zog Widar oder Baruch an den Main, da, wo später Frankfurt erbaut wurde. Die Gegend gefiel ihm, und er ließ sich da nieder. Sein Haus stand an der Stelle, wo jetzt in Sachsenhausen die untere Mühle liegt. Nach und nach siedelten sich viele Heiden und Juden dort an, und es entstand eine Stadt, die Widar nach seinem Namen nannte. Dieses zeigt auch das Wort Frankfurt ganz deutlich; denn Frank heißt im Skandinavischen Wi, und furt heißt dar. Also waren es Juden, die Frankfurt gegründet, und S. T. der Herr Senator Dr. Schmid Wohlgeboren waren daher im größten Irrtum, als sie gegen mich, der die Rechte der Juden verteidigte, vor einigen Jahren im Gelehrtenvereine bemerkten: die Juden könnten keine Bürger sein in Frankfurt, weil es vor 1500 Jahren Christen gewesen, welche Frankfurt erbaut. Gerade im Gegenteile. Wenn hier die Religion ein Recht geben oder nehmen könnte, wären die Frankfurter Juden die einzigen Bürger, und die Christen wären bloß Schutzchristen, welche die Juden in eine Christengasse einsperren und ihnen verbieten dürften, mehr als zwölf Ehen jährlich zu schließen, damit sie nach und nach aussterben und den Handel der Juden nicht ganz zugrunde richten.

Auf diese Weise ist meine früher heidnische Familie eine jüdische geworden und ist es geblieben bis auf den heutigen Tag. Ich aber, als im Jahre 1818 die jüdische Familie Rothschild so übermächtig wurde, beschloß zum Christentume überzugehen; denn es war immer meine Neigung, es mit der schwächern und unterdrückten Partei zu halten. Der Pfarrer wollte mich aber unter dem Namen Baruch nicht taufen, und darum nahm ich den Namen Börne an, um hiedurch das zerrissene Band mit meinem Ahnherrn, dem göttlichen Bör, wieder festzuknüpfen. Seitdem heiße ich also Börne und nicht Baruch modo Börne wie das Frankfurter Polizeiprotokoll ohne Punkte vom 5. Dezember sagt. Ich habe den Namen mit Wissen und gnädigster Erlaubnis meiner hohen Obrigkeit angenommen. Wenn ich von mir selbst spreche, heiße ich kurzweg Börne; wenn aber andere von mir sprechen, heiße ich Herr Börne. Und ich heiße mit viel größerem Rechte Herr als irgendein Frankfurter Senator der drei Bänke, den ältern und jüngern Bürgermeister nicht ausgenommen. Denn ich bin wahrer Herr, ich diene keinem, ich bin keiner Macht Untertan. Ich diene nur der Wahrheit und dem Rechte, ob es mich zwar nur so weit angeht, daß ich selbst es nicht zu verletzen habe. Wäre ich aber eine obrigkeitliche Person, ein Richter, ein Senator, ein Bürgermeister; wäre das Recht meiner Mitbürger meinem Schutze anvertraut und irgendeine zahnstochernde Exzellenz, dem etwa einer meiner Schutzbefohlenen wegen der Form seiner Nase mißfallen, lächelte mir beim Dessert den Befehl zu, dessen Recht zu kränken, ließ' ich lieber meinen armen Leib in tausend Stücke hauen und ihn als Fraß den Schweinen vorwerfen, als daß ich meine unsterbliche Seele um das Spottgeld eines solchen Lächelns verkaufte. Also Herr Börne heiße ich und werde jedem zu begegnen wissen, der mir mein Herr anrührt. Als vor einiger Zeit einige junge Leute von der Gesellschaft der Volksfreunde wegen Vergehen, die mit fünfjähriger Einsperrung bestraft werden können, vor ihren Richtern standen und, angeschuldigt auf diese Weise, ihre Verteidigung auf eine wenn auch nicht strafwürdige, doch höchst straffällige Weise führten; Recht und Ordnung, ihre eigenen Richter, den König und die Verfassung verhöhnten und bei dem Verhör der Gerichtspräsident die Angeklagten beim Namen rief, ohne Herr vorzusetzen; da sprach Raspail, einer derselben, zum Präsidenten: »Wenn ich das Wort an Sie richte, nenne ich Sie Herr Präsident; wenn Sie mit uns sprechen, sagen Sie bloß Raspail, Hubert, Thouret. Doch sind wir gleich vor dem Gesetze; geben Sie uns die Eigenschaft, die wir Ihnen selbst erteilen. Die Achtung, die Sie von uns selbst zu fordern das Recht haben, sind Sie auch uns schuldig.« Lautes Bravorufen der Zuhörer folgte auf diese Anrede. Der Präsident aber nahm keine Rücksicht darauf und fuhr fort, Raspail zu sagen, ohne Herr. Darauf sprach Raspail: »Herr Präsident, nennen Sie mich Herr Raspail, ich verlange es; nicht für mich (man weiß, wie wenig wir auf so nichtige Dinge halten), aber ich fordere es im Namen der Würde der Verteidigung und der Achtung, die man den Angeklagten schuldig ist. Die Beklagten, die man alle Tage auf diese Bänke schleppt, sind gewohnt, vor Ihnen zu zittern. Nun wohl! Sie mögen sich selbst achten lernen, es ist ein gutes Beispiel, das wir ihnen geben.« So wie Raspail vor den Assisen, stehe ich jetzt vor der Frankfurter Polizei. Mein Verbrechen ist mir unbekannt; aber die mir drohende Strafe ist fürchterlich. Wenn ich verurteilt werde, muß ich den Galeerendienst bei diesem Amte versehen. Darum sage ich im Gefühle meiner Würde dieser Polizei: »Madame! Wenn ich Sie anrede, nenne ich Sie Madame; nennen Sie mich Herr. Die Achtung, die ich Ihnen bezeuge, sind Sie auch mir schuldig. Den Doktor erlasse ich Ihnen, auch meine übrigen Titel, deren ich viele habe, brauchen Sie mir nicht zu salvieren, auch dem Wohlgebornen entsage ich. Aber nennen Sie mich Herr Börne, ich bestehe darauf.«

– Auf dieses Tutti lasse ich ein Solo folgen; denn ich spiele ein unparteiisches Doppelkonzert, in dem ich zwar als Komponist und Konzertgeber mir die erste Stimme vorbehalte, doch zur gehörigen Zeit mit der zweiten abwechsle. Jetzt kömmt die Reihe zu geigen an den Meister Alexis. »Noch nie habe ich ein Buch mit so steigendem Widerwillen, bis es zuletzt völliger Ekel wurde, durchgelesen. Börne ist ein deutscher Ultraliberaler, sagen Sie! Mein Gott, reicht denn das Wort aus, diesen Inbegriff von knabenhafter Wut, pöbelhafter Ungezogenheit, diesen bodenlosen Revolutionsgeist, diese hohle, ans Alberne streifende Begeisterung für negierende Begriffe auszudrücken, ja nur zu bezeichnen? Tut man nicht unsern Liberalen unrecht, Börne als einen ihresgleichen zu nennen? Mich dünkt, so etwas von erschütternd Nichtigem, in einer abschreckenden Gestalt, ist noch nicht dagewesen, wenigstens nicht in der deutschen Literatur ... Er wälzt sich in Gemeinplätzen, in einem bacchantischen Taumel, oder wie jener irische Häuptling, der sich vor der Fronte in den Kot warf, um sich abzukühlen, wenn ihn das Fieber brannte. Es juckt ihn, und er kratzt sich, daß es eine Lust ist.« Noch einmal, mich dauert der arme Schelm! Vor vierzig Jahren hatte irgendein pfuschender Naturgesell von Lappen, die er seiner Meisterin gestohlen, dem kleinen hagern Seelchen Röckchen und Höschen zusammengeschneidert. Zur Ruhe, zum Sitzenbleiben und zum Referieren geboren, war dem Seelchen das enge Kleidchen weit genug, und die Nähte hielten. Aber da schlägt ein Blitz in seiner Nähe nieder, das Seelchen erschrickt, springt auf, zum ersten Male bewegen sich die Glieder, die knappe Sprache platzt, Lumpenworte hängen herum, und dem armen nackten Seelchen kann man alle Rippchen zählen. Edler! Warum bist du erschrocken? Nicht dir galt der Blitz; Lorbeeren verschont er. Übrigens nehmen Sie mir es nicht übel, wenn ich mehrere Male Du zu Ihnen sage. Zuweilen rede ich in Streckversen, und dann duze ich jeden ohne Unterschied des Ranges, der mir in den Weg kömmt. Aber eines bitte ich Sie mir zu erklären. Ich erinnere mich ganz genau: es war im Jahre 1819, nach dem Karlsbader Kongresse; da nahm ich Asafötida ein, und zwar in Mixtur; denn ich verabscheue die feigen Pillen. Es war ein einziger Löffel voll, es war der Ekel einer Minute und der Schauer von fünf Minuten. Aber hinge mein Leben davon ab, ich nähme keinen zweiten Löffel Asafötida. Sie aber, mein Bester, haben mehrere Stunden an meinem Buche mit immer steigendem Ekel gelesen! Wie ertrugen Sie das? Wer hieß Sie das? Wer bezahlte Ihnen das? Oder finden Sie solche Freude am Ekel, daß Sie ihn gutwillig suchen, warum erbrechen Sie sich vor den Augen aller Welt? Ist das artig? Tut das ein wohlerzogener Mensch? Zwar haben es die alten Römer auch getan, aber Sie sind kein alter Römer, sondern im Gegenteil ein Referendär. Zweitens, beantworten Sie mir die Frage: ist das literarische Unterhaltungsblatt ein Nachtgeschirr? Endlich möchte ich wissen, wo Sie gelesen, daß ein irischer Häuptling sich durch ein Schlammbad vom Fieber geheilt? Ich habe eben das Fieber, aber es nützt mir nichts.

Alexis: »Von diesem in ihm kochenden Grimme merkte man wenig, als er vor einigen Jahren eine Reise durch Norddeutschland machte. Man wußte bis dahin nicht viel mehr von ihm, als daß er um Frankfurt herum berühmt sei... Die meisten hörten zum ersten Male von ihm, weil er ins »Morgenblatt« eine Kritik über die Sontag einrücken lassen, und so wurde er in Berlin präsentiert.« » Es ist der Mann, der über die Sontag geschrieben.« Teurer Freund! Du gleichst dem Geiste, den du begreifst. Du saubergewaschenes, kuchenlächelndes, bimmbammelndes Sonntagskind, erkennst nur den müßigen, schöngeputzten, lustigen Sonntag in mir; aber die Wochentage voll schwerer Sorgen, saurer Arbeit und lohngeiziger Bezahlung, die hast du nicht erkannt. Ja, es kochte damals wie später der Grimm in mir, nur heißer noch; denn als in den Julitagen der Vulkan sich in einem Feuerstrome Luft gemacht, da wurde mit Millionen Herzen auch das meinige friedlicher und stiller. Damals aber, da die Freiheit nur erst rauchte und knabenhaft mit Steinen warf nach der Tyrannei, da, zu stolz zum Kinderspiele, verschloß ich meine Brust und ließ den Grimm darin kochen zum spätern Gerichte. Hättest du meine Glut geahndet, schwammiger Alexis, du wärest entsetzt von mir weggelaufen und hättest dich vor Angst in ein Wasserfaß gestürzt. Vielleicht hörtest du zuweilen, wie es siedete in mir; aber du dachtest wohl, ich summe ein Sonntagsliedchen, und liebtest mich darum. Doch über den Narren! daß er noch selbst herbeischleppt, was er verstecken sollte, damit es mein Spott nicht finde. Ja freilich, so ist es; man wußte in Berlin nichts von mir, als daß ich über die Sontag geschrieben, und so wurde ich jedem vorgestellt: es ist der Mann, der über die Sontag geschrieben! Wenn ich jener Tage gedenke – doch ich will erst das Feuer schüren; mich friert, wenn ich daran denke. Komme her, Muse, setze dich zu mir beim Kamin und erzähle mir von jenen Tagen. Aber sei vernünftig und kichere nicht!

Ich wohnte in der Stadt Rom, und doch war es fürchterlich kalt. Aber es war die Stadt Rom Unter den Linden. Am zweiten Tage nach meiner Ankunft, morgens zwischen zehn und zwölf Uhr und 22 bis 24 Grade, kamen Robert und Hering zu mir, schwarz gekleidet, in seidenen Strümpfen und überhaupt sehr festlich zubereitet. Ich saß gerade beim Kaffee. »Börne!« sagte Robert, »trinken denn die Geister Kaffee?« Darauf sah er Hering an und wartete auf eine günstige Rezension seines Einfalls. Hering aber, der seinen Beifall für sich selbst aufsparen wollte, sprach: »Warum nicht? Im Kaffee ist Geist, schöne Geister begegnen sich, darum trinkt Börne Kaffee.« Darauf sagte er: »O Börne! Sontag! Göttlich!« und fiel mir laut schluchzend um den Hals. Robert aber sprach mit bewegter, doch fester Stimme: »Ermannen Sie sich, Referendär; wir wollen gehen, das Volk harrt Ihrer, Börne.« Wir gingen. Vor dem Hause begegnete uns ein Mann; wir blieben stehen. Hering sprach: »Hofrat! Börne!« Der Hofrat war erstarrt und rief: »Börne? Sontag – göttlich!« dann ging er. Nach zehn Schritten kam wieder ein Mann. Robert sprach: »Hofrat! Börne!« Der Hofrat war erstarrt und rief: »Börne? Sontag – göttlich!« Etwas weiter begegnete uns wieder einer. Hering sprach: »Hofrat! Börne!« Der Hofrat war erstarrt und rief: »Börne? Sontag – göttlich!« So wurde ich Unter den Linden vierunddreißig Personen vorgestellt, die alle Hofräte waren. Endlich erreichten wir den Pariser Platz. Ich hoffte, meine Leiden würden jetzt geendigt sein; aber nein. Man schleppte mich dem Tiergarten zu. Unter dem Brandenburger Tore machten wir halt. Hering blieb mir zur Seite, damit ich nicht entwischte; Robert aber stellte sich mir gegenüber, zog ein dickes Manuskript aus der Tasche, es waren gewiß hundert Bogen, ich zitterte wie ein Espenblatt, und er fing zu lesen an. »Heil dir im Siegeskranz, Vater des Vaterlands!« – Da schlug sich Robert vor die Stirn und rief: »Ich Esel! da habe ich ›den Waldfrevel‹ statt der Rede eingesteckt! Schadet aber nichts, ich weiß sie auswendig. Edler Börne! Hier unter diesen Pferden, die einst die Franzosen schmachvoll nach Paris geführt, die wir aber glorreich wieder zurückgebracht; hier unter diesen Pferden, wo Jahn einem Turnjungen Ohrfeigen gegeben, weil auf die Frage: was er jetzt denke, der Junge geantwortet: er denke gar nichts; worauf Jahn gesagt, er solle daran denken, wie man die Pferde wieder schaffe; hier unter diesen Pferden denke ich« ... »Lieber Robert«, fiel ich ins Wort, »ganz Berlin weiß, daß Sie unter Pferden ein denkendes Wesen sind, aber« ... doch Robert ließ sich nicht einhalten und fuhr fort: »Hier unter diesen heiligen Hallen, glücklich nachgebildet den Propyläen in Athen, welche ebenso viele Talente zu erbauen gekostet, als Sie besitzen, nämlich tausendundzwölf; hier unter diesen schönen Talenten – ich wollte sagen Propyläen –, wo einst die verdienten Männer des Altertums auf Kosten unsers geliebten Königs verpflegt worden, freie Kost, Wohnung, Heizung und Wäsche hatten, täglich eine Flasche Champagner und monatlich hundert Taler Taschengeld« ... Der Referendär fiel hier dem Robert ins Wort und sagte: »lieber Robert, Sie faseln. Sie verwechseln Propyläen mit Prytanäen.« Robert aber erwiderte ärgerlich: »Prytanäen oder Propyläen, das ist mir alles eins.« Er wollte fortfahren; ich aber, halbtot vor Hunger und Durst, raffte alle meine Kraft zusammen und sprach: »Lieber Robert! In den Prytanäen oder Propyläen (denn weil es Ihnen alle eins ist, ist es mir auch alle eins) bekamen die verdienten Männer des Vaterlandes, wenn sie Hunger hatten, ein Gebackenes zu essen, das man Madsa nannte. Sind Sie der Meinung, daß das Wort Mazza, womit Ihre Glaubensgenossen das ungesäuerte Brot bezeichnen, das sie an ihrem Pascha essen, mit jenem griechischen Madsa verwandt sei? Ich bin nicht der Meinung, sondern ich stimme mit der des berühmten seligen Wolf überein, der in seinen ›Prolegomenen‹ zum Homer gezeigt, daß das griechische Madsa nichts anders gewesen als ein Berliner Pfannkuchen. Ach, lieber Robert! Ach, teurer Alexis! wie glücklich wäre ich, wenn ich jetzt ein Dutzend Pfannkuchen hätte! Aber wohlverstanden, von den guten in der Jägerstraße, mit einer Zuckerglasur und mit Aprikosen gefüllt.« Robert, an den Rest seiner Rede denkend, sagte schmerzlich lächelnd: »Herr, dein Wille geschehe!« Sie führten mich zurück. Bald kam ein Mann, wir blieben stehen, und Hering sagte: »Justizrat! Börne!« Der Justizrat erstarrte und sagte: »Börne? Sontag – göttlich!« Das wiederholte sich alle zehn Schritte, bis unter die Stechbahn. Dieses Mal aber waren es lauter Justizräte. Endlich traten wir bei Josty ein, und dort wurde ich im Namen der preußischen Monarchie von deren Stellvertretern mit Pfannkuchen, Schokolade und Madera bewirtet. Hering überreichte mir den ersten Pfannkuchen auf silbernem Teller und sprach: »Börne! Dieser Pfannkuchen ist ein Bild Ihrer schönen Seele!« Darüber mußte ich aber in ein so unbändiges Lachen ausbrechen, daß ich die Schokolade umstieß, die herabfloß und mir ein ganz neues schwarzes Kleid zugrunde richtete, das mir am nämlichen Morgen erst der Schneider gebracht hatte. Denn am Tage vorher, dem zweiten meiner Ankunft in Berlin, waren mir meine Kleider aus dem Zimmer gestohlen worden, woraus ich erkannte, daß Preußen wirklich eine von republikanischen Institutionen umgebene Monarchie sei; denn je freier ein Volk, je schlechter ist seine Polizei. In Paris wurde mir nie etwas gestohlen.

Und diese Menschen, die mir einen Purpurmantel umgeworfen, mich Unter den Linden im Triumphe herumgeführt, vor mir hergingen wie Haman vor dem Mardochai und ausriefen: » So ehrt Ahasverus den Mann, der über die Sontag geschrieben!« – diese Menschen, die mir tausendundzwölf Talente angeschmeichelt und meine Seele mit einem Pfannkuchen verglichen – machen mir jetzt die größten Grobheiten, aus Todesfurcht, Herr von Arnim, der Polizeipräsident, möchte es erfahren, daß sie bei einem Essen, das sie mir im Cafe Français Unter den Linden gegeben, allen Königen den Tod zugetrunken!

Alexis: »Ihm zitterte das Herz unter seiner Brust, und die Brücke unter seinem Gesäß beim Gedanken, daß auf derselben Brücke der erste Freiheitskämpfer des Juli gefallen.« ... Ach, die Nase! Die Königsnase – darauf sitzen jetzt schon dreihundert Mücken!... Meinen Jammer, daß » deutsche Genies« hungern mußten, den lobt und billigt der Philister; doch das ist seine einzige Unparteilichkeit..., »Man kann ihm keine größere Freude machen, als wenn man ihm deutsche Dummheiten mitteilt.« Danke, lieber Herr! – »Der Patriot fingiert, daß ihm jemand aus Österreich folgendes schreibt.« Das haben die andern Philister auch gesagt: ich hätte den Brief erdichtet; denn ich hätte den Mut nicht gehabt, in meinem eigenen Namen gegen Goethe zu schreiben; sie wollen mich nur allein stellen, alle Schuld auf mich allein häufen; das ist ein Pfiff, den sie von irgendeinem abgesetzten Polizeidiener gelernt. Vielleicht hoffen sie auch, auf diese Weise mir den Namen des braven Mannes abzulocken, der den Brief geschrieben. O! geht, geht. Ich bin ein gerader schlichter Mann, aber für euch bin ich noch zehntausendmal zu schlau.

Der Referendär hat mir auch vorgeworfen, ich hätte nichts gelernt, ich wäre ein unwissender Mensch! Oder hat es mir Robert vorgeworfen, oder Pittschaft oder ein anderer? Die vielen Grobheiten haben mich ganz verwirrt gemacht; daher kann ich unmöglich darüber Buch und Rechnung führen. Ich muß es mit meinen Gegnern machen, wie es einmal Schinderhannes mit einem Trupp Juden gemacht, der ihm in seine Hand gefallen. Er zwang sie alle, ihre schmutzigen Stiefel auszuziehen; diese warf er untereinander und befahl ihnen, sie jetzt wieder anzuziehen. Nun hätte man das Geschrei und Zanken der Juden hören müssen, wie sie einander in die Haare fielen und sich die Stiefel aus den Händen rissen. Schinderhannes stand dabei und hielt sich die Seiten. Wie kommt es aber, daß mich noch keiner von euch Schinderhannes genannt? Ihr seid doch im S eures Schimpfwörterbuchs und schon über die Schmeißfliege hinaus. Aber jetzt ist es zu spät. Wer mich jetzt Schinderhannes nennt, der ist nichts als ein schlechter Nachdrucker. Ich verwahre feierlich meine Rechte auf den Schinderhannes, und der hohe Deutsche Bund wird es gewiß nicht zugeben, daß man den 18. Artikel der Bundesakte übertrete und meine Schriften ganz oder zum Teile nachdrucke.

Also einer von meinen Gegnern sagte, ich wäre ein unwissender Mensch. Ich? Wie viele Gelehrte gibt es denn in Deutschland außer mir, die einem armen Skribenten zu raten wissen, wie er es zu machen hat, mit seinem Einkommen auszukommen, daß er nicht nötig habe, für Tagelohn zu schimpfen? Er muß es machen wie der Thrazier Paräbius, der Freund des Königs Phineus. Er muß der Nymphe Thynis einen Altar errichten, dann wird es ihm nie mehr an Lebensmitteln fehlen. Ich weiß freilich nicht, wer der Apollonius ist, der die Geschichte des Paräbius erzählt – ob Apollonius Licinius, des Crassus Freigelassener, der korrekteste Schriftsteller aller Zeiten, denn er hat nie etwas herausgegeben; oder Apollonius der Rhodier, von dem man ein berühmtes Heldengedicht vom Argonautenzuge besitzt; oder Apollonius Cronus, der Philosoph aus der Megarischen Schule; oder Apollonius von Perga, der berühmte Mathematiker, welcher ein Meisterwerk von den Kegelschnitten herausgegeben; oder Apollonius von Tyana, der Pythagoräer, von dem man die unglaublichsten und lächerlichsten Wunder erzählt (so soll er in der kurzen Zeit von zehn Jahren einen ganzen Monat des »Freimütigen« zweimal durchgelesen haben) – aber ein einzelner Mensch kann nicht alles wissen. Dagegen weiß ich, daß Carme die Tochter Eubulus' und Enkelin Carmanors war, und daß Jupiter mit ihr die Britomartis erzeugte, und daß diejenigen Gelehrten, welche, wie Schwabe in seinem Mythologischen Lexikon, behaupten, die Carme wäre eine Tochter des Phönix und Enkelin des Agenors gewesen, krasse Ignoranten, jämmerliche Wichte, verfluchte Kerls und elende Schmeißfliegen sind, welchem Gesindel man einmal auf die Finger klopfen muß, daß etwas Furcht hineinfährt. Ich habe gelernt, daß man sich sehr hüten müsse, die Δεῖπνα ἀπὸ σπυρίδος der Griechen mit dem Sportulis der Römer zu verwechseln, daß man ungebetene Gäste σκιάς nannte, und ich weiß auch den Grund davon. Nicht weniger ist mir aus meinen Studien bekannt, daß man bei den Römern diejenigen Causarii nannte, welche wegen Kränklichkeit vom Kriegsdienste befreit werden mußten, daß aber, weil dabei oft Betrügereien vorgingen, bei ausbrechendem Kriege strenge Untersuchungen angestellt wurden, weswegen der hohe Frankfurter Senat, als er den Beschluß gefaßt, mich bei der Polizei anzustellen, welches ein Kriegsdienst ist, ein Platz im Geniekorps; und da einer der Senatoren die Einwendung gemacht, meine Kränklichkeit verstatte mir nicht, diesen Dienst zu versehen, erklärte: nun, so solle ich im Dezember von Paris nach Frankfurt reisen, um mich von dem dortigen Stadtphysikus untersuchen zu lassen. Und weiß ich nicht, daß, tät' ich dies auch, es mir nichts nützen würde, weil, wenn auch der Frankfurter Stadtphysikus mich aus alter Freundschaft krank machte, ich doch dienen müßte, da, sooft ein Tumult entsteht oder die Stadt in höchste Not gerät, gar keine Entschuldigung angenommen wird? War aber nicht neulich in Frankfurt ein Tumult wegen der Torsperre, und ist nicht die Stadt durch die preußische Maut in die höchste Not geraten? Das alles weiß ich, und ich wüßte noch tausendmal mehr, wenn ich außer Funkes Real-Schullexikon, worin ich das Zeug gestern abend gelesen, noch einige andere klassische Werke von zu Hause mitgenommen hätte, wie: Eschenburgs »Handbuch der klassischen Literatur«, »Heliodore, die Lautenspielerin aus Griechenland«, Thibauts »Pandekten« und Roberts »Waldfrevel«. Und jetzt kommen solche Mordbrenner, solche Mauerbrecher, Dornbüsche, lächerliche Toren, heillose Gesellen und jämmerliche Wichte, und erfrechen sich zu sagen, ich hätte nichts gelernt! Aber ich werde dem seichten Geschwätze dieser elenden Schmeißfliegen bald ein Ende machen. Ich beschwöre Sie, lassen Sie auf der Stelle aus meinem Hause den großen Koffer holen, der in der Dachkammer steht. Nicht den englischen Koffer; denn da drin liegen bloß meine Novellen, Romane, Tragödien, Vaudevilles, Romanzen, Xenien und eine deutsche Übersetzung von Willibald Alexis' Schriften – welche mir alle zu meinem ernsten Zweck nicht dienen können. Sondern den größern deutschen Koffer, welcher mit einem Felle überzogen ist, den drei Latten festhalten. Darin liegen meine gelehrten Manuskripte. Ferner ein großes gelbes Felleisen, worin die zu meinen Werken gehörigen Zitate gepackt sind. Ganz oben im Koffer liegt ein Verzeichnis sämtlicher Manuskripte, wovon ich eine Abschrift mit nach Paris genommen. Ich bitte Sie nun inständig, aus dem Koffer diejenigen Manuskripte zu nehmen, die ich Ihnen mit den Nummern bezeichnen werde, und sie mir durch die Post hieherzuschicken. Nur vier oder fünf will ich drucken lassen: das wird ganz hinreichen, der Welt zu zeigen, wer ich bin. Aber, um des Himmels willen, lassen Sie den Koffer und das Felleisen in Ihrer alleinigen Gegenwart öffnen und untersuchen, aber ja keinen Ihrer gelehrten Freunde dabeisein. Es könnte mir einer ein Manuskript oder gar einen Gedanken oder gar ein Zitat stehlen; denn die Gelehrten haben in solchen Dingen weder Scham noch Gewissen. Ich wünsche also zu haben: »Nr. 189. » De Confectione tractarum Berolinensium.« Auctore L. Boerne 1826. – Nr. 214. » De captura harengorum.« 1831 – Nr. 215. Deutsche Übersetzung des nämlichen Werkes: » Von dem Heringsfange.« Mit Zeichnungen. – Nr. 333. » Kommentar über die Gesetzgebung der geheimen Polizei, nach englischen und nordamerikanischen Grundsätzen bearbeitet.« Mit Anmerkungen von Wurm. Endlich mein Hauptwerk: Nr. 709. Vollständiges Verzeichnis aller Trauerspiele, Lustspiele, bürgerlichen Schauspiele, Liederspiele, Melodramen und Opern, welche auf sämtlichen deutschen Bühnen vom Jahre 1774 bis zum Jahre 1827 aufgeführt worden sind, nebst Angabe der darin aufgetretenen Schauspieler und Schauspielerinnen, Sänger und Sängerinnen, und Nachweisungen aller über die theatralischen Leistungen Deutschlands erschienenen Kritiken.« Nach den Quellen bearbeitet von Ludwig Börne und mit einer Vorrede von Ludwig Robert, zwölf Teile. Ich wollte dies Werk schon verflossenen Sommer in Baden drucken lassen, ließ mich aber durch Robert davon abwendig machen. Er widerriet mir wegen der stürmischen Zeit, in welcher alle Talente untergingen. Ich hätte mich aber von Robert nicht sollen abwendig machen lassen. Grobe und schwere Talente wie die seinigen gehen freilich leicht unter; aber meine, leicht wie Nußschalen, schwimmen oben und haben keinen Sturm zu fürchten. Ich werde das Manuskript dem Herrn Brockhaus anbieten, der es gewiß gern verlegt, da es ein deutsches Nationalwerk ist und gleichsam eine Fortsetzung von Ludens »Geschichte der Deutschen« Es ist nur ein Jammer, daß er so schlecht bezahlt.

Der Referendär Hering oder Willibald Alexis, wie er mit seinem Süßwasser-Namen heißt, baut ein Pantheon für die großen deutschen Männer und stellt die Büsten von Menzel, Pustkuchen, Heine und Börne hinein... Wie kömmt Pustkuchen hieher? Pustkuchen hat gegen Goethe geschrieben, und wer gegen Goethe schreibt, den Hohenpriester von Karlsbad, ist ein Revolutionär. Häring macht die Inschrift für genannte Büsten. Als er aber an die von Heine kömmt, zupft ihm einer am Rock. Ich weiß nicht, wie er heißt, es ist aber jemand von der hohen Polizei. Der sagt ihm etwas ins Ohr, worauf der Referendä ein pfiffiges Gesicht macht und lispelt: » Ich verstehe!« Der Weißbinder des deutschen Pantheons schreibt nun, statt der Inschrift zu Heines Büste, folgendes von ihm: »Heine hat – doch halt! ich denke lieber an das, was Heine noch tun wird. Heine hat, solang es eine kitzliche Opposition war, als Liberaler gefochten; jetzt ist er es nur noch aus jugendlichem Mutwillen. Sein Talent will Beschäftigung haben. Ich hoffe, die Zeit zu erleben, wo er denselben Kitzel dareinsetzt, gegen den jetzt bequemen Liberalismus sich in Ungelegenheit zu setzen. Ich lasse den Schleier über seiner Büste im Pantheon der deutschen Republik ruhen und denke an seine Büste in der deutschen Literatur.« Ist das nicht merkwürdig? Eine ähnliche Äußerung über Heine, einem andern Artikel entnommen, den man auch aus Berlin eingeschickt und auf den ich zurückkommen werde, lautet wie folgt: »Ein Schriftsteller (Heine), nicht ohne Geist und auch nicht ganz ohne Poesie (obwohl der Funke schon zu erlöschen beginnt), und den man früher gern mit Börne oder Lord Byron zusammenstellte, wandelt eine ähnlich gefährliche Bahn, und wir wünschen es aufrichtig zu seinem Besten, daß er zeitig umkehre. Schon das Streben, der Mode und der Tagesneigung beständig zu huldigen, ist äußerst bedenklich. Überschreitet er auch einst nur um ein Haarbreit die Grenze, so stürzt er (wie jetzt Börne) erbarmungslos von seiner Höhe herab, und hinter ihm erschallen Verachtung und Hohngelächter.«

Diese Zwerge fühlen selbst, daß sie dem Kampfe der Zeit nicht gewachsen sind, und darum möchten sie Heine anwerben. Nun, was gewönnen sie dabei? Wäre ein kleiner Vorteil der guten Sache mit der Schande eines verdienstvollen Mannes nicht zu teuer bezahlt, so wünschte ich, Heine ließe sich von den Polizeiwerbern verlocken. Nicht ihnen, uns würde das nützen. Die Wahrheit würde ihn treffen, wie die andern auch, nur tödlicher, weil er stark ist und Widerstand leistet; während der Kleister der andern sich um die Schärfe des Schwerts legt, sie einwickelt und manchen guten Streich abhält.

Wie konnte gegen alle Naturgeschichte unter den literarischen Hasen, die gar keine Stimme haben, sich ein solches Geheul erheben? Ein anderer Artikel in dem nämlichen Blatte, ein Brief aus Berlin, wahrscheinlich von dem nämlichen Hering, erklärt die wunderbare Erscheinung und gibt die besten Aufschlüsse. Mir brauchte er sie nicht erst zu geben; die Naturgeschichte der deutschen Hasen im gesunden und im kranken Zustande war mir zu genau bekannt, als daß mir jene Erscheinung hätte unerklärlich bleiben können. Aber andern, die weniger belehrt als ich, werden die Aufschlüsse nützlich und willkommen sein. Der zweite Alexis schreibt von mir: »Der Verfasser genoß hier früher eines außerordentlich guten Rufes, der viel über seine Verdienste hinausragte... Der Mann wurde hier verehrt und vergöttert... Und jetzt auf einmal dieser ungeheure Abfall! Man spricht nur mit Abscheu und Widerwillen von ihm. Jeder möchte seine Hand in Unschuld waschen und nie bekannt mit ihm gewesen sein. Gewiß sind die in jenen Briefen niedergelegten Ansichten durchaus verwerflich, aber ebenso gewiß ist es, daß die jetzt hier vorherrschende persönliche Erbitterung nicht allein aus dieser Quelle fließt. Teils tritt bei vielen gekränkte Eitelkeit ins Spiel, teils bei andern die Furcht, man möchte nun auch sie nach einem neuen Maßstabe zu beurteilen versucht werden... Die Julirevolution hatte ihn völlig berauscht, und in diesem Rausche zeigte er sich auf einmal, wie er war. Daß ihn dies gereut, bezweifle ich gar nicht.« O der große Menschenkenner!... Doch ich will das Wichtigere besprechen. Ja freilich, das ist es. Sie haben mich verehrt und vergöttert in Berlin. Als ich aber anfing, gegen die Gewaltigen im Lande zu reden, da ward ihnen todesangst. Sie dachten an die Hausvogtei, an Magdeburg, Köpenick, den Galgen und Pilatus-Kamptz. Sie verleugneten mich und werden mich noch hundertmal verleugnen, ehe der Hahn kräht. Kräht aber einmal der deutsche Hahn, werden sie sich wie die Würmer zu meinen Füßen winden und von denen mit Haß und Abscheu sprechen, welche sie jetzt verehren und vergöttern.

O Berliner! O Hasenpasteten! O Kuchenfresser! O ihr dreizehn Bühnendichter, welchen erst die Knochen wieder hart geworden, und die ihr, seit die Katze nicht zu Hause ist, ganz lustig auf den Tischen herumspringt! – wenn ich jetzt unter euch erschiene, mit meinem alten Herzen zu eurem alten Herzen träte, würdet ihr nicht entsetzt vor mir fliehen wie vor dem Dämon der Cholera und mit tränenden Augen vor eurem Pilatus wimmern: »O wir Unglücklichen! Wir kennen den Mann gar nicht!« Ich komme! Wenn ihr nicht artig seid, komme ich. Wahrhaftig, ich muß nach Berlin; das Herz hüpft mir vor Freude, wenn ich daran denke. Ich muß diese Menschen in Angstschweiß verwandeln, daß ihr ganzes Dasein in den Gossen abfließe. Den einen suchte ich in dem Buchladen auf, wo nichts geheimbleibt, fiele ihm um den Hals und spräche: »Du siehst, teurer Freund, ich habe Wort gehalten und kam, sobald mich Preußens Söhne riefen!« An den andern drängte ich mich in der Oper, zeigte ihm den Messager und sagte ganz laut: »Du bist ein Schelm, dein Stil ist gar nicht zu verkennen.« Dem dritten schriee ich bei Stehely zu: »Deine gestrige Nachricht, daß der König abdanke, bestätigt sich; um desto besser.« Meinem vertrautesten Freunde aber, dem Referendä Hering, schriebe ich folgenden Brief: »Teurer Brutus! Himmlisch warst Du wieder gestern abend. Warum mußtest Du uns wegen Deiner Diarrhöe so bald verlassen? Als Du fort warst, tranken wir auf die Gesundheit des preußischen Marats. Deine Epigramme auf Herrn von Witzleben und den Prinzen von Mecklenburg wurden zum zweiten Male vorgelesen und mit jauchzendem Beifall aufgenommen. Der österreichische Gesandte läßt Dich erinnern, daß Du ihm eine Abschrift davon versprochen. Ich habe heute Briefe vom General Uminski bekommen. Tausend Grüße für Dich. Nie wird er es vergessen, daß Du ihn drei Tage in Deinem Hause versteckt gehalten und er seine Flucht von hier nur Deinen Anstrengungen zu verdanken hat. Morgen versammeln wir uns wieder zum Abendessen. Wir feiern den 21. Januar, den schönen Tag, an dem das Haupt eines Tyrannen gefallen. Du wirst doch kommen? Noch eine andere, noch eine schönere Begebenheit feiern wir. Aber Du erfährst das erst morgen. Doch nein, Du lieber ungeduldiger Mensch, noch heute, Du sollst es gleich erfahren. Rate! Wie, Dein Herz sagt Dir, Du ahndest nichts? Du hast gewiß wieder Leibschmerzen. Die Sontag ist in die Wochen gekommen, und die hohe Kindbetterin und das neugeborne Kind befinden sich sehr wohl. Und jetzt? Bist Du heute imstande, ein vernünftiges Wort in den ›Freimütigen‹ zu schreiben, dann will ich zwölf Dutzend Austernschalen ohne ihren Inhalt hinunterschlingen. Dein Spartakus. N. S. Die Kisten mit den Dolchen werden heute abend bei Dir abgeholt werden.« Dieses Billett würde ich an den Referendär Hering adressieren, versiegeln, wieder aufbrechen und damit auf die Polizei gehen, meinen Permissionsschein gegen acht Groschen erneuern zu lassen. Da ließ' ich das Billet unbemerkt aus der Tasche fallen. Ein Polizeibeamter würde es aufheben und es ganz natürlich finden, daß es der Referendär dort verloren. Und jetzt die Untersuchung, die Herings-Angst! Das alle müßte köstlich sein.

– Gott stehe mir bei! Ich wollte das Brock-Narren-Haus verlassen, in dem ich mich einige Stunden aufgehalten, da stürzte mir auf dem Korridor ein verrückter Philolog entgegen und hielt mich fest und drehte mir alle Knöpfe am Rocke. Ich weiß nicht, wie der Narr heißt; es muß aber ein ausgezeichneter deutscher Philolog sein; denn er versteht kein Deutsch. Der Narr hat Nr. 97 im Hause. Der läßt sich, wie folgt, vernehmen. »Börne (der Philosoph, wie er sich selbst nennt) hat in den ›Briefen aus Paris‹ einen Beitrag zur forcierten Judenliteratur geliefert, zu welcher auch Heine, sein Freund und Idol, schon manches steuerte, und damit ein sehr widerliches Buch geliefert, welches einer scharfen Geißel wird standhalten müssen. Diese Briefe ganz zu durchlesen, ist ein Opfer, zu dem man sich nur in gerechter Indignation und mit großem Unwillen entschließen kann. Wenn sich glückliche Anlagen und Scharfsinn so mit Frechheit und Anmaßung paaren, vergißt man darüber das Hassenswürdige und Verworfene, was jedem Abtrünnigen, jedem Renegaten und jedem an seinem angestammten Glauben seiner Väter zum Verräter Gewordenen anklebt. Daß ein solcher auch sein Vaterland und was seinen Landsleuten heilig und verehrungswürdig erscheint, zu beschimpfen versucht, ist darum kein Wunder, und wird sich diese Untreue gewiß empfindlich strafen. Ein Herr Dr. Meyer hat in einer kleinen Schrift, betitelt... schlagend und tiefgreifend, doch fast zu flüchtig den ersten Streich dagegen geführt. Wie kann auf so wenigen Seiten mit zwei Bänden Auswurf gekämpft werden? Doch vielleicht findet ein tüchtiger Mann Ruhe und Resignation, um für Deutschland gegen Börne in die Schranken zu treten. Darum sei auch hier ein einzelner Fleck, der uns anzuhangen zugedacht wird, beleuchtet.« Sehen wir jetzt, was diese Flecklaterne beleuchtet! Ich hätte die deutsche Sprache geschmäht und verächtlich herabgesetzt und die französische über sie erhoben, diese fände ich sublim! Und das müsse » eine Verachtung bei jedem Freunde seiner Muttersprache unter uns hervorbringen, die höher steigen muß, als irgendeine Skala auszudrücken vermag«. Wo der Narr in meinen Schriften das gelesen, möchte ich wissen. O Schulmeister!

Mascula sunt panis, piscis, crinis, cinis, ignis,
Funis, glis, vectis, follis, fascis, lapis, amnis,
Sic fustis, postis, sic axis, vermis et unguis,
Et penis, collis, callis, sic sanguis et ensis.
Mugilis et mensis, pollis, cum caule canalis;
Et vomis, sentis, pulvis, sitis, cucumisque, Anguis, item cossis, torris, cum cassibus orbis.

So wollen wir künftig miteinander korrespondieren; aber nur ja nicht Deutsch! Sie verstehen mich nicht, und ich verstehe Sie nicht. Habe ich außer den Schimpfwörtern, worin ich seit einigen Monaten bei dem ersten deutschen Schullehrer fleißigen Unterricht genommen, sonst ein Wort in Ihrem Artikel verstanden, will ich kein ehrlicher Mann sein. Schreiben wir uns Lateinisch!

– Jetzt will ich der » Stuttgarter Hofzeitung« einen Besuch machen. Ich habe mich über und über mit Kölnischem Wasser gewaschen, meine Kleider gewechselt und bin herzlich froh, daß ich von der Bürgerkanaille einmal loskomme. So eine Hofzeitung, die hat doch eine ganz andere Art und Sprache, und noch in ihrem Morgenanzug von Löschpapier ist sie reizender als eine bürgerliche Abendzeitung in ihrem Velinkleide. Ihr Zorn ist zarter Champagnerschaum; ihr Spott Prickeln auf der Zunge, das mehr schmeichelt als wehe tut; und ihr Unmut ein trübes Wölkchen über der Sonne, an seinem Rande von ihrem Liebesblick gefärbt. Sie straft durch Vergebung und schweigt, wenn sie verachtet. Und alle, die einer so lieben, gnädigen Hofzeitung nahekommen, werden übergossen von ihrem Rosenschimmer, verzuckert, waren sie vorher noch so bitter; und fein, artig und gewandt, waren sie früher die plumpsten Grobiane und die schwerfälligsten Tölpel gewesen. Seht den ehrlichen Münch und den ehrlichen Lindner. Es sind, wie allgemein bekannt, ehrliche und brave Männer; es sind aber eben Bürgersleute, gerade, aber knorrig, treu, aber knurrig. Doch wie hat sie die Hofzeitung umgewandelt! Wie fein sind sie geworden, seitdem sie daran arbeiten! In diese Schule müßt ihr gehen, ihr Meyer, ihr Würmer, ihr Heringe, ihr Roberts, ihr Pittschaft, und wie ihr sonst alle heißen mögt. Dieser »Stuttgarter Hofzeitung« haben meine Briefe aus Paris auch nicht gefallen; aber wie fein gibt sie das zu verstehen! Und wendet nicht ein: Ja, die Herren, welche die ›Stuttgarter Hofzeitung‹ schreiben, bekommen einen jährlichen Gehalt von dreitausend Gulden, und für dreitausend Gulden kann man schon fein sein; aber wir armen Schlucker, womit sollen wir die Artigkeit bestreiten? Das sind leere Entschuldigungen. Stehen nicht in dem nämlichen Wörterbuche die feinen Worte und Redensarten wie die groben? Was hält euch ab, sie zu wählen? Schlingels seid ihr. Bedenkt nur, welche gemeine Schimpfreden ihr gegen mich geführt, und vergleicht damit die zarten Ausdrücke, deren sich die »Stuttgarter Hofzeitung« bedient. Frivoler Jude, herzloser Spötter, elender Schwätzer, toller Schwätzer, erbärmliche Judenseele, ehrlos, schamlos, seichtes Geschwätz, inhaltloses Geschwätz, leichtfertiges Geschwätz, armer Revolutionsjäger, schamlose Frechheit, seichte Frivolität, ungeheure Anmaßung, jüdische Anmaßung, schmutziges Buch, ekelhaftes Buch, niederträchtiges Buch, elende Schmeißfliege. Stand euch das nicht alles auch zu Gebote? Schämt euch! Und jetzt erst die unvergleichliche Syntax, mit welcher die artigen Worte zusammengesetzt sind! »Überall zeigt sich der frivole Jude, dem nichts heilig ist, der herzlose Spötter auf Geist und Charakter der deutschen Nation, der elende Schwätzer ins Blaue hinein, der der Menge gefallen will und der Erbärmlichkeit der Leidenschaften des Tages und im Grunde doch selbst nicht weiß, was er eigentlich will. Wohl kann man sagen, daß sich Börne durch dieses Buch in jeder Rücksicht selbst gebrandmarkt hat; kein Deutscher, dem die Ehre seines Landes heilig ist, wird ihn fortan mehr in seiner Gesellschaft dulden können.« Lieber alter Freund! Sie sind alt geworden und wissen nicht, was Sie sprechen. Um der Menge zu gefallen, hätte ich die deutsche Nation verspottet? Das wäre doch ein sonderbares Mittel! Was ist denn die Nation anders als die Menge? Verspottet man einen, wenn man ihm gefallen will? Sie freilich und Ihre Bande, Sie verstehen unter Nation nicht die Menge, sondern nur die dreißigtausend unter dreißig Millionen Menschen, welche die Blutsauger des Volks sind, die, ohne Vaterland und selbst ohne Fürsten, nur den Hof kennen, an den sie festgeschlossen, und keinen andern Gott haben als den Hofknecht, der ihnen ihr Futter vorwirft. Diese Nation würde ich wohl verspottet haben, wenn sie eine Ehre hätte, die man verwunden könnte, und wenn sie nicht, sobald sie satt ist, jedes Spottes spottete. Ach, bester Freund, es wäre recht schön, wenn mich künftig kein Deutscher in seiner Gesellschaft duldete; aber ich fürchte, man duldet mich nach wie vor. Wie oft waren wir nicht in frühern Zeiten in der Gesellschaft manches braven Mannes, dem die Ehre seines Landes heilig ist, und doch wurden wir nicht zur Türe hinausgeworfen! Man wußte, daß wir betrügerische Schuldenmacher, unverschämte Bettler, lausige Schmarotzer, ehrlose Kuppler, feile Lohnschreiber und die niederträchtigsten Spione aller europäischen Höfe wären und daß wir unser deutsches Vaterland für tausend Silberrubel zehntausendmal verraten – und doch warf man uns nicht zur Tür hinaus! Es ist aber ein geduldiges Volk, das deutsche! Wie gerne ließe ich mich zur Tür hinauswerfen, wenn nur das zur heilsamen Übung unter den Deutschen würde, daß sie nicht länger niederträchtige Schurken, die sie im Grunde ihrer Seele verachten, aus weibischer Ängstlichkeit wie ehrliche Leute und Menschen, die sie hassen, aus dummer Höflichkeit mit Achtung behandeln! – »Bevor Ref. dieses im Vergleich zu der Niederträchtigkeit des Buches noch sehr gelinde Urteil nur durch einige Belege, wie sie ihm gerade in die Augen fallen, motiviert, hat er sich dagegen zu verwahren, als ob er zu den Judenfeinden gehöre, zu welchen man seine Landsleute so gerne rechnet... Er schätzt den braven aufgeklärten redlichen Mann, wessen Religion er auch sein möge. Wenn er aber alle die Verworfenheit, welche man gewöhnlich dem jüdischen Volke schuldgibt, so schamlos ausgesprochen sieht, wie in diesem Buche des Herrn Baruch Börne... dann kann er auch, tief empört über solche Schändlichkeit, gegen den Juden auftreten. Auch er muß am Ende überzeugt werden, daß solcher schamlosen Frechheit und seichten Frivolität nur der Jude fähig ist.« Seht ihr, ihr gemeinen bürgerlichen Rezensenten! Ihr habt euch gegen mich, den Juden, ereifert; aber ihr habt es mit eurer gewöhnlichen tölpelhaften Art getan. Lernt von diesem Hofzeitungsschreiber, wie man mit Hofmanier grob sei. Als er gegen den Baruch in Börne losziehen wollte, durch welche Teilung er nichts gewann, als was Goethes Zauberlehrling durch Spaltung des Besenstiels gewonnen: daß er von zweien bedient wird, statt früher von einem – bedachte er: Halt! Dem Herrn von Moses bin ich Geld schuldig; von Herrn von Aaron will ich Geld borgen; bei Herrn von Jakob werde ich oft zu Tische geladen, Herr von Abraham zahlt mir meine russischen Gelder aus; Herr von Isaak hinterbringt mir, was am Münchner Hof vorgeht; Herr von Joseph besorgt mir meine Wiener Korrespondenz – ich muß diese kostbaren Leute schonen und nun sagen, die Juden wären brave scharmante Leute, und der Baruch Börne mache eine Ausnahme. Von dem lernt, ihr Flegel. Und fragt ihr mich, wie viele Dukaten und Flaschen Champagner es mich gekostet haben würde, den Stuttgarter Hofzeitungsschreiber zu meinem Lobredner zu machen? so sage ich euch: »Ich bin ein Lump, wie ihr alle seid; aber diese kleine Ausgabe hätte mich nicht belästigt.«

Der arme Teufel fühlt es manchmal selbst, daß zum Schreiben die Finger allein nicht hinreichen, wie auch ein Geist dazu gehöre, und dann, im Gefühle seiner Armseligkeit, ruft er den Geist Mendelssohns aus dem Grabe hervor, daß er ihm beistehe in seiner Not. »O edler Moses Mendelssohn, im Grabe mußt du dich umwenden, daß länger als ein halbes Jahrhundert nach dir einer deines Volkes also schwatzen kann!« Und da der edle Moses Mendelssohn auf die Beschwörung eines Taugenichts natürlich nicht erschien, wurde er zum zweitenmal hervorgerufen. »Nochmals rufe ich den Schatten des edlen Mendelssohns an. Zürnend erscheine deinem entarteten Enkel und bessere ihn, wenn es möglich ist!« Vielleicht wundert man sich darüber, daß ein Hofzeitungsschreiber so romantisch ist; aber was kann man nicht alles sein für dreitausend Gulden jährlich? Gebt dem Manne sechstausend Gulden, und er wäre imstande und würde ein ehrlicher Mann dafür.

Der Stuttgarter Hofzeitungsschreiber wie die ganze Schafherde, die gegen mich geblökt, fürchtet mich mehr als den bösen Wolf und sähe daher gar zu gern, daß ich keine Gelegenheit versäumte, mich totschießen zu lassen. So ein Schuß ist freilich eine Kritik, die keine Antikritik zu fürchten hat. Darum sucht der Narr auch meinen Ehrgeiz rege zu machen und sagt: »Bald will Herr B. nur Revolutionen und zappelt krampfhaft darnach, bald fürchtet seine erbärmliche Judenseele sie ängstlich, wie im 19 ten Brief. Sooft Spektakel und Auflauf war in Paris, hatte er Zahnweh oder dicke Backen und jammert dann hinterdrein wahrhaft kindisch-komisch, nicht dabei gewesen zu sein.« Mein guter alter Freund, wo haben Sie denn im 19 ten Brief Furcht gefunden? Unser Mut und unsre Bangigkeit sind freilich sehr verschieden voneinander. Sie fürchten alles, nur die Polizei nicht, weil Sie unter deren besonderem Schutz stehen; ich aber fürchte nichts als den Meuchelmord der Polizei, eine offene Kugel fürchte ich nicht. Wenn ich Sie früher oder später einmal in Stuttgart besuche, werde ich Ihnen beweisen, daß eine dicke Backe einen wirklich am Ausgehen hindern kann und daß, wenn man in Paris zu Hause bleibt und man als Oberspion keine andern Spione unter sich hat, man nicht erfährt, was sich in der Stadt ereignet.

Es gab noch mehrere solcher Narren, die, um mich loszuwerden, einen kindischen Ehrgeiz in mir aufzuregen suchten. Als sie erröten mußten, daß ich, ich allein unter all den Stummen und Verschnittenen, es gewagt, den Unterdrückten des Volks die Wahrheit zu sagen, da meinten sie: Welch ein großer Mut, sich in Paris hinzusetzen und dort gegen deutsche Regierungen zu schreiben. Und jetzt hoffen sie, ich würde hurtig wie ein törichter Knabe in die Höhle des Tigers laufen. Und was ist die Höhle des Tigers gegen das dunkle und heimliche Gericht, worin deutsche Regierungen die Beleidigung ihrer himmlischen Allmacht rügen? In dunkler Nacht aus dem Bette gezerrt werden von Räubern, die sich Gerichtsdiener nennen; dummen, tückischen, abergläubischen Staatspfaffen, die, ihren Gott im Bauche, der sie füttert, verehrend, die kleinste Beleidigung ihres Gottes grausam strafen – ihnen Rede stehen, während sie sitzen und verdauen; und dann aus der Welt zu verschwinden, wie eine Seifenblase, nicht Luft, nicht Erde zeigt unsre Spur; ausgelöscht im Gedächtnisse seiner sehr deutschen Mitbürger, welchen der kleinste Schreck den Kopf trifft, welchen Polizeifurcht wie ein Sirokko das Herz ausdörrt; und dann zu schmachten in einem feuchten Gewölbe, ohne Licht, ohne Luft, ohne Buch, ohne Freundestrost, erfrierend von dem kalten Blicke der Kerkerwärter – den Mut verlangt ihr von mir? Gebet mir offenes Gericht, gebet mir den Schutz, den in Frankreich noch der Mörder hat, gebet Preßfreiheit, daß meine Freunde aus den Zeitungen ersehen können, wo ich hingekommen, und dann will ich euch zu Rede stehen. Aber ihr werdet euch wohl hüten, das zu tun; denn ich stünde dann euch nicht Rede, ihr müßtet mir und dem Volke Rede stehen. Fragt Massenbach, fraget Ypsilanti, fraget die andern Schlachtopfer alle, wie sie im Kerker gelebt, warum sie gestorben? Gehet hin, fragt sie, sie stehen jetzt vor Gott und brauchen nicht mehr zu schweigen. Fraget Jahn, der endlich freigekommen, was seine Richter ihn gefragt! Er schweigt, er darf nicht reden. An einer langen Kette hält man ihn fest – das ist seine Freiheit. Fraget Murhard in Kassel, der schuldlos erklärt worden, warum er im Kerker geschmachtet? Er ist stumm. Er hat schwören müssen, die Geheimnisse der Tyrannei nicht zu verraten. Die törichten Menschen! Solch einen Eid halten, den man ihnen, den Dolch auf der Brust, abgezwungen? Der lästert Gott und verrät die Liebe, der lebendig aus der Höhle der Tyrannei kömmt und seinen Brüdern nicht erzählt, was im Dunkeln die Bosheit übt und die Unschuld leidet. Ich hielte solchen Schwur nicht; es ist Sünde, ihn zu halten.

Ich habe in meinen Briefen gesagt: im nächsten Jahre würde das Dutzend Eier teurer sein als das Dutzend Fürsten – und jetzt, lieber alter Freund, machen Sie sich lustig über mich, weil von dieser Prophezeiung » gerade das Gegenteil eingetroffen«. O ich möchte mich aufknüpfen! Das da habe ich nicht erfunden! Ich räume Ihnen ganz beschämt den ersten Platz ein, Sie sind ein viel feinerer Spaßvogel als ich. Warum sind Sie nicht immer so fein? Warum – Sie, ein Hofzeitungsschreiber, ein Dietrich zu den größten wie zu den kleinsten Kabinettskasten aller Fürsten Europas, ein Meisterschelm, der die Polizei selbst betrügt – warum sind Sie zuweilen so grob, daß Sie in Verdacht geraten, ein ehrlicher Mann zu sein und Ihren wohlerworbenen Ruf gefährden? Wie konnten Sie sich nur vergessen, » Ei, ei« zu rufen? Ei, ei – ist das nicht die Essenz der Dummheit? Riecht das nicht den Philister eine Meile im Umkreise? Ich ließe mich lieber totschlagen, ehe ich ei, ei sagte oder schriebe. Und Sie haben ei, ei drucken lassen – leugnen Sie es nicht! Um mich über die Eleusinien der deutschen Höfe lustig zu machen, erzählte ich, daß der profanste aller Sterblichen, ein deutscher ungeadelter jüdischer Jüngling, in gemeiner Reitertracht auf einem Hofballe des Allerchristlichsten Königs getanzt. Und Sie bemerkten darauf: » Ei, ei, Herr Baruch Börne, man sollte fast glauben, daß Ihnen doch die Zeit ein wenig lange wird, bis Sie sich herablassen können, einer Prinzessin oder Herzogin die Hand zum Tanze zu reichen!!« Ich bitte Sie, zeigen Sie mir die Brücke, die von meinem Spotte zu Ihrem führt; ich kann sonst nicht hinüberkommen. Und ei, ei! Ehe ich Ihr » Ei, ei« gelesen, war es mir eine Belustigung, mich mit Ihnen zu necken, aber dieses Ei, ei hat mich ganz verstimmt, und unwillig rufe ich aus: es ist eine Schmach! Mit solchem Ei-ei-Gesindel muß ich mich herumschlagen!

Der Stuttgarter Hofzeitungsschreiber, als er den höchsten Gipfel der Begeisterung erreicht – dort oben in jener reinen Höhe, wo der Hofzahlmeister wohnt; in jener seligen Stunde, wo er sein Quartal empfangen, sagt er, schreibt er als heiße, gefühlausströmende Quittung: » O du elende Schmeißfliege!« Nein das ist zu arg, und » was zu arg ist, ist zu arg«, sagt Eduard Meyer in Hamburg. Erst jetzt verstehe ich das große Wort. Und du mit einem kleinen d – so alles Herkommen und deutsche Sitte verhöhnend! Und O! Hätte er wenigstens gesagt: Ach, du elende Schmeißfliege! Eine Grobheit, die mit Ach anfängt, kann ein vernünftiger Mensch eigentlich gar nicht übelnehmen. Ach ist ein Ausatmen, und von einer Grobheit zeigt es an, daß die Grobheit in dem Menschen gesteckt und daß er, bloß sich Luft zu machen, sie ausgesprochen. O aber ist ein Einatmen und verrät, daß eine Grobheit, die damit beginnt, außer dem Menschen gewesen, daß er sie vorsätzlich aufgenommen und daß, wenn der Grobian das Maul gehalten, er nicht grob gewesen wäre. Man wird daher finden, daß alle Grobheiten in meinen gesammelten Schriften mit ach anfangen, in einigen wenigen Fällen ausgenommen, wo ich als Ironie o gebrauchte.

Der Freund, der mir aus Stuttgart das Hofblättchen mit dem Stallartikel schickte, schrieb: er wäre von Lindner, und er erkenne seine Art in der Schmeißfliege. Aber das beweist nichts; es gibt oft täuschende Ähnlichkeiten, und ich glaube es nicht. Doch wer ihn auch verfaßt! O du elende Schmeißfliege! ist zu arg, und das lasse ich mir nicht gefallen. Glaubt ihr denn, weil ich so lange geschwiegen, ich würde das fort geduldig anhören? Warum glaubt ihr das? Etwa weil ich ein Deutscher bin? Aber höret, was Eduard Meyer sagt: »Der Deutsche ist geduldig, schweigsam und bedenklich, aber doch nur bis zu einem gewissen Grade. Wenn ihm die Geduld reißt, wenn er das Schweigen bricht und einen Entschluß gefaßt hat, so wird sich mancher wundern über die scheinbare Umwandlung seiner Natur. Und ich fühle es, daß auch ich ein Deutscher bin... Man muß dem Gesindel einmal auf die Finger klopfen, daß etwas Furcht hineinfährt!« Ja, ich fühle es, daß auch ich ein Deutscher bin! Wehe euch, wenn mir die Geduld reißt! Wehe dem Gesindel, wenn ich ihm auf die Finger klopfe, daß Furcht hineinfährt! Ich gebe euch mein Wort: sie fährt nicht wieder heraus. Ja, ich bin ein Deutscher! Ja, mir reißt die Geduld! Ja, ich klopfe! Ihr Schlingels, ihr Flegels, ihr Ochsen, ihr Esel, ihr Schweine, ihr Schafe, ihr Mordbrenner, ihr Spitzbuben, ihr jämmerlichen Wichte, ihr Sch – doch ohne Leidenschaft! Alles mit Ordnung. Ihr!

A.

Aalquappen, Aasfliegen, Abdecker, Abendländer, Aberwitzige, Achselträger, Affen, Alltagsgesichter, Ameisenfresser, Anfänger, Angeber, Anschwärzer, Aristokraten, Auerochsen, Aufpasser, Aufschneider, Aufwischlumpen, Auskundschafter, Ausreißer, Ausrufungszeichen, Austerschalen, Auswurf, Autoren;

B.

Bagage, Bandwürmer, Bängel, Bärenhäuter, Bauchdiener, Bauchredner, Bedienten, Bestien, Beutelschneider, Blattläuse, Blutigel, Bösewichter, Brecheisen, Brechpulver, Brotdiebe, Brudermörder, Brummbären, Brunnenschwengel, Büffel, Buschklepper, Butterfässer;

C.

Cabalenmacher, Censoren, Charlatane, Chinesen, Correkturbogen;

D.

Dachshunde, Delinquenten, Demokraten, Despoten, Dichterlinge, Diebe, Diebslaternen, Dienstboten, Diplomatiker, Doggen, Dompfaffen, Dornbüsche, Dreckkäfer, Druckfehler, Dubletten, Duckmäuser, Dummköpfe, Düten;

E.

Eintagsfliegen, Eisschollen, Elentiere, Esel, Eselsköpfe, Eulen;

F.

Falschmünzer, Ferkel, Filzläuse, Fischweiber, Fladen, Fledermäuse, Flegel, Fratzengesichter, Frostbeulen, Fußschemel;

G.

Galgenvögel, Gaudiebe, Gecken, Gegenfüßler, Geheimschreiber, Geifermäuler, Gelehrte, Gemeinschreiber, Giftmischer, Gimpel, Gliedermänner, Glockenschwengel, Grobiane, Grundeln, Grundsuppen;

H.

Halunken, Hasenfüße, Heringe, Hofhunde, Hofnarren, Hunde, Hundsfötter, Hungerleider;

J.

Janitscharen, Insgesamt, Johanniswürmchen, Irrwische;

K.

Kammerdiener, Käsemaden, Kellerwürmer, Kerls, Kellerhunde, Kipper und Wipper, Kleckse, Kleinstädter, Klöße, Klötze, Knechte, Kostgänger, Kotkäfer, Krähen, Krautköpfe, Krebse, Krüppel, Kundschafter, Kürbisse;

L.

Laffen, Lästermäuler, Laxiermittel, Lebkuchen, Lehrjungen, Leibeigene, Lichtstumpen, Lieferanten, Lohnbedienten, Lotterbuben, Luder, Luftpumpen, Lümmel, Lumpen, Lumpenhunde;

M.

Makulatur, Maden, Mamelucken, Mastvieh, Maultrommeln, Maulwürfe, Mispeln, Milchbrötchen, Mistkäfer, Mordbrenner, Murmeltiere;

N.

Nachtgeschirre, Nachtmützen, Nachtwandler, Narren, Nudeln;

O.

Ochsen;

P.

Papageien, Pedanten, Pharisäer, Philister, Pinsel;

Q.

Quantitäten, Quappen, Quarke, Quintaner, Quitten;

R.

Rapunzeln, Räucherkerzchen, Rezensenten, Rekruten, Referendare, Renegaten, Resonanzböden, Rohrdommeln, Rotznasen;

S.

Schafe, Schafsköpfe, Schandbuben, Scheuerlappen, Schinderknechte, Schindmähren, Schlaraffengesichter, Schlingel, Schlucker, Schmarotzer, Schmeißfliegen, Schnitzel, Schufte, Schulfüchse, Schurken, Schweine, Skribler, Siebenschläfer, So so, Söldner, Spanferkel, Speichellecker, Spione, Spürhunde, Stiefelknechte, Stimmgabeln, Stockfische, Stöpsel, Sudler;

T.

Tagediebe, Tagelöhner, Taugenichtse, Teekessel, Tintenkleckse, Tölpel, Trampeltiere, Tremulanten, Trommelschläger, Trompeter, Troßjungen, Trüffelhunde, Tuckmäuser;

U.

Unleserliche, Untertanen, Unverschämte;

V.

Verschnittene, Verjagte, Vielschreiber, Vorhängschlösser;

W.

Wachsbilder, Waldfrevler, Wandläuse, Wanzen, Wassergeister, Wasserköpfe, Weihrauchfässer, Wespen, Wetterhähne, Wichte, Windmühlen, Wische, Wohledelgeborne, Wohlgeborne, Würmer, Wurstmäuler;

Z.

Zahnstocher, Zeitungsschreiber, Zeloten, Zeugdrucker, Zitteraale, Zwerge. – Ihr sollt sehen, daß ich mit euch fertig werden kann.

Jetzt aber bitte ich den ersten Kunstkenner seiner Zeit, den Herrn Geheimen Kabinettssekretär Saphir in München, öffentlich zu entscheiden, wer von uns gröber gewesen. Nicht der Herr Saphir oder ich – so anmaßend bin ich nicht, sondern Herr Meyer, Herr Wurm, Herr Hering, Herr Robert, Herr Pittschaft, die »Münchner Hofzeitung«, die »Stuttgarter Hofzeitung«, die »Mannheimer Zeitung«, die »Berner Zeitung« und alle die andern Menschen und Blätter, die ich nicht gelesen, sie alle für einen gezählt – oder ich, jenen allen der einzelne gegenüber.

Ende des Herings-Salats.


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