Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

20

Wenn Bob Eden geahnt hätte, wer ihnen auf der Fahrt zur Mine begegnet war, so wäre er vielleicht doch, trotz seiner Sorge um Paula, nach Maddens Ranch zurückgeeilt. Aber auch der Insasse des anderen Autos hatte Bob nicht erkannt, Der Wagen machte vor dem Farmhaus halt. Diensteifrig machte der Chauffeur sich daran, das Tor zu öffnen.

»Lassen Sie das nur!« wehrte sein Fahrgast ab. »Sie können jetzt umkehren. Wieviel bin ich schuldig?« Es war ein untersetzter Herr, etwa fünfunddreißig Jahre alt, nach neuester Mode gekleidet und von hochmütigem Benehmen.

Madden, der mit Thorn und Gamble am Kaminfeuer saß, blickte ärgerlich auf, als es an der Haustür klopfte. »Wer zum Teufel …« knurrte er. Der Sekretär ließ den Besucher ein.

»Ich möchte Mr. Madden sprechen!«

Der Millionär erhob sich. »Sie wünschen?«

Der Fremde reichte ihm die Hand. »Sehr erfreut, Sie zu treffen, Mr. Madden! Mein Name ist Viktor Jordan. Ich bin der Vorbesitzer der Perlen, die Sie in Frisko gekauft haben.«

Ein beglücktes Lächeln huschte über Maddens rotes Gesicht. »Oh, wie liebenswürdig von Ihnen, sich persönlich zu bemühen! Mr. Eden deutete an, daß Sie kommen würden …«

»Wie konnte er? Er hat es doch gar nicht gewußt!«

»Er hat Ihren Namen auch nicht genannt. Aber er teilte mir mit, daß die Perlen heute abend um acht Uhr hier sein würden …«

Viktor starrte ihn an. »Um acht Uhr hier? Ja, was hat denn dieser Eden eigentlich angestellt? Die Perlen sind doch bereits vor acht Tagen aus San Franzisko mitgenommen worden.«

»Was!?« Maddens Gesicht wurde dunkelrot. »Er hat sie während der ganzen Zeit gehabt? Dieser heimtückische Duckmäuser! Ich breche ihm die Knochen – ich drehe ihm das Genick um.« Er mußte sich eine Atempause gönnen. »Aber er hat sich aus dem Staub gemacht, der hinterhältige Bruder! Vor anderthalb Stunden etwa fuhr er ab …«

»Nun, das ist nicht so schlimm, wie es aussieht! Er selber hatte ja die Perlen nicht bei sich. Charlie hatte sie.«

»Wer ist Charlie?«

»Nun – Charlie Chan, von der Polizei in Honolulu. Der sie von Hawaii hergebracht hat.«

»Ein Chinese?«

»Natürlich. – Der ist doch auch hier, nicht wahr? Wenigstens habe ich es seinerzeit so verstanden.«

Ein böses Funkeln glitzerte in Maddens Augen. »Ja, der ist hier. Sie nehmen an, daß er die Perlen immer noch hat?«

»Unbedingt! In seinem Gürtel. Rufen Sie ihn! Er soll Ihnen das Kollier auf der Stelle aushändigen.«

»Vortrefflich!« kicherte der Hausherr. »Wollen Sie bitte ein paar Minuten ins Nebenzimmer kommen, Mr. Jordan!«

Viktor, gegen reiche Leute stets höflich, ließ sich in Maddens Schlafzimmer führen. Als der Millionär zurückkam, war er in glänzender Stimmung. »Das nenn' ich Glück!« frohlockte er. »Und daß dieser Koch …« Er trat an die Tür »Ah Kim!«

Viktor sah den Chinesen hereinwatscheln und Madden unschuldig anschauen. »Was Hell wünschen?«

»Ich mochte ein paar Worte mit dir reden.« Madden gab sich leutselig, fast gütig. »Wo hast du gearbeitet, ehe du hierherkamst?«

»Albeit, übelall, Hell! Ich legen Schwellen auf Boden bei Eisenbahn …«

»In welcher Stadt?«

»Nicht Stadt, Hell! Kein Haus da. – Schwellen gelegt …«

»Du meinst, du bist beim Bahnbau in der Wüste beschäftigt gewesen?«

»Ja, Hell, Sie jetzt velstehen.«

Madden lehnte sich behaglich zurück und verschränkte die Arme. »Ah Kim, du bist ein gottverdammter Lügner! Ich weiß nicht, was du mit deinem Versteckspiel bezweckt hast, aber damit ist's jetzt vorbei!« Er erhob sich. »Kommen Sie bitte herein, Mr. Jordan!«

»Charlie, was soll all der Unsinn heißen?« zeterte Viktor unwirsch. »Was bedeutet die Verkleidung?«

Der Mann aus Honolulu stand stumm. Madden lachte. »Es ist aus, Charlie – wenn das dein wirklicher Name ist! Hier steht der Eigentümer der Perlen, die du nutzlos in deinem Gürtel herumschleppst …«

Chan zuckte die Achseln. »Mr. Jordan sagt nicht Wahrheit«, erwiderte er und ließ mit einem Seufzer der Erleichterung sein Pidgin-Kauderwelsch fallen. »Er hat nicht Anspruch auf Perlen. Sie gehören seiner Mutter, der ich versprach, sie zu beschützen mit meinem Leben.« –

»Aber, Charlie, wozu die Spitzfindigkeiten? Ich habe den ewigen Aufschub satt, und meine Mutter hat mich ermächtigt, mit dieser Trödelei Schluß zu machen. Wenn du mir nicht glaubst, lies dies!«

Charlie Chan sah einen Brief in Alice Jordans altmodischer Handschrift. »Da gibt es freilich nur eine Antwort.« Er blickte nach der Uhr, die neben dem Verandafenster hing. »Obwohl ich würde vorziehen, zu warten, bis Mr. Eden –«

»Was geht dich Eden an? Rücke endlich die Perlen heraus!«

Chan verbeugte sich, drehte sich um und machte sich an seiner Weste zu schaffen. Die Perlenschnur der Phillimores schimmerte in seiner Hand …

Gierig griff Madden danach. »Endlich – endlich!«

Gamble sah ihm über die Schulter. »Herrlich!« murmelte er entzückt.

»Einen Augenblick, Mr. Madden! Sie wollen gütigst ausfertigen die Empfangsbestätigung!«

Der Hüne setzte sich an seinen Schreibtisch. »Hab' heute nachmittag schon alles vorbereitet – brauch' nur zu unterzeichnen.« Er legte die Perlen auf die Schreibunterlage und entnahm der oberen Schublade ein mit der Maschine beschriebenes Blatt. Bedächtig malte er seine Unterschrift und brummte: »Mr. Jordan, ich bin Ihnen äußerst dankbar, daß Sie der Zauderei ein Ende gemacht haben. Nun ist alles erledigt, und ich kann abreisen.«

Mit gleichgültiger Geste händigte er Chan die Empfangsbescheinigung ein. Er bemerkte nicht, daß in dessen sonst so nichtssagenden Augen ein seltsames Feuer glühte. Der gelbe Kriminalbeamte griff nach dem Blatt, das Madden ihm reichte – riß dann die Perlen rasch an sich und ließ sie in seinem weiten Ärmel verschwinden.

»Was soll das heißen?« brüllte der Millionär. »Du verrückter –«

»Schweigen Sie! Ich die Perlen behalte …«

»Was? Du behältst …« Madden zog einen Revolver. »Das wollen wir doch sehen …«

Es gab einen lauten Knall, aber nicht aus Maddens Waffe, sondern aus Charlie Chans Seidenärmel. Der Revolver des Hausherrn fiel zu Boden, und von seiner Hand tropfte Blut.

»Nicht bücken!« Die Stimme des Chinesen klang plötzlich hoch und schrill. »Ich mußte gehen einen langen Weg, aber jetzt ich bin endlich am Ziel. Nicht bücken – oder ich jage eine Kugel durch irgendeinen Kopf.«

»Charlie – bist du irrsinnig?« schrie Viktor außer sich.

»Nicht, daß ich wüßte!« lächelte Chan. »Haben Sie die Güte, zurückzutreten, Mr. Madden!« Er hob die Waffe auf. »Bill Harts Geschenk, scheint es. Sehr schönes Stück, das jetzt ich werde benutzen.« Er trat zu dem verdutzten Madden, durchsuchte ihn und stellte einen Stuhl mitten ins Zimmer. »Hierher – wenn ich bitten darf.«

»Der Teufel soll dich holen!« donnerte der Millionär.

»Ruhe! Und nehmen Sie Platz!«

Der große P. J. starrte seinen unscheinbaren Widersacher verdrossen an und ließ sich dann krachend auf dem Stuhl nieder.

»Mr. Gamble!« Chan befingerte auch die schmächtige Gestalt des Professors. »Sie haben die hübsche kleine Pistole gelassenen Ihrem Zimmer? Das trifft sich gut. Dies sei Ihr Stuhl, Verehrtester! Und Mr. Thorn dürfen wir nicht vergessen: Er gleichfalls ist unbewaffnet. Bitte sehr, hier auch für Sie ist bequemer Sitzplatz!« Er trat ein paar Schritte zurück und musterte mit einem Schmunzeln der Befriedigung die verdutzte Kumpanei. »Viktor, ich mache ergebenen Vorschlag, daß Sie sich anschließen der Gruppe, Sie törichter junger Mann – der Sie waren immer schon in Honolulu!« Er schob einen Rohrsessel zwischen die Sitzenden und blickte dann nach der Uhr. »Auch ich will mich setzen; denn vielleicht wir müssen lange harren. Mr. Thorn, wollen Sie nehmen ein Taschentuch und verbinden Ihrem Chef die verwundete Hand!«

»Worauf zum Teufel warten wir?« zischte der Millionär.

»Auf Rückkehr des Mr. Bob Eden. Ich ihm habe allerlei mitzuteilen.«

Mürrisch verband der bleiche Sekretär die Wunde. Geduldig, mit der Unerschütterlichkeit seiner Rasse, starrte Charlie Chan auf das seltsame Grüppchen seiner Gefangenen. Fünfzehn Minuten verstrichen, eine halbe Stunde verging – es ging bereits auf neun Uhr.

Viktor Jordan rutschte unruhig hin und her. Wie konnte man diesem Börsenmagnaten gegenüber so respektlos sein! »Charlie, du bist wahrhaftig nicht recht bei Trost!« schimpfte er erbost.

»Mag sein! Wir werden abwarten und sehen!«

Auf dem Hof war ein Auto zu hören. Chan nickte vor sich hin. »Nun langes Harren ist vorüber. Gleich wird Mr. Eden erscheinen!«

Klopfen an der Tür. Ein stämmiger Herr mit rotem Gesicht stelzte herein, gefolgt von einem schmächtigen Begleiter.

Madden sprang auf. »Inspektor Bliß! Welch ein Glück, daß Sie kommen – gerade zur rechten Zeit!«

»Was hat dies alles zu bedeuten?« staunte der Schmächtige.

»Mr. Madden«, krähte der Polizeibeamte, »ich habe den Polizeichef, Mr. Harley Cox mitgebracht. Mir scheint, Sie brauchen uns hier.«

»Allerdings. Dieser schlitzäugige Bursche ist wahnsinnig geworden. Entwaffnen und verhaften Sie ihn!«

Cox trat auf den Asiaten zu. »Gib mir deinen Revolver, Alter! Du weißt, was das nach sich zieht! ein Chinese mit einer Schußwaffe in Kalifornien: Deportation. Großer Gott, er hat sogar zwei!«

»Meine Herren«, rechtfertigte sich Charlie würdevoll, »gestatten Sie, daß ich mich vorstelle: Kriminalbeamter Chan von der hawaiischen Polizei.«

Der hohe Beamte lachte aus vollem Halse. »Was du nicht sagst! Und ich bin die Königin von Saba! Wirst du auch die andere Waffe aus der Pfote legen, oder willst du dich einem Beamten der Vereinigten Staaten widersetzen?«

»Ich mich nicht widersetze. Ich nur mache Sie aufmerksam, daß ich bin Kollege und möchte Sie bewahren vor Irrtum, der Ihnen schafft bittere Reue.«

»Die Gefahr will ich gern auf mich nehmen, mein Lieber! Also was geht hier vor?« Cox wandte sich an den Hausherrn. »Wir kommen wegen der Ermordung Louie Wongs. Bliß hat Ihren gelben Koch gestern abend zusammen mit Ihrem Gast, Mr. Eden, in der Bahn erwischt, in Zivilkleidern und in höchst verdächtiger Kameradschaftlichkeit.«

»Sie sind auf der richtigen Spur«, versicherte der Farmbesitzer. »Zweifellos hat er Louie erdolcht. Außerdem trägt er eine Perlenschnur bei sich, die mir gehört. Bitte, nehmen Sie sie ihm weg!«

»Gern, Mr. Madden!« Der Beamte wollte eine Leibesvisitation beginnen, aber Chan kam ihm zuvor. Er händigte ihm die Perlen freiwillig aus.

»Ich sie Ihnen übergebe zur Aufbewahrung. Als Hüter des Gesetzes Sie sind verantwortlich. Bedenken Sie, was Sie tun!«

Cox betrachtete den Schmuck. »Lauter Prachtstücke. Sie sagen, Mr. Madden, daß die Perlen Ihnen gehören?«

»Aber natürlich … Ich habe sie vor vierzehn Tagen durch Vermittlung des Juweliers Alexander Eden in San Franzisko erworben – aus dem Familienbesitz der Mutter dieses Mr. Jordan hier.«

»Stimmt vollkommen!« bekräftigte Viktor eifrig.

»Das genügt mir!« entschied Cox.

»Ich Ihnen sage, ich bin von Polizei von Honolulu …«

»Larifari! Bildest du dir vielleicht ein, ich glaube dir mehr als einem Mann wie Mr. Madden? Mr. Madden, hier sind Ihre Perlen!«.

»Einen Augenblick!« protestierte Chan. »Dieser Madden sagt, daß er ist derselbe, der von dem Juwelier in Frisko Perlen kaufte. Fragen Sie ihn bitte, wo liegt der Laden.«

»In der Poststraße!« schnarrte Madden zornig.

»In welchem Teil der Poststraße? Gerade gegenüber sich befindet berühmtes Gebäude. Welches Gebäude?«

»Mr. Cox«, trotzte der Millionär, »muß ich mir von einem chinesischen Koch ein solches Verhör gefallen lassen? Ich verweigere die Antwort. Die Perlen sind mein rechtmäßiges Eigentum …«

Viktor Jordans Augen hatten sich weit geöffnet. »Halt!« rief er. »Lassen Sie mich etwas fragen! Mr. Madden, meine Mutter hat mir von der Zeit erzählt, als Sie sie kennenlernten. In welcher Stellung befanden Sie sich damals?«

»Das ist meine Sache!« Dunkle Röte flammte in Maddens Gesicht.

Cox rieb sich ratlos die Stirn. »Vielleicht behalte ich das Kollier doch lieber noch eine Weile«, überlegte er. »Aber sag Alter, Verzeihung, Kriminalbeamter Chan, wenn das Ihr Name und Titel ist, – worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«

Jäh wandte er sich um, denn der athletische Hausherr war an die Waffensammlung herangetreten und hielt nun eine Pistole in der verbundenen Hand.

»Halt!« kommandierte er. »Ich hab' dies Affentheater jetzt satt! Hände hoch! Damit meine ich Sie, Cox! Gamble, nimm ihm die Perlen ab! Thorn, hol die Tasche aus meinem Zimmer!«

Mit einem raschen Sprung schnellte Chan auf den Riesen zu und schmetterte ihm mit behendem Hieb die Waffe aus der Faust. »Das einzige, was man lernen kann von Japanern«, erklärte er sanft. »Inspektor Bliß, machen Sie Gebrauch von Ihrer Polizeigewalt und legen Sie Thorn und dem sogenannten Professor da Handschellen an! Wenn Mr. Cox mir dann gütigst zurückgibt meinen Revolver, den ich benutzte als Kriminalbeamter in Hawaii, so ich werde diesen Mr. Madden in Schach halten!«

»Natürlich können Sie ihn bekommen!« stotterte Cox. »Und ich gratuliere Ihnen. Nie habe ich so viel Mut und Geistesgegenwart gesehen …«

Ein belustigtes Lächeln huschte über Chans gelbes Vollmondgesicht. »Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich widerspreche! Ich nämlich neulich in Morgenfrühe entladen sämtliche Waffen hier an der Wand. Eine staubige Beschäftigung – aber sehr nützlich, wie jetzt sich erweist.« Dann nahm er den verdatterten Hünen neben sich aufs Korn, »Hände hoch, Jerry Delaney!«

»Delaney?« echote Cox verständnislos.

»Brav gemacht, Charlie!« rief eine helle Stimme von der Veranda. »Sie haben es erfaßt! Aber wie in aller Welt haben Sie das herausgekriegt?«

»Vorhin, Mr. Eden, ich ihm habe die Waffe aus der Hand geschlagen. Sehen Sie den Verband und Sie werden bemerken, daß es ist die linke. In diesem selben Zimmer ich Ihnen sagte, daß Jerry Delaney Linkshänder sei.«

In der offenen Tür, hinter Bob stand ein erschöpft aussehender Mann von mächtigem Ausmaß. Einen Arm trug er in einer Schlinge und sein Gesicht war mehr als bleich. –

»Nun, Jerry«, knurrte er finster, »Sie sind ausgezeichnet! Aber das hat mir jeder erzählt, der Sie einst bei Jack McGuire sah. Wirklich ausgezeichnet. Wie Sie hier in meinem Haus in meinen Kleidern vor mir stehen, sehen Sie echter aus als ich selber!«


 << zurück weiter >>