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9

Im nächsten Augenblick stand Madden neben ihnen. Mit einem Fluch riß er Charlie die Lampe aus der Hand und neigte sich vor. Dort im staubigen Auto lag der leblose Körper des Mannes, der ihm viele Jahre lang treu gedient hatte. Und dennoch war in den Zügen des Millionärs keine Spur von Mitleid oder Bedauern – nur jäher Ärger. Die Leute, die von dem großen P. J. immer behaupteten, er habe kein Herz, hatten also die Wahrheit gesprochen …

Madden richtete sich auf und lenkte den Lichtschein auf die blasse Miene seines Sekretärs. »Nette Geschichte das!« zischte er erbost.

»Warum starren Sie mich so an?« stöhnte der zitternde Thorn.

»Ich starre Sie an, sooft es mir paßt! Obwohl ich, weiß Gott, den Anblick Ihrer Fratze satt habe …«

»Ich hab' auch von Ihnen nun bald genug!« warnte Thorn, – und seine Stimme bebte vor verhaltenem Groll. Einen Herz, schlag lang maßen die beiden einander, während Bob Eden sie verwundert betrachtete. Zum erstenmal bemerkte er, daß sie hinter der Maske ihrer Alltagsbeziehungen alles andere als Freunde waren.

Plötzlich lenkte Madden die Taschenlampe auf Charlie Chan. »Hier siehst du, Ah Kim: Dies war Louie Wong – den du bisher vertreten hast. Verstanden? Jetzt wirst du auf der Farm bleiben müssen, auch wenn ich fort bin. Wie steht's damit?«

»Ich bleiben wollen, Hell!«

»Gut. Trag den Toten ins Wohnzimmer! Ich rufe in Eldorado an.«

Er eilte über die Veranda, und nach kurzem Zögern hoben Chan und der Sekretär den schmächtigen Körper des Chinesen auf. Langsam folgte Bob Eden der seltsamen Prozession. Drinnen gestikulierte Madden aufgeregt am Telefon. Jetzt legte er den Hörer auf. »Wir müssen abwarten. Der Polizeikommissar aus der Stadt will so bald wie möglich mit dem Gerichtsarzt hier erscheinen. Verflucht noch mal! Die beiden werden mir das ganze Haus auf den Kopf stellen – und ich war hergekommen, um Ruhe zu haben!«

»Sie wollen wahrscheinlich wissen, Mr. Madden, was sich zugetragen hat«, begann Bob. »Ich habe Louie Wong in der Stadt getroffen, im Oasencafé. Mr. Holley hat ihn mir vorgestellt, und –«

Madden winkte ab. »Sparen Sie sich das für jenen Halbidioten! Eine schöne Geschichte – wahrhaftig!«

Wie ein Löwe im Käfig begann er im Zimmer auf und ab zu schreiten. Bob ließ sich in einem Sessel am Kamin nieder. Chan hatte sich hinausgetrollt, und Martin Thorn kauerte schweigsam auf seinem Stuhl. Bedrückt starrte Bob auf die flammenden Holzscheite. In was für eine Sache war er da hineingeraten? Was für ein Spiel wurde hier gespielt? Er begann sich weit fortzuwünschen, er sehnte sich nach Frisko, wo Licht war und Lärm und nicht dieser dumpfe Unterstrom von Haß, Argwohn und stummem Geheimnis.

Rattern eines Autos auf dem Hof. Madden selber öffnete. »Bitte kommen Sie herein, meine Herren!« Er preßte eine Art kratziger Liebenswürdigkeit in seine Stimme. »Es hat sich hier leider ein Unfall ereignet.«

Ein hagerer Mann mit braunem, verwittertem Gesicht trat heran. »Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle. Ich kenne Sie zwar, Mr. Madden, aber Sie werden mich nicht kennen. Sergeant Brackett. Und dies ist unser Gerichtsarzt, Doktor Simms. Es handelt sich um Mord? Wenigstens verstand ich Sie so.«

»Sie werden es vielleicht so nennen. Aber glücklicherweise wurde niemand verletzt. Kein Weißer, meine ich. Nur mein chinesischer Verwalter, Louie Wong.«

Ah Kim war gerade rechtzeitig eingetreten, um diesen Ausspruch zu hören, und seine Augen blitzten auf. Der Sergeant schritt zum Diwan. »Der arme Louie! Ich kann mir nicht vorstellen, daß die treue Seele einen Feind gehabt haben könnte.«

Der Arzt, ein frischer junger Mann, begann seine Untersuchung. Brackett wandte sich an Madden. »Wir möchten Sie so wenig wie möglich belästigen. Aber ein paar Fragen werden sich nicht umgehen lassen …«.

»Natürlich. Zu meinem Bedauern kann ich selber keine Auskunft geben. Ich befand mich im Haus, als mein Sekretär« er deutete auf Thorn – »hereinstürzte mit dem Bescheid, dieser Herr hier, Mr. Eden, sei soeben mit Louies Leiche in den Hof eingefahren.«

Der Sergeant blickte interessiert auf Eden. »Wo haben Sie ihn gefunden?«

»Er war wohl und munter, als ich ihm begegnete.« Bob berichtete von seinem Zusammentreffen mit Louie im Oasencafé, von der Fahrt durch die Finsternis der Wüste, dem Aufenthalt am Tor und endlich von der grausigen Entdeckung.

Brackett war verdutzt. »Höchst rätselhaft! Nach Ihrer Ansicht soll er ermordet worden sein, während Sie das Tor öffneten? Wie kommen Sie darauf?«

»Er hat während der Fahrt dauernd vor sich hingebrummelt. Und zwar auch noch, als ich am Tor ausstieg.«

»Was sagte er denn?«

»Er sprach chinesisch. Leider bin ich kein Sinologe.«

»Ich habe Sie ja auch nicht verdächtigt!«

»Ein Sinologe ist ein Gelehrter, der die chinesische Sprache beherrscht«, erläuterte Bob mit leisem Lächeln.

»Ach so!« Der Sergeant kratzte sich verlegen den Schädel. »Und jetzt der Sekretär …«

Thorn berichtete, er habe sich in seinem Zimmer aufgehalten und sei auf das verworrene Getöse hin in den Hof geeilt. Weiter wisse er nichts. Bob Edens Blick fiel auf den Riß im Rock des Sprechers. Er sah Charlie Chan an, aber der schüttelte verstohlen den Kopf. Nichts sagen! befahlen seine Augen.

»Wer ist sonst noch auf der Farm, Mr. Madden?«

»Niemand außer Ah Kim. Und der kommt nicht in Frage.«

»Das kann man nie sagen. – Hierher, gelbe Kröte!«

Mit unerschütterlichem Gesicht trat der Polizeibeamte aus Honolulu vor den Sergeanten. Wie oft hatte er dessen Rolle bei einer solchen Szene gespielt – nur weit besser, als es diesem beschränkten Kollegen je möglich sein würde!

»Hast du Louie Wong schon früher gesehen?« führ der Beamte ihn an.

»Nein, Hell – ich ihn nicht sehen.«

»Du bist neu hier, was?«

»Ich kommen Fleitag, Hell.«

»Wo hast du vorher gearbeitet?«

»Übelall, Hell. Gloße Stadt, kleine Stadt.«

»Wo zuletzt?«

»Eisenbahn, Hell. Santa-Fé-Eisenbahn. Schwellen legen.«

»So,« Dem Sergeanten gingen die Fragen aus. »Mir fehlt die Übung in solchen Dingen«, stotterte er wie zur Entschuldigung. »Hier muß die Kriminalpolizei eingreifen. Ich hab' sie angerufen, ehe wir abfuhren, und sie wird morgen früh Inspektor Bliß von der Mordkommission herschicken. Also brauchen wir Sie heute abend nicht länger zu behelligen, Mr. Madden.«

»Die Leiche nehmen wir mit in die Stadt«, bestimmte der Arzt. »Ich werde dort die Untersuchung beenden. Möglicherweise, komme ich dann morgen noch einmal her.«

»Bitte sehr!« versetzte Madden. »Treffen Sie nur alle erforderlichen Maßnahmen und lassen Sie mir eventuelle Rechnungen zugehen! Es tut mir leid, daß so etwas hier geschehen mußte.«

»Mir auch«, stimmte der Sergeant verdrießlich bei. »Aber es war mir eine Ehre, Mr. Madden, Sie kennengelernt zu haben. Auf Wiedersehen!«

 

Vor dem knisternden Kaminfeuer in Bobs Stube wartete Ah Kim. »Ich Holz blennen mache, Hell.«

Bob sank in einen Sessel. »Charlie, um Himmels willen, was geht hier vor?«

»Sehr viel. Zwei Nächte jetzt sind vergangen, seit ich sagte in diesem Zimmer, daß Chinesen seien sehr feinfühlig. Damals ich. sah auf Ihrem Gesicht ein höflich unterdrücktes Lächeln voll Spott.«

»Mag sein, lieber Charlie. Doch jetzt ist's aus mit dem Spott, und ich bin vollkommen ratlos. Dies Ereignis heute abend …«

»Höchst ungünstig – dies Ereignis heut abend!« sagte der Chinese nachdenklich. »Bescheiden ich möchte raten, Vorsicht zu üben, oder es ist alles verdorben. Jetzt paradiert lokale Polizei auf dem Schauplatz und läßt sich nicht träumen in engen Hirnen, daß Louie Wongs Ermordung nur ein Teil des Verbrechens ist.«

»Nur ein Teil?«

»Ja. Ähnlich wie der gewaltsame Tod des Papageis: Dahinter steht eine dunkle Tat, bestimmt, um zu verdecken eine noch finsterere Tat, welche ist geschehen, bevor wir eintrafen an dieser Stätte schlimmer Geheimnisse. Ehe der Vogel Tony verendete, ehe mein armer Landsmann unerwartet von hinnen mußte, starb ein Unbekannter, und ungehört verhallten seine Hilfeschreie. Wer es war? Vielleicht wir es erfahren werden eines Tages.«

»Sie nehmen also an, daß Louie getötet wurde, weil er zuviel wußte?«

»Genau wie Tony, jawohl. Sehr töricht von Louie, daß er nicht blieb in Frisko, wenn man ihn dorthin gerufen. Er machte den traurigen Fehler, unaufgefordert zurückzukehren. Eine Sache freilich ist mir rätselhaft.«

»Nur eine?«

»Augenblicklich eine. Louie geht fort Mittwoch morgen wahrscheinlich, ehe begangen wurde die finstere Tat. Was also er kann wissen? Ist die Tat in San Franzisko ruchbar geworden? Ich sehr betrübt, daß ich nicht mehr ihn sprach. Aber es gibt andere Fingerzeige.«

»Hoffentlich«, seufzte Bob. »Nur ich sehe sie nicht. Dies alles ist zu verzwickt für mich.«

»Für mich auch viel zuviel. Sehr rasch ich werde heimkehren, und Reisesehnsucht meines Lebens ist gestillt. Wir nur müssen wünschen, daß vorzügliche Polizei von Amerika nicht gleich entdeckt, wer Louie Wong hat ermordet. Sonst man erntet unsere Früchte, ehe sie reif sind. Die Herren von der Polizei müssen entfernt werden so rasch wie möglich von der Farm. Sie dürfen nichts finden.«

»Mit Brackett hätte das ja keine Schwierigkeiten«, lächelte Bob. »Aber bei Inspektor Bliß wird es nicht so einfach sein. Sie müssen sehr behutsam zu Werke gehen, Charlie, sonst sperrt man Sie ein.«

Chan nickte. »Neue Erfahrungen strömen ein auf mich auf großem Festland. Polizeibeamter Chan des Mordes verdächtig! Vielleicht ich lache darüber, einst daheim. Jetzt mir ist nicht danach zumut. Also gute Nacht …«

»Noch einen Augenblick! Was machen wir Dienstag nachmittag? Madden erwartet da den Boten mit den Perlen, und jetzt weiß ich keine Ausrede mehr.«

»Hat noch zwei Tage Zeit. Vieles noch kann bis dahin geschehen!«

 

Nach dem Frühstück am Montagmorgen erschien Will Holley auf der Bildfläche.

»Auch schon wieder da?« knurrte Madden mürrisch. Seine Stimmung hatte sich über Nacht nicht gebessert.

»Da ich ein schnell arbeitender Journalist bin, kann ich mir doch den ersten Mord nicht entgehen lassen, der seit Jahren hier passiert.« Er reichte dem Millionär eine Zeitung. »Übrigens hier eine Morgennummer aus Los Angeles. Unser Interview prangt auf der ersten Seite.«

Madden zeigte keinerlei Interesse. Über seine Schulter hinweg las Bob die Schlagzeilen:

 

Allgemeiner wirtschaftlicher Aufschwung bevorstehend,
sagt berühmter Börsenmann

P. J. Madden prohezeit in einem Interview auf seiner Farm geschäftlichen Aufschwung

 

Der Finanzgewaltige überflog den Artikel gelangweilt. Als er fertig war, fragte er: »Steht das auch in den New Yorker Zeitungen?«

»Überall im ganzen Land! Sie und ich sind über Nacht berühmt geworden, Mr. Madden. Aber wie ist das mit dem armen Louie?«

»Fragen Sie mich nicht!« Madden runzelte die Stirn. »Irgendein Dummkopf hat ihn umgebracht. Ihr Freund Eden kann Ihnen mehr davon berichten als ich.« Knurrend verließ er das Zimmer.

Bob und Holley sahen einander wortlos an; dann traten sie auf den Hof hinaus. »Eine hundsgemeine Roheit!« knirschte der Redakteur. »Louie war so eine gute alte Haut. Man munkelt, er sei im Auto umgebracht worden?«

Bob erzählte, was zu erzählen war. Sie entfernten sich weiter vom Hause. »Und wen haben Sie im Verdacht?« forschte Holley.

»Thorn. Aber Charlie sagt, Louies Ermordung sei nicht die Hauptsache, und es wäre besser, der Mörder würde nicht gleich entdeckt werden. Möglicherweise hat er recht.«

»Wahrscheinlich. Übrigens besteht auch keine Gefahr, daß man den Schuldigen gleich findet. Der Sergeant jedenfalls ist ein hilfloser Greis.«

»Und Inspektor Bliß?«

»Ein lärmender Großsprecher – mit einer verhängnisvollen Geschicklichkeit, stets den Falschen zu fassen. Der Polizeichef dagegen ist ein kluger Kopf, aber er will ja nicht selber kommen. Jetzt wollen wir uns mal die Stelle betrachten, wo Sie gestern abend das Auto stehenließen. Außerdem hab' ich ein Telegramm für Sie.«

Während sie das Tor durchschritten, überflog Bob die Depesche. »Papa teilt mit, daß er, um die Sache hinzuhalten, Madden vormachen wird, Draycott reise heute abend mit den Perlen ab.«

»Draycott?«

»Ein bekannter Privatdetektiv, den Papa öfters in Anspruch nimmt.« Bob grübelte verdrossen. »Ich finde all diese Schleichwege scheußlich. Und es ist keine Kleinigkeit, Madden immer wieder zu besänftigen. Aber vielleicht ereignet sich bis dahin noch irgend etwas.«

Sie untersuchten die Stelle, wo Bob gehalten hatte. Vielerlei Räderspuren waren erkennbar, doch keine Fußstapfen. »Selbst die meinen sind verschwunden«, wunderte sich Eden. »Glauben Sie, daß der Wind alles verweht hat?«

»Keinesfalls. Hier hat jemand mit einem Besen saubere Arbeit geleistet!« Sie traten beiseite, weil ein Wagen an ihnen vorbeifuhr. »Vermutlich Bliß mit dem Sergeanten. Wir helfen ihnen also nicht?«

»Im Gegenteil! Wir sehen zu, daß wir sie möglichst schnell wieder loswerden! Das ist Charlies Meinung.«

Im Wohnzimmer hörten sie Madden und Thorn mit den beiden Beamten verhandeln. Nach einer Weile kam Bliß heraus, hinter ihm der Hausherr und Brackett. Bliß begrüßte Holley als alten Freund, und der Redakteur stellte ihm Bob Eden vor.

»Ach richtig, Mr. Eden!« flötete der Inspektor mit öliger Stimme. »Sie wollte ich gern sprechen. Was haben Sie über die bedauerliche Affäre auszusagen?«

Bob empfand Abneigung gegen diesen dicken Polizeibeamten, dessen Ausdruck keine überragende Intelligenz verriet, erstattete ihm aber willfährig Bericht.

»Hm«, brummte Bliß. »Klingt sehr sonderbar.«

»Äußerst rätselhaft!« echote sein Kollege.

»Nicht wahr?« lächelte Bob. »Aber es ist die reine Wahrheit.«

»Ich muß mir den angeblichen Tatort ansehen!«

»Sie werden nichts finden«, warf Holley ein, »außer den Fußspuren dieses jungen Mannes und meinen eigenen, denn wir haben soeben eine Besichtigung vorgenommen.«

»So, haben Sie das?« Ergrimmt stelzte Bliß durch das Tor, und der Sergeant folgte ihm. Nach eingehender Untersuchung des Bodens kehrten die beiden zurück.

»Alles höchst rätselhaft«, brummte Brackett.

»Meinen Sie?« höhnte Bliß gereizt. »Denken Sie doch nur mal nach. Da ist dieser Chinese Ah Kim; er hat hier einen guten Posten, nicht wahr? Louie Wong kommt zurück. Was bedeutet das? Ah Kim wird seinen Posten verlieren.«

»Unsinn!« widersprach Madden ärgerlich.

»Meinen Sie? Ich kenne diese Chinesen, sag' ich Ihnen. Sie machen sich weiter keine Gedanken darüber, einem andern das Messer in den Bauch zu rennen. Gar keine Gedanken.« Ah Kim tauchte neben dem Hause auf. »Heda, du!« rief Bliß ihn an.

Bob Eden begann unruhig zu werden. Gehorsam wackelte Ah Kim heran. »Sie mich lufen, Hell?«

»Jawohl! Ich werde dich dingfest machen lassen, du tückischer Bursche – darauf kannst du Gift nehmen!«

»Wofül, Hell?«

»Weil du deinen Landsmann erstochen hast.«

Der Beamte aus Honolulu betrachtete diesen plumpen Zunftgenossen mit leblosen Augen. »Sie nällisch, Hell.«

»Meinst du?« Des Inspektors Miene verhärtete sich. »Ich will dir zeigen, wer hier närrisch ist. Lege lieber ein offenes Geständnis ab – das ist besser für dich!«

»Was fül Geständnis, Hell?«

»Wie du dich gestern abend hinausgeschlichen und Louie dein Messer zu kosten gegeben hast.«

»Ist Messel da, Hell?« fragte Ah Kim in harmloser Bosheit.

»Das geht dich nichts an!«

»Von almen alten Ah Kim Fingelspul auf Messel, Hell?«

»Halt den Mund!«

»Sie nachsehen, ob Pantoffel Spul in Sand gelassen, Hell?« Bliß starrte ihn schweigend an. »Darum ich sagen – Sie nällisch, Hell!«

Madden mischte sich ein: »Ich bitte Sie, Inspektor, Sie haben keine Beweise, und mir nehmen Sie da ohne jeden Grund den Koch weg!«

Bliß zögerte. »Ich weiß, daß er es getan hat. Beweisen werde ich es später.« Seine Augen blitzten. »Wie bist du hierhergekommen?«

»Ich Bülgel von Amelika, Hell. In San Flanzisko geboten. Jetzt fünfundvielzig Jahle alt.«

»Hier geboren? Amerikanischer Bürger? Stimmt das? Dann hast du wohl deinen Paß bei dir? Wie? Zeig her, mein Junge!«

Bob spürte voller Schreck das Brenzlige der Situation. Obwohl viele Chinesen überhaupt keinen Ausweis besaßen, würde hier das Fehlen der Papiere diesem beschränkten Beamten Vorwand genug sein, Chan auf der Stelle zu verhaften …

»Vorwärts!« kläffte Bliß.

»Was sagen, Hell?«

»Du weißt sehr gut, was ich meine. Deinen Ausweis … oder ich stecke dich ins Loch, ehe du –«

»Ach so, Hell, Paß? – Jawohl, Hell, sofolt!« Und vor Edens erstaunten Augen zog der Chinese ein abgegriffenes Stück Papier von der Größe einer Banknote aus der Bluse und händigte es dem Beamten ein.

Der las es, gab es verdutzt zurück. »Gut – aber ich bin mit dir noch nicht fertig!«

»Dank, Hell!« grinste Ah Kim freundlich. »Sie sehl nällisch, Hell! Guten Molgen!« Und er schlurfte davon.

»Ich sagte Ihnen ja, daß mir dies alles sehr rätselhaft ist«, bemerkte tiefsinnig der Sergeant.

»Bitte, sagen Sie gar nichts!« belferte Bliß. »Mr. Madden, ich muß zugeben, daß ich im Augenblick verblüfft bin. Aber dieser Zustand pflegt bei mir nicht lange zu dauern. Ich werde der Sache auf den Grund gehen. Sie werden von mir hören.«

»Sie sind jederzeit willkommen«, heuchelte Madden höflich. »Sollte ich inzwischen etwas entdecken, werde ich Sergeant Brackett anrufen.«

Die beiden Beamten fuhren davon, und Madden kehrte ins Haus zurück.

»Dieser Chan ist fabelhaft«, sagte Will Holley leise. »Wo zum Teufel hatte er den Ausweis her?«

»Ich hatte das Spiel schon verloren gegeben«, meinte Bob. »Aber Charlie denkt eben an alles.«

Der Journalist ging zu seinem Auto. »Ich nehme an, daß Madden nicht die Absicht hat, mich zum Essen einzuladen. Also werde ich mich entfernen. Aber ich bin äußerst gespannt auf die Lösung des Rätsels. Louie war mein Freund. Und sein grausames Ende geht mir nahe!«

Als Bob in sein Zimmer kam, fand er Ah Kim damit beschäftigt, in aller Ruhe das Bett herzurichten. »Charlie, Sie sind eine Perle! Ich dachte schon, es wäre aus mit uns. Was hatten Sie denn da eigentlich für einen Ausweis?«

»Ah Kims natürlich!« lächelte Chan. »Des Gemüsehändlers, der mich fuhr mit seiner Marktladung von Barstow nach Eldorado. Ich mir habe für eine Weile seinen Paß geliehen. Vom langen Tragen in der Tasche die Fotografie wird glücklicherweise jedem Menschen ähnlich. Mir der Einfall kam, daß Madden vielleicht würde fragen nach Personalien bei Einstellung. Er es nicht tat, aber nun kam mir das Ding doch noch zustatten!« Er verneigte sich und entschwand.

Etliche Stunden später saßen Bob Eden und der Farmbesitzer plaudernd im Wohnzimmer und warteten auf das Essen. Der Millionär wiederholte seinen Wunsch, so rasch wie möglich nach dem Osten zurückzufahren. Er saß mit dem Gesicht zur Tür. Plötzlich trat ein Ausdruck so unverkennbaren Mißfallens in seine Züge, daß sich Bob erstaunt umsah. Auf der Schwelle stand eine schmächtige Gelehrtengestalt mit einer Reisetasche. Der kleine Naturforscher aus dem Oasencafé!

»Mr. Madden?« erkundigte er sich mit einer Verbeugung.

»Der bin ich. Was wollen Sie?«

Der Fremde stellte seine Tasche ab. »Mein Name ist Gamble, Thaddäus Gamble. Ich habe wissenschaftliches Interesse an einer gewissen Fauna in dieser Gegend der Wüste. Hier ist ein Brief von einem Ihrer Freunde, dem Rektor einer Universität, welcher Sie gütigerweise mehrfach Unterstützungen zuwendeten. Vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, die kurzen Zeilen zu lesen …«

Maddens Antlitz verlor nichts von seiner Unfreundlichkeit. Mißmutig durchflog er das Schreiben, zerriß es und warf die Fetzen in den Kamin. »Sie möchten einige Tage hierbleiben?«

»Das wäre mir in der Tat sehr angenehm. Selbstverständlich würde ich für die Kosten –«

Madden unterbrach ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung. Ah Kim kam herein, um den Tisch zu decken. »Noch ein Gedeck, Ah Kim!« befahl der Farmbesitzer. »Und führe diesen Herrn in das Zimmer im linken Flügel, das neben Mr. Edens Zimmer liegt!«

»Sehr gütig!« bedankte sich der Gelehrte. »Ich hoffe, möglichst wenig zu stören. Die Einladung zum Essen nehme ich gern an. Denn dieses Wüstenklima … ja … also ich werde mich sofort wieder hier einfinden.«

Madden starrte den beiden mit purpurrotem Gesicht nach. »Der Teufel soll ihn holen! Aber ich muß höflich sein. Dieser Empfehlungsbrief …« Er zuckte die Achseln. »Nun, hoffentlich kann ich bald weg von hier!«

Bob aber fragte sich: Wer ist dieser Gamble? Und was will er hier?


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