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Vierundzwanzigstes Kapitel. Alte Erbstücke wandern aus, und ein neuer Ton wird auf der Morgenhalde gehört.

Die Hochzeitswoche und viele andre Wochen und Monate sind vorüber. Es ist nicht viel davon zu berichten. Annele lachte nur fast jeden Morgen über Lenz, denn er konnte sich gar nicht daran gewöhnen, daß die Löwenwirtin jeden Morgen neubackenes Weißbrot aus dem Dorfe heraufschickte. Nicht sowohl der Luxus, als daß die Menschen sich an so etwas gewöhnen mögen, setzte ihn monatelang in Erstaunen. Auch in vielen andern Dingen zeigte sich, daß für Annele manches Bedürfnis und Gewohnheit war, was Lenz als Festesfreude galt. Sie scherzte über die Unerfahrenheit, die es nicht versteht, sich mit denselben Kosten das Leben doppelt schmackhaft zu machen, und in der That war alles viel nahrhafter im Hause, ohne dabei den Aufwand zu steigern; sie buk aus demselben Mehl weit besseres Brot, als man ehedem bereitete. Daneben war sie aber auch oft unwirsch, und sie klagte im Frühling immer fort: »Ach Gott, auf der Höhe da geht ein Wind, man meint, er nimmt einem das Haus über dem Kopf weg.«

»Ja, liebs Kind, ich kann nichts dafür. Dafür haben wir auch die gesündeste Luft da oben. Da ist jeder Atemzug, wie wenn man Tau tränke. Denk nur daran, wie du dich im Herbst gefreut hast, daß wir hier oben hellen, fröhlichen Sonnenschein haben, derweil drunten im Thal dicker Nebel steht. Und was für ein gutes Wasser haben wir! Hier oben werden alle Menschen alt, uralt, und für unser Haus brauchst du nichts zu fürchten, das ist noch von ganzen Stämmen, die halten fest, noch für unsre Urenkel.«

Als der Schnee schmolz und in dem sonst leeren Habichtstobel ein gewaltiger Strom in mächtigen Wasserstürzen niederrauschte und Lenz sich darüber freute, klagte sie, daß man vor dem entsetzlichen Geräusch nicht schlafen könne.

»Du hast den Winter über doch oft geklagt, daß es hier oben so totenstill sei, daß man keine Wagen hört, keinen Reiter, keinen Menschen vorübergehen sieht; jetzt hast du Lärm genug.« Annele sah Lenz von der Seite an, sagte nichts und ging hinaus in die Küche zur Franzl und weinte. Franzl ging zu Lenz und ermahnte ihn, doch seiner Frau nicht so zuwider zu reden, das sei nicht gut für die Frau und für das andre auch nicht.

Lenz war ruhig und fleißig, und wenn es ihm gelang, einen richtigen Ton herauszukriegen, und er sagte: »Horch, Annele, wie schön, wie glockenrein!« so sagte sie: »Meinetwegen, das geht mich nichts an. Ich fürchte, ich fürchte, du verrechnest dich mit deinen Arbeiten; du machst zu lange dran, das wird dir nicht bezahlt. Wenn man was vor sich bringen will, muß man flink sein und nicht so lange besteln.«

»Annele, das versteh' ich besser.«

»Wenn du's besser verstehst, so red mit mir nichts davon. Ich kann nur reden, wie ich's versteh'. Wenn du einen bloßen Haubenstock zum Zuhörer haben willst, geh zu des Doktors und leih dir einen, die haben schön gemalte rote Mäulchen und reden nie ein Wort.«

Die Tage gingen still hin, und der Frühling, der jetzt so herrlich über der Erde anbrach, schien auch frisches Leben auf die Morgenhalde zu bringen. Die Löwenwirtin kam oft hinauf und freute sich der guten Sonne da oben. Der Löwenwirt ließ sich fast gar nicht sehen. Er war noch brummiger geworden, als je zuvor. Annele schloß sich sichtlich und offenbar von den Eltern ab und schmiegte sich mit besonderer Innigkeit an Lenz, ja, sie ging manchmal mit ihm am Sonntagmorgen und auch an Feierabenden in den Wald, wo sich jetzt Lenz im Eigentum des Schwähers eine Bank errichtet. Wohlgemut saßen sie bei einander, und Lenz sagte: »Horch, der Vogel, das ist doch der eigentliche Sänger, er fragt nichts danach, ob ihn jemand hört, er singt für sich und sein Weible, und so thu' ich's auch.«

Lenz sang fröhlich in den hallenden Wald hinein, und Annele erwiderte: »Ja, so ist's recht, und darum solltest du aus dem Liederkranz austreten, das schickt sich nicht mehr für dich; als lediger Mann haben der Faller und die andern da deine Kameraden sein können, aber jetzt bist du ein Mann, da geht's nicht mehr, und du bist auch zu alt zu der Singerei.«

»Ich alt? Ich komme jeden Frühling neu auf die Welt. Jetzt eben meine ich, ich wäre noch ein Kind, da habe ich mir da ein Schiff gebaut, ich und mein verstorbener Bruder. O Gott, wie glücklich waren wir da.«

»Du thust, als ob alles, was du erlebt hättest, lauter Wunder wäre. Was ist denn da dran?«

»Ja, du hast recht, ich muß lernen alt sein, ich bin fast so alt wie der Wald da; ich erinnere mich als Kind, daß da nur wenig große Stämme waren, sonst lauter junge Schonung. Jetzt ist der Wald, der mir weit über den Kopf gewachsen ist, gottlob unser.«

»Wie unser? Hast du ihn vom Vater dir übergeben lassen?«

»Nein, er gehört deinem Vater, das heißt, mit Bedingnis. Ganz abholzen hätte er ihn nie dürfen, der Wald ist unser Wetterschutz, daß nicht der Schnee oder gar der Berg selber auf unser Haus herunterrutscht.«

»Was redest du mir nur davon? Was geht das mich an?«

»Ich verstehe dich nicht.«

»Ich dich auch nicht. Wie ich jetzt bin, solltest du mir nichts so Trauriges vormachen.«

»Gut, so will ich dir singen, und wenn noch jemand zuhört, schadet's auch nichts.« Singend wanderte Lenz mit Annele heimwärts, und bald kam ein Besuch, es war der Löwenwirt. Er nahm den Schwiegersohn in die innere Stube und sagte: »Lenz, ich kann dir was Gutes zuwenden.«

»Ist recht. Das kann man immer brauchen.«

»Hast du dein Geld noch bei dem Vogtsbauer stehen?«

»Vierhundert Gulden hat er mir 'dran bezahlt, ich hab' aber viel in dem Vorrat da stecken.«

»Bar Geld ist jetzt Trumpf; du kannst ein gutes Geschäft machen.«

»Ich will dem Vogtsbauer kündigen.«

»Das dauert viel zu lang. Gib mir die Handschrift, ich will sie schon verkaufen, und fünfundzwanzig Prozent gewinnst du.«

»Da teilen wir.«

»Wäre besser gewesen, du hättest das nicht gesagt. Ich hab' dir's ganz lassen wollen, aber du bist ein ordentlicher Mann.«

»Dank', Schwäher, ich thu' das Meinige. Ich lasse mir nicht gern schenken.«

»Am besten ist, du lässest das Geld in meinem Geschäft stehen, und was es verdient, ist dein.«

»Ich verstehe mich nicht auf Geschäfte, ich nehme lieber meine ruhigen Prozente.«

Annele brachte den wieder in die Stube Eintretenden eine gute Aufwartung, aber der Vater wollte nichts trinken, er wollte gleich wieder fort. Annele ließ ihn nicht: »Es ist ja Euer eigener Wein, Vater, und bleibt nur ein bißle sitzen. Man hat Euch ja so wenig.«

Es schien kein Stuhl auf der Morgenhalde breit genug, um die ganze Würde des Löwenwirts zu tragen. Er trank stehend ein Glas, ging dann den Berg hinab, indem er mehrmals mit der Hand nach der Brusttasche griff. »Der Vater ist heute so absonderlich,« sagte Annele.

»Er hat eben dringende Geschäfte. Ich hab' ihm gerad' meine zwei Tausend sechs Hundert Gulden dazu gegeben, die ich beim Vogtsbauer stehen hab'.«

»Und was hat er dir dafür gegeben?«

»Ich weiß nicht, was du meinst; nichts. Ich werde mir gelegentlich eine Handschrift von ihm geben lassen, weil's so der Brauch ist.«

»Wenn du mich gefragt hättest, hättest du's ihm nicht gegeben.«

»Annele, was ist das? Jetzt nehm' ich dir gar nichts mehr übel, weil ich sehe, daß du gegen deinen eigenen Vater mißtrauisch bist. Aber die Franzl hat recht, sie hat alle Geduld mit dir, weil man dir jetzt in allem nachgeben muß.«

»So?« sagte Annele. »Mir braucht niemand nachzugeben. Das wegen meinem Vater war ein Geschwätz. Ich weiß selbst nicht, wie ich dazu gekommen hin. Aber die Franzl muß aus dem Haus! So? Die verhetzt dich?«

Lenz konnte abwehren, wie er wollte, konnte Franzl entschuldigen, und daß sie es ganz anders gesagt; es nützte nichts. Es dauerte nicht vierzehn Tage, und Franzl mußte das Haus verlassen. Lenz tröstete sie, soviel er vermochte: sie käme gewiß bald wieder, und er gebe ihr ihren Jahreslohn, solang sie lebe. Franzl schüttelte den Kopf und sagte weinend: »Unser Herrgott wird mich schon bald ausdingen. Ich hätt' nie geglaubt, daß ich aus dem Hause muß, ehe man mich hinausträgt. Ich bin achtundzwanzig Jahre dagewesen. Meinetwegen. O lieber Gott, da sind meine Töpfe, meine kupfernen Kessel, meine Pfannen und meine Kübel; wie viel tausendmal habe ich sie in der Hand gehabt und wieder sauber gemacht, man kann mir nicht nachsagen, daß ich unordentlich gewesen bin, da stehen meine Zeugen; wenn sie reden könnten, jedes Schnäuzle am Topf müßte sagen, wie ich gewesen bin und wer ich gewesen bin, aber Gott weiß alles, er sieht in die Wirtsstuben und in die Küchen und in die Herzen auf einmal. Das ist mein Trost und mein Labsal und meine Wegzehrung und – genug. Ich hin eigentlich froh, daß ich daraus hinauskomme; lieber möchte ich Dornen spinnen, als da sein. Ich will dir das Herz nicht schwer machen, Lenz, lieber schlag mich tot, wie eine Ratte, ehe ich dir Unfrieden ins Hans bringe. Nein, nein, das will ich nicht. Hab' keine Sorge um mich, du hast genug; wenn ich sie dir nur forttragen könnte, ich wollte gern darunter zusammensinken. Sei ohne Sorge um mich. Ich gehe zu meinem Bruder nach Knuslingen, dort hin ich geboren, und dort will ich warten, bis ich sterbe, und wenn ich zu deiner Mutter ins Paradies komme, will ich ihr abwarten, wie sie' s gewohnt ist; ihr zulieb wird mich unser Herrgott schon einlassen müssen, und ihr zulieb wird es dir auch noch gut gehen auf der Welt. Jetzt leb wohl und verzeih mir, wenn ich dich je beleidigt habe. Leb wohl und leb tausendmal wohl.«

Lenz war lange Zeit nach dem Abgange der Franzl stumm und finster. Aber Annele war um so heiterer. Sie war wohl eine Hexe, sie konnte mit ihm umspringen, wie sie wollte; es war wie ein Zauber in ihrem Tone, wenn sie gut sein wollte, daß ihr niemand widerstehen konnte. Pilgrim beschwichtigte Lenz noch vollends. Er suchte ihm zu beweisen, daß Annele sich erst vollständig als Hausfrau fühle, seitdem die alte Magd nicht mehr da sei, die sich eine Art Herrschaft angemaßt habe. Annele war überhaupt an größere Thätigkeit im Hause gewohnt und war viel vergnügter, wenn es recht viel zu wirtschaften gab; sie sprach es gegen Lenz aus, daß sie nie mehr eine Magd ins Haus nehmen wolle, solch ein kleiner Hausstand sei für sie allein kaum halbe Arbeit. Der Lehrjunge mußte aushelfen. Lenz brachte es nur mit Hilfe der Schwiegermutter dahin, daß wieder eine neue Magd ins Haus genommen wurde.

Bis in den Sommer hinein war's nun wieder heiter und wohlgemut im Hause. Annele drang bei der Löwenwirtin darauf, daß der Vater dem Lenz sein Geld wieder zurückzahle. Dieser kam in der That eines Tages und bot Lenz den Wald hinter seinem Hause an Zahlungsstatt an und verlangte noch tausend Gulden heraus. Lenz erwiderte, er brauche keinen Wald, er müsse flüssiges Geld haben; er könne aber noch gut einige Zeit warten. Die Sache schlief wieder ein, und der Ehrenmann that's nicht anders, er gab Lenz »wegen Lebens und Sterbens« eine richtige Handschrift.

Im Spätsommer war großes Leben im Dorfe. Der Techniker heiratete Bertha, die zweite Tochter des Doktors – die älteste wollte ledig bleiben –; und der Sohn des Doktors, der ebenfalls Kunstuhren verfertigte, war aus der Fremde zurückgekehrt. Man sagte, er errichte nicht weit vom Hause des Doktors eine große Anstalt für Uhrenfabrikation mit allerlei Maschinen. In der ganzen Gegend wurde geklagt, daß man dabei zu Grunde ginge, man würde jetzt wie in Amerika Uhren machen, an denen man keinen Feilenstoß sehe, alles durch Pressen mit Maschinen. Lenz war einer von den Ruhigen. Er und der Duzlehrer gaben sich alle Mühe, den lange gehegten Plan der Einung ins Werk zu setzen.

Die Not sollte die Menschen zwingen, wozu sie sich aus freien Stücken nicht hatten verständigen wollen.

Lenz und der Duzlehrer gingen tagelang von Haus zu Haus und erklärten die Normaluhr. Fünf Kaliber sollten allgemein angenommen werden. Das reicht vollkommen aus, um die Mannigfaltigkeit herzustellen. Die Arbeitsteilung allein kann helfen. Die Achsen, Räder und Triebe, die Gesperrfedern, und besonders auch die Hemmungen und Schrauben, die lassen sich fabrikmäßig billiger und genauer herstellen. Die Zusammensetzung und Vollendung bleibt dabei noch immer den Meistern, denn eine Maschine kann kein Werk zusammensetzen, dazu bedarf es Menschenverstand und Bedacht.

Lenz drang darauf, daß man sich bei der Fabrik beteilige oder sofort eine gemeinschaftliche errichte, aber er fand statt thätigen Zugreifens nichts als lässige Klagen, und schließlich wollte niemand von seiner besondern Art abgehen, jeder glaubte für sich allein das Beste zu haben und wollte es nicht um andrer willen drangeben.

Lenz kam traurig wieder heim, und Annele klagte: »Um Gottes willen, laß doch ab, daß du der Kegelbub sein willst, der andern die Kegel aufsetzt:. Laß doch die andern Menschen. Wer denkt denn an dich? Du möchtest gern die Thüren in allen Häusern schmieren, daß sie nicht quieken; es thut dir in den Ohren weh, und die andern merken nichts davon.«

Lenz lächelte über die scharfen Vergleiche seiner Frau. Er ließ ab von seinem Sorgen für andre, aber nun drang Annele wiederholt darauf, daß Lenz mit dem Vater auch eine solche Fabrik errichte. Er solle, wenn es notwendig wäre, noch ein Jahr auf Reisen gehen, und sie wolle bei den Eltern bleiben. Lenz aber behauptete: »Ich passe nicht dafür, und ich werde nicht als Ehemann fortgehen, wo ich als ledig zu Hause geblieben bin.« Er ließ zunächst von dem Plan der Einung ab und beschwichtigte Annele damit, daß sie immer ihr Auskommen haben würden, daran solle sie nicht zweifeln, und Pilgrim war derjenige, der Lenz in seinen Auseinandersetzungen vollkommen beipflichtete.

Annele sah daher in Pilgrim das Haupthindernis, daß Lenz nicht zu Größerem käme. Er ist ein Mensch, der es sein lebenlang zu nichts gebracht hat und es zu nichts bringen will, meinte sie. Sie versuchte alle Mittel und Wege, Lenz und Pilgrim zu entzweien, aber es gelang ihr nicht.

Annele erwog immer allerlei Verhältnisse in Gedanken und hatte beständig eine Buchführung im Kopfe; sie wußte, daß sich Lenz für Faller beim Hauskaufe verbürgt hatte, und nun drang sie darauf, daß Lenz die Bürgschaft zurücknehme. Er mußte ihr willfahren, aber eben. als er zu Faller ins Haus kam, trat ihm dieser halb lachend entgegen: »Soeben hat meine Frau zum zweitenmal Zwillinge. Die kleinen Terkel wissen, daß ich ein Kindernarr bin, und kommen darum gleich paarweise zu mir.«

Daß Lenz jetzt den Faller nicht mit Zurückziehung der Bürgschaft plagte, verstand sich von selbst, und als Annele ihn fragte, wie die Sache stände, gab er eine ausweichende Antwort.

In der Nacht vor der Hochzeit des Technikers mit der Tochter des Doktors genas Annele eines Knaben. Als Lenz wonneselig an ihrem Bette stand, sagte sie: »Lenz, versprich mir jetzt das eine, versprich mir, daß du von dem Pilgrim lassest, und daß du's wenigstens auf ein Vierteljahr probierst.«

»Ich kann dir jetzt nichts versprechen,« sagte Lenz, und es fiel ein bitterer Tropfen in den Kelch seiner Freude.

Annele war außer sich, als sie die Musik vom Thale herauf hörte, und Mutter und Mann bebten für ihr Leben bei dieser Aufregung. Sie schlief aber doch mittags glücklich ein. Lenz stopfte alle Thüren im Hause zu, daß Annele nichts höre. Sie ward nun ruhiger, sie ward geduldig und liebreich, und Lenz dankte doppelt für das Vater- und Gattenglück, das ihm geschenkt war. Annele war sogar so weich, daß sie sagte: »Wir haben's dem Pilgrim versprochen, daß er Gevatter sei, und das müssen wir halten.« Es war wunderbar, wie die Stimmungen bei ihr wechselten. Lenz wollte auch noch Petrowitsch als zweiten Gevatter haben, dieser aber lehnte ab.

Pilgrim brachte ein großes Blatt mit vielen Unterschriften, das er selbst gemalt hatte und das er dem Täufling in die Wiege legte. Es war ein Diplom des Liederkranzes, worin der Neugeborene wegen seiner unzweifelhaft guten Stimme zum Ehrenmitglied ernannt wurde.

»Ja,« sagte Lenz, »weißt du, welches der schönste Ton auf der Welt ist? Wenn man den ersten Schrei seines Kindes hört. Halt, da hast du noch was, mein Sohn, faß! Siehst du, wie er faßt?« Er gab dem kleinen Täufling wie zu einer eigenen Weihe die Feile des Vaters in die kleine Hand. Annele riß sie schnell weg und rief: »Das Kind kann sich mit der Spitze töten.« Sie warf die Feile auf den Boden, daß die Spitze brach.

»Jetzt ist dem Ehrenzeichen meines Vaters die Spitze abgebrochen,« sagte Lenz wehmütig. Pilgrim suchte ihn zu trösten und erklärte lachend, daß immer neue Menschen und neues Handwerkszeug auf der Welt sein müssen.

Annele sprach kein Wort.


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