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Das Lied vom Chasot.

Der Graf von Chasot, 1804 Adjutant des Königs Friedrich Wilhelm III., später Kommandant von Berlin, 1809 infolge der Verbindung mit Schill entlassen, 1812 in russischem Dienst, besonders tätig bei der Bildung der russisch-deutschen Legion, starb am 13. Januar 1813 am Typhus in Pleskow.

1813.

In Deutschland lebt' ein edler Graf,
Eine freie Stadt sein Vaterland,
Ein rechter Ritter fromm und brav,
Seine Seele trug er in seiner Hand.
Die Stadt heißt Lübeck mit stolzem Namen,
Der Graf heißt Chasot von edlem Samen.

Dem freien reichsgebornen Mann
Gefiel die Schande des Reiches schlecht,
In seinen Adern Ehre rann,
Drum haßte er durstig den Schelm und Knecht,
Ein Freund von redlichen Biederleuten
Kann er zum Recht nicht die Knechtschaft deuten.

Drum war er mit dem Degen risch,
Wo gegen die Welschen die Trommel klang:
Das machte Mut ihm und Seele frisch,
Das war ihm höchster Freudenklang,
Da mußt' er hin über Land und Wasser
Der tapfre kühne Franzosenhasser.

Als nun die Post nach Deutschland schallt:
Der Kaiser von Rußland ziehet aus,
Dem Grafen das Herz in dem Leibe wallt,
Da kann er nicht sitzen still zu Haus,
Da muß er sein Blut und Leben wagen
Er muß sich mit den Franzosen schlagen.

Durch Buben und Verräter schleicht
Viele hundert Meilen der Grafensohn
Hin, wo's dem Herzen lustig deucht,
Wo klinget des Kriegs Posaunenton,
Wo Alexander die Männer rüstet
Und mutigen Russen nach Streit gelüstet.

Bald braust auf sie wie wildes Meer
Der welschen Rotten gewaltige Flut,
Sie ziehen trotziglich daher
Und dräuen im prahlenden Übermut:
Hierher! Wer stehet vor unseren Heeren?
Wer mag uns die Herrschaft der Erde wehren?

Doch Gott im Himmel sah darein
Und der Russen mächtige Kriegesfaust,
Wie Herbstwind schüttelt das Laub im Hain,
So hat sie der Sturmwind der Schlacht zerzaust:
Sie sollten Raben und Wölfe füttern,
In Rußland sollt' ihr Gebein verwittern.

Der edle Graf in mancher Schlacht,
In manchem blutigen Männerstrauß
Sich gegen die Schelme lustig macht,
Er sieht sie zerstieben zu Staub und Graus,
Er sieht sie fliehen, er sieht sie fallen.
Das deucht ihm der lustigste Fall von allen.

Drauf reist er hin nach Petersburg
An Hoffnungen und an Freuden reich,
Eine Zierde der hohen Kaiserburg,
Ein stolzer Sprößling aus Deutschem Reich,
Dort soll er des Vaterlands heil'gen Waffen
Erlesene Scharen von Männern schaffen.

Schon hebt die deutsche Legion
Für Freiheit und Ehre das Siegespanier,
Sie brennet gegen Schmach und Hohn
Und gegen Franzosen von Kriegsbegier,
Sie brennet von Sehnsucht der süßen Stunde,
Wo Rache klinget von Mund zu Munde.

So schauet auf des Grafen Schwert
Und auf sein frommes und deutsches Herz,
Er dünket ihr vor allen wert
Voranzuspielen im Schlachtenscherz,
Voranzustreiten dem kühnen Reihen
Als Held und Führer der edlen Freien.

Du edler Graf, wo ziehst du hin?
Wo ziehst du hin durch Winter und Schnee?
Auf Deutschland steht dir nur der Sinn,
Dir tun die armen Gefangnen weh,
Die armen Gefangnen, die die Franzosen
Haben in den Tod und das Elend gestoßen.

Du edler Graf, wo ziehst du hin?
Wo ziehst du hin durch Winter und Schnee?
Auf Deutschland steht dir nur der Sinn,
Drum ziehst du nach Pleskow am Peipussee,
Da willst du die armen Gefangnen erlösen
Und waffnen und führen gegen die Bösen.

O Pleskow, Stadt am Peipussee!
Wann hört die Klage der Freien auf?
Wann saust nicht mehr ein dumpfes Weh
In deiner Wellen ächzendem Lauf?
In dir soll der Bravste von allen Braven,
In dir soll der edle Graf Chasot schlafen.

Der Ritter, der die Kranken pflegt
Und der Verwundeten Schmerz verbind't,
Wird in die dunkle Gruft gelegt,
Schon spielt um seinen Hügel der Wind,
Die irdische Sonne wird nimmer ihm scheinen,
Doch werden ihn ewig die Freien beweinen.

Denn einen freiern deutschern Mann,
Als Chasot war, der viel edle Graf,
Das Deutschland nie gebären kann,
An Leib und Seele so fest und brav,
Ein Kind in Liebe, ein Held in Treuen,
Ein Herz wie die Herzen der edlen Leuen.

Drum setzen wir diesen Leichenstein,
Drum singen wir dieses Trauerlied,
Solange grünt eine Eich' im Hain,
Solang' eine Blume auf Auen blüht,
Eine Liebe noch glühet in deutschen Seelen,
Sollen Kränze und Lieder ihm nimmer fehlen.



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