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Einleitung des Herausgebers.

Die Sammlung der Gedichte Arndts erscheint hier in einer andern Form, als sie der Dichter in der von ihm selbst besorgten vollständigen Ausgabe des Jahres 1860 gewählt hatte. Damals bewogen ihn die Erinnerungen an seine Jugendzeit und an liebe Freunde, eine Reihe Gedichte aufzunehmen, an denen sein Herz hing, und andrerseits ließ er Gedichte fort, die nach Form und Inhalt durchaus in seine Sammlung gehört hätten. Der Grund zur letzteren Maßnahme liegt darin, daß Arndt, als er die vollständige Sammlung seiner Gedichte für den Druck zusammenstellte und abschrieb, tatsächlich nicht im Besitz aller älteren Sammlungen, die poetische Geistesprodukte von ihm enthielten, gewesen ist. So fehlten ihm die ersten Ausgaben seiner Gedichte, aus denen er bereits in den folgenden Auflagen nicht wenig Lieder ausgeschieden hatte, die nur teilweise später wieder aufgenommen wurden; es fehlten ihm mehrere kleine Sammlungen, die während der Kriegszeit schnell entworfen, gedruckt und verteilt worden waren, ohne daß der Verfasser ein Exemplar für sich selbst sicher stellte, und endlich hatte er die Musenalmanache und sonstige periodische Erscheinungen, für die er Beiträge geliefert hatte, zu rechter Zeit nicht in seinem Besitz, und hätte sie sich auch kaum beschaffen können, da er selbst nur selten damals Notizen über die von ihm gelieferten Gedichte zurückbehielt. Es scheint, daß Arndt die ersten handschriftlichen Aufzeichnungen seiner Lieder aus älterer Zeit überhaupt nicht aufbewahrt hat, oder es ist anzunehmen, daß sie, sei es in den Kriegsjahren, sei es bei der Übersiedelung nach Bonn auf dem Schiffe, dem er seine Bücher anvertraut hatte, in Verlust geraten sind, wenn nicht etwa gar eine absichtliche Vernichtung vorliegt, die aus der Zeit stammen würde, in der die politische Maßregelung und Überwachung Arndts stattfand. Von dem Zeitpunkte an, in dem eine neue Periode des dichterischen Schaffens Arndts nach jahrelanger Untätigkeit anhebt, also aus den dreißiger Jahren, sind drei handschriftliche Hefte mit Gedichten noch vorhanden. Sie umfassen die Jahre 1836 bis 1858, sind vom Verfasser selbst mit dem, einem Werke von Joh. Thim. Hermes aus dem Jahre 1788 entlehnten Ausdrucke »Manchermaion« bezeichnet und bilden richtige Dichterbücher, in welche er hineinschrieb, was Sinn und Herz bewegte, oft einen flüchtigen Entwurf, an dem er später änderte und feilte, bei dem er einschob und ausstrich, oder den er in ganz neuer Form wieder niederschrieb.

Diese Quelle, die auch für die Chronologie der Gedichte Fingerzeige gibt, ist für unsre neue Sammlung zum ersten Male verwertet worden; ihrer Benutzung schloß sich die Durchsicht einer nicht geringen Anzahl älterer Gedichtsammlungen an, die das überraschende Ergebnis hatte, daß fast dreihundert Gedichte Arndts noch vorhanden sind, die er selber wahrscheinlich nicht mehr gekannt hat. In dieser Tatsache liegt die Begründung, weshalb es angängig war, eine vollständig neue Auswahl der Gedichte Arndts zu schaffen. Von 1786 an bis 1859, also 73 Jahre lang, hat seine poetische Schaffenskraft angehalten. Als Schüler des Gymnasiums versuchte er sich in Barden- und Trinkliedern, als Jüngling später in langen philosophischen Episteln in Versen, in denen altklassische Anschauungen und neue Lebensprobleme behandelt werden; erst, als ein kurzes Liebesglück ihm blüht, gelingt ihm ein natürliches, warm empfundenes und dichterisch abgerundetes Lied, aber nach dem Verlust seiner Frau sinkt er wieder in den grüblerischen Glauben an das blind waltende Schicksal der Griechen zurück. Nach unsicherem Umhertasten findet er in der Freundschaft ein neues Ideal, dem er poetischen Ausdruck verleiht; die Liebe zu Kindern, deren Erziehung ihm am Herzen lag, zeitigt eine Reihe herziger Kinderliedchen, von denen noch jetzt einzelne gesungen werden. Seine Tages-Schriften begleiten eine Reihe politischer Lieder, die sich dann, als die Not Deutschlands all seine Kräfte zum Kampfe forderte, zu den herrlichen Vaterlandsgesängen erheben, die durch ihr wahres Gefühl und den volkstümlichen Ton in den Herzen der Deutschen bis auf unsere Zeit haften geblieben sind. Als dann nach der großen Erhebung der Freiheitskriege für die Feuerseelen Enttäuschungen mancherlei Art kamen, als die Löwenzeit vorüber war und dem freien Wort eines Dichters Schranken gezogen wurden, hat Arndt viele Jahre lang kein Gedicht mehr verfaßt; erst als ein harter Schicksalsschlag durch den Verlust seines Lieblingssohnes ihn traf, machte sich das Leid des Vaterherzens in ergreifenden Liedern Luft, aus denen in der Folge die herrlichen geistlichen Gedichte hervorgehn, die durch die Wahrheit der Empfindung, die Schlichtheit ihres Gottesglaubens und die Anlehnung an die alten Kirchengesänge einen größeren Raum in unsern Gesangbüchern beanspruchen können, als er ihnen gewährt ist. Daneben bewahrt unser Dichter sich die Kraft, alles, was sein Herz in der Unruhe der Zeit bewegt, seinen lieben Deutschen in offener und gewinnender Weise poetisch zu sagen; solche Heroldsrufe klingen über die Jahre 1848 und 1849 hinaus bis in seine letzte Lebenszeit.

Das Bild des patriotischen und geistlichen Dichters in seinen Liedern zu geben, ist die Absicht dieser neuen Auswahl. Es konnten deshalb die langausgesponnenen philosophischen Jugendgedichte fortfallen, ebenso wie die Gelegenheitsgedichte der späteren Zeit. Dagegen sind eine Anzahl patriotischer Lieder, meist aus dem Jahre 1813, und einzelne geistliche Gedichte neu aufgenommen worden. Auch die Reihenfolge der Gedichte wurde zugunsten einer chronologischen Anordnung geändert.


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