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Der Wandrer und die Blume.

1811.

Ging einst ein Wandrer im Tale
Und sah ein Blümlein stehn
Im Frühlingssonnenstrahle
Demütig, fromm und schön:
Mit Augen, wie Kinder sehen,
Sah's in die Welt hinein;
Der Wandrer konnte nicht gehen,
Mußt' immer beim Blümchen sein.

Er grüßt' es Abend und Morgen,
Er grüßt' es in stiller Nacht
Und gab mit zärtlichen Sorgen
Nur auf das Blümlein acht,
Er trug aus Bächen und Quellen
Ihm kühlende Labung zu;
Seine Träne floß in die Wellen,
Doch trug er im Herzen Ruh'.

Nun ist der Winter gekommen,
Der Wandrer stehet so fern,
Er blickt zur Heimat der Frommen
Nach manchem freundlichen Stern,
Sein Auge dämmert in Tränen –
Wohin, o Wandrer, wohin?
Der Himmel stillet kein Sehnen,
Doch sehnt sich Liebe dahin.

O Liebe, sprudelnder Bronnen,
Der wallt aus der Tiefe zur Höh',
Wie hast du glühende Wonnen!
Wie hast du frierendes Weh!
Es sind der Wanderer viele,
Die sehnend zu Sternen schaun,
Wem mögen sie schönste Gefühle,
Als seligen Göttern vertraun?

O Liebe, alle die Lichter
Viel tausend und tausendmal,
Und alle die Kindergesichter,
Die leuchten als Blumen im Tal,
Sie winken zu dir, sie rannen
Als Tropfen von dir einst aus,
Sie wollen wiederum dannen
Ins alte himmlische Haus.



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