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An Maria zum Marientage.

Maria Nestius, Nichte des Propstes Pistorius zu Poseritz, Jugendfreundin A.s. (D. H.)

1808.

Frühlingsbote, kommst du wieder?
Kommst du wieder, schöner Tag?
Engel steigen jubelnd nieder,
Und Propheten werden wach,
Tausend Stimmen, tausend Hände
Klingen in die Wonne ein:
Gnade waltet sonder Ende,
Und der Mensch soll göttlich sein.

In erhabnen Phantaseien,
In dem seligen Götterspiel
Soll er mutig prophezeien,
Was nicht von den Sternen fiel:
Was wir denken und empfinden,
Schließt kein fremdes Schicksal auf,
In des eignen Herzens Gründen
Strömet sein gewalt'ger Lauf.

Denn der Gott trat in das Leben,
Und die Götter sind entflohn;
Allmacht ward auch uns gegeben,
Blitzend hoch vom eignen Thron:
Lieblich lockt des Lichtes Helle,
Schrecklich lockt das Reich der Nacht,
Halb zum Himmel, halb zur Hölle
Zieht die furchtbar dunkle Macht.

Wehe, wer auf buntem Wege
Tändelt fremden Geistern nach!
Sieh', des Blitzes Pfad ist schräge,
Aber grade trifft sein Schlag!
Halte mutig dich zusammen,
Wie die Kraft auch Kriege dräut!
Und dein Leben blüht in Flammen
Und dein Herz in Göttlichkeit.

Denn kein Himmel ist versunken,
Und kein Paradies verblüht,
Wo der hohe Götterfunken
Züchtig in der Tiefe glüht.
Schönheit welkt und Jugend schwindet,
Und des Lebens Rose fällt,
Wo das Heilige nicht bindet,
Wo das Himmlische nicht hält.

Freundin, frisch hinein! und lerne
Deines Schicksals Göttin sein!
Und die ganze Macht der Sterne
Rollet dir ins Leben ein.
Was du bist, sei nicht aus Gnaden!
Wage, was die Seele liebt!
Eisern fühlt den Parzenfaden,
Wer sich der Gewalt ergibt.



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