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Das Guggibaderlied

(Aargau.)

Es ritet e Rüter dur es Ried,
Er sung mit Freud sis Dägelied,
Er sung's dur dreierlei Stimme,
Daß es zwösche zwei Berglene chlinget;
Schön Anneli g'hörts im Müllerhus,
Und lueget im nach zum Pfeister us.

Das Anneli sprung dur d'Stegen ab,
Und lost und rüeft dem junge Chnab,
O chönt i au ne so singe,
Wött mit em no heimen entspringe;
Seine Chleideli sind au nit z'schlecht,
Sie sind au iedem Fräueli recht.

Ach Anneli, wottst cho mit mir,
Das Baderliedli, das singe-n-ich dir,
E Liedli uf dreierlei Stimme
Wott i dich lehre go singe,
So leg dine schöne Chleidleni an,
So wei me riten zu Berg und Tann.

Das Anneli springt dur d'Stegen uf,
Es leit si Siden und Sammet uf,
Ja Sammet und sidige Schnüre
Der Rüter wott 's Anni verführe:
Er nahm das Anni bim Gürtelschloß
Und schwung's wol hinter sich ufs höchi Roß.

Es got e chli balde, e chli balde,
Er ritet zum finstere Walde,
Si chömet zur grüenliche Haselstud,
Dört rugget e wißliche Durdeltub,
Das Dübeli thät sich ruggiere:
»O du Maidli, er will di verführe!« –

»Ach Rüter, lieber Rüter mi,
Was rugget echt das Dübeli?« –
– »Es rugget wege sim rothe Fueß,
Wo's im Winter dra früre mueß,
Um sine bluetrothe Chralle,
Wo-n-im Winter der Schnee ist gfalle.«

Ei ritet mit em i de fistere Wald,
Das Anneli schreit: »O weh, was Gwalt!«
Er ritet mit em i d'Stude und Stöck,
Es schreit: »O heie, mine sidige Röck!«
Er ritet mit em über Studen und Stei,
Es schreit: »O weh, mine schneewiße Bei!«

Wo si im grüene Wald si duß,
Spreitet der Rüter der Mantel us,
Er spreitet der Mantel is grüene Gras,
Schöne Jungfrau zuo-n-em nieder saß:
»Ach Anneli, chum mer cho luse,
Mis chruselgels Hörli verzuslä!«

So mängi Lock das Anni verthat,
So mängi Thrän as im empfalt;
Er luegt ir unter die Auge:
»Jungfrau, was mueß i g'schauge?
Jungfrau, so lat üer Trure,
Oder was isch üch z'oure?

Weinest du din junge stolze Mueth?
Weinest du um dis väterlich Guet?
Weinest du um dini Ehre,
Aß du meinst, du heigist sie nimmermehre?
Oder weinest du um eine Tanne,
Aß du meinst, du chünnest nümme manne?« –

»Ich weine nit um mis jung stolz Bluet,
Weine nit um mis väterlich Guet,
Und weine nit um mini Ehre,
Aß ich mein, ich heig sie nit mehre,
Weder ich wein ob diesere Tanne
G'seh eindlef Jumpfere dra hange.« –

»Wein nit zu sehr, mis Anneli,
'Sisch wohr, du mueßt die Zwölfti si,
Muesch oben an a d'höchsti Spitz,
Aß me g'seht, daß de Marggräfene bist,
Mueßt Chaiseri si ob alle,
Mueßt aller z'öberist hange.

Schrei du nur zu viel hundert Stund,
Ich weiß ja gar wol, aß Niemer chunt;
Du chaust jo schreien, so viel as d'witt.
Die junge Waldvögel lose der nit,
Und die neume-n-im Obwald flüge,
Die Dübli sind gar verschwiege.«

Der erste Schrei, den 's Anneli g'than,
Es rüeft den liebere Vatter an;
Der zweite Schrei, den 's Annelt thuet,
Es rüeft dem Müetterli lieb und gut;
Und wo's zum dritten und letzten schreit,
So rüefts dem Brüeder, der isch nit dehei.

Der Brüeder, der isch bi's Sternewirths gsesse,
Hält Hochsig-Bratis und Fischli ggesse;
Der Brüeder sitzt bim küele Wi,
Die Stimm got im zem Pfeister ie:
»Ich bitt ech um Gottes Wille,
Hend ech chlei weneli stille!

Es lit mir öppis in minem Sinn
I mein, i g'höre mis Schwösterlis Stimm!
Hör regne, Wind, hör stürme, Wind,
I ghören es Stimmli, wie euses Chind:
Es liegt mir geng im Sinne,
I ghören mis Schwösterlis Stimme.

Sattelt mis best Roß im Stal,
So chan i riten über Berg und Thal;
Zäumet's mit ere isige Chett,
Aß i mim Schwösterli 's Leben rett,
Aß i chumm-n-e chli baß use
Zur ruggede wißliche Tube.

I han es Roß, 'sisch buggeile.
Verzeret alle Strick und Seile,
I cha mis Rösseli wise,
Aß es Bluet schwitzt unter den Ise.
Aß es chocht i Läber und Lunge,
Bis ich mis Schwösterli ha gfunge.«

I chomme baß use gsprunge,
Do chumme i zu einem Brunne,
Er hanget voll Löckli und Maitschiboor,
Der Brüeder denkt, der Traum isch wohr;
Er ist kerunne mit Mägdlibluet,
Der Brüeder denkt, der Traum isch guet.

I chomme baß use, baß use,
Do chummi zu einer Stude.
»Ach Rüdeli, wehr, ach Rüdeli, speer!
Worum denn draijest du selb Widel so sehr?« –
»Schwig, Schwösterli, schwig, dieselbige Wid,
Im Draijen ich se, mim Anneli nit!« –

»Draih sie du nummen und draih sie bald,
Du draijest sie selber an dinen Hals;
Du Rüter, du Schölm, du Räuber, du Dieb,
Lueg, wie mer dir 's Lusen und 's Chruslen vertribt.
Du muesch ietz hange mim Roß a Schwanz,
Du muesch ietz löhre den Höppelidanz!«


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