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Ulrich Boner

Von einem pfaffen und einem esel

Ein pfaf was jung und da bi kluog,
Als noch Pfaffen ist genuog:
Er war stolz und hochgemuot,
Sin stimme ducht in harte guot,
Uf singen er gevlizzen was:
Er wand, daz nieman singe baz,
Denn er: des was er gar gemeit.
Mit singen hat er erebeit;
Jedoch was er gesanges vol.
Wie ez doch nicht geviele wol
Den liuten, doch er dicke sang:
Des in sin narrekeit betwang.
Nu kam ez von geschicht also,
Daz er sang ane maze ho
Uf dem altar; do stuont da bi
Ein vrowe, diu hat ir eselli
Verlorn vor an dem dritten tage:
Si wende vast, groz was ir klage.
Do si der pfaffe weinen sach,
Vil güetlich er do zuozir sprach:
»Sagent, vrowe, waz meinet daz,
Daz iuwer ougen sint so naz?«
Er ward, ir waer gevallen in
Ein andacht von der stimme sin,
Und sprach: »Sol ich iu singen me?«
»Nein, ir herre; ez tuot mir we.«
»Wa von? daz solt ir mir nu sagen.«
»Gern, her!« sprach si, »ich muoz iu klagen,
Wa von ich geweinet han.
Min esel, der mir vil wol kan,
Den hant die Wolf verezzen:
Des mag ich nicht vergezzen.
Wenn ir singent so gar herlich,
So ist iuwer stimme gelich
Der stimme, die ein esel hat:
So manent ir mich uf der stat
An minen esel. Herre min,
Mich wundert, wie daz müge sin,
Daz iuwel stimme so gelich
Mis esels ist: daz wundert mich.«
Der üppig Pfaffe wart geschant:
Siu eselstimme wart erkant;
Doch es geviel im selber wol
Als billich noch ein esel sol.

Wer waent, daz er der beste si,
Dem wont ein gouch vil nahen bi.
Mich wundert, daz daz ore stat
So nach dem munde und nicht vervat,
Daz ieman welle erkennen sich
Unt sine stimme: des wundert mich.
Ez waent manger singen wol,
Des stimme hert ist unde hol,
Und brieschet, als der esel tuot.
Hort er sich selben (daz waer guot)
Mit vremder liuten oren,
Er würd nicht z'einem toren,
Als disem pfaffen ist geschehen.
Ouch hoer ich vil der liute jehen:
Der übel singt, der singet vil:
Menglichen er ertouben wil.


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