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Geschichte des Prinzen Habib und der Prinzessin Dorrat-al-Gawas.

»Salama, einer der tapfersten und ältesten Krieger Arabiens, war das Oberhaupt des Stammes Benuhalal und sechsundsechzig anderer Stämme, die seinen Geboten gehorchten. Tausend furchtbare Ritter umgaben seine Person; aber all seine Größe konnte ihn nicht von dem Kummer befreien, welchen er darüber empfand, daß er keine Kinder hatte, und sein hohes Alter erlaubte ihm fast nicht mehr, auf diese Gunst vom Himmel zu hoffen.

Endlich hörte er in einer Nacht eine heimliche Stimme, welche ihm die Fruchtbarkeit seiner Gattin verhieß, und die Weissagung war nicht trüglich, denn nach Verlauf einiger Monate bemerkte er wohl, daß sie schwanger war.

Zur gewöhnlichen Zeit gebar sie einen Sohn, schön wie der Vollmond, und sein Vater gab ihm den Namen Habib. Sie wollte es keiner Amme überlassen, ihn zu säugen, und zwei Jahre lang gab sie ihm ihre Milch.

Ebenso beschäftigte sich der alte Emir, der über die Geburt seines Kindes hocherfreut war, beizeiten mit der Wahl eines Lehrers für ihn, und als der junge Prinz das gehörige Alter erreicht hatte, gab er ihm einen geschickten Lehrmeister, der seinen Zögling mit der größten Sorgfalt unterrichtete.

In kurzer Zeit machte Habib reißende Fortschritte; er hatte kaum das Alter von sieben Jahren erreicht, als er schon vollkommen die Sprachlehre, die Geschichte, die Dichtkunst und alle Feinheiten der Schreibekunst verstand.

Jetzt gab sein Vater den Häuptern der verschiedenen Stämme, die er beherrschte, ein prächtiges Mahl. Der junge Prinz wurde dabei von ihnen geprüft und entwickelte einen so wunderbaren Umfang von Kenntnissen, daß alle Welt darüber erstaunt war. Er dichtete aus dem Stegereif Verse zum Lobe seines Vaters, und man erkannte einstimmig, daß er bald ebensoviel Geschicklichkeit haben würde, als er sich schon Kenntnisse erworben hatte.

Der Emir war so entzückt über die Fortschritte seines Sohnes, daß er auf der Stelle seinen Lehrmeister kommen ließ, ihn mit Lob überhäufte, ihm ein Geschenk von vier mit Gold, Silber und andern Kostbarkeiten beladenen Kamelen machen und ihn zugleich zum Befehlshaber eines seiner Stämme erheben wollte; er sagte ihm sogar, daß er dadurch noch viel zu wenig die ihm geleisteten Dienste zu belohnen glaubte: aber zu Salamas großem Erstaunen wurde dies Erbieten abgelehnt.

»Ich sehe wohl,« antwortete ihm der Lehrmeister seines Sohnes, »daß es Zeit ist, mich zu erkennen zu geben und dir den Irrtum zu benehmen, in welchem du dich befindest: ich gehöre nicht zum Geschlechte der Menschen und bin weit über die irdischen Eitelkeiten erhaben, welche Ihr mir verehren wollt; ich bin einer der über die Menschheit erhabenen Geister, unter welchen ich einen hohen Rang einnahm, als eine geheimnisvolle Stimme mir den Befehl erteilte, mich an deinen Hof zu begeben, um dort die Erziehung deines Sohnes zu übernehmen: ich bin dieser Weisung gefolgt, habe mich um deine Wahl beworben und sie erhalten. Meine Sendung ist nunmehr erfüllt.«

Salama verwirrte sich in Danksagungen und wußte nicht, wie er dem Geiste seine ganze Erkenntlichkeit bezeigen sollte, als dieser folgendermaßen fortfuhr:

»Ach, Herr, mit großem Bedauern sehe ich mich von meinem jungen Zöglinge getrennt; und diese Trennung ist mir umso schmerzlicher, als er von einem großen Unglücke bedroht wird, sobald ich nicht mehr bei ihm bin.«

Mit diesen Worten umarmte der Geist den jungen Prinzen, und ohne die Fragen zu beantworten, welche Salama ihm tat, stieß er einen lauten Schrei aus und verschwand weinend.

Als Habib sich von seinem Lehrer getrennt sah, zu welchem er eine lebhafte Zuneigung trug, ließ er den Palast seines Vaters von seinen Klagen widerhallen. »Wehe!« rief er aus, »wie kann ich von dem getrennt leben, dem ich alles verdanke? Nacht und Tag stellt sein Bild sich vor meine Seele, mein Herz wird von Leid verzehrt, und mein Leib wird dem Übermaße meines Schmerzes nicht widerstehen können!«

Von diesem anziehenden Schauspiele war die Versammlung lebhaft gerührt, als man eine Stimme folgende Worte aussprechen hörte:

»Der junge Habib muß seinen Schmerz zu besiegen wissen und sich damit beschäftigen, die weite Laufbahn, welche ihm offensteht, zu erfüllen. Er bemühe sich, seinen Leib für die Arbeiten, Anstrengungen und Gefahren zu stählen, welche er bestehen soll, so wie er sich bisher bemüht hat, seinen Geist zu bilden.«

Diese Worte ermutigten den jungen Prinzen wieder. »Wohlan,« rief er aus, »da der Geist, welcher mich bisher so trefflich beim Erlernen der Wissenschaften geleitet hat, mich nunmehr auffordert, mich mit der Kunst der Waffen zu beschäftigen, so will ich seinem Rate folgen, und bald soll die Erde von dem Rufe meiner zahlreichen Taten erfüllt werden.«

Der alte Salama war auf dem Gipfel der Freude, als er in seinem Sohne diesen kriegerischen Geist wahrnahm; er umarmte ihn herzlich und sprach zu ihm:

»Wohlauf, mein Sohn, an dem Feuer, welches ich in deinen Augen blitzen sehe, erkenne ich wohl, daß du einer der ausgezeichnetesten Helden meiner tapferen Stämme sein wirst. Nachdem die Gunst des Himmels dir schon einen so köstlichen Lehrer geschenkt hat, wie der soeben von hinnen geschiedene ist, so laß uns nicht verzweifeln, daß er uns auch in der Wahl des Mannes leiten werde, der dich in dem Waffenhandwerke unterrichten soll.«

Jedes der gegenwärtigen Häupter bewarb sich um die Ehre, dem jungen Habib zum Lehrmeister zu dienen, als ein Fremder in der Versammlung erschien: sein Roß übertraf alles, was Arabien an erlesenen und zierlichen Rennern aufzuweisen hatte. Seine Rüstung schien von dem Propheten David geschmiedet zu sein, und seine Keule aus einem sehr harten Steine war von solcher Schwere, daß vierzig der stärksten Männer sie nicht hätten tragen können. Ein in Indien geschmiedeter Säbel hing an seiner Seite, und seine Lanze war ein Werk des berühmten Schmiedes Samher. Er sprang von seinem Rosse; und nachdem er den Emir und seinen ganzen Hof begrüßt hatte, redete er ihn mit folgenden Worten an:

»Ich komme, Herr, Euch für den Prinzen, Euren Sohn, den Dienst einer langen Erfahrung anzubieten, welche ich mir in den Waffen erworben habe: wenn Ihr meine Geschicklichkeit und Stärke prüfen wollt, um Euch zu versichern, ob ich der ehrenvollen Stelle würdig bin, um welche ich anhalte, so biete ich Euch den Zweikampf an.«

Diese Worte erweckten das ganze Feuer des alten Emirs; und trotz den Vorstellungen aller, die ihm bemerklich machten, wie unvorsichtig es wäre, mit einem ganz unbekannten Fremdlinge, der ein Verräter sein könnte, in die Schranken zu treten, nahm er das ihm getane Erbieten an und befahl auf der Stelle, ihm seine Waffen zu bringen. Sogleich zog er seinen Ringpanzer an, welcher den schärfsten Säbelhieb aushielt, ergriff sein Schwert, welches Felsen zu spalten vermochte, und seine ungeheure Lanze.

Als er zu Pferde saß, bildeten die Zuschauer einen Kreis, um Zeugen des Zweikampfes zu sein, der nun begann. Die beiden Streiter ritten erst auseinander, um Feld zu gewinnen, dann stürzten sie mit solcher Gewalt auseinander los, daß ihre Lanzen in Stücke brachen: sie greifen hierauf zu ihren Schwertern, und mitten in einer Staubwolke geben sie sich tausend Hiebe.

Salama erkannte nunmehr die ganze Geschicklichkeit seines Gegners, und zufrieden mit dieser Probe, endigte er den Streit.

 

Fünfhundertunddreizehnte Nacht.

Der Unbekannte warf sich hierauf zu seinen Füßen und bat ihn um Verzeihung für die Kühnheit, daß er gegen ihn im Kampf aufgetreten wäre, indem er sich mit seinem Verlangen entschuldigte, der Lehrmeister des jungen Prinzen zu werden.

Habib kam auf ein Zeichen seines Vaters herbei, warf sich dem fremden Ritter in die Arme und fragte ihn um seinen Namen.

»Ich nenne mich Al-Abus,« antwortete der Unbekannte.

»Fürwahr, Euer Name ist übel gewählt,« versetzte Habib; »denn weit entfernt, grimmig zu erscheinen, habt Ihr vielmehr das Ansehen von Wohlwollen und Güte, welches alle diejenigen anzieht, die sich Euch nähern.«

Al-Abus erwiderte diese zuvorkommenden Worte des jungen Prinzen mit einer herzlichen Umarmung; er versprach dem Vater, sich fortan ganz der Erziehung seines Sohnes zu widmen und ihm den Geist der Tapferkeit und Kühnheit einzuflößen, welcher seinem Range geziemte.

Unter diesem zweiten Meister trieb nun Habib mit Eifer das Waffenhandwerk und zeigte nicht minder glückliche Fähigkeiten in diesen neuen Übungen, als er in den vorigen bewiesen hatte.

Er fand bald Gelegenheit, den empfangenen Unterricht zu benutzen, und indem er ebensoviel Geschicklichkeit als Mut in den Fehden entwickelte, welche der Stamm seines Vaters gegen seine Nachbarn führte, so erwarb er sich durch seine Tätigkeit, Gewandtheit und Kühnheit bald den Ruhm des größten Helden Arabiens.

Sobald der Meister gewahrte, daß sein Zögling seiner Lehren nicht mehr bedurfte, schickte er sich an, ihn zu verlassen, und als er eines Tages mit ihm auf dem Felde lustwandelte, redete er ihn also an, um ihm seine letzten Lehren zu erteilen:

»O mein teurer Habib, ich muß dich darauf gefaßt machen, daß dein Leben mit vielen Mühseligkeiten und Gefahren verknüpft ist; aber die Vorbestimmung verheißt dir den Lohn der Leiden, welche du bestehen wirst. Dieser Lohn ist die schöne Dorrat-al-Gawas, die Beherrscherin der Geister und Menschen in einem von Arabien weit entlegenen Lande. Ungeachtet der Verschiedenheit der Untertanen ihres Reichs erfreut sich dasselbe jedoch eines tiefen Friedens, und keine Zwietracht herrscht unter ihnen. Jeder ihrer beiden Minister gehört zu einem der beiden Geschlechter, die ihren Geboten Folge leisten. Höre ihre Geschichte, die ich dir erzählen will, und gedenke dabei, daß die Vorsehung sie dir zur Gattin bestimmt.«

Nachdem Al-Abus durch diese Worte die Aufmerksamkeit seines Zöglings in Anspruch genommen hatte, begann er folgendermaßen:

 


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