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Fortsetzung der Geschichte der Prinzessin Ameny.

Inzwischen neigte sich der Tag, und wir bemerkten gegen unsern Wirt, daß der Augenblick der Abreise herannahte. »Meine Freunde,« sagte er zu uns, »konnte ich, als ich euch versprach, euch heute abreisen zu lassen, die große Verpflichtung voraussehen, welche ihr mir auferlegen würdet? Welches Vergnügen könnten wir in eurer Abwesenheit bei den Festen genießen, die ich wegen der glücklichen Befreiung meiner Frau und meines Sohnes anzustellen gedenke? Schlaget mir diese Gefälligkeit als Lohn der gegen euch erfüllten Pflichten nicht ab, weil ihr doch einmal die Güte habt, sie mir anzurechnen.«

Die Frau fing an zu weinen, indem sie uns die Hand reichte, um uns zum Bleiben zu nötigen; das Kind umarmte uns und klammerte sich an unsere Kniee. Meine Gefährtin war sehr mißvergnügt, daß sie abreisen sollte; aber sie fühlte zu gleicher Zeit, welche grausame Unruhe ihre Abwesenheit ihren Verwandten verursachte. Wir beschlossen, noch einen Tag bei unsern Wirten zu bleiben, und er wurde der Freude und Ergötzlichkeit gewidmet.

Am zweiten Tage darauf reisten wir ab, ehe die junge Frau aufgestanden war. Ihr Gatte begleitete uns sehr weit, und unsere Trennung verursachte viele Tränen.

Wir machten uns auf den Weg nach Hamah. Je näher wir dieser Stadt kamen, je zufriedener und vergnügter schien die Prinzessin. Es fehlte viel, daß ich als Fremde und entschlossen, mein Geschlecht nicht zu entdecken, ebensoviel Grund zur Freude hatte.

Erstaunt, daß ich ihre Entzückungen nicht teilte, fragte sie mich oft, welches Land mein Vaterland wäre, ob meine Eltern noch lebten, und versicherte mich, um mich zu trösten, daß der König, mein Vater, sie holen lassen würde, damit sie am Hofe blieben. »Ihr werdet diesen Hof nicht mehr verlassen, mein Freund,« sagte sie zu mir; »denn Eure Abwesenheit würde meinen Tod zur Folge haben. O wie sehr werden der König und die Königin Euch lieben, wenn sie erfahren, daß Ihr mir die Ehre und das Leben gerettet habt!«

»Prinzessin,« sagte ich zu ihr, »noch kann ich Eure liebenswürdigen Anerbietungen weder annehmen, noch ausschlagen: ich übergebe mich dem Willen Gottes; ihm kommt es zu, über mein Schicksal zu entscheiden.«

Nach einer langen und beschwerlichen Reise kamen wir an den Ufern des Flusses Hassy nicht weit von Hamah an. Wir sahen daselbst viele Zelte und ansehnliches Jagdgeräte. Plötzlich redeten uns fünf trefflich berittene Männer an und fragten uns, woher wir kämen, und wohin wir wollten. Nachdem wir ihnen eine Antwort gegeben hatten, die ihnen genügte, fragte meine Gefährtin sie nach Neuigkeiten des Landes, welches, nach den auf allen Seiten zerstreuten Zelten zu urteilen, den Schrecknissen des Krieges hingegeben war.

Diese Reiter erzählten uns, daß dasjenige, was wir sähen, das Gerät des Königs von Hamah wäre. »Dieser Fürst,« sagten sie uns, »sucht, da er seine Tochter, die ein elender Sklave frech entführte, verloren hat, seinen Schmerz durch Jagen zu zerstreuen; und wenn ihr in dem Laufe eurer Reise einige Nachrichten von dieser Prinzessin erhalten hättet, die ihr Seiner Majestät mitteilen könntet, so würdet ihr sehr wohl empfangen werden.«

Meine Gefährtin ließ mir nicht Zeit, zu antworten. »Wir haben dem Könige nichts Bemerkenswertes mitzuteilen,« sagte sie; »aber wir sind sehr ermüdet von einer sehr langen Reise, und wir empfehlen uns eurer Wohltätigkeit: übet Gastfreundschaft an unglücklichen Reisenden!«

Der Anführer dieses Trupps, dem unser Aussehen nicht mißfiel, erwiderte uns: »Ihr sollt bei mir nicht nur diejenige Gastfreundschaft finden, die man Fremden schuldig ist, sondern ich will euch auch dem Könige vorstellen, der entzückt sein wird, eure Abenteuer zu vernehmen. Diese Erzählung wird seinen Schmerz vielleicht lindern. Kommet mit mir, ich bitte euch.«

Sogleich wandte er sein Pferd und führte uns gerade in das königliche Zelt. Unser Führer war einer der vornehmsten Hofbeamten; er trat in das Zelt und sagte: »Herr, ich bringe Euch hier zwei Fremde von edlem Ansehen; sie scheinen sehr ermüdet; aber ihre Gesellschaft könnte Euch vielleicht unterhalten.«

»Man lasse sie hereintreten,« sagte der König; »vielleicht können sie mir Nachrichten von meiner unglücklichen Tochter geben.«

Wir wurden vor den Monarchen geführt, vor welchem wir uns auf ein Knie niederließen und den Teppich küßten. Nach der gewöhnlichen Begrüßung blieben wir stehen; aber wir erhielten den Befehl, uns auf seidene Kissen zu setzen. Der große König von Hamah hatte ein trauriges und nachdenkliches Ansehen, er betrachtete uns beide sehr aufmerksam, und die Tränen traten ihm in die Augen.

»Ach,« rief er aus, indem er einen tiefen Seufzer ausstieß, »ohne die männliche Kleidung, welche dieser Fremde trägt, würde ich ihn für meine Tochter gehalten haben, für meine zärtliche mir geraubte Tochter. Solltet ihr auf euren Reisen nichts von ihr gehört haben?«

Wir gaben ihm zu erkennen, wie leid es uns täte, ihm in diesem Augenblicke keine Nachricht von einer ihm so teuren Person geben zu können; aber wir versprachen ihm, auf unserer ferneren Reise die sorgfältigsten Erkundigungen einzuziehen.

»Habt ihr noch einen weiten Weg zu machen,« fragte der König, »und darf man euer Ziel wissen?«

»Wir haben keines, und wir reisen zum Vergnügen,« erwiderte meine Gefährtin.

»Aber warum wollt ihr da noch weiter reisen?« fuhr der König fort, »bleibet hier in meinen Diensten; ihr verdient wohl, an dem Hofe eines Monarchen angestellt zu sein.«

Eine tiefere Verbeugung war unsere Antwort, und die Unterhaltung wandte sich auf andere Gegenstände.

Die Betrübnis des Prinzen schien sich zu zerstreuen, und er fühlte sich gleichsam durch ein Geheimnis der Natur getröstet. Während er mich über die Wissenschaften, die Künste und Gebräuche mehrerer Völker befragte, die ich kennen gelernt hatte, blieben seine Augen fest auf meine Gefährtin gerichtet.

Bei der Mahlzeit mußten wir uns neben ihn setzen, die eine rechts und die andere links; er schenkte uns selbst zu trinken ein und unterhielt sich ohne Zwang mit uns. Die Unterhaltung schien ihn nicht zu langweilen.

»Ich möchte glauben,« sagte er zu uns, »daß ihr verkleidete Prinzen seid; denn ihr habt eine mehr als gewöhnliche Erziehung erhalten.«

Wir erwiderten ihm ehrfurchtsvoll: »Herr, wir sind nur die unwürdigsten Eurer Diener.«

Zur Stunde der Ruhe führte uns ein Beamter in ein prächtiges Zelt, in welchem wir Kleider und Wäsche für uns fanden. Ehe ich mich zu Bette legte, fragte ich meine Gefährtin, warum sie sich ihrem Vater noch nicht zu erkennen gegeben hätte.

»Ich fürchte,« sagte sie zu mir, »daß das Übermaß allzu plötzlicher Freude seine durch die Jahre geschwächten Organe zu sehr angreifen möchte.«

»Tut, was Ihr für angemessen haltet,« sagte ich zu ihr.

 

Fünfhundertundzehnte Nacht.

Am andern Morgen bei Tagesanbruche holte uns der Beamte, der uns in unser Zelt geführt hatte, zum Könige, mit welchem wir Kaffee tranken, und der uns das Vergnügen einer großen Jagd gewähren wollte. Ich schoß viel Wildpret, wovon ich meiner Gefährtin, die keine Jägerin war, einen Teil gab. So gewahrte man ihre Unerfahrenheit nicht, und noch merkte niemand unsere Verkleidung. Wir aßen immer mit dem Fürsten, der uns den folgenden Tag in die Stadt zu kommen befahl.

Da ihn die Königin bei seiner Rückkehr heiterer als gewöhnlich fand, so fragte sie ihn, ob er Nachrichten von seiner Tochter erhalten hätte.

Diese Frage preßte Tränen aus seinen Augen. »Wir haben,« sagte er zu ihr, »zwei junge Fremde getroffen, die meine Leute zu mir gebracht haben: ihre Anmut, ihre Schönheit, ihr Geist haben mir einiges Vergnügen gewährt; besonders gefällt mir der eine von beiden wegen seiner Ähnlichkeit mit meiner Tochter; ohne seine männliche Kleidung würde ich glauben, sie wäre es: aber mindestens täuscht er mich; diese Täuschung macht mir Freude, und darum siehst du mich weniger traurig als gewöhnlich.«

Die Königin hatte große Lust, uns zu sehen; aber die Landessitte erlaubte den Frauen keine Zusammenkünfte mit Personen von dem anderen Geschlechte; man führte uns unter ihre Fenster unter dem Vorwande, uns frische Luft schöpfen zu lassen; und während wir eine Partie Schach spielten, hatte sie volle Muße, uns zu betrachten. Wir gingen nur aus, um uns Nahrung und Ruhe zu gönnen.

Am folgenden Tage bereitete man ein großes Fest, um unsere glückliche Ankunft zu feiern, vorzüglich aber, um den Monarchen zu ergötzen. Man setzte uns beide neben ihn, und als alle Gäste saßen, ergriff er Aladdins Hand und rief aus: »Warum habe ich nicht meine Tochter neben mir, wie ich Euch neben mir habe? Und wann wird der Bote kommen, der mir die Ankunft dieser teuern Tochter, die ich mein ganzes Leben hindurch beweinen werde, meldet?« Nach diesen Worten erstickte sein Schluchzen seine Sprache.

Meine Gefährtin benutzte diesen Augenblick, um ihn zu fragen, was er demjenigen, der ihm diese Nachricht brächte, wohl geben würde.

»Die Hälfte meiner Krone,« rief der König aus, »und ich würde ihn dadurch noch nicht hinlänglich belohnt finden; er könnte sogar meine Tochter heiraten, wenn diese darein willigte, ihm ihre Hand zu geben.«

»Aber,« fuhr die Prinzessin fort, »wenn Ihr diese teure Tochter sähet, würdet Ihr sie denn wiedererkennen?«

Zugleich nahm sie ihren Turban ab, und ihre schönen schwarzen Haare fielen in Locken auf ihre Schultern – der Monarch schloß sie in seine Arme und drückte sie zärtlich an seine Brust, indem er mit gebrochener Stimme ausrief: »Meine Tochter! Es ist meine teure Tochter, die ich umarme!«

Die Königin, welche sich in einem kleinen Gemache mit Glasfenstern befand, aus welchem sie alles sah, was bei dem Feste vorging, konnte ihre Entzückung nicht mehr mäßigen; sie stürzte heraus, mitten durch die Herren und auf ihren Gatten und ihre Tochter: alle drei waren einige Augenblicke hindurch ihrer Sinne beraubt, aber ihre Freude ward nach und nach ruhiger, und sie überhäuften sich gegenseitig mit den zärtlichsten Liebkosungen.

»Ihr erkennt also eure Tochter?« sagte die junge Prinzessin.

»Ich habe sie neun Monate in meinem Schoße getragen,« antwortete die Königin, »ich habe sie gesäugt: bedurfte ich der Augen? Niemals irrt sich eine Mutter in ihrem Blute.«

»Unsere ersten Entzückungen gehörten der Natur,« sagte die Prinzessin; »aber auch die Dankbarkeit hat Rechte an unser Herz; hier ist mein Befreier.«

Hierauf erzählte sie alle ihre Abenteuer, welche bald von Munde zu Munde gingen; die Freude verbreitete sich im Palast und in der ganzen Stadt, und man stellte große Feste an, um dieses glückliche Ereignis zu feiern.

Der König sagte zu seiner Tochter: »Dein Reisegefährte verdient deine Erkenntlichkeit und eine seiner würdige Belohnung: wenn ihr beide darein williget, werde ich euch also verbinden.« Das war es eben, was meine Gefährtin wünschte; denn sie hatte sich leidenschaftlich in mich verliebt.

Urteilet, Herr, wie groß meine Verlegenheit war, als ich diesen Vorschlag hörte; ich wußte nicht, welchen Entschluß ich fassen sollte. Sollte ich auf der Stelle abreisen oder mein Geschlecht entdecken? Das erste war gefährlich, das zweite konnte meine Tugend zweifelhaft erscheinen lassen. In dieser Ungewißheit verlangte ich einige Tage Bedenkzeit.

Der König bewilligte mir neune; aber schon am folgenden Tage sah ich den Kadi bei mir eintreten, der mir den Heiratsvertrag brachte. Die Prinzessin drängte so sehr, daß ich sogleich in die Moschee mußte, woselbst die Trauung mit vielem Gepränge vor sich ging. Die Prinzessin erwartete mich mit Ungeduld, sie war auf dem Gipfel ihrer Wünsche, was mich betraf, so wußte ich nicht, was aus mir werden sollte. Es fehlte viel daran, daß ich teil an der öffentlichen Freude nahm. Man schrieb diese Traurigkeit meinem von Natur trübsinnigen Gemüte zu, welches sich bei dieser wichtigen Gelegenheit mehr als gewöhnlich zu erkennen gab.

Nach dem herkömmlichen Gebrauche essen die beiden Eheleute an ihrem Hochzeitstage miteinander zu Abend, um Bekanntschaft zu machen; aber da wir beide, die Prinzessin und ich, uns lange kannten, so wollten ihre Eltern mit uns essen. Nach der Mahlzeit führten sie uns in die Hochzeitskammer. Die Königin entfernte sich, die Sklaven folgten ihr, und wir blieben allein. Meine Frau hatte sich schon niedergelegt, und ich dachte noch nicht daran, mich zu entkleiden; ich mußte jedoch ihren Bitten nachgeben. Ich löschte alle Lichter aus, ehe ich meine letzten Kleidungsstücke ablegte, und ich behielt noch so viel an, als nötig war, um ihr mein Geschlecht zu verbergen.

 

Fünfhundertundelfte Nacht.

Kaum war ich ins Bette geschlüpft, als ich unbeweglich blieb. Die Prinzessin näherte sich mir, faßte mich bei den Händen und warf mir meine große Traurigkeit vor. »Mein Freund, warum bist du betrübt?« sagte sie zu mir. »Siehst du nicht, daß das Böse oft Gutes hervorbringt? Ohne jenen elenden Sklaven würde ich nicht das Glück haben, dich zu kennen.«

Zu gleicher Zeit drückte sie mich heftig an ihre Brust, welche klopfte, denn Liebe hatte ihre Sinne entflammt. Endlich faßte sie mich bei der rechten Hand. »Sei großmütig,« sagte sie zu mir, »und gib mir nicht den Tod, nachdem du mir das Leben gerettet hast.«

Alle diese Klagen rührten mich lebhaft, aber mein unfruchtbares Mitleiden konnte der Prinzessin nicht genügen. Ich schwamm in Tränen. »Ach,« sagte ich zu ihr, »warum verbietet mir die Ehre, Euch jetzt ein Geheimnis anzuvertrauen, das mich kränkt? Aber Ihr wißt, daß ich für Euch bin, was Ihr für mich seid, also fasset Euch in Geduld.«

»Fern von mir,« erwiderte die Prinzessin, »sei der Gedanke, demjenigen, den ich liebe, die mindeste Kränkung zu verursachen.«

Nach diesem kurzen Gespräche kehrten wir uns den Rücken zu, um ruhiger zu schlafen. Ich schlief nur sehr wenig; denn die Beängstigungen, von denen ich bewegt wurde, gestatteten mir keine Ruhe. Meine Gefährtin schlief nicht fester; ihre Augenlider waren geschlossen, aber das Feuer brannte in ihrem Herzen.

Am Morgen kam die Königin, um sich mit uns über die Verheiratung zu freuen: sie umarmte uns sehr zärtlich, und sobald wir aufgestanden waren und sie sich mit der Prinzessin allein befand, befragte sie dieselbe. Diese erzählte ihr, was vorgefallen war.

Ihr Erstaunen war sehr groß, sie errötete vor Scham, ging zu dem König und weinte bitterlich; weil aber die Männer immer mehr Festigkeit und Geistesgegenwart haben als die Frauen, so schien dieser Fürst nicht sehr erschrocken. »Beruhigt Euch, meine Königin,« sagte er: »die Zeit wird dies Geheimnis enthüllen.«

Er sprach noch, als die Neuvermählten eintraten. Auf dem Gesichte der jungen Prinzessin zeigte sich ihre Traurigkeit. »Was hast du, meine Tochter?« sagte der Sultan zu ihr; »der Tag deiner Hochzeit muß für dich ein Festtag sein.«

Er wollte, daß sie mit ihm frühstücken sollte, und führte sie sodann in ein anstoßendes Gemach.

»Meine Tochter,« sagte er zu ihr, »ich sehe, daß du bekümmert bist, dein Mann allein ist schuld daran. Sprich mit mir aus aufrichtiger Seele; vielleicht kann ich dir Trost und Linderung deines Kummers gewähren.«

Da sie schwieg und ihre Augen in Tränen gebadet waren, so hörte der König auf, sie zu befragen.

Indessen verging der Tag unter Festlichkeiten; die Prinzessin ließ keinerlei Spiele und Ergötzlichkeiten unversucht, um mich zu erheitern, aber ich war zu sehr beängstigt.

Endlich, als wir uns am Abend wieder zu Bette legen wollten, erklärte ich ihr, daß ich das Gelübde der Keuschheit getan hätte.

»Wann ist es zu Ende?« fragte hierauf meine Gemahlin.

»Ich habe noch nicht die Zeit bestimmt,« antwortete ich ihr.

Hierauf zerschmolz sie in Tränen und sprach zu mir, indem sie mich in ihre Arme drückte: »Verschmähung soll also der Lohn meiner Liebe zu Euch sein? Wisset Ihr, welche Schande es für das Haus eines bloßen Untertanen ist, wenn eine Frau nicht nach ihrer ersten Hochzeitsnacht die Zeichen ihrer Jungfrauschaft aufweiset? Was soll nun gar eine Königstochter tun, wenn ihr dieses Unglück begegnet? Ach, wie beklagenswert bin ich! Nimmer wird es mir gelingen, Euch die geringste Liebe einzuflößen; es bleibt mir nichts übrig, als Euch um die einzige Gnade zu bitten: bekennet der Königin ohne Scheu Eure ganze Gleichgültigkeit gegen mich und rechnet auf meine Willfährigkeit. Man wird Euch eine Prinzessin geben, welche mehr imstande ist, Euch zu gefallen, und ich werde mich glücklich schätzen, Euch zu dienen: ich verlange nichts weiter, als unter die Zahl Eurer Sklavinnen aufgenommen zu werden. Vielleicht läßt meine Hingebung, meine Treue, meine Liebe mich Gnade vor meinem Befreier finden. Ich werde nicht völlig verstoßen sein; wenigstens kann ich Euch zu allen Tagesstunden sehen; und ich schwöre Euch, niemals einen andern Gatten zu nehmen.«

Diese zärtlichen Liebesbeteuerungen erregten mir lebhafte Vorwürfe; ich machte mir die Leiden, die ich dieser betrübten Prinzessin verursachte, zum Verbrechen, und ohne mehr an die Gefahr zu denken, welche meine Freiheit und Ehre bedrohte, warf ich mich in ihre Arme und rief aus:

»Meine zärtliche Freundin, es ist mir nicht mehr möglich, Euch zu verbergen, daß ich von Eurem Geschlechte bin: wie habt Ihr mich so lange mißkennen können?«

Diese Worte waren für sie ein Donnerschlag; ich glaubte sie schon tot in meinen Armen zu halten; aber nachdem sie wieder zu sich gekommen war, sprach sie zu mir mit gebrochener Stimme:

»Ihr seid die Ursache meines Todes; die Liebe, die Ihr mir eingeflößt habt, wird mich zu Grabe bringen. Warum habt Ihr mich nicht enttäuscht, bevor sich diese verderbliche Leidenschaft in mir entzündete? Niemals, ach nein, niemals wird mein Herz einen Gegenstand finden, welcher würdig wäre, mit Euch verglichen zu werden!«

»Unglückliche Prinzessin!« sprach ich zu ihr, »konnte ich mir einbilden, daß Ihr für eine Fremde Liebe empfinden würdet, deren Bleibens nicht lange hier ist.«

»Ach, meine süße Freundin,« antwortete sie mir, »Ihr wollt mich verlassen: fürchtet Ihr nicht, daß ich nur zu bald meinen Leiden erliegen werde? Ich schwöre beim Namen des Allmächtigen, ich werde Euch überallhin begleiten.«

»Euer Heil gebietet mir, wegzureisen; wenn ich bleibe, so ist Eure Unehre vollständig: was wird man sagen, wenn man uns immer beisammen sieht, ohne daß unsere Ehe Folgen hat?«

»Mein Kopf ist zu sehr angegriffen,« sagte sie darauf, »um an alle diese Verhältnisse zu denken. Laßt uns diese Nacht wie die vorigen zubringen; vielleicht werden wir morgen ein Mittel für alle diese Leiden finden.« Hierauf drückte sie mich fest an ihre Brust, und mich fest umarmt haltend, schlief sie ein.

Am folgenden Morgen fanden wir den König und die Königin in der tiefsten Betrübnis. Der Wesir hatte ihnen die beleidigenden Reden hinterbracht, welche man in der Stadt über die junge Prinzessin führte.

»Herr,« sprach er, »ich bekenne, daß dieser Fremdling Eurer Tochter das Leben gerettet hat; aber es wäre besser gewesen, sie umkommen zu lassen, als sie mit Schmach zu bedecken. Hätte er seine Abneigung gegen diese Verbindung zu erkennen gegeben, so würden wir eine andere Prinzessin, welche ihm besser gefallen hätte, für ihn gesucht haben, und wenigstens hätte er Eurem Hause diese Beschimpfung erspart.« Der König antwortete durch einen tiefen Seufzer.

Wenige Augenblicke darnach trat die Prinzessin ein. Ihr Vater fragte sie, wie sie die Nacht zugebracht hätte, und weinend antwortete sie: »Wie die vorigen.«

Hierauf erzählte ihr der König, was der Wesir ihm hinterbracht hatte, und befahl ihr, ihrem Gemahl anzukündigen: wenn er in seiner Gleichgültigkeit verharrte, so würde man eine andere Frau für ihn suchen, und sie selber könnte ebenfalls eine andere Ehe eingehen.

Die Prinzessin sah sich nun genötigt, ihr Geheimnis zu entdecken; und diese Neuigkeit setzte alle Höflinge in Erstaunen, und sie wollten's nicht glauben.

Als mich hierauf der König hatte rufen lassen, bekannte ich ihm unbefangen die Wahrheit und erzählte ihm alle meine Abenteuer, an welchen er großen Teil zu nehmen schien.

»Da Ihr eine Muselmännin seid,« sprach er zu mir, »und Euch bei Leuten befindet, die sich zu demselben Glauben bekennen, so bleibet doch bei uns; ich nehme es auf mich, Euch einen Gemahl zu verschaffen, der Euer würdig ist und Euer Glück machen wird.«

»Durchdrungen von Dankbarkeit für alle Eure Güte,« antwortete ich, »bitte ich Euch, zu erlauben, daß ich sie ablehne; ich muß nach Bagdad, um daselbst meine alte Lehrerin wiederzufinden, und von dort mit ihr nach Äthiopien zu dem Könige reisen, der mein Verwandter ist und sich auch zum muselmännischen Glauben bekennt.«

Diese Antwort betrübte den König sehr; er war auch sehr verlegen, wie er die Schmachreden vernichten sollte, welche in der Stadt umliefen. Indessen gab er geheime Befehle zu meiner Abreise mit einem zahlreichen Gefolge von Sklaven und bat mich vor allem, der Prinzessin, seiner Tochter, von all diesen Anstalten nichts zu sagen.

 

Fünfhundertundzwölfte Nacht.

Ungeachtet aller unserer Vorkehrungen durchdrang sie doch meine Absicht, und da sie sah, daß es mir unmöglich war, an dem Hofe ihres Vaters zu bleiben, und daß man ihr nimmer verstatten würde, mich zu begleiten, versank sie in ein furchtbares Siechtum: ihre Wangen fielen ein, die Rosen ihres Angesichts verschwanden; kurz, der Hof war in der lebhaftesten Besorgnis.

Ich widmete der Kranken alle meine Aufmerksamkeit, und sie schien wieder zu genesen. Zur Feier dieser glücklichen Herstellung gab der König ein Fest, zu welchem der ganze Hof eingeladen wurde; treffliche Spielleute und Tänzer, so leicht wie der Morgenwind, führten die zärtlichsten und liebeglühendsten Gesänge auf. Mein Herz war wahrhaft gerührt, und diese Rührung malte sich auf meinem Antlitze. Die Prinzessin fragte mich, ob ich noch entschlossen wäre, zu reisen.

»Ich werde mich wohl hüten,« antwortete ich ihr, »in einem solchen Augenblick an die Ausführung meines Vorhabens zu denken; aber warum wollen wir ein so heiteres Fest trüben? Laßt uns von etwas anderem reden: Schenke, fülle uns die Schale!«

Der König und die Königin stimmten mir bei; man brachte jedem der Gäste eine Schale voll des köstlichsten Weines und spielte eine recht fröhliche Weise, welche die Freude des Festes noch zu erhöhen vermochte; ich bemühte mich, vollends den Trübsinn zu zerstreuen, welchen ich noch auf dem Antlitze der Prinzessin bemerkte.

»Weil Ihr denn durchaus reisen wollt,« sagte sie zu mir, »so empfanget mein Lebewohl.«

Mit diesen Worten sank sie rücklings an meinen Busen, und indem sie ihre linke Hand an mein Herz drückte, stieß sie mit der rechten unter ihrem Gewande einen Dolch in ihre Brust. Sie gab nicht einen einzigen Laut von sich, aber das Blut, welches sogleich in vollen Strömen hinabfloß, und die Blässe, welche die Wangen dieser unglücklichen Prinzessin überzog, verrieten bald ihre unglückselige Tat; man hatte nicht mehr Zeit, ihr die geringste Hilfe zu reichen; man suchte noch ihre Wunde, als sie schon in meinen Armen verschied.

Die Königin umarmte fest den Leichnam der Unglücklichen; man hatte viel Mühe, sie davon zu trennen, und ihre Frauen trugen sie ohnmächtig nach ihrem Zimmer.

Der König aber, in Wut, befahl dem Hauptmann seiner Leibwache, mir den Kopf abzuhauen. Dieser schickte sich an, diesen Befehl zu vollziehen, und ich erwartete ihn mit zuversichtlicher Miene, als der Wesir ihm ein Zeichen gab, innezuhalten.

»Herr,« rief er aus, indem er sich dem Sultan zu Füßen warf, »geruhet zu bedenken, daß diese Fremde die unschuldige Ursache dieses Unglücks ist: wolltet Ihr sie gegen die heiligen Rechte der Gastfreundschaft verletzen?«

»Wohlan,« sprach hierauf der König, »ich schenke ihr das Leben und die Freiheit; aber sie hüte sich wohl, wieder an meinem Hofe zu erscheinen.«

Der Wesir ließ mir drei Pferde und zwei Sklaven geben samt allen für eine lange Reise nötigen Vorräten. Ich machte mich sogleich auf den Weg nach Bagdad.

Von Schmerz durchdrungen, reiste ich traurig dahin, bis der Tag ein Ende nahm. Als die Sonne untergegangen war und nach einem sehr leichten Mahle streckte ich mich auf den Rasen hin, um so die Nacht zuzubringen. Mein Kopf ruhte am Fuße eines Baumes, und ich hielt den Zügel meines Rosses in der Hand; meine Sklaven schliefen in meiner Nähe.

Mit Tagesanbruche fühlte ich mich so stark geschüttelt, daß ich erwachte; indem ich die Augen öffnete, sah ich mich von einer Räuberschar umringt, welche mir den Zügel meines Pferdes aus der Hand rissen; die einen hatten meine neben mir in den Boden gesteckte Lanze sowie meinen Säbel und mein Reisebündel ergriffen; die andern waren beschäftigt, meine Sklaven zu binden, die sich fruchtlos dagegen wehrten. Der Anführer, der mich für schwach und untauglich hielt, die Anstrengungen der Reise zu ertragen, zog seinen Säbel, um mir den Kopf abzuhauen; aber einer der Räuber machte ihm bemerklich, daß man bei meiner vorteilhaften Bildung noch etwas für mich lösen könnte: denn die Kaufleute von Halep kauften gern solche junge und schöne Sklaven. Diese Aussicht hielt den Arm des Mörders auf, und ich verdankte meine Rettung nicht seiner Menschlichkeit, sondern seiner Habgier.

Diese Räuber waren Kurden, die vom Gewinn ihrer Räubereien und ihrer Herden lebten; sie führten mich in ihre weitläufigen Gebirge, in welche hierauf die Kaufleute von Halep kamen, um Hammel zu kaufen. Die Räuber, die mich gefangen hatten, gaben mich diesen Kaufleuten für den Preis von drei Hammeln hin und glaubten einen guten Handel gemacht zu haben.

Ich schätzte mich jedoch sehr glücklich, aus den Händen dieser elenden Kurden befreit zu sein, welche sämtlich Götzendiener sind: einige verehren die Sonne, den Mond und die Sterne; andere beten Bildsäulen, Weiber oder den Teufel an. Sie verehren Bildsäulen zum Gedächtnisse von Lots Weibe, welche in eine Salzsäule verwandelt wurde. Ihr könnt Euch also vorstellen, Herr, welche Qual es für eine rechtgläubige Muselmännin sein mußte, mitten unter diesen Kindern der Finsternis zu leben, die unser großer Prophet verdammt hat.

Der Kaufmann, dem ich zuteil geworden war, führte mich auf den Basar, und bald wurde ich für einen sehr hohen Preis verkauft. Der mich dort kaufte, ist es nun, der mich Euer Majestät zugeführt hat; während der ganzen Reise hatte dieser Mann die größte Sorgfalt für mich wie für sein eigenes Kind. Ich hatte ihm meine Abenteuer erzählt, und sie hatten einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Weil er die Wohltätigkeit und Großmut Euer Majestät kannte, hat er die Reise nach Indien unternommen und mich an Euren Hof geführt.«

Da der Tag noch nicht sichtbar war, begann Scheherasade noch, dem Sultan von Indien, welchen die Geschichte der Ameny sehr ergötzt hatte, die Abenteuer des Prinzen Habib und der Prinzessin Dorrat-al-Gawas zu erzählen.

 


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