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Geschichte Mahmuds, Sultans von Kairo

In Dürftigkeit geboren, blieb ich arm und ohne Genüsse des Lebens, bis ich endlich zu dem Besitze von zehn Silberstücken gelangte, die ich zu meinem Vergnügen zu verwenden beschloß. In dieser Absicht begab ich mich auf den Hauptmarktplatz und wollte mir etwas kaufen, um meinem Gaumen gütlich zu tun. Während ich mich umsah, ging ein Mann vorbei, dem eine große Menge Volks lachend nachfolgte, und der in einem eisernen Kasten einen großen Affen trug, den er schreiend für zehn Silberstücke zum Verkaufe ausbot. Ich fühlte in mir einen sonderbaren Antrieb, das Tier zu kaufen, bezahlte ihm das Geld und trug meinen Einkauf nach Hause, war aber, als ich dort war, in großer Verlegenheit um Speise für mich und den Affen.

Während ich noch überlegte, was ich tun sollte, ward der Affe, der verschiedene Sprünge gemacht hatte, plötzlich in einen jungen Mann, schön wie der Vollmond, verwandelt, der sich zu mir wandte und sagte: »Mahmud, du hast mich für zehn Silberstücke, deine ganze Habe, gekauft, und du denkst nun darüber nach, wie du Speise für dich und mich schaffen kannst.« – »Das ist wahr,« versetzte ich; »aber in Allahs Namen, woher kommst du?« »Frage mich nicht, sondern nimm hier dieses Goldstück und kauf' uns etwas zu essen und zu trinken.«

Ich nahm das Gold, erfüllte sein Begehren, und wir brachten den Abend schmausend und schwatzend miteinander zu, bis es Zeit war, sich zur Ruhe zu begeben.

Am folgenden Morgen sagte der junge Mann: »Freund, diese Wohnung schickt sich nicht für uns, geh und miete eine bessere.« – »Dein Wille ist Befehl,« versetzte ich, ging hin und mietete eine sehr anständige Wohnung in dem schönsten Viertel der Stadt.

Hierauf gab er mir Geld, um Kissen und Teppiche zu kaufen, was ich tat. Bei meiner Rückkehr fand ich ein Bündel vor ihm, welches fürstliche Kleidungsstücke enthielt. Diese gab er mir mit dem Begehren, daß ich zuerst ins Bad gehen, mich baden und sie dann anlegen möchte.

Ich gehorchte seinem Befehle, zog mich an und fand in ihrer Tasche Gold und Silber in Überfluß. Ich tat mir nicht wenig auf mein besseres Aussehen in den reichen Kleidern zugute. Bei meiner Rückkehr lobte er mein Äußeres, ich mußte mich zu ihm setzen, wir nahmen einige Erfrischungen zu uns und schwatzten über allerlei Gegenstände. Endlich gab er mir ein Bündel, welches ich dem Sultan bringen, dessen Tochter ich zugleich für mich zur Frau verlangen sollte; ein Begehren, welches, wie er mich versicherte, gern erfüllt werden würde.

Der junge Mann befahl einem Sklaven, den er gekauft hatte, mich zu begleiten. Dieser trug das Bündel, und ich begab mich in den Palast, in dessen Nähe ich eine Menge von Großen, Beamten und Wachen gewahrte, die, als sie mich so reich gekleidet erblickten, ehrfurchtsvoll fragten, was ich begehrte. Auf meine Erwiderung, daß ich mit dem Sultan zu sprechen hätte, befahlen sie den Wachen, mich zu ihm zu führen.

Ich machte meine gebräuchliche Verbeugung, und der Sultan erwiderte meinen Gruß, worauf ich ihm das Bündel vorlegte, indem ich sagte: »Will mein Herr diese Kleinigkeit annehmen, deren Anbietung freilich meiner niedrigen Lage ganz angemessen, aber gewiß nicht wert ist, von der königlichen Majestät angenommen zu werden?«

Der Sultan befahl, das Paket zu öffnen, welches einen vollständigen königlichen Anzug enthielt, reicher, als man je einen gesehen hatte, worüber der Sultan höchlich erstaunte und ausrief:

»Himmel! Ich besitze nichts Ähnliches und habe nichts Ähnliches besessen. Ich nehme diesen kostbaren Anzug an: aber womit kann ich dir ein so reiches Geschenk vergelten?« – »Großmächtiger Fürst,« versetzte ich, »es ist mein Wunsch, mit dir verwandt zu werden, indem ich mich mit dem kostbaren Edelsteine des Helmes der Schönheit, mit deiner unvergleichlichen Tochter, verheirate.«

Als der Sultan diesen Wunsch gehört hatte, wandte er sich zu seinem Wesir und sagte: »Rate mir, wie ich mich hierbei benehmen soll«, worauf der Wesir erwiderte: »Zeige ihm, Herr, deinen kostbarsten Diamanten und frage ihn, ob er einen ebenso kostbaren habe, um ihn deiner Tochter zum Hochzeitsgeschenke geben zu können.«

Der Sultan folgte diesem Rat, und ich erwiderte ihm: »Wenn ich dir zwei ähnliche gebe, gibst du mir dann deine Tochter?« Nachdem er nun eingewilligt hatte, empfahl ich mich ihm, den Diamanten, welchen ich dem jungen Manne als Muster zeigen wollte, mit mir nehmend.

Als ich nach Hause gekommen war, erzählte ich ihm das Vorgefallene, worauf er den Diamanten betrachtete und sagte: »Der Tag ist nun beinahe zu Ende, aber morgen will ich dir zehn ähnliche schaffen, die du dem Sultan geben sollst.« Am folgenden Morgen ging er aus, und im Zeitraume von einer halben Stunde kehrte er mit zehn Diamanten zurück, die er mir gab, und mit denen ich zum Sultan eilte.

Als dieser die köstlichen Steine sah, war er über ihren Glanz ganz entzückt und befragte den Wesir nochmals, wie er sich dabei benehmen sollte. »Herr,« versetzte der Minister, »du hast von diesem Manne nur einen Diamanten verlangt, und er bringt dir zehn: es ist demnach deine Pflicht, ihm deine Tochter zu geben.«

Der Sultan sandte hierauf nach dem Kadi und den Effendis, welche den Ehevertrag aufsetzten, den sie mir gaben, und den ich, nach Hause zurückgekehrt, dem jungen Mann zeigte, welcher sagte: »Es ist gut, geh und vollzieh deine Heirat; aber ich bitte dich, sie nicht ganz zu vollziehen, bis ich dir die Erlaubnis dazu geben werde.« – »Dein Wille ist mir Gesetz,« erwiderte ich.

Als es Nacht geworden war, begab ich mich in das Zimmer der Prinzessin, setzte mich jedoch in einiger Entfernung von ihr und redete sie erst gegen Morgen an: worauf ich mich für den Tag beurlaubte. Ich machte es in der zweiten und dritten Nacht ebenso; worauf sie, durch meine Kälte beleidigt, sich bei ihrer Mutter beklagte, die den Sultan von meinem beleidigenden Benehmen benachrichtigte.

Der Sultan ließ mich zu sich rufen und drohte mir, sehr aufgebracht, mich zu töten, wenn ich noch eine Nacht in meiner Kälte gegen die Prinzessin beharren würde.

 

Vierhundertundeinundsechzigste Nacht.

Ich eilte nach Hause, um meinen Freund zu benachrichtigen, der mir befahl, nächstens, wenn ich allein mit ihr sein würde, ein Armband, welches sie um den rechten Arm trüge, von ihr zu verlangen und es ihm zu bringen, worauf ich dann die Ehe mit ihr vollziehen könnte. Ich erwiderte: »Dein Wille ist mir Gesetz!«, und ich sagte am nächsten Abend, als ich in das Zimmer meiner Frau trat: »Wenn du wünschest, daß wir recht glücklich zusammen leben sollen, so gib mir dein rechtes Armband.« Sie tat es augenblicklich; ich brachte es dem jungen Manne und schlief, in den Palast zurückgekehrt, wie ich voraussetzte, bis zum andern Morgen bei der Prinzessin.

Denk dir aber mein Erstaunen, als ich mich beim Erwachen in meiner ersten schlechten Wohnung fand, meiner reichen Kleider beraubt und meinen vormaligen schlechten Anzug, nämlich eine alte Decke, ein paar zerrissene Hosen und einen gleich einem Siebe durchlöcherten Turban, auf der Erde erblickend. Als ich wieder etwas zu mir selber gekommen war, zog ich die Lumpen an und ging in schwermütiger Stimmung aus, indem ich mein verlornes Glück beweinte und nicht wußte, wie ich es wiedererlangen sollte.

Als ich in die Nähe des Palastes kam, sah ich auf der Straße einen Zauberer sitzen, der einige beschriebene Zettel vor sich liegen hatte und den Umstehenden ihr Los warf. Ich trat zu ihm, grüßte ihn, was er freundlich erwiderte, und nachdem er mich aufmerksam betrachtet hatte, rief er: »Was! Hat der verruchte Elende dich betrogen und dich von deinem Weibe gerissen?« Ich erwiderte mit Ja. Hierauf verlangte er, ich sollte ein wenig warten, und ließ mich neben sich sitzen. Als sich die Neugierigen entfernt hatten, sagte er zu mir: »Freund, der Affe, den du für zehn Silberstücke gekauft hast, und der bald nachher in einen jungen Mann verwandelt worden, gehört nicht zum Menschengeschlecht, sondern ist ein Geist und in die Prinzessin, die du geheiratet hast, heftig verliebt. Er konnte ihr jedoch nicht nahen, weil sie das mit einem mächtigen Zauber begabte Armband trug, und um dieses zu erhalten, brauchte er dich. Er ist nun bei ihr; aber ich will sogleich seine Vernichtung bewirken, daß Geister und Menschen künftig vor seiner Schändlichkeit sicher sind; denn er ist einer von den aufrührerischen und verfluchten Geistern, die unserem Herrn, dem Salomon, dem Sohne Davids, ungehorsam waren.«

Hierauf schrieb der Wahrsager einen Zettel, den er mir, als er überschrieben und gesiegelt war, einhändigte, worauf er zu mir sagte: »Geh an den in dieser Aufschrift bestimmten Ort, warte dort und gib acht, wer sich dir nahet. Fasse Mut, und wenn du eine vornehme Person mit einem großen Gefolge kommen siehst, so übergib ihr dies Briefchen, und sie wird dein Begehren erfüllen.«

Ich nahm das Briefchen, machte mich auf den Weg nach dem Orte, welchen mir der Wahrsager bezeichnet hatte, erreichte ihn, nachdem ich Tag und Nacht gereist war, und setzte mich nieder, um auf die Dinge zu warten, die da kommen sollten.

Es war Abend, und als etwa der vierte Teil der Nacht vergangen war, bewegte sich aus einiger Entfernung ein großer Lichtglanz auf mich zu, und als er näher kam, bemerkte ich Personen, die Fackeln und Laternen trugen, auch ein zahlreiches Gefolge, welches einem mächtigen Sultan anzugehören schien. Mein Gemüt ward unruhig, aber ich faßte mich und beschloß zu bleiben, wo ich war. Ein großer Zug ging bei mir je zwei und zwei vorüber, und endlich erschien ein Sultan der Geister, von einem zahlreichen Gefolge umgeben, worauf ich mich so dreist, als es mir möglich war, ihm näherte, mich vor ihm niederwarf und ihm das Briefchen übergab, welches er öffnete, las, und welches folgendermaßen lautete:

»Wisse, o Sultan der Geister, daß der Überbringer dieser Zeilen in großer Not ist, aus welcher du ihn durch Vernichtung seines Feindes retten mußt. Solltest du ihm nicht beistehen, so sorge für deine eigene Sicherheit. Lebe wohl!«

Als der Sultan der Geister das Briefchen gelesen hatte, rief er einen von seinen Eilboten und befahl ihm, den Geist, welcher die Tochter des Sultans von Kairo bezaubert hatte, unverzüglich herbeizuholen. »Dein Wille ist Gesetz,« erwiderte der Eilbote, und sogleich verschwindend, war er etwa eine Stunde abwesend, nach deren Verlauf er mit dem Schuldigen zurückkehrte und ihn vor den Sultan stellte, welcher ihm zurief: »Verruchter Elender, hast du diesen Mann mißhandelt?«

»Mächtiger Herrscher,« erwiderte der Geist, »mein Verbrechen entstand aus Liebe zu der Prinzessin, deren Armband einen Zauber enthielt, durch welchen ich verhindert wurde, mich ihr zu nähern, weshalb ich mich dieses Mannes bediente. Er brachte mir den Talisman, und die Prinzessin ist nun in meiner Gewalt; aber ich liebe sie zärtlich und habe sie nicht beleidigt.«

»Gib das Armband sogleich zurück,« erwiderte der Sultan der Geister, »damit der Mann seine Frau wiedererhalte, oder ich will dem Scharfrichter befehlen, dir den Kopf abzuschlagen.«

Der verbrecherische Geist, der von einem verruchten und halsstarrigen Geschlechts war, geriet bei diesen Worten in heftige Leidenschaft und rief auf unverschämte Weise aus: »Ich will das Armband nicht herausgeben, denn kein anderer als ich soll die Prinzessin besitzen.« Als er dies gesagt hatte, versuchte er fortzueilen, aber vergeblich.

Der Sultan der Geister befahl nun seinen Begleitern, den Verbrecher in Ketten zu legen, was sie taten und ihm, nachdem sie ihm das Armband mit Gewalt entrissen hatten, den Kopf abhieben.

Der Sultan gab mir nun den Talisman, der kaum in meinen Händen war, als alle Geister aus meinem Gesichte verschwanden und ich mich wieder in dem reichen, mir von dem jungen Manne geschenkten Anzuge befand. Ich begab mich wieder in die Stadt, und als ich zum Palaste gelangte, wurde ich von den Wachen und Hofleuten erkannt, welche in freudiger Entzückung ausriefen: »Unser verlorner Fürst ist endlich heimgekehrt!« Sie begrüßten mich, und ich begab mich in das Zimmer der Prinzessin, die ich in einem tiefen Schlafe fand, in welchem Zustande sie seit meiner Abreise verblieben war. Als ich ihr das Armband wieder anlegte, erwachte sie. Wir lebten hierauf miteinander sehr glücklich bis zu dem Tode ihres Vaters, der mich, da er keinen Sohn hatte, zu seinem Nachfolger ernannte, so daß ich wurde, was ich noch heute bin.«

Als der Sultan von Kairo seine Erzählung beendigt hatte, drückte der entthronte Fürst seine Verwunderung über diese Abenteuer aus, worauf der Sultan sagte: »Wundre dich nicht über die Fügungen des Allmächtigen; denn er wirkt im verborgenen, und wenn es ihm gefällt, offenbart er seine Geheimnisse. Da du deinem Königreiche entsagt hast, so sollst du, wenn du willst, mein Wesir werden, und wir wollen als Freunde und Brüder zusammen leben.«

»Dein Wille ist mir Gesetz,« erwiderte der Fürst. Der Sultan machte ihn hierauf zum Wesir, bekleidete ihn mit einem Ehrenkleide, übergab ihm sein Siegel und die anderen Insignien seines Amtes und beschenkte ihn mit einem herrlich eingerichteten Palast, zu welchem auch große Gärten gehörten. Der Wesir trat sein neues Amt sogleich an, hielt täglich zweimal Ratsversammlung und entschied in allen vor ihn gebrachten Rechtshändeln so gerecht, daß der Ruf seiner Gerechtigkeit und Unparteilichkeit sich bald und weit verbreitete, so daß, wer irgend eine Rechtssache hatte, sie vor ihn brachte, sich willig seiner Entscheidung unterwarf, sich dabei beruhigte und für sein Glück und Leben betete. In diesem Zustande blieb er mehrere Jahre, da der Fürst mit ihm zufrieden und er unter dessen Schutze glücklich war, so daß es ihn nicht gereute, seine Krone abgetreten zu haben.

Es begab sich eines Abends, daß der Sultan niedergeschlagen war, worauf er nach dem Wesir sandte und sich, als er kam, bei ihm darüber beklagte, daß sein Gemüt so voll Mißmut wäre, daß nichts ihn zu zerstreuen vermöchte. »Geh,« erwiderte der Minister, »in dein Kabinett und besieh deine Juwelen, deren Beschauung dich vielleicht unterhalten wird.« Der Sultan folgte diesem Rate, aber ohne Erfolg, und da er meinte, in seinem Palaste könnte nichts ihm Vergnügen verschaffen, so schlug er dem Wesir vor, verkleidet auszugehen. »Dein Wille ist mir Gesetz,« sagte der Wesir.

Sie begaben sich hierauf in ein abgelegenes Zimmer, und nachdem sie sich als arabische Derwische verkleidet hatten, durchstrichen sie die Stadt, bis sie zu einem Hospitale für Wahnsinnige gelangten, in welches sie eintraten. Hier sahen sie zwei Männer, den einen lesend und den andern zuhorchend. Der Sultan, der sich darüber verwunderte, wandte sich an die beiden Männer und fragte sie, ob sie denn wirklich toll wären; worauf sie erwiderten: »Wir sind nicht toll, aber unsre Geschichten sind so wunderbar, daß sie verdienten, in Erz gegraben zu werden, um andern zum Beispiele zu dienen.« – »Lasset sie uns hören!« sagte der Sultan; worauf der Mann, der gelesen hatte, ausrief: »Höre die meinige zuerst« und folgendermaßen begann:

 


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