Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierhundertundsechsundsechzigste Nacht.

Nachtabenteuer des Sultans.

Während einer der Nächte dieses großen Festes überfiel den Sultan eine Neugier, verkleidet die Stadt zu durchstreifen, um zu sehen, ob seine Befehle pünktlich vollzogen würden. Demnach begannen er und sein Wesir, nachdem sie in der Tracht persischer Derwische den Palast heimlich verlassen hatten, ihren Gang und durchforschten mehrere Straßen. Endlich in ein enges Gäßchen gelangt, gewahrten sie in einem der Häuser ein Licht und hörten den Klang von Stimmen. Als sie an die Türe gekommen waren, hörten sie eine Person zu einer andern sagen: »Unser Sultan versteht sich nicht auf das Bewirten, noch ist er freigebig, da es den Armen nicht freisteht, an dem kostbaren Feste teilzunehmen. Er hätte seine Gaben unter die Elenden, die es nicht wagen, in ihren zerlumpten Kleidern in den Palast zu gehen, verteilen und sie ihnen in ihre Wohnungen senden lassen sollen.«

Als der Sultan dies gehört, sagte er zu dem Wesir: »Wir müssen in dieses Haus hinein!« und klopfte an die Türe, worauf jemand rief: »Wer ist da?« – »Gäste!« erwiderte der Sultan. »Ihr sollt zu dem wenigen, was wir haben, willkommen sein,« antwortete die Person und öffnete die Türe. Als sie eingetreten waren, bemerkte der Sultan drei ärmlich aussehende alte Männer, von denen der eine hinkend, der andere lendenlahm und der dritte schiefmäulig war. Er fragte sie nach der Ursache ihres Unglücks, worauf sie antworteten: »Unsere Leiden kommen von der Schwäche unseres Verstandes her.« Der Sultan flüsterte hierauf seinem Wesir zu, daß er nach Beendigung des Festes die drei Männer vor ihn bringen sollte, damit er ihre Abenteuer kennen lernte.

Als sie etwas von der dürftigen Kost genossen hatten, die man ihnen vorsetzte, standen der Sultan und der Wesir auf, und nachdem sie den drei verkrüppelten Genossen einige wenige Dinare geschenkt hatten, nahmen sie Abschied und gingen.

Sie streiften noch weiter herum. Es war nun nahe an Mitternacht, als sie ein Haus erreichten, in welchem sie durch ein Gitter drei Mädchen gewahrten, welche mit ihrer Mutter ein ärmliches Mahl verzehrten, wobei die eine von Zeit zu Zeit sang und die andern beiden lachten und schwatzten. Der Sultan beschloß, hineinzugehen, und befahl dem Wesir, an die Türe zu klopfen, welches dieser tat, worauf eine von den Schwestern fragte, wer bei so später Nachtzeit anklopfte. »Wir sind zwei fremde Derwische,« versetzte der Wesir, worauf die Antwort erfolgte: »Wir sind tugendhafte Frauen und haben keine Mannspersonen im Hause, bei denen ihr aufgenommen werden könntet; begebet euch zu dem Feste des Sultans, der euch bewirten wird.« – »Ach!« versetzte der Wesir, »wir sind Fremde, kennen den Weg zum Palaste nicht und fürchten uns, von der Scharwache angegriffen zu werden, vergönnt uns nur bis zum Anbruche des Tages ein Obdach; wir wollen alsdann weitergehen, und ihr habt von uns nichts Unschickliches zu befürchten!«

Als die Mutter der Mädchen dies gehört hatte, fühlte sie Mitleid mit den Fremden und befahl, die Türe zu öffnen. Der Sultan und der Wesir traten ein, grüßten und setzten sich nieder; aber der erste konnte, als er die Schönheit und das feine Benehmen der Schwestern bemerkte, sich nicht enthalten, zu fragen, woher es käme, daß sie so allein wohnten und keine Ehemänner oder sonstige männliche Beschützer hätten. Die jüngere Schwester erwiderte: »Bezähme deine Neugier, unbescheidener Derwisch, unsere Geschichte ist erstaunlich; aber wenn du nicht Sultan bist, und wenn dein Begleiter nicht auch kein Derwisch ist, so vermagst du unser Abenteuer nicht zu würdigen.« Der Sultan berührte nun diese Sache nicht weiter, und sie sprachen über verschiedene gleichgültige Gegenstände bis gegen Einbruch des Tages, wo dann die vorgeblichen Derwische ehrfurchtsvoll Abschied nahmen und sich empfahlen. An der Türe befahl der Sultan dem Wesir, sich das Haus zu merken, so daß er es wiederzuerkennen vermöchte, indem er entschlossen wäre, nach Beendigung der Hochzeitsfeierlichkeiten nach diesen Frauen zu schicken und ihre Geschichte zu hören.

Am letzten Abend des Festes beschenkte der Sultan alle seine Hofleute mit Ehrenkleidern, und als am folgenden Tage alles wieder in sein altes Gleis kam, befahl er dem Wesir, die drei Krüppel vor ihn zu bringen, die ihm nun auf sein Verlangen ihre Geschichte folgendermaßen erzählten.

 


 << zurück weiter >>