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Vierhundertundachtundsechzigste Nacht.

Geschichte des schiefmäuligen Schulmeisters.

Als der lendenlahme Schulmeister seine Geschichte beendet hatte, begann der schiefmäulige Mann wie folgt: »Auch ich, mein Sultan, war ein Schulmeister und so streng gegen meine Schüler, daß ich sie sogar oft noch außer den Schulstunden arbeiten und lernen ließ. Endlich beschloß der Listigste unter ihnen, mir aus Rache einen Streich zu spielen. Er sagte den Knaben, sie sollten, wenn ich in die Schule käme, nur ausrufen: »Teurer Lehrer, wie blaß seht Ihr aus!« Da ich mich nicht krank fühlte, so achtete ich am ersten Tage nicht so sehr darauf: aber als dieselbe Äußerung zum zweiten, ja sogar zum fünften Male stattfand und alle Knaben bei meinem Eintritte zugleich denselben Ausruf wiederholten, so glaubte ich wirklich von irgend einer Krankheit befallen zu sein und beschloß, Arznei zu nehmen. Ich tat es am folgenden Morgen und blieb deshalb im Zimmer meiner Frau, worauf die Kinder Geld zusammenschossen und es mir als ein Geschenk zur Feier meiner Wiederherstellung anboten, worüber ich so erfreut war, daß ich ihnen einen Feiertag gab. Es war mir so angenehm, auf so leichte Weise zu Gelde zu kommen, daß ich mich einige Tage lang krank stellte. Meine Schüler beschenkten mich wieder und erhielten die Erlaubnis zu spielen. Am zehnten Tage kam der listige Vogel, der den ganzen Anschlag gemacht hatte, wieder mit einem Geschenke zu mir. Ich hatte gerade ein gekochtes Ei vor mir, welches ich eben essen wollte. Da ich ihn nun eintreten sah, steckte ich es geschwind in den Mund, indem ich voraussetzte, er würde mir das Geld nicht geben, wenn er sähe, daß ich wohl genug hätte, um essen zu können. Er merkte aber die Sache und sagte: »Lieber Lehrer, wie sind Eure Backen geschwollen!«, wobei er mein Gesicht mit seinen Händen drückte. Das Ei war siedend heiß und verursachte mir unleidlichen Schmerz, während der Knabe mit scheinbarem Mitleiden mein Gesicht streichelte. Endlich drückte er meine Backen so stark, daß das Ei zerbrach, worauf dann der heiße Dotter durch meine Kehle und über meinen Bart lief und der tückische Bube nun in scheinbarer Freude ausrief: »Gott sei gelobt, mein teurer Lehrer, daß das furchtbare Geschwür von selbst aufgegangen ist; wir, Eure Schüler, wir wollen uns insgesamt ob Eurer glücklichen Wiederherstellung freuen.« Mein Mund war von der Hitze so verzogen, wie Ihr ihn jetzt noch seht, und ich wurde wegen meiner Torheit so lächerlich gemacht, daß ich meine Schule schließen mußte.«

 


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