Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Im Volksgarten

(in "Neues Altes", Berlin 1911)

Juli im Volksgarten. Die holde Frische der Gewächse ist vorüber. Nur Rosa Crimson Rampler blühen als dunkelrotes Gebüsch. Auf dem Teich vor dem Elisabethdenkmal sind die Seerosen verblüht. Nur die Blätter liegen papierflach auf grünschillerndem Wasser. In den riesigen hellgrauen Tonkübeln blühen hellrosa Hortensien. Die marmornen Kindergesichter an den Brunnen strahlen Lieblichkeit aus sondergleichen. Es sollen die Kinder des Bildhauers selbst sein. Heil ihm! Ein Mäderl von neun Jahren zeigt uns alle ihre herrlichen Künste. Sie hat nur ein weißes Hemd an mit einer dicken roten seidenen Schnur. Sie läuft Springschnur wie ein griechischer Marathonläufer. Sie spielt Diabolo wie ein Champion. Sie spielt zugleich mit zwei Raketts und zwei roten Gummibällen. Ich rufe: »Bravo, bravo!« als säße ich in einem Variété. Sie hat nackte Gazellenbeine. Sie macht alles von nun an infolge des Applauses für mich und meine edle Freundin. Einmal heben wir ihr einen Ball auf. Sie weiß, sie befindet sich in unsrer Gunst. Sie hat fremde Menschen für sich gewonnen, sie hat die enge Sphäre von Papa, Mama, Onkel, Tante überflogen, sie ist in das Land eingedrungen objektiver Anerkennungen.

Und da sagte ihre Mama. »Spiele doch zu mir zu, ich will dich auch sehen, nicht immer nur deinen Rücken.«

Da wandte sich das Kind von uns ab und spielte gegen die Mama zu. Nur hie und da blickte sie sich um nach ihren fremden Verehrern.

Später kam der Papa, ermüdet vom Geschäfte.

»Amüsierst du dich, Anna?!?« sagte er zu seinem Töchterchen.

»Amüsieren, amüsieren –« dachte Anna, »man bewundert mich, man staunt mich an –.«

 


 


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