Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Artistische Rundschau, Wien

(in "Neues Altes", Berlin 1911)

Djellah. Über diese Künstlerin wollen wir einem berufenen Fachmann und zwar dem Altmeister Peter Altenberg das Wort lassen, welcher folgendes schreibt:

Es ist sehr schwer für mich, über den »Clou« des Etablissements »Tabarin« zu schreiben. Denn es ist geradeso, wie wenn man sein eigenes Kindchen zu loben hätte öffentlich. Und stets betrachtete ich diesen speziellen Typus von adeliger, schlankster brauner Frauenschönheit als meine geliebten vergötterten Kindchen. Ich meine in diesem Falle die malayische Tänzerin Djellah. Nicht was sie kann, was sie ist, ist ihr Besonderes! Ihr Sein, die Form ihrer Glieder, der Ausdruck ihrer Augen, die Modellierung von Stirn und Nase, die Farbe ihrer Haut, die Zartheit ihres Wesens ist ihr Besonderes. Man würde sie ebenso verehren, wenn sie langsam durch Lianenwälder schritte, oder in einem kleinen Rindenboote säße, oder in einem Dorfe vor einer niederen Hütte kauerte – – – Sie repräsentiert eine andere Welt, eine schlanke, biegsame braune Welt, erfüllt mit natürlicher Anmut und sanfter Bewegungsfreudigkeit. Die unbeschreibliche Schönheit ihrer gelbbraunen Beine zu schildern, wäre geschmacklos. Vor Idealen verstummt man, falls man nicht ein ganzes Feuilleton darüber zu schreiben den ehrenden Auftrag erhalten hätte. Da freilich muß man loslegen, coute que coute. Djellah ist in der Richtung der herrlichen Ruth St. Denis; nur leidenschaftsloser, weniger prunkvoll, selbstverständlich, ohne Cobragiftdekoration. Um so edler und wertvoller. Bei uns kümmert man sich leider noch immer viel zu viel um das »Können« von Menschen, als ausschließlich um ihr »Sein«. Das Erlernbare ist »erlernbar«, aber vor dem »Unerlernbaren«, in jeglicher Richtung, da müssen wir »Habt Acht« stehen und ehrfurchtsvoll salutieren. Heil Djellah – – –! Können, erlernen, ist gar nichts; aber es von Schicksals Gnaden mitbekommen haben, Glieder, Hände, Füße, Gelenke, Teint usw. usw., das ist das wirklich Besondere auf Erden – – –! Da beginnt nämlich die physiologische Aristokratie!

 


 


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