Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Stadtgärten

(in "Bilderbögen des kleinen Lebens", Berlin 1909)

Wien hat wunderbar gepflegte Stadtgärten. Aber weshalb sollte es nicht auch hierin »organische Entwicklungen« geben?! Ist es denn ein Vorwurf für das Bestehende, da man es doch eben genug liebhat und schätzt, um ihm ein neues Werden, Wachsen zu vergönnen?!?

Es sollte vor allem mit aller und jeglicher Symmetrie gebrochen werden, ja man sollte ihr aus dem Wege gehen direkt. Sie hindert die Phantasie, einen Garten als Naturpark, als Urwald sich zu erträumen! Sie bringt uns den emsig bosselnden spintisierenden Menschen, sie zeigt Gartentöpfe an, statt freier fruchtbarster Erde, man sieht Stricklineale und Riesenzirkel. Das Pflanzenbeet sei verbannt! Man verstreue die edlen Blumen auf den kleinen Wiesen, als ob sie von selbst wüchsen, wie auf allen anderen Wiesen die Blumen. Die Symmetrie des Blumenbeetes zeigt uns die Armseligkeit eines Gartens! Die exzeptionellen Blumen, von selbst auf Wiesen gedeihend, nicht zusammengedrängt in einem abgezirkelten Beete, würden Gottes freie mysteriöse Natur repräsentieren! Wie schön ist z. B. im Stadtpark der kleine Farrenwald, bloß weil er die Natur selbst darstellt, die im feuchten Schatten dunkler Bäume reichlich Farren sprießen läßt, die wieder Dünger werden, wenn sie verwesen. Wie ein kleiner netter Urwald ist dieses Stückchen, und selbst die Bänke mit den Menschen stören fast nicht den Eindruck. Blumenbeete verhindern uns, es uns vorzuträumen, daß wir in der weiten freien Natur sind. Sie gemahnen uns stets, daß wir uns in einem Stückchen eingezäunten mühsam erhaltenen Gartens befinden! Wiesen mit unsymmetrisch verstreuten Pflanzen würden uns das nie antun! Sie bringen uns hinüber über unsere Zweifel. Ferner belebt Wasser jegliche Landschaft, machte sie mysteriöser. Weshalb also das herrliche Wasser, auf große Teiche, auf abgezirkelte, konzentrieren?!? Wässerlein sind geheimnisvoller als große Teiche! Weshalb nicht überall in den Wiesen ganz, ganz unregelmäßig, fast unverhofft, tümpelartige kleine Teiche anlegen, deren Umrandung kaum über den Boden hervorragt?! Wozu der störende harte »Bassinrand«, den die Natur nicht kennt?! Weshalb soll das kristallreine Wasser mit herrlichem Kieselgeflunker nicht fast in gleicher Höhe mit dem Boden stehen?! Weshalb immer und überall der Natur heimtückisch aus dem Wege gehen wollen?!? Bassinränder stören die Illusionen. Die Quellen sollen verteilt werden auf hundert Quellchen, die von ungefähr hervorbrechen und irgendwohin unvermerkt verschwinden, niemandem Rechenschaft gebend von ihrem Laufe im Garten. Wie wenn sie überall Segen spendeten und sich nirgends allzulange aufhielten, bewässernd, kühlend und verschwindend! Phantasie anregend! Und nun zum Schlusse, weshalb nicht die Tierwelt benützen?! Weshalb immer und immer seit Jahrhunderten sich mit Schwan, Gans, Ente, Storch begnügen?! Es gibt doch phantastische Tiere?! Könnte man nicht in herrlichen Gebüschen dunkelgrüne Käfige postieren mit exotischen Vögeln, also daß man glaubte, sie seien da von selbst?! Oder an Bäumen aus Brasilien an niederen Zweigen glänzende Käfige aufhängen mit den Vögeln, die sonst wirklich hier nisteten?! Die »Herren über die Gärten« werden höhnisch lächeln, statt ernstlich und dankbar nachzudenken! Es gibt nur diese zwei Wege in bezug auf Neuerungen für unsere dadurch irritierten Nerven: entweder lächeln oder ernstlich werden! Lächeln ist bequemer, aber ernstlich werden, ist vornehmer!

Oberhalb des Badner Kurparks befindet sich, vom Walde abwärts, ein ideal angelegter Park. Vom Walde aus kommt ein Wasserfall, der in viele kleinste Teiche auseinanderrinnt. Die kleinen Teiche sind höchst unregelmäßig, in die Länge gezogen oder verschlungen, mit Steinen und merkwürdigen Pflanzen umrandet, ganz flach, so daß man überall den Boden mit Kieseln oder Wasserpflanzen sieht. Es ist wie wenn der dunkle Waldquell in der sonnigen hellen Wiesenlandschaft heiter lächelnd sich verstreute. Ich kenne den Gartendirektor daselbst nicht, aber jedenfalls hat er der Natur ihre Natur gegönnt! Vom Wald floß Wasser und zerrann in den Wiesen...

 


 


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