Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Der Sommer

(in "Vita ipsa", Berlin 1918)

Woher kommt es, daß ich für jeden Sommer-Aufenthalt »Heimatsgefühle« nachträglich habe, wenn ich ihn verlassen,

während mir die Stadt stets wie ein »Meer von Lüge« erscheint?! Ein Meer von stupider Selbstbelügung.

Alles ist Schwindel, nur die Landluft nicht!

Was nützen Dir alle die Mamorplatten in weiß, gelb, grau, in den Stadt-Kaffees?!

Ins Landkaffeehaus schimmert Dir der Wald herein.

Schöne Frauen werden anspruchslos nett in ihren echten Dirndl-Kostümen,

bemühen sich jedenfalls, wenn auch vielleicht nur scheinbar, aber auch das ist lobenswert,

der Einfachheit der Wiesen zu entsprechen

und dem Milieu von Wald und Flur!

Ich glaube nicht, daß am Land Jemand arrogant sein kann,

wegen irgend einer Stellung, die er in der Stadt hat.

Er würde sich selbst komisch vorkommen,

jedenfalls aber sogleich den Anderen!

Nein, arrogant kann man nur in der Stadt sein, da gehört es vielleicht direkt hin!

Am Lande bilden sich Hochgestellte und reiche schöne Frauen etwas darauf ein,

den Rucksack, voll mit unnötigen Dingen und mit Leckerbissen,

selber auf dem Rücken auf die Alm zu schleppen.

Und jedem »Eingeborenen« freundlich intim zuzunicken.

Am Lande sagt man »Grüaß Gott« und »Ein herrlicher Morgen!«,

während man in der Stadt »verblüffende Aphorismen« sprechen muß oder geistreich schweigen!

Wie hieß doch jener Held, der immer neue Kräfte wiedergewann, dadurch, daß er die Erde berührte?!

Gleichviel, solche Helden sind auch wir! Er hieß »Antaeus«.

 


 


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