Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Gartentheater in der »Kunstschau«

Elsa Wiesenthal gewidmet, der Tänzerin!
Oskar Wildes »Geburtstag der Infantin«

(in "Bilderbögen des kleinen Lebens", Berlin 1909)

Es ist unter freiem Himmel. In einem abendlichen Garten. Wie gut man atmet. Auf einem schneeweißen Thronsessel mit einem großen goldenen Polster, in einer schneeweißen Nische thront die jugendliche Infantin. Man will ihr manches bieten an ihrem Geburtstage. Sie und ihr Hofstaat weinen bei den Darbietungen eines Puppentheaters. Dann bietet man ihr einen buckligen tanzenden Zwerg. Dieser gerät in Ekstase, und die jugendliche Infantin wirft ihm gerührt eine Rose zu. Da ist er verloren, verloren. Es ist unser aller Schicksal! Wir entzünden uns, brennen, glühen, man wirft uns eine Rose zu, nimmt uns dennoch nicht ernst. Wir sterben da ab, verlieren unsere Schwungkraft der Seele, unsere Begeisterungsfähigkeit. Man hat uns gemordet und wir leben fürder ein Leben, das nicht das unserige mehr ist! Ohne es zu wissen, daß wir wie verkrüppelte lächerliche Zwerge wirken, tanzen wir leidenschaftlich ununterbrochen vor Prinzessinnen des Lebens! Immer werfen sie uns, momentan impressioniert, ja sogar ein wenig gerührt, die Rose zu. Sie halten es für den »Höhepunkt unseres Schicksals«! Aber wir »übernehmen uns«, knüpfen »falsche, unrealisierbare Hoffnungen« daran. Da bricht uns denn das dumme Herz, wie dem grotesken mißgestalteten Zwerge. – – – Alle diese Dinge wurden uns also plausibel gemacht auf einer kleinen, ganz offenen Bühne, unter freiem Himmel, in einem Garten, an einem lauen Juniabend. Elsa Wiesenthal mimte wunderbar die jugendliche Infantin, eine »Kindliche«, die bereits »Zerstörung« verbreitet infolge ihrer frauenhaften Macht, wenn auch erst im Keime. Sie war unübertrefflich, dieses schöne Kind, mit der verheerenden Macht, schlummernd in ihr wie der Giftzahn der jungen Kreuzotter, der noch nicht vorhanden ist und dennoch zu wachsen beginnt! Grete Wiesenthal mimt den unglückseligen Zwerg. Nicht anders könnte man es sich vorstellen, daß ein Verkrüppelter – und wer wäre es nicht einem idealen Lichtbilde gegenüber – tanzte in rührend-grotesken Verrenkungen, sein armes Bestes leistend und dennoch unfähig, zu erobern, zu bezwingen, da ihm die göttliche Anmut fehlte!? Es war ein Drama des Krüppels, dieses Tanzen, es war die Tragödie unser aller, die wir als Verkrüppelte tanzen vor unseren Lichtgestalten! Die Infantin wirft ihm daher eine Rose zu, wie sie uns allen Rosen zuwerfen, aus Laune, Übermut und Leichtsinn! Unser Herz keineswegs bedenkend und uns zerbrechend wie wertloses Spielzeug! So tragierte Grete Wiesenthal den Zwerg. So tragierte Elsa Wiesenthal die Infantin! Und die edle, vornehme, herrliche, gutmütig-strenge Obersthofmeisterin des Fräulein Baronin Wieser! Und alles das unter freiem, lauem, abendlichem Himmel. Die Musik schmiegte sich an. Die Kostüme sind herrlich. Besonders das hellgraue der Hofdame. Diese Hofdame, Fräulein Wieser, spielte ganz außergewöhnlich. Sie erinnerte mich an meine vergötterten Gouvernanten aus meiner Kinderzeit. Sie war so verständnisvoll für die Kindlichkeiten der Kindheit, und zugleich so edel besorgt um kommende Entwicklungen, ohne es sich es direkt merken zu lassen – – –.

Es war eine Gartenvorstellung an einem lauen Juniabend, und Oskar Wildes Pantomime wurde in herrlichen Kostümen dargestellt von Grete, Elsa Wiesenthal und Fräulein Baronesse Wieser. Alles in allem ein bedeutsamer Keim zu künftigen Entwicklungen. Möge ein jeder nur so wenigstens weiterbauen an den Dingen, die da kommen werden – – –! Reife braucht Zeit und günstigen Regen, Sonne und Freiluft. Zum Gedeihen aber gehören hundert günstige Konstellationen! Heil Elsa Wiesenthal!

 


 


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