Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Trinkgelder

(in "Vita ipsa", Berlin 1918)

Alles kann sich in diesem Leben verändern, verbessern (παντα ρεῖ), nur nicht die Trinkgeldfrage. Denn wie könnte man wirklich irgendeinen Menschen daran hindern, aus freiestem Entschlusse durch kleine oder große Gaben an Leute, von denen er irgendwie abhängig ist (Lohndiener, Stubenmädchen, Köchin, Portier) den »Wagen zu schmieren«, daß er besser, rascher fahre! Trinkgelder richtig, zart, großzügig, edel anwenden, halte ich direkt für den Prüfstein der inneren wirklichen Kultur eines Menschen! Menschen, die mit Trinkgeldern knausern, hasse und verachte ich instinktiv, besonders wenn es »Damen« sind, denn das sind eben dann keine Damen! Sie wollen sogar von Dienstboten Alles umsonst haben, nur wegen ihrer Schönheit und Damenhaftigkeit! Mit geschickten Trinkgeldern den »Harun Al-Raschid« spielen im täglichen Leben, sei die Tendenz eines echten Adeligen. Dieses Prinzip sollte sich sogar bis auf arme Dichter erstrecken, aber es würde fast aussehen, als ob ich pro domo spräche. Sie können sich es also ungefähr vorstellen, was ich über Hoteliers und Konditoreibesitzer denke, die die gespendeten und in einer gemeinsamen Büchse reichlich eingesammelten Trinkgelder zur Lohnauszahlung verwenden. Ich würde das als ein denkender Mensch ganz anders bezeichnen als »es verstößt gegen die gute Sitte«! Ja, es verstößt – – mir die Rede, darüber zu reden! Man gibt nämlich Trinkgelder, meine Herrschaften, auch aus Mitleid mit dem dienenden Sklaven des Daseins. Was man spendet, soll eine Extra-Gabe sein, auf die niemand rechnet, eine stille »Anfeuerung« à la Peitsche und Sporen. Pfui über die reichen Trinkgeld-Marder!

 


 


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