Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Heldin

(in "Pròdromos", Berlin 1906)

Sie wurde ganz krank vor Erregung, als sie Battie Seeth sah mit seinen 25 Löwen. Sie bat ihren Kavalier, es ihr doch zu gestatten, zu den Löwen sich zu begeben. Er sprach also mit dem Bändiger darüber. Eines Nachts nach der Vorstellung befahl also Seeth den Löwen Achmed in die offene Arena. Achmed knurrte schrecklich, umschlich das fremde Mädchen, erhob ohne böse Absicht die Pranke. Seeth gab ihm einen leichten Schlag darauf, da küsste das Mädchen den Löwen rasch auf die Schläfe. Fertig.

Ich fragte sie, welche Empfindungen man dabei habe?!?

Sie erwiderte: »Gar keine. Man ist verloren. Man lebt schon nicht mehr. Es ist einem alles ganz gleich. Das Leben hängt so an einem dünnen Faden, dass es bereits abgeschnitten, nicht mehr vorhanden ist, vorüber. Aber das ist das Wunderbare daran. Ich möchte auf dem Turmseile tanzen ohne Rettungsnetz. Bleibe oben oder stürze! Krepiere, wenn du Balance verlierst! Ich möchte in einer Arena so reiten auf ungesatteltem Pferde, dass die Damen in Ohnmacht fielen und die Herren Stall-Meister erbleichten!«

»Das sind die Geschäftsspesen der Berühmtheit«, sagte ich.

»Nein«, sagte sie, »man riskiert ja nichts. Denn ein Leben ohne das ist überhaupt nichts wert.«

Ich fühlte: »Geborene Löwenbändigerin.«

Sie sagte: »Ich habe einen ›Freund‹. Er ist wie der Löwe Achmed. Das Leben hängt da stets an einem Faden.«

Ich begleitete sie nachts zu ihrem Hause.

Irgendwo im Dunkeln stand ein Mann mit einem Mädchen. Meine Begleiterin schlich sich an, stürzte sich auf die Rivalin und ohrfeigte sie fürchterlich.

Der Mann zog ein Messer und stiess es meiner Begleiterin zwischen die Rippen.

 


 


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