Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Die Bonne

(in "Bilderbögen des kleinen Lebens", Berlin 1909)

Von allen, allen war sie weitaus die Beste! Denn sie sprach nichts und trug ihr Schicksal der mißachteten Dienenden! Sie aß, was man ihr vorsetzte, nie fragte man sie, ob es ihr genehm sei, ob sie Spinat vielleicht Erdäpfeln vorziehe?!? Aber diese anderen, diese ›gemästeten‹ Damen, in eigenem Egoismus, und in der schweigsamen Feigheit ihrer Gatten gemästeten Damen, machten einen Cas aus jeder mißliebigen Speise – – –. War die Bonne denn aus anderm Fleisch und Blut, hatte sie denn weniger Anrecht, dieses zu lieben und vor jenem zurückzuschrecken?! Man verhöhnte sie, weil sie gerne edle Zigaretten rauchte und doch dazu nicht berechtigt wäre infolge ihrer sozialen Position und ihrer ökonomischen Verhältnisse – – –. Rauche du ›Sport‹, oder noch lieber, rauche du gar nicht! Hast du denn ein Anrecht auf Vergnügen?! Meine Liebe, überschreite doch nicht die Grenzen deiner Nichtigkeiten! Die »Damen« aßen stundenlang Solokrebse, mit leidenschaftlichem Behagen; aber die Bonne saß schweigend da, ja in tragischestem Schweigen, bedrückt von der miserablen Behandlung, die man ihr von allen Seiten angedeihen ließ – – –. Da legte der Dichter zehn Zigaretten En A-Ala, großes Format, vor sie hin – – –. Sie wurde schrecklich verlegen über diese ihr ungewohnte Ovation. Sie glaubte dennoch nicht einen Augenblick lang, daß er ihr ›den Hof‹ machen wolle auf diese Weise, sondern daß er nur die andern züchtigen wollte für ihre Un-Menschlichkeiten! Bald darauf wurde ihr der Dienst gekündigt, und man gab allmählich auch den Verkehr mit dem allzu ›exaltierten‹ Dichter auf. Was übrigblieb von dem allen, waren zehn Zigaretten En A-Ala, großes Format, die die Bonne in einem eigenen kleinen Schreine sorgsam verwahrte – – –.

 


 


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