Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Fluch der Schönheit

(in "Bilderbögen des kleinen Lebens", Berlin 1909)

Mlle. C., der Star des Théâtre des Nouveautés, konnte monatelang nicht mehr auftreten.

Es war wegen des fünften jungen Mannes, der sich ihretwegen umgebracht hatte.

Sie fühlte sich vollkommen unschuldig an diesen Morden, die sie bewirkt hatte.

Aber das Verhängnis ihrer Macht und ihrer Wirkung begann die Edle zu erdrücken – – –. Sie tat nichts, sie wollte nichts, sie beanspruchte sogar nichts, und alle boten ihr ihr Leben an, mit dem sie absolut nichts anzufangen wußte; vor allem aber diese schrecklichen, schmählichen Enttäuschungen, die sie naturgemäß dem bereiten hätte müssen, der ohne sie nicht weiterleben zu können glaubte!

Er hätte sie zu hassen begonnen – – –.

Sie verstand ihre Macht und ihre Wirkung nicht und konnte nichts dafür, daß fünf blühende, vielleicht sogar wertvolle Organisationen um ihretwillen zugrunde gehen mußten.

Sie hatte eine ungeheure Bescheidenheit über sich selbst, und sogar wenn sie allein in ihrem Zimmer vor dem Spiegel splitternackt sich betrachtete, makellos, konnte sie es nicht begreifen, daß man deshalb allein ein schönes, angenehmes, reiches, wertvolles Dasein zertreten, zertrümmern hatte müssen – – –.

So wurde sie allmählich traurig über ihre perniziöse Macht und schreckliche Wirkung auf sehr nette, junge Leute, und man machte ihr auch Vorwürfe, die sie gar nicht verstand. So zog sie sich denn zurück aus einem Leben, das ihr grundlos nur tiefe Unannehmlichkeiten bereitete – – –.

 


 


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