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Zwölftes Kapitel

Die eigentümlichen Betrachtungen, die Erkelenz in der Hütte anstellte, waren nur Begleiterscheinungen seiner unermüdlichen Arbeit, die sie vielleicht gerade deshalb zu Enatts Überraschung so förderten.

Der Neuling war mit den Örtlichkeiten und den Einzelheiten des Werkes recht vertraut, als hätte er hier schon einige Zeit gearbeitet. Der wortkarge Inspektor ließ sich wider seine Gewohnheit eine Äußerung der Zufriedenheit entschlüpfen.

Erkelenz hatte – dies war allerdings eine ihm schon im Zuchthause vom Hüttenbesitzer selbst eingegebene, also fremde Idee, mit der er sich gern schmückte – er hatte den bescheidenen Vorschlag gemacht, eine ganz neue Bestandsaufnahme anzufertigen. Da war in kurzer Zeit ein übersichtliches Buch zusammengestellt, aus dem sich das Vorhandensein von Materialien ergab, von denen kein Mensch mehr Notiz genommen hatte.

Aber Robert Erkelenz entwickelte sehr bald noch eine ganz andere Teilnahme an den Arbeiten des Hüttenwerkes. Gerade darin zeigte sich sein Bedürfnis zu organisatorischer Tätigkeit, das ihn kurz vor seiner Entlassung jenen merkwürdigen Wunsch, in einem großen Warenhause als Geheimdetektiv zu wirken, hatte aussprechen lassen, daß er alles, was er sah, tat und erlebte, miteinander lebendig verknüpfte und innerlich verarbeitete.

So überraschte er eines Tages seinen Arbeitgeber, der ihn einmal in den Feierstunden in seiner Häuslichkeit aufsuchte, mit der Bitte, ihm ein einfaches Buch über die Eisengewinnung zu verschaffen.

Erkelenz hatte verabredungsgemäß bei einer Witwe Schubnell Wohnung genommen, die ihm Argobast zugewiesen hatte. Die Schubnell war langjähriges Dienstmädchen – die treue Lisbeth Braunwarth – gewesen, die in reiferen Jahren den Hüttenmaschinisten Schubnell geheiratet hatte, der vor einigen Jahren verunglückt war.

Die Schubnell, deren Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit Argobasts im Laufe von zehn Jahren kennengelernt hatten, war die einzige Person, die in die Vergangenheit von Erkelenz wenigstens oberflächlich eingeweiht war und die Absichten, die der Herr mit ihm hatte, kannte.

Sie war über die Vierzig hinaus und eine ordentliche Frau, der Argobast auf diese Weise manches Gute zuwenden konnte. In ihr hatte er eine nicht verständnislose Mithelferin, sie war von Gemüt gut und hatte von ihrem Herrn gehört, daß nicht alle Verbrecher zu verdammen seien, was ja auch mit den Worten der Bibel übereinstimmte.

Argobast bezahlte nicht etwa die Miete für Erkelenz unmittelbar; er mußte selbst wirtschaften und sie zurücklegen. Er billigte aber der Wirtin über den niedrig bemessenen Mietzins hinaus einen Betrag zu, so daß sie sich gut dabei stand und für ihre Mieter zuweilen ein übriges tun konnte.

Frau Schubnell wohnte in einem kleinen Hause des Vorortes, darin nur noch ein sehr altes Ehepaar zurückgezogen lebte, so daß Erkelenz keinem zudringlichen oder gar gefährlichen Verkehr ausgesetzt war.

Hier hatte er eine nicht große, aber gemütliche und saubere Stube, ein gutes Bett und kräftige, billige Kost. Die Wirtin war freundlich und zugänglich, aber streng religiös und zu Leichtfertigkeiten und Klatschereien nicht gemacht. Die kräftige Frau von mittlerer Gestalt, deren Haar schon ergraute, hatte in ihrem bestimmten Wesen etwas Erzieherisches, das Argobasts auch dem Wildfang Ottilie gegenüber immer so sehr geschätzt hatten. Sie war deshalb die geeignetste Person, welcher der Hüttenbesitzer seine Schützlinge anvertrauen konnte. Auch Döll hatte bei ihr gewohnt und sich anständig geführt.

Bei dieser Vertrauensperson konnte Argobast selbst gelegentlich, wie er heute tat, nach dem Rechten sehen, um sich auch von dem häuslichen Leben des Mannes ein Bild zu machen.

Er hatte ihm vorige Woche aus freien Stücken seinen schon vor der Entlassung geäußerten Wunsch erfüllt und eine recht brauchbare Geige, die er bei seinen guten Verbindungen mit den Instrumentenhändlern leicht ausfindig gemacht hatte, und einige bekannte Notenstücke zunächst leihweise überlassen.

Erkelenz hatte sich hierüber, wie Frau Schubnell berichtete, wie ein Kind gefreut. Er hatte gesungen und war in der Stube, deren Dielen schaukelten, herumgesprungen, ja hatte in seiner Ausgelassenheit sogar die ehrsame Witwe zu umarmen versucht.

Dann hatte er das Instrument gestimmt und gleich am ersten Abend seiner Wirtin das Ave Maria von Gounod, das sich unter den Noten befand und das er schon kannte, vorgespielt.

Er kam nach einer geheimen Vorprobe zu ihr in die Stube hinein, wo sie sich auf das grüne Ripssofa setzen und, wie er scherzte, das »große Publikum« vorstellen mußte. Er veranlaßte sie hierbei auch, ihre große Schürze abzubinden, was die Matrone in der Einsicht, daß sie ja im Konzertsaal saß, auch tat.

Der Konzertgeber hatte Vorhemdchen und Schlips angelegt, kam nach dieser kleinen Vorbesprechung mit der Geige unter dem Arm wie ein richtiger Künstler erneut zur Tür herein und verbeugte sich tief vor der Sofainhaberin.

»Sie müssen klatschen, Mutter Schubnell« rief er ihr leise zu, »das ist so üblich!«

Die Witwe klatschte auch mit ihren dicken Händen, bis die Wände dröhnten, während der Virtuos sich erneut, diesmal nach allen Seiten der großen Wand, verbeugte.

Mit Genugtuung bemerkte die Witwe, daß er seine Verneigungen an die großen photographischen Wandbilder ihrer Verwandtschaft, insbesondere an ihren seligen Anton, richtete. Daß er sich auch vor ihrem Vetter, dem geldgierigen Christian Schilewski, so tief verbeugte, war eigentlich nicht notwendig.

Und dann spielte der Künstler. Gleich nach den ersten Strichen geschah es zwar, daß der etwas wackelige Notenständer – eine dürftige Staffelei aus der Rumpelkammer – geräuschvoll zur Erde fiel. Aber das Konzertpublikum stand gefällig auf, beteiligte sich hilfreich an der Wiederaufrichtung des Gestelles und nahm dann, als sei etwas Selbstverständliches geschehen, wieder gefühlvoll Platz.

Hierauf konnte das Konzert seinen ungehinderten Fortgang nehmen und schloß mit dem üblichen lebhaften Applaus, zu dem der Virtuos die Witwe ebenfalls durch leise Zurufe, die sie erst nicht verstand, veranlaßte.

Erkelenz verbeugte sich wieder sehr ernsthaft. Dann trat er ganz nahe an das Ripssofa heran und entnahm von ihm zur Überraschung der Schubnell ein großes, grünes, mit Blättern besticktes Kissen, mit dem er sich unter Verbeugungen und dem Zurufe: »Das ist der Lorbeerkranz, den Sie mir haben überreichen lassen!« rückwärts nach dem Künstlerzimmer bewegte, wo er über einen klirrenden Scheuereimer stolperte.

Schließlich kam er lachend wieder herein und fragte: »Na, Mutter Schubnell, wie hat Euch mein Spiel gefallen?«

Die Witwe machte eine wichtige Miene und erinnerte an ihre musikalische Erziehung, die sie im Hause Argobast ein Jahrzehnt genossen hatte. Sie müsse aber sagen, daß Herr Erkelenz sehr gefühlvoll gespielt habe. Sie hätte bei seinem Spiel viel an ihren Seligen denken müssen, wobei ihr die Augen feucht geworden seien. Wenn sie vielleicht doch etwas aussetzen dürfte, möchte sie nur fragen, ob nicht Herr Erkelenz ein wenig ruhiger stehen und nicht so grimmig dreinschauen könnte.

Erkelenz setzte sich hin und schrieb an den Herrn für die Beschaffung der Geige einen recht annehmbaren Dankesbrief, weil er sich nicht persönlich bei ihm bedanken durfte.

Manchmal kam es an solchen Abenden mit Mutter Schubnell auch zu ernsten Gesprächen. Er erzählte von seiner freudlosen Jugend, die ihm ein allzu strenger Vater gründlich verleidet hatte. Weil er nicht habe Geige spielen dürfen, sei er schließlich davongelaufen und bei einem Musikdirektor als Lehrling eingetreten.

Diese Stelle sei aber nicht das Richtige gewesen, weil ihn der Meister nur auf Tanzböden mitgenommen und nicht weitergebracht habe. Er sei also auch ihm durchgebrannt und habe eine alte wohlhabende Dame gefunden, die für ihn bescheidenen Unterhalt und Geigenstunde bei einem Theatermusiker bezahlte.

Hier habe ihm aber leider die Liebe einen Streich gespielt – er machte nur geheimnisvolle, etwas hochtönende Andeutungen und schwieg sich im übrigen aus –, bis er aus verschmähter, verratener Liebe – die Schubnell sah ihn etwas ungläubig an – in einem Zustand jugendlicher Verzweiflung Dummheiten gemacht habe. Das hatte zur Folge, daß die Gönnerin ihre Hand von ihm zog, daß er ins Elend und auf den schiefen Weg kam.

»Wäre das alles nicht geschehen«, so schloß er mit einem Seufzer, »dann säße ich heute nicht bei Euch, Mutter Schubnell, sondern wäre ein berühmter Geigenspieler geworden – meinen Sie nicht, daß ich das Zeug dazu gehabt hätte?«

Als nun der Herr tatsächlich eines Abends überraschend in der Wohnung erschien und über die Häuslichkeit sichtlich befriedigt war, wirkte sich Erkelenz etwas zaghaft die Erlaubnis aus, zum Danke für die überlassene Geige etwas vorspielen zu dürfen.

Argobast saß auf dem ehrwürdigen grünen Ripssofa allein, die Schubnell hatte in respektvoller Entfernung am Fenster Platz genommen. Die Türen blieben geschlossen, alle Zeremonien fielen aus.

Erkelenz spielte dasselbe Stück von Brahms, das er schon im Zuchthause vorgetragen, sich aber mit der Zeit viel besser eingeübt hatte.

Argobast hörte sehr aufmerksam zu und bemerkte auch die Fortschritte. Dabei machte er aber merkwürdigerweise genau dieselbe Wahrnehmung wie früher, daß Erkelenz bei den getragenen dunklen Passagen zu stark gesteigerte Kraft und auffallendes Gefühl entwickelte, als wenn er das Düstere, dann das Leidenschaftliche, scheinbar Unharmonische, ja Dämonische, das in der Musik lag, ganz allein aus seinem eigenen Innersten hervorbrächte.

»Man könnte sich vor Ihnen fürchten, wenn Sie so spielen« sagte die Schubnell, als der Herr fort war. »Es sieht sich an, als wenn der Teufel in Ihnen los wäre!«

»Das könnte stimmen!« antwortete er lachend. »Mancher hat eben seinen Satan in sich und muß von Zeit zu Zeit mit ihm sprechen und fertig werden, Mutter Schubnell.«

»Wenn Ihnen aber Ihr Teufel just in der Musik kommt, Herr Erkelenz, da spielen Sie, glaub' ich, besser nicht« meinte die Witwe recht unverblümt.

Er sah sie einen Augenblick ganz überrascht an. »Das verstehen Sie nicht, Mütterchen« erwiderte er dann.

Erkelenz brachte bei dieser Gelegenheit eben die schon erwähnte Bitte vor, ein einfaches Buch über Eisengewinnung lesen zu können. Argobast überlegte einen Augenblick und erklärte dann, daß er in seiner Bibliothek wohl ein geeignetes Buch finden werde. Tatsächlich kam nach einer Woche ein älteres Buch gewünschten Inhalts ins Haus, in dem Erkelenz, das Geigenspiel etwas unterbrechend, eifrig las.

Es lag wohl in seiner Veranlagung, daß er das, was ihm Lust und Liebe einflößte, mit besonderen Augen, anders als andere Leute seinesgleichen, sah.

So flossen ihm aus dem schlicht geschriebenen Buche Gedanken zu, auf die ein einfacher Hüttenangestellter sonst nicht ohne weiteres kommen möchte.

Schon die Erscheinungsformen des Eisens stimmten ihn nachdenklich. Dieses nützlichste und verbreitetste aller Metalle fand sich in gediegenem Zustande, wie er nun las, nur in den von Himmelskörpern herabgefallenen Meteorsteinen und in der Erdrinde, im übrigen nur in Verbindungen mit Mineralien und Gesteinen. Erst aus diesen mußte es durch umständliche Menschenarbeit gewonnen werden.

Diese Einsicht führte ihm zu Gemüte, wie die Natur das Nützliche – vielleicht auch drinnen im Menschenherzen – sichtlich nicht ohne weiteres gewissermaßen fix und fertig geschaffen hat, sondern daß es zu seiner Gewinnung erst der Erkenntnis und Arbeit bedarf.

Welche Merkwürdigkeiten las er aber weiter! Das chemisch reine Eisen, äußerst schwer herzustellen, war sehr weich und strengflüssig. Deshalb konnte es in der Technik keine Anwendung finden. Erst ein Zusatzgehalt von Kohlenstoff verlieh ihm die Eigenschaften, welche die brauchbare, nützliche, unentbehrliche Härte brachten.

Als er das eines Sonntagsmorgen gelesen hatte und verstanden zu haben glaubte, ging er erregt in seiner Stube auf und ab. Das war ihm eine seltsame Erkenntnis. Nach seiner selbstsüchtigen Art bezog er alles auf den Menschen, alles auf sich. Eine besondere Eigenart allein konnte dem Menschen gar nichts sein, erst eine Vermischung, eine Verbindung, wie es hieß, mit einer anderen Eigenart brachte den unermeßlichen Nutzen.

Das mußte Mutter Schubnell wissen. Wie würde sie staunen! Er ging in die Küche, wo die Wackere gerade Klöße ballte, die heute zu einem saftigen Stück Schweinefleisch gegessen werden sollten.

Erkelenz machte einen großen Gedankenanlauf und trug der Köchin mit umständlichen Worten seine wichtige Entdeckung vor. Er ließ sich von ihr nicht unterbrechen und fragte sie am Schluß: »Haben Sie das auch wirklich verstanden, Mutter?«

Sie war merkwürdigerweise nicht im geringsten erstaunt oder überrascht. Sie hatte nicht einmal innegehalten mit dem Ballen der weißen Mehlklöße. Dabei wäre für sie, meinte sie, gar nichts Neues. Das sei eben in der Küche genau so, wie in der Hütte. Hefenklöße lasse die Natur zum Beispiel auch nicht wachsen, die müßten erst aus Kartoffeln unter Beimischungen hergestellt werden, was auch nicht gerade ein Kinderspiel sei.

Vergeblich wandte der Logismann ein, daß die Sache mit den Klößen doch noch ein wenig anders liege, sofern eben Kartoffeln doch an und für sich nützlich und eßbar seien. Aber die Witwe wollte nichts davon wissen und blieb dabei, die Sache mit den Klößen sei ganz genau so.

Erkelenz lachte schließlich, machte sein Buch für heute zu und ging ein Stück ins Freie, um sich für die Klöße gehörigen Hunger zu machen.

Als er nach einigen Tagen weiterlas, stieß er auf immer neue Merkwürdigkeiten, die ihn in Erstaunen setzten. Dieses Eisen, dieses feste, dauerhafte Metall, wurde auf dem Wege über einen flüssigen Prozeß gewonnen. Das Festeste war vorher weich, war flüssig. Anders konnte es nicht gewonnen werden.

Er konnte wieder nicht anders, er mußte sich hierüber der Schubnell gegenüber aussprechen. Er hatte nun einmal dieses Bedürfnis. Dieses Mal würde sie wohl keinen Vergleich aus der Küche bringen.

Sie hörte ihm aufmerksam zu, dann zeigte sie auf das Brot in der Brotkapsel und fragte gutmütig: »Haben Sie schon mal Bäckerteig gehen sehen, Herr Erkelenz?«

Er schüttelte den Kopf und ging, ohne etwas zu erwidern, hinaus. Dieses Mal wollte er sich seinen Gedankengang nicht verderben lasten. Es blieb dabei: Das Festeste, Härteste war vorher weich und flüssig.

Dieses Bild gefiel ihm. An ihm blieb sein inneres Auge haften. Es gab ihm eine gewisse Zuversicht, einen starken Mut, eine Kraft.

Er spürte das alles an sich und in sich selbst. Er war auch jahrelang unfest, weichlich, in seinem Willen beinahe flüssig gewesen, war hierhin und dorthin gelaufen. Ob er nun nach diesen schweren, schweren Lehren seines Lebens nicht auch in seinem Willen gefestigt, fest und nützlich wie das Eisen werden könnte?

Ob das die gute Schubnell auch nicht begreifen würde? Aber er hatte keine Lust, sich seine schönen Illusionen von ihr wieder zerstören zu lassen!

Aber dem Herrn gegenüber, dem er einmal abends ganz allein auf dem Fabrikhofe begegnete und der ihn ansprach, machte er, da sich die Gelegenheit dazu bot, einige Andeutungen über die Gedanken, die ihm beim Lesen des Buches gekommen waren.

Argobast sah ihm mit merkwürdigen Augen ins Gesicht und nickte zustimmend, ohne sich auszusprechen.

Als Erkelenz dann in seinem Buche bei der Darstellung von Schmiedeeisen und Stahl angelangt war, machte er nochmals eine wichtige Entdeckung.

Stahl war, wie es hieß, Eisen, das an Kohlenstoffgehalt zwischen Roheisen und Schmiedeeisen lag. Die Zusatzmenge an Kohlenstoff war also das Entscheidende. Dabei verband guter Stahl mit Härte bedeutende Biegsamkeit und Festigkeit ohne Sprödigkeit.

Was war das für ein wunderbares Gebilde, das der Mensch sich durch Fleiß und Arbeit geschaffen hatte! Wenn das der Mensch innerlich nachahmte? Wenn er da auch fest und biegsam, hart ohne Sprödigkeit wäre? Was würde er mit einem solchen stählernen Willen leisten können?

Erkelenz griff sich an die Stirn, als er diesen Gedanken heraus hatte. Seine Augen leuchteten auf. Dieses Geheimnis behielt er für sich. Er dachte auch nicht im entferntesten daran, zur Mutter Schubnell hinüberzugehen.

Das Seltsamste blieb aber, wie die Eigenschaften des Festen und Biegsamen beim Stahl erzeugt wurden! Er wurde in glühendem Zustande in einer Flüssigkeit abgekühlt, und geriet um so härter, je höher die Erhitzung und je kälter die Ablöschungsflüssigkeit war.

Erkelenz glaubte, daß es ihm wie Schuppen von den Augen falle. Da hatte er das Gleichnis. Die gleichzeitigen Gegensätze von Hitze und Kälte brachten die Wirkung hervor. Konnte er da nicht mitreden? Überlief's ihn nicht heiß, wenn er seine Torheiten beging, seinen Leidenschaften nachgab, und kühlten Verurteilung, Gefängnis und Zuchthaus nicht seinen leidenschaftlichen Dämon stets eiskalt ab? Konnte da schließlich nicht doch etwas Gutes, der stählerne Wille, daraus hervorgehen?

Erkelenz stürmte hinaus ins Freie. Ein großes und starkes Gefühl überkam ihn, daß er einer unerforschlichen Macht innigen heißen Dank schulde, die ihn auf seiner abschüssigen Bahn in den Eisenhammer geführt hatte!

Er preßte in der Natur, wo ihn kein Mensch sehen konnte, die Hände brünstig zusammen und begriff nun erst ganz den Mann, der ihm die Rettungshand geboten hatte.

Wenn er ihm jetzt begegnete, er hätte ihn schluchzend umarmen, hätte vor ihm auf die Knie fallen können!

Wie liebte er dieses Eisenwerk, wie liebte er diese Arbeit in ihm! Er konnte sich nicht sattschauen an den hüpfenden Wellen des hellrot fließenden Erzes, wie es rieselte, rann und in die Kanäle fiel, wie es gleich einem Lavastrom blendendes Licht ausstrahlte und schreckhaft die umgebenden Räume und Menschen erleuchtete, an der härtenden Löschungsarbeit unter den dröhnenden Hämmern hatte er seine jauchzende Lust.

Er ging ganz in seiner Tätigkeit auf und lernte alle Einzelheiten des Betriebes immer genauer kennen, so daß er fühlte, er werde – nun ließ er auch im Geigenspiele nach – bald befähigt sein, in eine höhere technische Stelle aufzurücken, wozu ihm der Herr, wie er schon selber angedeutet hatte, Gelegenheit geben wollte.

Nun wurden ihm die Erzöfen in Wirklichkeit zu lodernden Brandopfersäulen, von denen mit der Flamme sein Tank zum Himmel lohte!

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