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Sechstes Kapitel

Es waren noch nicht zehn Minuten vergangen, als der Züchtling Robert Erkelenz in Drillhose und schwarzer Jacke, mit nur oberflächlich gereinigten Händen im Direktorialzimmer stand. Mit mißtrauischen Blicken, welcher ihm unbekannte Anlaß ihn so plötzlich von seiner Arbeit weg gerade hierher befahl, sah er die Herren, insbesondere den Hüttenbesitzer an.

Im ersten Augenblicke hatte Argobast den Eindruck, als ob er diesen Mann, in dem er den dämonischen Geigenspieler wiedererkannte, auch sonst schon gesehen haben müsse; das Gesicht wollte ihm bekannt erscheinen.

Bei seinen wiederholten Besuchen in der Anstalt konnte ihm, obwohl er sich nicht erinnerte, Erkelenz, der sehr ausgeprägte, scharfe Züge hatte, schon begegnet sein. Seine kaum hübschen Gesichtslinien waren unregelmäßig, aber kräftig und charakteristisch. Der bartlose Mund, fest geschlossen, zeigte Energie; die Augen irrten unruhig hin und her; die Hautfarbe war fahl.

Der Hüttenbesitzer fand, daß der Erste Staatsanwalt in der Schilderung der Gesichtszüge übertrieben hatte. Aber vielleicht hatte sich Erkelenz früher, bald nach der Tat anders gezeigt. Gewöhnlich jedoch war das Leben im Zuchthause auf die Gesichtszüge des Gefangenen von keiner günstigen Wirkung.

»Ich habe vom Herrn Pfarrer gehört«, nahm der Direktor das Wort, nachdem er den Vorgeführten absichtlich einige Sekunden im Ungewissen gelassen hatte, um in seinem Gesicht zu lesen und lesen zu lassen, »daß du seine Bereitwilligkeit, dir bei deiner bevorstehenden Entlassung eine bürgerliche Unterkunft zu verschaffen, beharrlich zurückgewiesen hast – weshalb tatest du das?«

»Mit solchen Arbeitsstellen habe ich kein Glück gehabt« sagte der Züchtling zögernd nach einem kurzen Schweigen etwas mürrisch.

Er hatte kaum erkannt, daß ihm keine unangenehme Überraschung drohe, so ließ er sich in Erwartung der nahenden Freiheit sichtlich gehen.

»Mit oder ohne deine Schuld?« fragte Muskalla, ohne den Ton des Vorgesetzten hervorzukehren. »Es ist nicht leicht, für jeden von euch den passenden Platz zu finden. Was hast du selber über deine nächste Zukunft beschlossen?«

»Ich? Noch nichts.« Dabei schienen seine Blicke eher das Gegenteil zu sagen.

Argobast mußte an die Warnung des Ersten Staatsanwalts denken, daß Erkelenz im Zuchthaus sicherlich längst einen neuen Plan ausgebrütet habe.

»Das ist wenig und ein Leichtsinn, der dich erneut ins Unglück stürzen kann« bemerkte der Direktor. »Du stehst am Ende der Dreißiger. Wenn du dieses Mal keinen festen Boden gewinnst, Erkelenz, so bist du verloren für dein ganzes Leben – du kommst aus den Strafanstalten nicht mehr heraus.«

»Ich werde mein möglichstes tun« sagte der Gefangene, äußerlich etwas gedrückt. Was er aber in seinem Innersten dachte, trat nicht in seine fast schwarzen Augen.

»Davon läßt du aber noch nichts verspüren! Es macht auf mich auch keinen Eindruck, wenn du dich ins Geheimnis hüllst. Wir begreifen schon, daß du ein gewisses Mißtrauen gegen die menschliche Gesellschaft, wie man zu sagen pflegt, hegst. Damit kommst du aber nicht weiter. Vor allem mußt du selbst dir Vertrauen gewinnen. Dazu gehört eine gewisse Offenheit.«

Erkelenz öffnete seine etwas zusammengekniffenen Augen tatsächlich weiter.

»Vielleicht kommt dir der Zufall entgegen. Dieser Herr hier hat gerade jetzt in seinem großen Hüttenbetriebe am hiesigen Orte eine Arbeitsstelle zu vergeben – er will dich kennenlernen, um sich zu überzeugen, ob du dich eignest.«

»Ich kann keine feste Stelle annehmen« erklärte Erkelenz schnell und abweisend.

Argobast sah überrascht auf.

»Weshalb nicht? Weshalb keine feste Stelle?«

Erkelenz zögerte mit der Antwort.

»Wenn man fünf Jahre hier gewesen ist, sehnt man sich nach seiner Freiheit, Herr Direktor.« Dabei leuchtete tatsächlich in seinem unbeweglichen Gesicht etwas wie Sehnsucht auf.

»Die Freiheit verlierst du durch eine feste Arbeit noch lange nicht, Erkelenz. Da bist du ganz im Irrtum. Jeder ordentliche Mensch hat bei uns eine Anstellung und ist doch frei. Hast du noch immer nicht gelernt, daß gerade dein ungebundenes Leben dir zum Unglück geworden ist?«

Erkelenz machte ein gleichgültiges Gesicht. Pfarrer Koogelbom, der seitwärts stand, bewegte in ersichtlichem Ingrimm lautlos die Lippen.

»Darf ich selber an den Mann einige Worte richten, Herr Direktor?« fragte Argobast, der den Züchtling von der Seite fest ins Auge gefaßt hatte.

»Versuchen Sie's mal mit dem Starrkopf!« nickte Muskalla.

Des Züchtlings Mienen nahmen den Ausdruck mürrischen Trotzes an. Er überhob sich sogar der Mühe, sich nach dem Hüttenbesitzer zuzukehren.

»Wie ich Sie vor mir sehe«, begann Argobast, »sind Sie doch der letzte, der einer Tätigkeit, die Ihnen zusagt, aus dem Wege geht. Hätten Sie von Anfang an das Richtige gefunden, wären Sie vielleicht überhaupt nicht auf Abwege geraten.«

Erkelenz sah auf. »Das könnte stimmen!« erwiderte er im Tone der Bitterkeit nachlässig.

»Also sagen Sie doch selber einmal ganz offen, welche Art Tätigkeit Ihnen zusagen würde – ich will einmal hören – ich beschäftige Hunderte von Leuten« fragte Argobast, ohne sich in seiner Ruhe stören zu lassen.

»Aber eine Stelle für mich haben Sie nicht.« Das klang wieder kurz und abweisend.

»Dann wäre sie vielleicht durch mich zu beschaffen. Ich habe viele Verbindungen. Aber man muß doch erst wissen –«

Der Züchtling machte kein freundliches Gesicht, als er sagte: »Ich habe doch noch gar keine Ahnung, aus welchem Anlasse der Herr, der mich nicht kennt, sich gerade für mich verwenden will.«

»Das wirst du noch erfahren!« bemerkte Muskalla zurechtweisend.

»Ich wüßte schon etwas« erklärte Erkelenz nach einigem Schweigen mißvergnügt.

»Sprechen Sie sich aus.«

Der Gefangene schüttelte den Kopf.

»Der Herr meint es ernsthaft – du hörst ja.«

Koogelbom rang verzweifelt die Hände.

Erkelenz machte einige Bewegungen mit dem Arme und hielt den Kopf zweifelnd auf die Seite. »Sie werden mich wahrscheinlich auslachen! Ich sollte es eigentlich auch nicht sagen« stieß er hervor. »In einem großen Warenhause möchte ich unterkommen – als eine Art geheimer Aufseher – Geschäftsdetektiv – Aufpasser auf Warendiebe – im Publikum und unter den Angestellten – ich habe einen Blick wie ein Luchs.«

Argobast wechselte mit dem Direktor einen verständnisvollen Blick.

»Satanas!« murmelte Koogelbom zwischen den Lippen.

»Ich sagte es ja, daß der Herr lachen würde!« bemerkte Erkelenz fast beleidigt. »Sie glauben's natürlich nicht – aber ich sehe rechts und links, während ich geradeaus schaue – ich habe Augen sozusagen auf dem Rücken – mir entginge nichts – der Prinzipal könnte sich auf mich verlassen – ganz und gar – die Diebstähle würden aufhören.«

Sein Gesicht hatte sich bei seiner Schilderung belebt, seine Augen waren heller geworden. War das der Plan, den er, wie Treuß geweissagt hatte, in der Gefangenschaft ausgedacht hatte? Argobast war überrascht, fand sich aber sofort zurecht. Er zeigte ihm einen Weg. Hier ließ sich anknüpfen. Diese Hoffnung mußte man festhalten.

»Ich kann sehr wohl begreifen, daß eine solche Tätigkeit von Ihnen geleistet werden könnte« antwortete der Hüttenbesitzer. »Sie wollen organisatorische Beschäftigung – rate ich recht? – vermutlich würden Sie mit einer Anzahl Gehilfen das ganze Warenhaus beaufsichtigen wollen –«

»Ja, gewiß«, sagte Erkelenz schon lebhafter, »ich sehe, der Herr versteht mich – ich würde unsichtbar das Ganze gewissermaßen an den Fäden halten – ganz richtig – Organisation nennt man das? – so etwas sagte mir zu.«

»Und Sie würden«, fragte Argobast ernst und mit Nachdruck, »bei solcher Tätigkeit auch die Versuchungen überwinden, sich selber – das wäre doch eine Voraussetzung – an den Waren zu vergreifen – nicht wahr?« Dabei ruhten seine Augen fest auf dem Gefragten.

Dieser sah dem Hüttenbesitzer fast offen ins Gesicht. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht – ich meine, daß ich selber mich an den Waren vergreifen könnte.«

»So sehr waren Sie bei der Sache – bei Ihrem Plane? Nicht wahr?« fragte der Hüttenbesitzer in wärmerem Tone.

Koogelbom lehnte sprachlos an der äußersten Wand.

Eine leichte Röte flog über das fahle Sträflingsgesicht. »Das kann ich wohl sagen –«

Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, unterdrückte es aber. Nur ein fast dankbarer, stummer Blick brachte zum Ausdrucke, daß ihm das soeben bezeugte Vertrauen innerlich wohlgetan hatte.

Muskalla, der, scheinbar mit anderen Dingen an seinem Schreibtische beschäftigt, den Verlauf des Gesprächs mit großer Spannung verfolgt hatte, bewunderte im stillen die Sicherheit und das Verständnis, mit welchem der Hüttenbesitzer schon mit dieser kurzen Auseinandersetzung den Gefangenen für sich gewonnen hatte.

Argobast hatte einen eigentümlichen, warmen Ton, der aber durchaus nicht weich und sentimental klang, gefunden. Man fühlte, man sah gewissermaßen mit Augen, wie sich das spröde Wesen des Züchtlings binnen kurzen Minuten wie aus einer Erstarrung zu lösen begann.

Argobast behielt Mienen, Bewegungen und den ganzen Eindruck des Mannes fest im Auge. Was er da von ihm sah, erschien ihm alles so natürlich und selbstverständlich, so gewissermaßen bekannt, als könnte es gar nicht anders sein. Selbst im Tone der nie gehörten Stimme lag etwas, was ihm nicht fremd lautete, als müßten und könnten die Worte nur so und nicht anders klingen.

»Nun hören Sie mich einmal aufmerksam an« begann er von neuem. »Sie sind selbst zu vernünftig und kennen Menschen und Leben zu gut, als daß Sie erwarten, daß Ihnen sofort bei dem Austritte aus diesem Hause eine solche Stellung, wie Sie sie beschreiben, geboten werden könnte. Aber eins kann ich Ihnen versichern: es wäre durchaus nicht aussichtslos, daß Sie in eine solche oder ähnliche, vielleicht noch angenehmere Stellung gelangen könnten – ich habe auch mit großen Warenhäusern meine Verbindungen.«

Hoffnung und Enttäuschung malten sich in den blassen Zügen des Gefangenen.

»Die Hauptsache bleibt, daß Sie den Übertritt, die Rückkehr in das bürgerliche Leben finden und erfolgreich bestehen. Sie müssen – das wissen Sie ganz genau – sich an geordnete Tätigkeit in der Freiheit gewöhnen – Sie müssen Willen und Entschluß in der Freiheit kräftigen – müssen ein gutes Führungszeugnis verdienen, das Ihnen, wie Sie ohne weiteres einsehen, einzig den weiteren Weg ebnen kann.«

Erkelenz seufzte. »Wie lange soll das dauern?« fragte er, schon wieder entmutigt und düster.

»Das hängt vor allem von Ihnen selber ab – ein Jahr müssen Sie mindestens rechnen – das brauche ich Ihnen gar nicht erst zu sagen.«

»Dann sehe ich keine Hoffnung – so lange halte ich nicht aus« sagte er schroff.

Der Pfarrer trat einige Schritte vor und wollte eingreifen. Aber ein Blick des Hüttenbesitzers hielt ihn zurück.

»Das käme ja erst auf den Versuch und vor allem auf die Ihnen gebotene Arbeit an« erklärte er ganz ruhig. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Arbeiten Sie zunächst einige Monate auf meinem Lager. Sie lernen dabei den Betrieb kennen und führen die Lagerbücher. Dazu gehört Umsicht, ein Teil des Betriebes zieht an Ihnen vorüber. Die Bezahlung ist auskömmlich. Sie kommen in Ruhe, zur Selbstbesinnung. Das ist die Hauptsache. Sie werden selbst sehen, gebunden sind Sie selbstverständlich nicht. Ihre Mitarbeiter werden von Ihrer Vergangenheit nichts, gar nichts – ich verspreche es Ihnen – erfahren. Halten Sie sich selbst vorsichtig zurück. Alles Weitere wird sich finden.«

Erkelenz schüttelte sich gewissermaßen am ganzen Körper. »Das ist alles nicht möglich – das sind nur schöne Worte« stieß er hervor.

»Freilich – wenn Sie sie nicht betätigen.«

»Ich habe Polizeiaufsicht – das kann nicht verborgen bleiben.«

Der Hüttenbesitzer wiegte sein Haupt. »Ich kann der Polizei für Sie Bürge sein.«

Der andere stutzte. »Sie kennen mich ja gar nicht.«

»Ich dachte, wir hätten uns vorhin schon verstanden.« Das klang einfach, zu Herzen gehend.

»Jawohl – Sie meinen es gewiß gut mit mir« antwortete er fast beschämt. »Ich hege keinen Zweifel – aber ich fürchte mich – glauben Sie mir's – ich fürchte mich.«

Man sah ihm an, daß er die Wahrheit sagte. Aber seine Stimme klang nicht mehr so rauh. Woher kam das? Es ging tief in seinem Inneren etwas vor. So hatte es vielleicht lange nicht in ihm gekämpft.

»Vor wem? Vor der Pflichterfüllung?« fragte Argobast ohne Vorwurf, ohne Schärfe, mit Menschenfreundlichkeit.

»Vor der Enttäuschung« erwiderte er leise. »Ich möchte Sie vor mir warnen, Herr – – ich weiß nicht, wie Sie heißen. Hoffentlich kann ich dankbar sein! Hoffentlich kann ich! Wenn meine dunkle Stunde über mich kommt, nützen mir die besten Vorsätze nichts.«

Koogelbom machte im Hintergrund schon wieder Grimassen.

Wie Erkelenz mit sich selbst ringend dastand, gewährte er dem Menschen- und Seelenkenner einen tiefen Einblick.

»Dann wenden Sie sich unmittelbar an mich – kommen Sie zu mir, Sie werden mich finden – stärken Sie das Gefühl in sich, das man Vertrauen zu den Menschen nennt – es ist ein schönes Gefühl, das einen tröstet, erhebt, ungeahnt kräftigt.«

Es geschah etwas Seltsames. Argobasts letzte Worte machten einen fast wunderbaren Eindruck. Er hatte über dieses starre, dieses erstarrte Herz einen großen Sieg errungen. Man sah es dem Manne an, daß er zustimmte. Nur etwas schien er noch auf dem Herzen zu haben.

»Brauchen Sie noch eine Auskunft? – Reden Sie.«

»Würden Sie mir eine – – Geige verschaffen können?« fragte er schnell in einer plötzlichen Eingebung.

Der Direktor trat dazwischen.

»Die Geige, die du hier in der Anstalt seit einigen Monaten spielen darfst«, klärte er ihn auf, »verdankst du schon diesem Herrn, er hat alle Instrumente für unser kleines Orchester zur Verfügung gestellt.«

Der Gefangene sah den Hüttenbesitzer verwundert an und konnte nichts sagen.

Von der Anstaltskirche draußen läutete das Glöckchen die Feierstunde.

»Sie sollen auch eine Geige haben«, fügte Argobast ohne Sentimentalität hinzu, »um in Ihren Mußestunden Ihre Übungen fortzusetzen – vielleicht bietet sich Ihnen auch in der Freiheit Gelegenheit, bei musikalischen Anlässen zu spielen.«

Die trüben Augen des Züchtlings öffneten sich wieder etwas weiter als sonst und zeigten einen eigentümlichen Glanz.

»Das könnte mich sehr verlocken, zu Ihnen zu kommen« sagte er stotternd. »Ich möchte Ihnen in diesem Augenblicke keine endgültige Antwort geben. Ich möchte Ihnen so gern mein gegebenes Wort halten.«

Er schien es aufrichtig zu meinen. Aber das Freiheitsgefühl, von dem er schon gesprochen hatte, packte ihn noch einmal. Fünf volle Jahre in diesem Hause – seit Monaten zählte er die Wochen, die Tage, die Stunden – da war wohl zu begreifen, daß er nicht sofort über seine Zukunft verfügen wollte.

»Meine Freiheit!« sagte er halblaut vor sich hin. »Ich bekomme meine Freiheit nicht wieder – niemals!« Um seine Mundwinkel zuckte es; er sprach nichts weiter.

Argobast gab sich mit seiner Erklärung zufrieden und brach die Verhandlungen ab. »Ich hoffe, wir sehen uns wieder« sagte er zu ihm, ehe er abgeführt wurde.

Der Direktor beglückwünschte in aufrichtigen, warmen Worten den Hüttenbesitzer zu seinem Erfolge. »Es war mir eine Freude, zuzuhören – wir haben gelernt – der Herr Pfarrer und ich – nicht wahr?«

»Ich glaube wohl, ich habe einen Weg zu seinem verschlossenen Herzen gefunden. Wenn mich nicht alles täuscht, wird er sich entschließen.« –

Koogelboms Kopf versank völlig in seinen hochgezogenen Schultern. In seinen grauen Augen lag etwas, als ob er diese Hoffnung nicht teilte.

Argobast verabschiedete sich etwas bewegt von Muskalla und trat den Rückweg durch die verschiedenen Gänge an.

Er nahm den Eindruck mit sich, daß man in der Strafanstalt den Menschen doch besser und tiefer kennenlernte, als in den Dienstzimmern der Staatsanwaltschaft.

Es war Abend, die Züchtlinge waren aus den Werkstätten in den Eßsaal geführt worden.

Als Argobast im Torwege stand, hörte er über den großen Hof hinweg den Choral, den die Gefangenen nach der Hausordnung vor dem Abendbrot sangen.

Er hemmte seine Schritte und stand still. Er legte die Hand an das Ohr, um die Worte zu verstehen.

Er lauschte. Was war das? So fein zwischen Gutem und Bösem zu scheiden, lernte das Ohr, lernte die Seele nicht, daß Verbrechergesang ergreifend zum Menschenherzen sprechen konnte?

Der Pförtner in der Torwacht sah aus seinem Glasfenster herab und grüßte.

Ein Trupp Züchtlinge rückte von der Außenarbeit unter Führung mehrerer Aufseher verspätet ein.

Dann wendete sich Michael Argobast zum Gehen. Klirrend fiel das schwere Tor hinter ihm ins Schloß.

*


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