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Siebentes Kapitel

Die Verlobung von Ottilie Argobast mit Ottokar Custodies war in den Zeitungen veröffentlicht worden. Ungezählte Glückwünsche trafen aus dem Kreise der Verwandten, Freunde und Bekannten der verehrten Familie ein.

Der große Salon schien in eine entzückende Ausstellung der wundervollsten Blumen verwandelt zu sein, die gerade diese Jahreszeit in Fülle bot. Buketts, kostbare Blumenstöcke, liebliche Körbe mit seidenen Bändern und geschmackvolle Arrangements wechselten sich ab. Eine prachtvolle Schale der seltensten Hyazinthen, der letzten des Frühlings, spendete aus den blauen Blüten berauschende Düfte. Sie war die Gabe der mit dem Hause befreundeten Familie Bugger. Wie eine Blume unter Blumen wandelte Ottilie beglückt umher.

Argobast verkehrte in allen guten Gesellschaftskreisen, in der Kaufmannschaft und Beamtenschaft, beim Militär, mit Medizinern und Akademikern, in Zirkeln der Kunst und Wissenschaft. In seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter und Mitglied der Handelskammer, nicht zuletzt als edler Wohltäter, hatte der Hüttenbesitzer fast unbegrenzte Fühlung.

Seine und seiner Gattin Beliebtheit machte es allen, die ihnen nahe standen, zum Bedürfnisse, bei der Verlobung der einzigen Tochter, die besonders der Vater zärtlich ins Herz geschlossen hatte, ihre Mitfreude zum Ausdrucke zu bringen.

Ganze Stöße von Gratulationsbriefen lieferten die Briefträger tagelang ab; selbst aus der Ferne kamen herzliche Wünsche und Grüße. Die Besuche wollten kein Ende nehmen; liebenswürdige, aufrichtige Menschen kamen und gingen, es war ein Ehrentag wie für das junge Paar so auch für die Eltern der Braut.

Ein mit auserlesenem Geschmack veranstaltetes Verlobungsessen bildete die Feier im engeren Kreise.

Um das Brautpaar gruppierte sich eine gewählte Jugend, Freundinnen und Bekannte der Braut, unter ihnen Ilse Bugger und Referendar Barbian, der von seinem Vater an das Haus Argobast empfohlen war.

Ilse saß neben dem Brautpaar, sie hatte den Bräutigam zur Rechten, während Barbian sie zu Tische geführt hatte. In ihrem kostbar gestickten weißen Kleid sah sie entzückend aus und entfaltete zwischen den beiden Juristen alle ihre Munterkeit. Sie hatte kaum von dem Referendar erfahren, daß er ein »gefürchteter« Verteidiger werden wollte, als sie schalkhaft die Herren gegeneinander in Bewegung setzte. Die beiden wußten aber ihrem Einfalle zu begegnen, indem sie sich darüber einigten, die beginnende »Hauptverhandlung« über Fräulein Bugger als Angeklagte zu führen.

Unter den jungen Herrschaften war begreiflicherweise auch von den Kasinofestlichkeiten des letzten Winters lebhaft die Rede, bei welchen sich das Brautpaar im stillen gefunden hatte.

Dabei berührte es vielleicht merkwürdig, daß sich längere Zeit das allgemeine Gespräch – Referendar Barbian hatte es wohl ganz zufällig angeregt – auch mit Helga Helligen befaßte.

Über diese junge Dame, die Tochter des bekannten und beliebten Gymnasialrektors, des Geheimen Studienrates Helligen, herrschte in der Gesellschaft nur eine einzige Stimme.

Jung und alt waren von ihrer Anmut und Liebenswürdigkeit fast gleich begeistert. Sie war schön und interessant, weiblich und bescheiden, geistreich und gemütvoll. Und man rühmte sie als einen ausgeprägten weiblichen Charakter von eigenartiger Abklärung.

Custodies, der eine Reihe von Jahren nicht verkehrt hatte und sie nicht kannte, hörte begreiflicherweise nur mit halbem Ohre zu, bis er schließlich scherzhaft bemerkte, ob man heute – bei seiner Verlobungsfeier! – sich endlich über die »Walküre« beruhigen wolle.

Der Vorwurf fand humoristischen Widerhall, aber Ottilie selbst, die Herrin des Festes, schien Ottokars Einwand überhört zu haben und knüpfte durch eine Lobeserhebung das Gespräch sofort von neuem an, worüber an der Tafel ein schallendes Gelächter ausbrach.

Helgas Eltern stammten aus dem Dithmarschen, einer der vier Landschaften des ehemaligen Herzogtums Holstein, wo sich einst die Sachsen mit den Friesen gemischt hatten.

Dort nahe dem Nordseestrande, etwa gegenüber der friesischen Insel Föhr mit ihrem fruchtbaren Boden, hatte Helgas Großvater seinen alten reichen Bauernsitz gehabt, den jetzt noch der ältere Bruder des Rektors, Onkel Peter Helligen, in patriarchalischer Weise bewirtschaftete.

Der jüngere Sohn Erich hatte gelehrte Neigungen gezeigt und sich, gewissermaßen in angestammter Treue an die heimatliche Scholle, der Germanistik gewidmet, die ihm manche wertvolle Forschung verdankte. Auch seine Frau, eine geborene Ukera aus einem alteingesessenen Geschlecht, hatte er in seiner meerumspülten Heimat gefreit.

Helgas Eltern hatten sich beide etwas von der treuen Anhänglichkeit an die alten Sitten und Freiheiten ihrer Vorfahren, die gegen Markgrafen, Herzöge und Könige mitgekämpft hatten, bewahrt. Aber der alte trotzige Widerstand gegen alles Aristokratische und Dynastische, das starre Festhalten an altertümlichen Gebräuchen und Rechten hatte sich in ihren Charakteren zu einer Offenheit, Aufrichtigkeit und Geradheit, zu einem schönen Gerechtigkeitssinn und wohlwollendem Menschentume, zu einer gesunden germanischen Eigenart gemildert, die mit des Vaters Studium so merkwürdig zusammenstimmte.

In Helga schienen sich diese bei ihnen immerhin noch urwüchsigen Eigenschaften zufolge Abschwächung durch Vererbung und Erziehung nochmals verfeinert zu haben, so daß aus glücklichen Anlagen die weibliche deutsche Eigenart hervorgehen konnte, die in Helgas Erscheinung und Wesen sofort bestechen mußte.

Obwohl von der Herrenwelt lebhaft umschwärmt, war sie frei von Koketterie. Sie bewegte sich mit einer Anmut und Sicherheit, die Entzücken und Respekt zugleich einflößten. Nicht jeder getraute sich, ihr zu nahen. Liebenswürdig war sie immer, aber doch, wie man gelegentlich bemerkte, auch wählerisch. Daß sie schon Heiratsanträge ausgeschlagen hatte, war ein offenes Geheimnis.

So kam es vielleicht auch, daß in der Begeisterung für sie vor allem die junge Damenwelt nicht zurückstand. Sie hatte wohl keine Neiderin. Seit sie die Zwanzig überschritten hatte, schwärmten für sie die Jüngeren.

Als sie letzten Winter in Chamissos Frauenliebe und -leben die Braut im lebenden Bilde dargestellt hatte, erreichte der Eindruck ihres Persönlichen einen Höhepunkt.

Eigentlich hatte sie in einem gewissen Gegensatze zum Dichter und zum Komponisten dem etwas demütigen und schmachtenden deutschen Mädchen eine Gestalt gegeben, die das Wesen der deutschen Frau – der heutigen deutschen Frau! – in ganz anderer, höherer Weise ahnen ließ.

Aber gerade hierin lag das Überraschende und Reizvolle ihrer Wiedergabe, bei welcher der Liedertext, wiewohl von einer geschätzten Sängerin vorgetragen, fast überhört wurde.

Zu Ottiliens Verlobungsfeier, die mit ihrer Episode von Helga Helligen überaus stimmungsvoll verlief, war auch Frau Geheimrat Custodies, die in Bonn lebte, eine liebenswürdige alte Dame, herübergekommen und hatte bei Argobasts auf einige Tage Wohnung genommen.

Sie schloß die anmutige Braut ihres einzigen Sohnes ganz in ihr mütterliches Herz. Diese Zuneigung wurde von Ottilie in fast zärtlicher Weise erwidert.

Das Verhältnis zwischen Schwiegersohn und Schwiegereltern versprach das angenehmste zu werden.

Der junge Jurist war musikalisch und besaß damit die beste Gelegenheit, sich Frau Hilde gefällig zu erweisen.

Sie hatte eine zwar nicht große, aber noch immer metallreiche Sopranstimme, die in guter Schulung gebildet war.

Es war kein Geheimnis, daß Hildegard Ilshöfer, einer gutbürgerlichen Familie entstammend, auf dem Konservatorium in Düsseldorf ausgebildet worden war und kurze Zeit dem Stadttheater in Mainz als Opernsängerin angehört hatte.

Noch vor ihrer Verheiratung mit Argobast hatte sie sich von der Bühne zurückgezogen und war in den ersten Jahren der Ehe nur noch als Konzertsängerin aufgetreten.

Mancher erinnerte sich noch der Zeit, da die flotte Blondine im Saale der Harmonie mit schönem Erfolge auf dem Konzertpodium stand, während ihr junger Gatte, ein einfacher Mann mit ganz schwarzem Haar und Bart, im Saale unter dem immer zahlreichen Publikum saß, kein Auge von der Sängerin wendete und selber am unermüdlichsten Beifall klatschte.

Nach dem Konzert sah man ihn ins Künstlerzimmer stürzen, mit rührender Sorgfalt die junge Frau in ihren Pelzmantel hüllen und zur Droschke geleiten, die sie und ihn nach ihrer damals noch einfachen Häuslichkeit brachte.

Da begriff auch mancher, wie es möglich geworden war, daß die Künstlerin, eine ätherische Erscheinung, sich entschlossen hatte, dem allerdings energischen und klugen Mann, der aber aus den arbeitenden Kreisen sich vorwärts gebracht hatte, die Hand zu reichen.

Freilich blieb trotzdem im Verhältnisse der beiden für den Dritten manches rätselhaft. Ihre Gegensätze konnten nicht verborgen bleiben.

Sie war ein Weltkind, lebenslustig; wiewohl nicht gerade aus vornehmem Hause, doch auf Formen haltend; elegant, wählerisch in ihren Toiletten, nicht frei von Koketterie, aber ohne jede Auffälligkeit. Das Künstlerblut in ihren Adern machte sie lebhaft, etwas auf den äußeren Effekt berechnend, zuweilen auch launenhaft.

Etwas Unausgeglichenes, ja Sprunghaftes war zuweilen in ihrem sonst wertvollen Charakter nicht zu verkennen. Vielleicht waren es Rückstände ihrer Erziehung und ihrer Bühnenlaufbahn. In ihren Entschließungen war sie, das wußten Gatte und Tochter, nicht immer berechenbar.

Argobast, aus einfachsten Kreisen stammend, war einfach geblieben. Er war kein hübscher Mann, nur sein Kopf war interessant. Wie seine Sprechweise waren seine Bewegungen langsam, nicht gewandt, manchmal schwerfällig.

Obwohl man seine idealen Bestrebungen kannte, gab er sich doch immer nüchtern, geschäftig, ohne jede Pose. Eine Rolle zu spielen, daran dachte er kaum. In der Öffentlichkeit liebte er nicht hervorzutreten, er blieb gern im Hintergrunde, auch im Abgeordnetenhause sprach er nur rein sachlich, ohne rednerischen Schmuck, das Pathos war ihm verhaßt.

Gleichwohl lebte das etwas ungleiche Paar, wie alle Welt wußte, in einer harmonischen Ehe. Das zeigte sich nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Familienkreise, wie viele Augenzeugen bestätigten.

Dabei teilte Frau Hilde ihres Mannes kriminalpolitische Interessen, die sie wohl kaum zu würdigen verstand, eigentlich nicht.

Nur im ersten Anfange seiner Bestrebungen war sie gewissermaßen mitgegangen, aber im Laufe der Jahre wohl enttäuscht davon zurückgetreten. Seit dem nicht gelungenen Versuche mit Döll, zu dem sie sich noch einmal verstanden hatte, wollte sie nicht mehr viel davon wissen. Vielleicht widerstrebte diese nähere Befassung mit Kriminellem ihrem ästhetischen Empfinden. Ihre feingestimmten Nerven neigten manchmal zu einer gewissen Überempfindlichkeit.

Aber daß diese hübsche, stattliche Frau an ihrem Manne mit Liebe und Zärtlichkeit hing, war unverkennbar. Selbst in größter Gesellschaft suchten ihn gelegentlich ihre freudigen Blicke. Wenn der Sekt zugetrunken wurde, begegneten sich, falls es die Sitzreihe einigermaßen zuließ, diese vier Augen in vertrautem Gruße. Wurde die Tafel aufgehoben, küßte er ihr zärtlich die Hand. Gerade bei ihm war das keine leere Formsache, der er abhold war.

Es war etwas an und in diesem Manne, das Frau Hilde fesselte. Nur wußte vielleicht niemand so recht zu sagen, was diese schöne Bindung gab.

So umfloß das Ehepaar gewissermaßen eine Glorie des Rätselhaften, des Geheimnisvollen, das es immer und überall interessant erscheinen ließ.

Frau Hilde hatte die Mitte der Dreißiger überschritten und stand, wie man zu sagen pflegt, in ihren schönsten Jahren. Immer frischer, jugendlicher, voller schien sie aufzublühen. Ihr rosiges, rundes Gesicht strahlte in glückverheißendem Begehren.

Neben dieser Mama war es für die zarte Ottilie nicht immer leicht, obwohl sie sehr hübsch war, zur Geltung zu kommen. Aber gerade dadurch machte sich Frau Argobast so sehr beliebt, daß sie nicht im entferntesten nach Art eitler noch junger Mütter mit ihrem Töchterchen wetteifern wollte, sondern in rührender Mutterliebe alles tat, um andere an ihrem Kinde Gefallen finden zu lassen. Hilde war gegenüber der Herrenwelt nicht im geringsten gefallsüchtig, kokett war sie eigentlich nur gegen ihren eigenen Mann.

Als im Fortgange der Jahre Argobasts kleine Fabrikanlage sich mit Hilfe eines später verstorbenen Geschäftsteilhabers mehr und mehr vergrößerte, als er den Hochofen errichtete und bald mit staatlichen Lieferungen von Eisenbahnschienen überhäuft wurde, trat Frau Hilde nicht mehr öffentlich auf. Eine Zeitlang hatte sie noch Gesangsunterricht an junge Mädchen aus der Gesellschaft erteilt. In den letzten Jahren hatte man sie selbst in Wohltätigkeitskonzerten nicht mehr gehört.

Nur im häuslichen Kreise, in den bekannten Soireen, die in dem schönen Saale der Villa Hildburg veranstaltet wurden und die musikalischen Größen der Stadt anzogen, ließ sie sich gelegentlich noch in ihren Glanznummern – »Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?« aus Mignon – vernehmen.

Custodies war ein anschmiegender Begleiter am Flügel und studierte mit seiner Schwiegermama einige ihrer früheren Gesangsstücke wieder ein.

Michael Argobast hatte hieran seine Freude, da er selber zwar ein begeisterter Musikliebhaber, niemals aber ein ausübender Musiker gewesen war. Ottilie spielte vorzüglich Klavier; sie und Ottokar nahmen die großen Opernouvertüren vierhändig vor.

Von Verwandten der Familie Argobast lebte am Orte nur Tante Thekla Ilshöfer, die ältere unverheiratete Schwester von Frau Hilde, eine gutmütige alte Jungfer mit etwas eigenen Gewohnheiten, die sich aber in Villa Hildburg sehr nützlich zu machen wußte und aller Dank verdiente.

Kein gesellschaftliches Unternehmen, keine größere Familienfestlichkeit wurde im Hause ohne ihren Rat oder Beistand vorbereitet. Auch das Programm für die Verlobungsfeier hatte sie im Verein mit Mama zu allgemeiner Zufriedenheit zusammengestellt.

Es war geradezu rührend, welchen Anteil sie an dem jungen Glücke ihrer Nichte nahm. Es hatte sich auch sehr bald herausgestellt, daß Tantchen Thekla zunächst die einzige lebende Seele gewesen war, der Ottilie Andeutungen über das Geheimnis gemacht hatte.

Tantchen hatte mit verklärten Augen genickt und, als sie Namen und Stand des Erwählten erfahren hatte, zustimmend gelächelt, immer den Finger auf den spitzen Mund legend.

An jenem Sonntage, da der junge Bewerber bei den Eltern vorsprach, war sie jedoch ganz bescheiden zu Hause geblieben und hatte gar nichts von sich hören lassen. Aber am nächsten Morgen huschte Ottilie zu ihr hinüber und fiel ihr des Glückes voll um den Hals.

Wer Ottilie früher genauer gekannt hatte, mußte gestehen, daß mit ihr in den wenigen Wochen seit ihrer Verlobung eine geradezu wundersame Veränderung vor sich gegangen war.

Niemand nahm das wohl besser wahr, als der zärtliche Vater selbst, der, wie er überhaupt im Leben ein ausgezeichneter Beobachter und Seelenkenner war, vor allem auch im häuslichen Kreise seine stillschweigenden und lauten Betrachtungen machte.

Er verstand es in seltener Weise, mit wenigen treffenden Worten in seiner Umgebung die Seele der Ereignisse, in denen man sorglos dahinlebte, gewissermaßen in stimmungsvollen Akkorden – vielleicht hing das mit seinem Musiksinn zusammen – hervorzukehren und festzuhalten.

Gerade darin schien eine Lebensaufgabe dieses Mannes zu liegen, daß er, ohne Aufdringlichkeit und Pathos, mit Bemerkungen, welche nicht an der Oberfläche schöpften, das flüchtige Leben begleitete. Was auch geschah und gesprochen wurde, er hatte ein seltsames und richtiges Gefühl für die selbst in anscheinend flüchtigen Geschehnissen liegende tiefere Bedeutung.

Einmal in diesen Tagen geschah es, daß er sein Kind, als er mit ihm allein war, an der Hand nahm und ihm lange schweigend in die Augen schaute.

»Wie ich mich freue, Ottilie«, sagte er still, »daß du so glücklich bist! Ich hätte es kaum gedacht, daß man dem Menschen sein Seelenglück äußerlich so sehr ansehen kann. Kannst du mir sagen, kannst du mir vielleicht beschreiben, wie dir's ums Herz ist?«

Sie stand einen Augenblick mit zu Boden gesenkten Blicken vor ihm. Dann hob sie die Augen zu ihm empor und sagte leise: »Vater – liebster Vater – ich fühle, daß ich gut bin!«

Er schien dieses Geständnis mit besonderem Wohlgefallen zu hören. »Ja, an dir hat sich die heilige Macht der Liebe wunderbar erwiesen, mein Kind! Sei dankbar gegen deinen Gott!« Er schloß sie in seine Arme und drückte ihr einen segnenden Kuß auf die weiße Stirn.

Sie lag ihm stillweinend an der Brust.

»Versenke dich ganz darein, was du an Ottokar hast!« fuhr er dann fort. »Ich kenne die Menschen und habe einen Blick für ihr Wesentliches. Er ist, ich muß es zugeben, ein selten edler und guter Mensch, der dich namenlos liebt! Wie du ihn vor dir siehst, wie du ihn hältst, ist er ein lebendiger Zeuge des Guten in der Welt! Neige dich vor ihm! Sei demütig in deinem Herzen!«

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