Johann Wilhelm Wolf
Die deutsche Götterlehre
Johann Wilhelm Wolf

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Hausgeister.♦ Myth. 468.

Die bisher betrachteten Genien, die der Berge, der Wälder und der Flüsse nahen den Menschen durchgängig nur gezwungen, wenn sie deren Beistand nöthig haben. Bei den Hausgeistern finden wir das volle Gegentheil, sie kommen von selbst, den Menschen ihre Dienste anzubieten, sie wollen freundlich mit ihnen verkehren, sind ihnen hülfreich, wo und wie sie nur können, und haben stets Glück und Segen in ihrem Geleit. Auch darin sind sie von den andern Genien verschieden, dass während jene sich in männliche und weibliche theilen, sie nur männlich oder vielmehr geschlechtlos sind.

Die ältesten uns bekannten deutschen Namen dieser Geister sind hûsing und stetigot d. i. Geist der Stätte, des Ortes; als solche sind sie den römischen Laren und Penaten gleich. Sie stehen gleichfalls in besonderm Bezug auf den Heerd des Hauses, unter dem sie öfter hervorkommen, wo sie sich am liebsten aufhalten und wo auch die Thüre zu ihrer unterirdischen Wohnung zu sein scheint. Auch stellte man ihnen Gaben dahin und zwar in die kleinen Nischen, welche man noch in Bauernhäusern und alten Häusern der Städte neben dem Heerde findet. Andere trauliche Namen sind ingoumo, Hüter des innern Hauses, ingesîde, unser Ingesinde, ferner Gesell, Gutgesell, Nachbar, lieber Nachbar, das gute Kind, Kobold, Katermann, Heinzelmann, Chimmeken und Wolterken u. a. m.

Ihre Gestalt spricht für ihre Verwandtschaft mit den Elben und Zwergen, gleich denen sie klein sind, wie ein zwei bis dreijähriges Kind, doch zeigen sie sich nur selten. Auch ihr Aussehen und ihre Tracht spricht dafür, sie theilen mit Zwergen und Nixen den Hut, der nur bei ihnen spitz ist, und roth wie ihre Haare. Einige führen selbst den Namen von diesem Hut, so das bekannte Hütchen, Hopfenhütel, Eisenhütel, Rothmützchen, der kölnische Hubert Hochhut (Huppet Huhot). Wahrscheinlich war an diesen Hut wie bei den Zwergen die Gabe geknüpft, sich unsichtbar zu machen. Ausserdem tragen sie gefeite Stiefel, mit deren Hülfe sie die beschwerlichsten und weitesten Wege in kürzester Zeit zurücklegen. Als eines Ritters Frau am Tode lag und die Aerzte erklärten, es sei ihr nicht zu helfen, sprach der Hausgeist, den er in seinen Diensten hatte: Wenn unsere Herrin mit Löwenmilch eingerieben würde, wäre sie bald genesen. Der Ritter fragte: ›Wo aber sollen wir Löwenmilch herholen?‹ ›Ich schaffe sie herbei,‹ sprach der Hausgeist, ging und war in Zeit von einer Stunde bereits wieder zurück, ein grosses Gefäss voll Löwenmilch in den Händen tragend. Bisweilen ist gleich dem Hut ihre ganze Kleidung roth.

Wie schon bemerkt, halten die Hausgeister sich vorzugsweise gern am Heerde auf, besonders findet man sie dort Nachts; sie entzünden sich aus dem da liegenden Reisig ein Feuer mit farbloser Flamme, verbrennen mitunter ganze Reisigbündel und lassen nur ein paar Reiser über. Wenn die Hausleute diese anzünden, brennen sie eben so lange, wie der grösste Bund und geben doppelt so viel Wärme, fluchen sie aber dem Hausgeist, dann verflackern sie im Augenblicke und der Hausgeist rächt sich, indem er das Haus verlässt.

Aber auch im Stall, in Scheune und Keller halten die Kobolde sich gern auf, zuweilen auch in einem Holzhaufen oder einem dem Hause nahe stehenden Baum, von dem man alsdann keinen Ast abbrechen darf. Sie sehen nicht gern, dass Donnerstags Abends im Hof gehauen oder gesponnen werde. Bei allen häuslichen Geschäften erzeigen sie sich thätig und gern helfend, vorzüglich in Küche und Stall. Sie kehren und scheuern Hof, Haus und Küche, putzen das Geschirr, schüren das Feuer, putzen und besorgen das Vieh, melken und buttern, hacken und Holz u. s. w. Besonders thätig sind sie, wenn bald Gäste kommen, was sie im Voraus wissen und richten alles auf den Empfang und die Bewirthung derselben ein. Die Waare, welche den andern Tag im Hause verkauft wird, werfen sie gern um. Gewöhnlich kündigen sie ihre Ankunft im Hause zuvor an, wie um sich der guten Aufnahme zu versichern. Wenn ein Kobold einziehen will, findet man Morgens einen Haufen Späne im Hause und die Milch beschmutzt mit Stroh und Dreck aus dem Stalle. Gibt man kein Acht darauf, lässt die Späne ruhig liegen und geniesst die Milch, dann spürt man die Nähe des zutraulichen Geistes sofort, denn er übernimmt jetzt alle Arbeiten, die man ihm aufträgt und sein Walten bringt dem Hause immer Glück und Segen.

Als Dank für seine Arbeit und Mühe bedingt er sich einen Hut, eine rothe Kappe, einen bunten Rock mit klingenden Schellen. Meistens setzt man ihm auch ein kleines Speiseopfer hin; es ist gewöhnlich eine Schale Milch oder Grütze, ein Stück Butter, Kuchen oder Weisbrod, oder ähnliches. Dies darf jedoch nie vergessen werden, wenn man den Geist nicht zum Zorn reizen will. Als ein Mädchen ihm das gewohnte Stück Butter tiefer als sonst in den Brei gesteckt hatte, so dass er es nicht gleich fand, gerieth er so in Zorn, dass er in den Stall lief und der besten Milchkuh den Hals herumdrehte. Zu spät bemerkte er seine Uebereilung, schleppte Nachts die todte Kuh an den Hörnern in ein benachbartes Dorf, wo er eine ähnliche wusste und brachte die letztere an jener Stelle in den Stall. Wie die Zwerge durch mit Kümmel gebacknes oder gepiptes Brod vertrieben werden, so kann man die Hausgeister wegjagen, wenn man Lauch in die Milch wirft, die ihnen hingestellt wird. Unter dem klagenden Ruf: »Lauch, Lauch! Wir ziehen weg und das Glück auch,« entfliehen sie und mit ihnen aller Segen und Vorsput. Das bis dahin gewonnene Gold verwandelt sich in Kohlen, das Vieh, welches sich wunderbar vermehrte und prächtig gedieh, fällt, ein Stück nach dem andern, die Aecker tragen nicht mehr, ein Brand legt Haus und Hof in Asche und bei all dem Unglück hört man den verachteten Geist, wie er lachend das Haus umtanzt.

Auch das diebische Wesen theilen sie mit den andern elbischen Wesen, doch stehlen sie meistens, wie wir eben schon gesehen haben, zum Vortheil ihrer Herren. Zwei solcher Geister wohnten in zwei einander nahe gelegenen Dörfern bei zwei Bauern, deren Heuvorrath gegen das Frühjahr hin nur sehr klein war. Beide machten sich Nachts auf, um anderswo Heu für ihre Herren zu stehlen und der Zufall wollte, dass jeder in die Scheune des Herrn des andern gerieth, wo sie eine gute Tracht Heu auf den Rücken nahmen und sich auf den Rückweg machten. Unterwegs begegneten sie sich und da jeder sah, dass der andere seinen Herrn bestohlen hatte, geriethen sie an einander und kämpften die ganze Nacht. Am folgenden Morgen fand man an der Stelle grosse Heuhaufen liegen.

Da der Kobold so besorgt ist um das Hauswesen, so ist ihm nichts mehr zuwider, als wenn Knechte oder Mägde faul und lässig in ihrem Dienste sind. Solche haben stets von ihm zu leiden, er bläst ihnen dies Licht aus, zieht ihnen die Decken vom Leibe weg, stösst ihnen den Melkkübel um, so dass die Milch verschüttet und verhöhnt sie noch dazu durch sein schadenfrohes Gelächter. Ueberhaupt ist er neckisch und führt gern lustige Streiche auf. Ein Knecht hatte ihn einmal zum Besten gehabt. Dieser schlief in der folgenden Nacht mit seinem Kameraden in einem Bette und er war etwas kleiner, als sein Schlafgesell. Als er nun eben einschlafen wollte, stellte sich der Puk oben ans Bett, fasste den Knecht bei den Haaren und rief: »Nicht gleich!« Und damit zog er ihn so weit hinauf, dass er mit seinem Kameraden gleich lag. Dann trat er ans andere Ende des Bettes, hub die Decke auf und fasste den Knecht an der grossen Zehe, indem er abermals rief: »Nicht gleich!« und zog ihn wieder hinunter. Auf diese Weise zerrte er ihn die ganze Nacht hin und her und man kann sich denken, dass der Knecht dabei kein Auge schliessen konnte.

Diese und andere Neckereien machen ihn oft den Hausbewohnern lästig, denn er übertreibt es dabei nur zu gern, wie er z. B. einem Bauern, der ihn beleidigt hatte, jeden Morgen vor Tagesanbruch den ganzen Hühnerstall in Aufruhr brachte, so dass alle Hähne krähten; das Vieh Nachts im Stalle wild machte, den Bauern selbst bei der Nase zupfte oder bei der grossen Zehe kniff u. a. m. In solchen Fällen scheint kein anderer Rath zu bleiben, als das Haus aufzugeben. Das that ein von ihm sehr geplagter Mann und um recht sicher zu sein, dass er den Kobold los werde, packte er alles Hausgeräth auf einen Wagen und zündete das Haus an, um den Kobold darin zu verbrennen. Dann setzte er sich auf seinen Wagen und wollte fortfahren, da rief es zwischen dem Geräth hervor: »Du, es war Zeit, dass wir uns aus dem Staube machten.« Es war der Hausgeist, der sich dort versteckt hatte. Ein andermal zogen zwei Familien aus zwei Häusern aus, weil sie es schlechterdings nicht mehr darin aushalten konnten. Als das Geräth weggeschafft war, gingen die Dienstmägde aus beiden Häusern mit den Besen auf den Schultern zuletzt aus der Thür. Sie begegneten einander und die eine fragte die andere, wohin sie wolle? Da riefs oben aus den Besen: »Wir ziehen um, wir ziehen um.«

Oft weicht er von selbst, weil der Hausherr, dankbar für die gethanen Dienste, ihm Kleider schenkt. So hatte ein Müller einen Kobold, der ihm lange Jahre hindurch in der Mühle half und zum Lohn jede Nacht nur ein Butterbrod bekam. Den Müller jammerte der nackend erscheinende Geist und er berieth sich mit seiner Frau, sie wollten ihm Kleider machen lassen. Der Schneider wurde gerufen und nähte ihm ein Röckchen und Hosen, welche der Müller Abends zu dem Butterbrode legte. Als der Geist die Kleider fand, zog er sie sogleich an, sprang fröhlich darin herein, aber – er arbeitete nicht mehr.


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