Johann Wilhelm Wolf
Die deutsche Götterlehre
Johann Wilhelm Wolf

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Frouwa, Frikka.♦ Myth. 276. Kuhn in Haupts Zeitschr. V, 373. Zu den Merseburger Gedichten von Jac. Grimm das. II, 189. vgl. V, 1. Wolf Beiträge 179.

Wir kommen zu zwei der hehrsten Göttinnen unserer Vorzeit, deren Cultus alle Grenzen der Stämme überspringend über alle Länder germanischer Zunge verbreitet war, zu Frouwa, der frohen, erfreuenden, lieben, gnädigen Göttin, der Schwester Fros, der erhabenen, von welcher der Name Frau abstammt, nach der die Frau genannt wurde – und zu Frikka, der Gemalin Allvaters, Wuotans, dem freien, schönen, liebenswürdigen Weibe. Beide standen in hoher Verehrung, doch, wie es fast scheint, überwog durchgängig die der Frouwa, der schönsten Personification echter Weiblichkeit; wie denn noch die Minnesänger oft streiten, welcher Name schöner sei, Frau oder Weib, aber zuletzt jenem stets den Vorzug geben, denn Frau bezeichnet die Würde des Weibes, Weib bezieht sich mehr auf das Geschlecht.

Frouwa war vermälet, aber ihr Gatte verliess sie, da zog sie in der weiten Welt unter fremden Völkern ihn suchend umher, bittere Thränen weinend. Diese Thränen waren golden und nordischem Mythus zufolge wird das Gold nach ihnen genannt; die Göttin selbst aber hiess die Thränenschöne.In den Märchen finden wir oft den Zug, dass Perlen und Blumen geweint wenden. Wie Aphrodite den Anmut verleihenden Gürtel, so trug sie einen kostbaren Halsschmuck; ihr Gemach war so stark, dass wenn die Thür verschlossen war, niemand ohne ihren Willen herein kommen konnte. Ihren Wagen zieht ein Gespann von Katzen, die ihr überhaupt heilig waren, wie eine Menge noch umlaufender Aberglauben lehrt;Daher z. B., dass die Braut die Katzen füttern muss, wenn sie einen schönen Hochzeitstag haben will. wenn sie nicht fährt reitet sie und zwar gleich ihrem Bruder Fro auf einem goldborstigen Eber, der mit Windesschnelle die Lüfte durchsaust. Fahrend wurde sie im Norden nur gedacht, wenn sie zu Kampf und Schlacht zog, denn diese mied sie nicht. Auch in Deutschland mischte sie sich in den Kampf. Sie wurde nämlich gleich Holda, mit der sie sich mannichfach berührt, ihres milden, reinen Wesens willen in der christlichen Mythologie durch Maria ersetzt und diese erscheint in vielen Sagen reitend in den Wolken, von wo aus sie Sieg und Niederlage austheilt. Wie in dem nordischen Mythus sie einen geräumigen Pallast hat, in welchem sie die Seelen Gestorbener empfängt, so wird sie auch bei uns dieselben aufgenommen haben und zwar vorzugsweise die Seelen der Frauen.

Frikka theilt der nordischen Ansicht zufolge den Hochsitz Allvaters, von dem herab sie mit ihm die Erde und Alles, was auf derselben ist, überschaut. Sie theilt seine Allwissenheit, darum kennt sie das Schicksal aller Menschen. Wie Holda wurde auch sie im Norden von Kinderlosen angefleht, denn als Ehegöttin schenkte sie der Ehe den Segen der Kinder. In vielen Zügen ist sie überhaupt gleich Frouwa der Holda verwandt, mit der sie gleiche, in einigen Gegenden wohl höhere Verehrung genoss, da sie als Gattin des höchsten der Götter in höherem Rang und Ansehen stand.


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