Johann Wilhelm Wolf
Die deutsche Götterlehre
Johann Wilhelm Wolf

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Einzelne elbische Wesen

kommen noch unter besondern Namen vor und verdienen eine nähere Betrachtung. Zu ihnen gehört der Pilwiz, Bilwiss, ein guter Genius elbischer Natur, der in Bergen und Bäumen wohnt, mit den Zwergen den kleinen unsichtbarmachenden Hut, mit den Elben das gefahrbringende Geschoss theilt. In den jüngsten Jahrhunderten hat der Volksglaube diese alte und edlere Bedeutung des Bilwiss verlierend, nur die feindselige Seite seiner Natur festgehalten: er erscheint nur noch als plagendes, schreckendes, Haar und Bart wirrendes, Getreide zerschneidendes Gespenst, meist in weiblicher Gestalt, als böse Zauberin und Hexe. Ihm verwandt ist der Schrat, (ahd. Serat) ein wilder, zottiger, rauher Waldgeist dem römischen Faun und Silvanus, dem griechischen Satyr vergleichbar. Er kommt nur männlich vor und einzeln lebend, wodurch er sich von den besonders im Südosten Deutschlands bekannten Waldleuten, Holzleutchen oder Moosleutchen unterscheidet, die wohl auch mitunter einzeln erscheinen, jedoch meist als ein zusammen hausendes zwergartiges Völkchen. Ihre Gestalt überragt nur wenig die der Elben, den Zwergen gleich erscheinen sie grau und ältlich, haarig gleich dem Schrat und in Moos gekleidet, daher ihre Frauen auch oft Moosfräulein genannt werden. Bei ihnen schlagen überhaupt die weiblichen Wesen mehr vor; auch wird an der Saale eine Buschgrossmutter genannt, die eine Königin des Völkchens sein wird. Oft nahen sie sich den Holzhauern und bitten um etwas Essen, sie holen es auch wohl ans den Töpfen weg, ersetzen aber das erhaltene auf andere Art, meistens durch gute Rathschläge. Mitunter erscheinen die Waldweibchen, wenn die Leute Brot backen und bitten ihnen einen Laib mit zu backen, so gross wie einen halben Mühlstein, der an eine bezeichnete Stelle im Walde hingelegt werden muss. Das Brot erstatten sie hernach oder sie bringen auch von ihrem eignen Gebäck, das sie den Ackerleuten in die Furche oder auf den Pflug legen, dem der es verschmäht, heftig zürnend. Anderemal zeigt sich das Waldweibchen mit zerbrochenem Schubkärrchen und bittet um Ausbesserung des Rades; dann lohnt es mit dem Abfall der Späne, die sich in Gold wandeln oder es schenkt Strickenden einen Zwirnknäuel, der sich nie ganz abwindet. So oft ein Mensch ein Bäumchen auf dem Stamme dreht, dass der Bast losspringt, muss ein Waldweibchen sterben. Eine Bauersfrau die mitleidig einem schreienden Waldkinde die Brust gereicht hatte, beschenkte die hinzutretende Mutter mit der Rinde, worauf das Kind gebettet war; die Bäuerin brach einen Splitter ab und warf ihn zu ihrer Holzbürde, daheim fand sie, dass er von Gold war.

Im Südwesten Deutschlands sind diese Wesen unter dem Namen der wilden Weibchen oder wilden Frauen bekannt und wohnen im Wald unter Felsblöcken, die der wilden Frauen Haus, der wilden Weibchen Stein, der wilden Frauen Gestühl u. a. genannt werden. Sie verkehren freundlich mit den Menschen, kommen auf ihre Hochzeiten und schenken ihnen glückbringende Dinge. Gleich den Zwergen wohnt ihnen Kunde der geheimen Kräfte der Kräuter und Steine bei. So sagte einst ein wildes Weibchen zu einem Bauer: »Wenn ihr wüsstet wozu die wilden weissen Haiden und die wilden weissen Selben (Salbei) gut sind, dann würdet ihr mit silbernen Karsten hacken.« Als einmal die Bauern ein wildes Männchen fingen, rief das Weibchen ihm nach: »Sag Alles, sag Alles, nur nicht, wozu die wilden Selben gut sind.« Auch des Wetters sind sie kundig: wenn sie ihre schöne weisse Wäsche zum Trocknen aufhängen, so weiss man, dass schöne Tage folgen. Sie lieben Gesang; in der Nähe des wilden Frauen Gestühls bei Dauernheim hörte man oft einen lieblichen dreistimmigen Frauengesang. Ebenso singen sie, wenn eine Braut, die ihnen freundlich gesinnt ist, aus dem Hause der Eltern zur Trauung geht; auch wenn in einem befreundeten Hause ein Kind geboren wird, erschallt ihr Gesang und das bedeutet dem Neugebornen Glück und langes Leben. Als den Zwergen und Elben verwandt, weissagen sie und wissen voraus, wann Jemand sterben wird; oft erscheinen sie alsdann wehklagend in der Nähe des Sterbhauses. Nicht immer sind die Kinder der Menschen vor ihnen sicher. Einem Manne wollten sie seinen Knaben stehlen, aber er merkte es noch frühzeitig genug, nahm ihnen das Kind ab und fragte sie barsch, was sie mit demselben hätten machen wollen? Da sagten die wilden Weibchen: »Er wird bei uns bessere Pflege haben, es wird ihm besser gehen, als zu Hause, und der Knabe wäre uns lieb, Leid wird ihm nicht widerfahren.« Allein der Vater liess das Kind nicht aus den Händen und die wilden Weibchen gingen bitterlich weinend von dannen. Einen Hirtenknaben entführten sie wirklich, die Holzknechte sahen ihn erst ein Jahr nachher in einem grünen Kleid auf einem Stock des Berges sitzen. Den folgenden Tag nahmen sie seine Aeltern mit sich, aber sie gingen umsonst, der Knabe kam nicht mehr zum Vorschein. Vielfach werden ihre schönen langen Haare gerühmt. Diese waren Schuld, dass ein Bauer sich einst in ein wildes Weibchen verliebte, Abends zu ihr ging und sich ohne Scheu neben sie auf ihr Lager legte, ohne jedoch mit ihr zu sündigen. Das Weibchen fragte ihn, als er am folgenden Abend wiederkam, ob er nicht eine Frau habe? Der Bauer sprach nein, obgleich es die Unwahrheit war. Als er am Abend des dritten Tages wieder ausging, machte seine Frau sich allerlei Gedanken, wohin ihr Mann wohl gehen möge, spähte ihm nach und fand ihn auf dem Felde schlafend neben dem wilden Weibchen. »O behüte Gott, sagte sie zu dem Weibchen, deine schönen Haare! Was thut ihr denn da miteinander?« Mit diesen Worten wich des Bauern Frau, der Bauer war aber sehr erschrocken. Da sprach das Weibchen: »Hätte deine Aerger und bösen Hass gegen mich zu erkennen gegeben, so würdest du jetzt unglücklich sein und nicht mehr von dieser Stelle kommen, aber weil deine Frau nicht böse war, so liebe sie fortan und hause getreu mit ihr und untersteh dich nicht mehr daher zu kommen. Nimm diesen Schuh voll Geld von mir, geh hin und sieh dich nicht mehr um.«

Auch die Moosweibchen sind gleich den Zwergen unzufrieden mit dem heutigen Weltlauf, sie ziehen sich zurück und verschwinden endlich ganz, denn »es ist keine gute Zeit mehr«.


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