Johann Wilhelm Wolf
Die deutsche Götterlehre
Johann Wilhelm Wolf

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Perahta.♦ Myth. 280. Beide letztere Göttinnen sind in zahllosen Sagen noch unter dem Volk bekannt.

Die Gegenden Deutschlands, welche Holda nicht kannten, Schwaben, der Elsass, die Schweiz, Baiern und Oesterreich verehrten die ihr verwandte Perahta,Gewöhnlich Berchta, Perchta, auch die wilde eiserne Bertha genannt und als solche im Namen der weissen Frau völlig gleichbedeutig, die als Ahnmutter fürstlicher Geschlechter erscheint. Diese ist aus der Göttersage in die Heldensage übergegangen. d. i. die Leuchtende, die Glänzende, Weisse, Hehre. Gleich Holda führt sie strenge Aufsicht über die Spinnerinnen und verdirbt, was sie am letzten Tage des Jahres unabgesponnen findet. Gleich ihr hält sie ihren feierlichen Umzug durch das Land, der Segen und Freude bringt. Ihr Festtag, der noch heute unter dem Namen der Perchtentagder 6 Januar, das Fest der Erscheinung Christi. bekannt ist, wurde durch eine bestimmte Speise begangen, Brei und Fische, deren einen Theil man ihr zum Opfer hinstellte.

Als der Göttin des Anbaues der Erde ist der Pflug ihr heiliges Geräth. Auch sie ist die Göttin der Ehen, auch bei ihr wohnen die Seelen der Ungebornen. Wenn sie umzieht fährt sie gleich Holda als eine grosse, hehre Frau auf ihrem goldnen Wagen, gefolgt von grossen Schaaren der Kinderseelen, welche den heiligen Pflug ihr nachführen, deren Königin sie genannt wird. Gewöhnlich gütig und mild erzürnt sie doch leicht, sobald man ihrer spottet und dann ist ihre Strafe eine sehr strenge. So erzählt eine Sage, wie eine Spinnerin den abgesponnenen Rocken in der Hand spät in der Perchtennacht wohlgemuth nach Hause ging und der Göttin mit dem Kinderzuge begegnete. Beim Anblick der Kinder, die alle von gleicher Art und Grösse schienen und den Pflug und anderes Wirthschaftsgeräth trugen, konnte das Mädchen sich nicht enthalten, laut auf zu lachen. Da erzürnte Perchta, trat vor die Leichtfertige hin und blies sie an, dass sie auf der Stelle erblindete. Das arme Mädchen fand mit Mühe den Weg ins Dorf, sie war nun unglücklich, konnte nicht mehr arbeiten und sass traurig am Weg und bettelte. Als das Jahr verstrich und Perchta in der ihr heiligen Nacht wieder durch die Fluren zog, bettelte die Blinde, weil sie Niemand kannte, auch die vorüberziehende Göttin an. Da sprach Perchta gütig: ›Voriges Jahr blies ich hier ein paar Lichtlein aus, so will ich heuer sie wieder anblasen,‹ und bei diesen Worten blies sie der Magd in die Augen, welche alsbald wieder sehend wurden.


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